Ein weiteres fragwürdiges Urteil beruhend auf dem Corona-Narrativ

„Es gibt kein richtiges Leben im falschen“ (Theodor W. Adorno). Das polit-mediale Corona-Narrativ basiert auf vier fragwürdigen Grundentscheidungen: „Corona verursachte eine katastrophale Übersterblichkeit“, „Lock-Downs nutzen effektiv“, „Masken im Alltag schützen“, „die Impfung bietet Fremdschutz und rettet aus der Pandemie“. Solange die Justiz ihre eigene Verstrickung in dieses Narrativ nicht aufarbeitet, gibt es keine richtigen Urteile im Falschen.

In der Corona-Zeit sind in der Bundesrepublik mindestens 200.000 Menschen in Heimen und Krankenhäusern einsam und verlassen gestorben. Sie durften wegen rabiater staatlicher Zugangsverbote nicht von Angehörigen oder Seelsorgern besucht werden. Ich habe bei einigen Angehörigen seelsorgerisch mitbekommen, wie schwer sie darunter gelitten haben, weil sie ihre Liebsten in dieser wichtigen Lebensphase im Stich lassen mussten. Einige leiden noch heute daran. „Man darf gar nicht darüber nachdenken.“ Man scheint die Corona-Zeit individuell oder gesellschaftlich verdrängen zu müssen, weil man ansonsten irre werden könnte.

Ohne die Begleitung durch seine Lieben sterben zu müssen, tritt die Würde des Menschen mit Füßen. Der Staat hat mit seinen Corona-Verordnungen das Grundgesetz Artikel 1 zulasten der Sterbenden ausgelegt. Ob es zugunsten der Lebenden war, dazu gab und gibt es immer noch keine überzeugenden empirischen Belege.

Dass Seelsorgern die Begleitung Sterbender verboten wurde, tritt aber auch das Bundesinfektionsschutzgesetz mit Füßen, das jedem Menschen die Möglichkeit einer seelsorgerischen Begleitung in Pandemiezeiten zugesteht. „Dem Seelsorger oder Urkundspersonen muss (!) der behandelnde Arzt den Zutritt unter Auferlegung der erforderlichen Verhaltensmaßregeln gestatten“ (IfSG § 30.4).

Die Amtskirchen haben das Besuchsverbot für Kranke und Sterbende mitgetragen, obwohl das dem IfSG § 30.4 eindeutig zuwiderlief. Die Kirchenoberen haben in ich-schwacher Staatsergebenheit ihre Pfarrer nicht ermutigt, gegen das Besuchsverbot mit dem Bundesinfektionsschutzgesetz im Rücken zu rebellieren.

Einer der wenigen Rebellen war Pfarrer Peter O. aus Thüringen. Er wurde von einem Gemeindeglied angerufen. Sie kannte ihren Pfarrer schon über 35 Jahre und sie wollte im Endstadium ihrer Erkrankung von ihm begleitet werden, zumal ihre eigenen Kinder nicht zu ihr gelassen wurden. Das Altenheim verwehrte Pfarrer Peter O. den Zugang zum Haus und verwies auf das Telefon als einzig mögliches Mittel der Sterbebegleitung.

Pfarrer Peter O. ließ nicht locker. Er konnte es einfach nicht fassen, dass eine Gesellschaft wegen einer Krankheit, die mit einer alle Jahre wieder auftretenden überdurchschnittlichen Grippewelle vergleichbar war, ihre Kranken und Sterbenden so jämmerlich im Stich ließ. Er reichte über das Amtsgericht Jena einen Antrag auf Zutrittserlaubnis zum Altenheim ein.

Im Amtsgericht arbeitete seine Tochter Anna K. als angehende Richterin. Sie kannte von Kindheit an die Arbeit und das Engagement ihres Vaters. Und sie kannte das Infektionsschutzgesetz § 30.4, in dem der Gesetzgeber ausdrücklich und unmissverständlich den Seelsorgern keinerlei Einschränkungen beim Besuch erkrankter Personen in Einrichtungen zugesichert hat.

