Ein kleiner Fall aus dem Ruhrgebiet, der die Schwächen unseres Justizsystems offenlegt

Bei einer Gerichtsverhandlung werden fundamentale Risse in unserem deutschen Justizsystem und Rechtsstaat sichtbar.

Amtsgericht Duisburg. Montag 17.3.2025. Verfahren gegen Herrn M.
Anklage: „Gebrauch eines unrichtigen Gesundheitszeugnisses“ zur Maskenbefreiung. Als stille Öffentlichkeit waren über 30 Menschen im Verhandlungsraum anwesend.

Herr M. hatte zu Beginn der Coronazeit selber Maske getragen. Dann aber zeigten sich bei ihm durch die Maske verschiedene körperliche und psychische Symptome. Sein Hausarzt, der ihn seit 20 Jahren kennt und behandelt, hat ihm nach eingehender Untersuchung ein Attest zur Maskenbefreiung ausgestellt. Dieses Maskenattest hat Herr M. ohne Probleme in vielen Alltagssituationen verwendet.

Im Jahr 2021 hat Herr M. mit seiner Partnerin etwas gemacht, was die Lage verändert hat. Die beiden haben Masken und Corona-Teststäbchen an verschiedene Labore geschickt, um sie auf ihre Toxizität untersuchen zu lassen. Dabei kam heraus, dass die Ausdünstungen und Inhaltsstoffe zum Teil jenseits der erlaubten Grenzwerte für Kinder liegen. Daraufhin schrieb Herr M‘s Partnerin die nordrheinwestfälische Bildungsministerin an und forderte diese aufgrund der Befundergebnisse auf, über den Einsatz von Masken und Teststäbchen in Schulen neu nachzudenken. Nachdem das Bildungsministerium mehrfach unzureichend reagiert hat, hat M’s Partnerin Strafanzeige gegen die Bildungsminsterin gestellt wegen „Kindeswohlgefährdung“.

Die Polizei rief die beiden ins Präsidium zum „informellen Gespräch“ aufgrund ihrer Anzeige gegen die Bildungsministerin. Dabei riet der Polizist davon ab, Strafanzeigen gegen Politiker zu stellen. Zudem warf der Polizist Herrn M. vor, dass er nicht den Aufzug benutzt habe, also sein Gesundheitszustand doch wohl so gut sei, dass er keine Maskenbefreiung bräuchte. Der Polizist stellte Strafanzeige gegen Herrn M. wegen Gebrauch eines unrichtigen Gesundheitszeugnisses. Wegen eines Anfangsverdachtes auf „Ausstellen unrichtiger Urkunden“ wurde zudem die Praxis des Hausarztes von Herrn M. durchsucht. Das Verfahren gegen den Hausarzt ist mittlerweile eingestellt, da der Hausarzt nur Maskenbefreiungsatteste nach eingehender medizinischer Untersuchung und ordentlicher schriftlicher Begründung ausgestellt hatte. Für den Hausarzt ist bis heute die damalige polizeiliche Praxisdurchsuchung ein Schockerlebnis.

Während die Anzeige von Herrn M’s Partnerin gegen die Bildungsminsterin im Sande verlaufen ist, musste Herr M. jetzt im März 2025 selber vor Gericht antreten wegen „Gebrauch eines unrichtigen Gesundheitszeugnisses“. Die Richterin hörte sich alles aufmerksam an und schlug am Ende Folgendes vor: Das Verfahren könnte eingestellt werden, wenn Herr M. maximal 300 Euro an eine wohltätige Organisation zahle und die Staatsanwaltschaft dem auch zustimmen würde. Die Gerichtskosten würde der Staat tragen. Die Kosten der rechtsanwaltlichen Verteidigung müsse der Angeklagte selber bezahlen. Wenn der Angeklagte sich auf diese gütliche Einigung nicht einlassen würde, müsste das Verfahren aufwendig mit vielen Zeugen weitergeführt werden mit einem ungewissen Ausgang.

Herr M. stimmte dem Vorschlag zu. Er hätte zwar keinerlei Schuld auf sich geladen, aber er würde sowieso regelmäßig für Tierschutz spenden und seine Familie wären froh, wenn die Belastung dieses Strafverfahrens endlich ein Ende hätte. Auch die Staatsanwaltschaft stimmte dem Vorschlag zur Verfahrensbeendigung zu.

