Der größte Feind der Polit-EKD ist Martin Luther

Der große Reformator Martin Luther stand vor genau 500 Jahren dem Kaiser gegenüber für das Gegenteil von dem, was heute die EKD ist. Die Politik-EKD hat kein standfestes theologisches Fundament.

Eine überwältigende Mehrheit der Funktionäre in der evangelischen Kirche sieht es als einen wichtigen kirchlichen Auftrag an, sich in die Politik einzumischen. Und dieses Einmischen in die Politik soll nicht nur durch die einzelnen Christen passieren, die sich da politisch engagieren, wo sie sich berufen fühlen. Dieses Einmischen in die Politik soll darüber hinaus durch die Gremien und Institutionen die Kirche selbst passieren.

Kurz: Die Institution Kirche will in politischen Fragen nicht nur FORUM für Christen unterschiedlicher Coleur sein; sie will selber politischer FAKTOR sein. Dieses Faktorsein wird dann noch durch hochtrabende theologische Etiketten geschmückt, indem man vom „Wächteramt für die Gesellschaft“ oder vom „Prophetenamt“ der Kirche für die Öffentlichkeit spricht.

Wenn die EKD aber politischer Faktor sein will, dann darf sie kein pluralistischer gärender Haufen sein, sondern dann muss sie in politischen Fragen auf Eintracht getrimmt werden. Denn das ist klar: Zuviel innerkirchliche Diskussion oder sogar Streit würde das vermeintliche Prophetenamt und Wächteramt der Kirche entscheidend schwächen. Von daher ist es verständlich, wie stark in den letzten Jahren aus diesem theologischen Ansatz heraus der politischer Konformitätsdruck innnerhalb der ev. Kirche zugenommen hat. Die Konzeption der Kirche als klarer politischer Faktor wird um Gleichschaltung nicht herumkommen.

Damit stellt sich aber die Frage, wie eine solche politische Eintracht der evangelischen Kirche hergeleitet werden kann.

Ein päpstliches unfehlbares Lehramt, das die Eintracht autoritär herstellen könnte, hat die evangelische Kirche nicht.

Zeit zum Lesen
„Tichys Einblick“ – so kommt das gedruckte Magazin zu Ihnen
Die Bibel als Heilige Schrift mit 66 unterschiedlichen Büchern aus über 1000 Jahren Entstehungsgeschichte kann auch keine politische Eintracht erzeugen. Die Bibel verfolgt in den meisten politischen Fragen keine einheitliche Linie: In der Friedensfrage ist vom Pazifismus bis hin zum berechtigten Schwert des Staates in der Bibel alles vertreten; in der Frage der Gerechtigkeit geht die Spannbreite der Bibel von einer Verteilungsgerechtigkeit bis hin zu einer Leistungsgerechtigkeit; in der Migrationsfrage kann man von einer Willkommenskultur bis hin zu einer gewaltsamen Trennung von Ausländern alles in der Bibel finden. Die Bibel hat in politischen Fragen ein erstaunlich weites Herz.

Zwar kann die Polit-EKD „Bibel-Rosinen-Pickerei“ betreiben. Sie kann ihre einseitigen Lieblingsstellen immer wieder herausheben und werbewirksam als wahrhaft biblisch publizieren. In einer Gesellschaft, in der das Bibelwissen nahezu verdunstet ist, fällt so eine Rosinen-Pickerei vielleicht nicht einmal auf. Doch alle Menschen, die noch ein wenig die Bibel kennen, werden diesen ideologischen Missbrauch der Bibel schnell durchschauen, zumal die EKD-Lieblings-Bibel-Stellen oft nur mit viel Blauäugigkeit auf gegenwärtige Kontexte übertragen werden können.