Ich bin mir sicher, dass die Vollblut-Juristin Anna K. wusste, dass sie als Tochter ihrem Vater nicht einen Gerichtsbeschluss schreiben durfte. Doch ich kann mir ebenso vorstellen, dass Anna K. ahnte, dass wohl kein anderer Richter in der damaligen polit-medial aufgeheizten Pandemie-Panik-Situation zu einem sachlich korrekten Beschluss im Sinne von IfSG § 30.4 zugunsten der Sterbenden bereit gewesen wäre. Wenn schon die offizielle Kirche sich nicht für das seelsorgerische Besuchsrecht stark gemacht hatte, wie viel weniger konnte sie es von ihren mehr oder weniger seelsorgefremden Kollegen erwarten, mithilfe sachlicher Rechtsprechung für das seelsorgerische Besuchsrecht einzutreten und damit gegen den damaligen gesamtgesellschaftlichen hysterischen Pandemie-Strom zu schwimmen.

Damit war Anna K. in einer Zwickmühle. Sie würde sich auf jeden Fall schuldig machen. Sie würde sich schuldig machen, wenn sie einen Gerichtsbeschluss im Sinne des IfSG § 30.4 für ihren eigenen Vater ausstellen würde. Sie würde sich aber ebenfalls schuldig machen, wenn sie den menschenwürdigen Wunsch der Sterbenden nach Begleitung missachten würde. Anna K. war in einer klassischen Dilemma-Situation gefangen. Leider ist das Leben kein Ponyhof, wo man in jeder Situation mit dem Recht die eine alternativlos richtige Entscheidung treffen kann.

Anna K. entschied sich dafür, ihrem Vater sachlich und nüchtern das seelsorgerische Besuchsrecht gemäß des Infektionsschutzgesetzes zugunsten der Sterbenden durch einen richterlichen Beschluss zu erwirken. Die angehende Richterin hielt mit ihrem Vorgehen den eigenen Kopf hin für das Grundgesetz Art 1 und für das Infektionsschutzgesetz § 30.4. Vielleicht hat ihre profunde Beschlussbegründung sogar mit dazu beigetragen, dass einige Tage später der Freistaat Thüringen das einrichtungsbezogene Besuchsverbot für Seelsorger aufhob.

Pfarrer Peter O. hatte durch den Beschluss seiner Tochter keinen persönlichen Vorteil. Er hatte dadurch die Mehrarbeit einer Sterbebegleitung. Bei gleichem Beamtengehalt hätte er sich in dieser Zeit auch zurücklehnen und seinem Hobby nachgehen können; dann hätte er auf jeden Fall weniger Ärger bekommen. Denn das scheint seit Corona die neue Arbeitsmoral „made in Germany“ zu sein: Die gesellschaftlichen Helden sind nicht die, die etwas unternehmen, sondern die zuhause mit der Chips-Tüte auf dem Sofa herumlümmeln und mit Maske auf dem Mund zufrieden sind.

Vielleicht wäre die ganze Sache im Sande verlaufen, wenn der Vater lediglich still und heimlich mit dem richterlichen Beschluss sein Gemeindglied besucht hätte. Doch der Seelsorger hatte mithilfe des Gerichtsbeschlusses anderen Pfarrern Mut machen wollen, ebenfalls Sterbende zu besuchen, weil IfSG § 30.4 für alle Seelsorger gelte. Den Namen seiner Tochter und alle anderen Namen hatte er geschwärzt und dann den Beschluss samt Begründung an viele Kollegen weitergeleitet. Das hat wohl das Fass zum Überlaufen gebracht. So viel Rebbellion und Anstachelung zugunsten der Menschenwürde und des Infektionsschutzgesetzes, das geht gar nicht.