Soweit das Verfahren, wie ich es verstanden habe. Das hinterlässt bei mir einige grundsätzliche Fragen, die mir bei immer mehr Verfahren in Deutschland kommen:

Ein Polizist maßt sich als unqualifizierter Hobbiearzt ein medizinisches Urteil über eine Person an, die er medizinisch kaum kennt. Der Polizist stellt seine Diagnose über die Diagnose eines qualifizierten Fachmanns. Das ist nicht weiter schlimm. Sich selber überschätzende Menschen gibt es in allen Berufen. Es wird aber schlimm, wenn die Staatsanwaltschaft solche unqualifizierten Vorwürfe aufnimmt und dann Strafverfolgungsmaßnahmen einleitet. Ist es nicht die wichtige Aufgabe eines Staatsanwaltes, unqualifizierte Anzeigen auszusortieren und damit Bürger und das Gerichtssystem vor unausgegorenen Anzeigen zu schützen? Warum haben es unausgegorene Anzeigen in unserem Land leichter, wenn sie dem politischen Narrativ entsprechen? Und warum haben es qualifizierte Anzeigen in unserem Land schwerer, wenn sie dem politischen Narrativ widersprechen?

Der Hausarzt musste eine Praxisdurchsuchung über sich ergehen lassen. Dabei ist nichts Belastendes gefunden worden. Der Staat ist also einer fälschlichen oder gar verleumderischen Beschuldigung auf den Leim gegangen. Wie wird der Hausarzt dafür entschädigt? Es kann ja nicht sein, dass Staatsorgane die Bürger ohne eigenes Risiko schikanieren dürfen und alle Kosten dafür bei dem Bürger bleiben, in diesem Falle mindestens hohe seelische Kosten.

Der gütliche Einigungsvorschlag der Richterin mag ein guter Kompromiss sein, mit dem alle Seiten Leben können und irgendwie ihr Gesicht wahren. Und doch bleibt bei mir auch da ein bitterer Nachgeschmack. Wenn dem Angeklagten nichts wirklich Belastendes nachgewiesen werden kann, warum muss er dann etwas spenden? Und warum bleibt er auf seinen Anwaltskosten sitzen? Damit hat das Justizsystem durch die Hintertür „Bestrafung durch Verfahren“ eingeführt. Diese Bestrafung trifft den Angeklagten auf jeden Fall, egal wie das Verfahren ausgeht. Damit werden Strafverfahren zu einer Versuchung für Politiker, die gegenüber der Staatsanwaltschaft weisungsbefugt sind. Politische Narrative werden juristisch flankiert, indem kritische Menschen durch legale Verfahren verängstigt und schikaniert werden, obwohl die Angeklagten lediglich ihre freiheitlich-demokratischen Rechte in Anspruch nehmen.

Ich selber bin kein Jurist. Vielleicht habe ich manches in dieser Kolumne juristisch nicht perfekt ausgedrückt. Aber die Rechtsprechung in einem Rechtsstaat ist einfach zu wichtig, um sie alleine den Juristen zu überlassen. Innerhalb des deutschen Justizsystems haben sich offensichtliche Unwuchten herausgebildet, die den demokratischen Diskurs und das bürgerliche Vertrauen in das Justizsystem beschädigen. Auch im Justizsystem besteht ein unbedingter Reformbedarf, wenn es noch weiterhin als Säule der deutschen Demokratie gelten möchte.

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Kommentare ( 24 )

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jopa
15 Stunden her

Also: Die Justiz ist eine feste Säule „Unserer“ Demokratie, festverankert im System, mit weisungsabhängigen Staatsanwälten und mit „Rechtsbeugung“ gleichgeschalteten „unabhängigen“ Richtern. Moderne Version der Rechtssprechung nach Gutsherrnart oder sozialistische Klassenjustiz. Nach „unserer“ Demokratie nun „unsere“ Justiz.

Marcel Seiler
1 Tag her

Ob die Darstellung des Falls durch den Nichtjuristen-Autor korrekt ist, weiß ich nicht. Die Schilderung entspricht aber völlig dem Eindruck, den ich auch habe: Juristische Verfahren werden zunehmend dazu missbraucht, Unschuldige DURCH DAS VERFAHREN SELBST zu bestrafen.

Wütend macht mich auch – sofern die Darstellung richtig ist – die Richterin: Anstatt Recht zu sprechen, was ihre höchste Aufgabe ist, will sie es jedem Recht machen und profiliert sich als Konfliktschlichterin. Dadurch hat sie ein Minimum an Arbeit und macht sich bei ihrem Dienstherrn lieb-kind. Ja, so ist Deutschland geworden. Ich empfinde das als ein wenig ekelig.