Wenn aber auch die Bibel als Grundlage der Eintracht in politischen Fragen ausfällt,
dann bleibt der Polit-EKD nur noch folgender Weg zur Eintracht, den der EKD-Ratsvorsitzende Heinrich Bedford-Strohm in einer Diskussion über „Öffentliche Theologie und Kirche“ so beschreibt:
„Für mich ist die Verbindlichkeit öffentlicher Äußerungen – und das kann auch ein prophetisches Element beinhalten – direkt proportional zu einem kommunikativem Prozess… Verbindlichkeit entsteht durch kommunikative Prozesse. Synoden sind ein Beispiel dafür… Da sitzen Menschen aus ganz unterschiedlichen Zusammenhängen, auch unterschiedlichen politischen Herkünften, die diskutieren leidenschaftlich auf der Basis des gemeinsamen christlichen Glaubens… und erstaunlicherweise schaffen die es, zu gemeinsamen…. Äußerungen zu kommen… Und wenn jetzt eine Synodenpräsidentin etwa mit diesem kommunikativem Prozess im Rücken etwas sagt, dann hat es schon eine andere kommunikative Verbindlichkeitskonsequenz, als wenn es jetzt etwa eine Privatperson sagt.“

Die erstaunlich homogenen Synodenbeschlüsse sollen es also sein, die den Rücken von Heinrich Bedford-Strohm so stärken, dass er mit erhöhter prophetischer Autorität in politischen Fragen auftreten kann.

Luther für rotgrüne Politik?
Alle 500 Jahre gibt es jetzt einen deutschen Luther-Feiertag
Wenn ich allerdings auf Martin Luthers Rede auf dem Wormser Reichstag 1521 schaue, dann muss ich feststellen, dass Martin Luther dem EKD-Ratsvorsitzenden an dieser Stelle konträr entgegengesetzt ist. Martin Luther stand alleine vor den Machthabern seiner Zeit und berief sich nur auf sein Gewissen, das durch Worte der Heiligen Schrift und durch helle und klare Vernunftgründe („ratione evidente“) bestimmt war. Synoden und Konzilien dagegen wertet Luther lapidar ab: „Denn weder dem Papst noch den Konzilien allein glaube ich, da es festesteht, dass sie öfters geirrt und sich selbst widersprochen haben“.

Statt desssen ist es der Kaiser Karl V., der auf dem Wormser Reichstag 1521 wie Bedford-Strohm heute die höhere Verbindlichkeit von kommunikativen Prozessen proklamiert: „Denn es ist sicher, dass ein einzelner Mönch in seiner Meinung irrt, wenn diese Meinung gegen die der ganzen Christenheit steht, wie sie seit mehr als 1000 Jahren gelehrt wird.“

Provokativ zugespitzt: Auf Bedford-Strohms homogenen Synodenbeschlüssen steht zwar evangelisch-lutherisch drauf, aber drin ist der Wahrheitsanspuch des mittelalterlichen Karl V.. Eine klassische Mogelpackung.

Wenn aber weder Bibel, noch Lehramt noch Synoden-Konzilien die evangelische Kirche in politischen Fragen zur Eintracht bringen, dann sollte sich die evangelische Kirche davon verabschieden, politischer Faktor sein zu wollen. Natürlich dürfen und sollen alle Christen in der Demokratie sich politisch einbringen, wie sie es jeweils aus ihrem Glauben heraus verstehen. Die Kirche Jesu Christi hat als weitherziges Forum in politischen Fragen Platz für die unterschiedlichsten politischen Positionen.
Die Polit-EKD dagegen überhebt sich gnadenlos, wenn sie da Eintracht herbeiführen will, wo vom christlichen Glauben her viele Wege möglich sind. Die evangelische Kirche zerstört sich selber, wenn sie sich anmaßt, mit konformistisch-politischen Synodenbeschlüssen ein politisch prophetischer Faktor sein zu wollen.

Martin Luther auf dem Reichstag zu Worms vor genau 500 Jahren ist immer noch brandaktuell; nur steht Martin Luther heute gegen die Polit-EKD.


Empfohlen von Tichys Einblick. Erhältlich im Tichys Einblick Shop >>>

Unterstützung
oder

Kommentare ( 66 )

Liebe Leser!