Dann ging es Anna K. an den Kragen. In einem internen Disziplinarverfahren wurde ihr der Richterstatus aberkannt. Jetzt am 21.6.2024 ist Anna K. vom Landgericht Gera wegen Rechtsbeugung zu einem Jahr auf Bewährung verurteilt worden. Wenn das Urteil in Kraft tritt, verliert sie ihre Approbation als Rechtsanwältin. Dann müsste die junge Mutter ein zweites Mal nach Richterin und Rechtsanwältin ihre berufliche Existenz neu erfinden. Anna K. ist gegen das Urteil in Berufung gegangen; eine Spendeneinsammelaktion ihrer Schwester hat diesen Weg finanziell möglich gemacht. Das Urteil des Landgerichts Gera wird meines Erachtens nicht der ethischen und rechtlichen Dilemma-Situation gerecht und hat sich einseitig auf die Schuld der Tochter fixiert, dem Vater einen Gerichtsbeschluss ausgestellt zu haben. Die eigene Schuld, als Justiz nicht für die Durchsetzung von GG Art.1 und IfSG § 30.4. gegen eine staatlich übergriffige Lock-Down-Unkultur eingetreten zu sein, sieht das Landgericht nicht.

Wir können nur ahnen, was diese existenzbedrohenden Urteile gegen die eigene Tochter körperlich und psychisch am Herz des Vaters Peter O. ausgelöst haben.

Immer noch werden im Zusammenhang mit Corona engagierte und bis dato rechtschaffene Ärzte, Pfleger, Soldaten, Juristen und andere Leute verurteilt, obwohl wir heute mehr und mehr evidenzbasiert wissen, dass sie mit den ihnen vorgeworfenen Straftaten wesentlich mehr Nutzen als Schaden angerichtet haben. Es ist irgendwie verrückt: Diejenigen, die mit ihren Maßnahmen mehr Schaden als Nutzen angerichtet haben, werden mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet; aber diejenigen, die mit ihren Taten mehr Nutzen als Schaden angerichtet haben, werden rigoros verurteilt.

Je stärker das Corona-Narrativ ins Wanken gerät und damit auch die Absurdität der politischen Corona-Maßnahmen deutlicher werden, desto mehr werden diejenigen zu wahren Helden, die schon früh unter Einsatz ihrer Existenz auf die Unrechtmäßigkeit der Maßnahmen hingewiesen haben.

Die Justiz scheint immer noch in den Bahnen des Corona-Narrativs zu denken und zu urteilen. Das ist für sie sicherlich am einfachsten, weil sie dann nicht ihr eigenes (Fehl)Verhalten in der Corona-Zeit aufarbeiten muss. Allerdings schwindet damit das Vertrauen von kritischen und wachsamen Bevölkerungsteilen in eine Justiz, die immer noch nicht anfängt, selbstkritisch ihr blindes Vertrauen in die staatliche Coronapolitik und die öffentlichen Äußerungen der staatlichen Gesundheitsinstitutionen zu hinterfragen.

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Kommentare ( 10 )

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jopa
1 Monat her

Die Justiz unterliegt den Weisungen des Ministers. Konterrevolutionäre sind strengstens zu bestrafen. Noch Fragen?

fischer
1 Monat her

Jeder Ihrer Beiträge ist für mich ein Gewinn.
Wie halten Sie es eigentlich noch in Ihrer woken Kirche aus ?

Je me souviens
1 Monat her

Wieder einmal ein Volltreffer des begnadeten, blitzgescheiten Pfarrers Achijah Zorn. Geradezu unerträglich tragisch seine Geschichte. Prägnanter kann man mit den 21 Worten im Intro die List des verführenden und Panik schürenden „Lügenbarons“ und „Fürst der Welt“ nicht auf den Punkt bringen: „Corona verursachte eine katastrophale Übersterblichkeit“, „Lock-Downs nutzen effektiv“, „Masken im Alltag schützen“, „die Impfung bietet Fremdschutz und rettet aus der Pandemie“. Die Menschen, die seiner List auf den Leim gegangen sind und sich gar mit ihm verbündeten, sind bedauernswert, aber letztlich doch für erlittenes Leid selbst verantwortlich, denn verlässliche(!) Information ist gerade heute eine Holschuld – mehr denn je.… Mehr