Last edited 1 Tag her by Marcel Seiler
Der Person
1 Tag her

Tja, so ist das, wenn es keine Gewaltenteilung gibt und Urteile durch faktisch sakrosankte „Vollgötter in schwarz“ getroffen werden. War im Dritten Reich nicht anders, in der DDR auch nicht, ebensowenig in der BRD (siehe Ingo Müllers „Furchtbare Juristen“). Und der Beruf des Richters zieht nun mal ganz besondere Charaktere an, das sind ja keine Ältesten mehr, die man aufgrund ihrer Weisheit auswählt, sondern 18jährige Abiturienten, die sich in jugendlicher Arroganz anmaßen, über das Schicksal ihrer Mitmenschen bestimmen zu können. Und die dann durch das Justizsystem auf Linie gezogen werden. So wie in der Politik bzw. in den Parteien, da… Mehr

Ben Clirsek
1 Tag her

Der Staat ist also einer fälschlichen oder gar verleumderischen Beschuldigung auf den Leim gegangen.“„ Falscher kann man den Sachverhalt gar nicht beschreiben. Der Staat selber hat beschuldigt. Er hat dieses falsche und verleumderische Verfahren inszeniert.

Regenpfeifer
1 Tag her

Bananenrepublik Deutschland eben. Da fällt mir ein Reim aus den Zeiten der Weimarer Republik ein:
„Es findet keinerlei Zensur mehr statt
 nur wenn der Staat es dringend nötig hat
 und auch die Kunst und Wissenschaft sind frei
 das Nähere bestimmt die Polizei.“ -Erich Weinert

Elmar
1 Tag her

Die Staatsanwälte in Deutschland sind noch nie über den Büttel der jeweils Regierenden hinausgekommen. Ein in meiner Nachbarschaft wohnender Staatsanwalt, dem ich das bei einer passenden Gelegenheit mal gesagt habe, redet seitdem kein Wort mehr mit mir.

Markus Gerle
17 Stunden her
Antworten an  Elmar

Dann machen Sie sich doch noch den Spaß und sagen ihm, dass sie Verständnis für Leute haben, welche die AfD wählen. Oder noch schlimmer: Dass sie selbst überlegen, die AfD zu wählen. Es geht noch schlimmer: Sagen Sie ihm, dass sie die AfD gewählt haben oder gar Parteimitglied sind. Ich habe das Experiment bei einem privaten Treffen gegenüber einem Richter gewagt (nur die eigentlich harmlose Variante mit dem Verständnis). Der Hass und die Hetze, die einem dann entgegenschlägt, ist unbeschreiblich. Für links-grüne Richter und Staatsanwälte (und welcher Richter und Staatsanwalt ist heutzutage nicht links-grün?) sind solche Wähler keine Menschen. Es… Mehr

Ali Mente
1 Tag her

Das auf Linie bringen der Justiz, der Sicherheitskräfte sowie der Medien, haben wir der CDU und Frau Merkel zu verdanken. Man erinnere sich noch an die Einbestellung des BvG in Merkels Kanzleramt! Grüne und Linke, aber auch Merz machen nun gerne Gebrauch davon. Die vorzeitige Rückmeldung des BvG an die CDU bzgl. der Einsprüche gegen die Sitzung des abgewählten Bundestages, sprechen Bände.

Micci
1 Tag her

ich blicke mal in die Geschichte: Rechtssystem der DDR, die berüchtigte „Fa. Freisler“ (so der unvergleichliche H. M. Broder) … wann wäre das Justizsystem eines Landes jemals etwas anderes gewesen als die Handlangerschaft der Mächtigen? Und Herrn Harbarth habe ich lediglich nicht angeführt, weil der ja noch nicht Geschchte ist, sondern präise genau die Gegenwart, unter der wir schon jetzt mächtig leiden ! Vielleicht kein Wunder, dass die Juristerei keine kantigen Persönlichkeiten hervorbringt. Schon auf dem Campus können Geübte unschwer ausmachen, wer hier Physik, Maschinenbau, Sozialgefasel oder eben Jura studiert. Und – wer ist hier Zitatekönig und kann folgendes nette… Mehr

weihnachtsmann_frau_lein
1 Tag her
Antworten an  Micci

Ludwig Thoma

H. Priess
1 Tag her

Legislative, Judikative, Exekutive vs Volk! Das ist alles eine Soße, von Linksgrünrotwoken durchseucht. Urteile im Namen des Vokes, wird das überhaupt noch vom Richter gesagt, gegen das Volk. Urteile die abschreckend wirken sollen, verurteile Einen, erziehe Hunderte, mittlerweile sind die Einen schon Legion geworden und dieses System des Unrechts wuchert weiter und weiter. Die ehemalige Justizministerin Barley sagte mal sinngemäß: Das gesprochene Recht hat mit dem Rechtsempfinden der Bürger überhaupt nichts zu tun. So sehen die Urteile auch aus.

Martell
1 Tag her

Auf die Spitze getriebenes Recht kann größtes Unrecht bedeuten.