rbayer
1 Monat her

anna k.ist formal im unrecht. m. e. nicht deshalb, weil sie den beschluss inhaltlich so gefasst hat, wie er aussieht, sondern wegen ihres verwandschaftsverhältnisses. ein anderes urteil kann man von der justiz nicht erwarten, und ein anderes urteil möchte ich auch nicht erwarten. aber: dieser fall und viele andere ähnlich gelagerte wären prädisteniert für eine ausnahme: für eine (general-)amnestie. dafür bräuchte man aber ein entsprechendes gesetz des parlamentes, d. h. des bundestages. der herr bundespräsident könnte hier nur im einzelfall agieren, und dann im sinne einer begnadigung, die sich von der bedeutung her doch erheblich von einer amnestie unterscheidet. beides… Mehr

Last edited 1 Monat her by rbayer
Rolfo
1 Monat her

Guter Artikel, danke!

joerg hensel
1 Monat her

Da das Grundgesetz seit 34 Jahren nicht mehr existiert (b.b.), ist auch die Rechtsgrundlage für Richter und Gerichte entfallen. Es handelt sich daher um Privatpersonen in schwarzer Robe ohne grundgesetzliche Legitimation, was im Übrigen das Phänomen der Scheinurteile (fehlende richterliche Unterschrift) und das der fehlenden Gewaltenteilung resp. die völlige politische Abhängigkeit der „Richter“ erklärt. – Wenn ihr eure Augen nicht gebraucht, um zu sehen, werdet ihr sie brauchen, um zu weinen. Jean-Paul Charles Aymard Sartre.

Sapere aude

der Doc
1 Monat her

Gut daß die allermeisten dieser … wahrhaft DEUTSCHEN Richter/*(würg-spotz…Innen), die solche „Urteile“ fällen, selbst gespiked und voll „geboostert“ sein dürften…
Wie sagt man:
Die effektivste Art zu lernen ist Lernen durch Schmerz!

Hermann Martin
1 Monat her

 Das ruft bei mir (examinierter Altenpfleger) sofort wieder die Erinnerungen wach… Drei selbst erlebte Beispiele von konkreten Menschen: 1. Eine Frau, zeitlebens Mittelpunkt einer katholischen Großfamilie. Ihr Mann war kurz vor Weihnachten verstorben. Tägliche herzliche Besuche ihrer Kinder und Enkel bei ihr im Altenheim waren üblich. Über Weihnachten 2021 waren plötzlich alle Besuche verboten. Ich beobachtete, wie diese Frau, ohne organische Ursachen, in wenigen Tagen apathisch wurde und offenbar an Einsamkeit verstarb. 2. Eine Frau, die nach Sturz ins Krankenhaus musste und nach einer Woche an den Folgen verstarb. Beim Ausräumen des Zimmers wurden wir konfrontiert damit, wie untröstlich die… Mehr

achijah
1 Monat her
Antworten an  Hermann Martin

Vielen Dank. Ihre Erlebnisse berühren mich sehr. Wie alle Kommentare hier. Das alles gesellschaftlich nicht aufzuarbeiten, hinterlässt ein Krebsgeschwür für die Gesellschaft. Ich werde darum bis zu meinem Lebensende dafür einstehen, dass dieses Thema nicht unter den Teppich gekehrt wird.

Johann P.
1 Monat her

Lieber Achijah Zorn, mit jedem Satz, den ich in Ihrem aufrüttelnden Bericht las, stieg erneut meine Wut über die offensichtlichen Verbrechen, welche in der Corona-Zeit begangen wurden und die auch heute noch in der (nicht stattfindenden) „Aufarbeitung“ derselben begangen werden. Es ist einfach unglaublich, mit welcher Menschenverachtung der „Staat“ damals agierte und sich bis heute weigert, sich seiner Verantwortung zu stellen. Daß heute noch solche schändlichen Urteile, wie das beschriebene, gefällt werden, schlägt dem Faß den Boden aus! Und das alles passiert im „christlichen“ Abendland, derweil die (Amts-)Kirchen dazu schweigen, es ist nicht zu glauben. Danke, daß wenigstens Ihre Stimme… Mehr