Wir sind dankbar für Ihre Kommentare und schätzen Ihre aktive Beteiligung sehr. Ihre Zuschriften können auch als eigene Beiträge auf der Site erscheinen oder in unserer Monatszeitschrift „Tichys Einblick“.
Bitte entwerten Sie Ihre Argumente nicht durch Unterstellungen, Verunglimpfungen oder inakzeptable Worte und Links. Solche Texte schalten wir nicht frei. Ihre Kommentare werden moderiert, da die juristische Verantwortung bei TE liegt. Bitte verstehen Sie, dass die Moderation zwischen Mitternacht und morgens Pause macht und es, je nach Aufkommen, zu zeitlichen Verzögerungen kommen kann. Vielen Dank für Ihr Verständnis. Hinweis

66 Comments
neuste
älteste beste Bewertung
Inline Feedbacks
Alle Kommentare ansehen
Esteban
3 Jahre her

Wenn die EKD für sich ein synodal verstandenes Prophetenamt beansprucht, hier eine biblische Begebenheit (aus 1. Könige 22):
König Ahab von Israel möchte die Stadt Ramot von den Aramäern zurückerobern, und holt zuvor den Rat eines vierhundert Mann starken Prophetenkollektivs ein. In synodaler Einmütigkeit versichern sie ihm, dass ihm das Unternehmen gelingen wird.
Zu guter Letzt lässt sich der König überreden, auch den Rat des als Nörgler bekannten Propheten Micha einzuholen, welcher ihm eine grandiose Niederlage prophezeit.
Aus Zorn lässt Ahab den Micha einkerkern und zieht in den Krieg – und es kommt, wie es kommen musste…

Last edited 3 Jahre her by Esteban
friedrich - wilhelm
3 Jahre her

…..ich würde mich lieber auf karl barth berufen, als auf luther! ich kenne beider schriften ziemlich gut und ziehe deswegen karl barth vor und vielleicht noch fritz bauer, von dem ich gelernt habe, was widerstand leisten heißt!

Jan des Bisschop
3 Jahre her

Natürlich müssen sich die Christen in die Politik einbringen, aber was sie auch müssen, ist den Zustand der ehemals evangelischen Kirche betrachten. Das Evangelium ist die frohe Botschaft, die Botschaft von einem liebenden Gott und der Erlösung. Wo ist die frohe Botschaft bei dieser NGO der Abschaffung Deutschlands?

Ludwig von Gerlach
3 Jahre her
Antworten an  Jan des Bisschop

Müssen sich Christen wirklich in die Politik einbringen? Christus sprach zu Pilatus: „Mein Reich ist nicht von dieser Welt“ (Joh. 18, 36). Paulus schreibt: „Denn unser Bürgertum (auch Bürgerrecht oder Gemeinwesen) ist in den Himmeln, von woher wir auch den Herrn Jesus Christus als Heiland erwarten“ (Phil. 3, 20). Petrus schreibt an Christen: „Geliebte, ich ermahne euch als Fremdlinge und als solche, die ohne Bürgerrecht sind..(1. Petr. 2,11). Wenn Grundlage des Glaubens sola scriptura ist, dann gilt es anzuerkennen, dass der Auftrag Christi an Christen nicht Weltverbesserung durch politisches Engagement ist. Vielmehr hat er „sich selbst für unsere Sünden hingegeben,… Mehr

Evero
3 Jahre her

Die heutigen Oberhäupter der Katholischen und Evangelischen Kirche in Deutschland haben sich dem politischen Zeitgeist derart angebiedert, dass man sich als Gläubiger schämt dafür.

Es ist bestimmt nicht die Aufgabe von kirchlichen Oberhirten die Rolle der Politiker einzunehmen oder ihnen nach dem Mund zu reden. Im Gegenteil! Sie sollen das Wort der Bibel verkünden und vertreten und sich, soweit möglich, aus der Politik heraushalten.

Oder hat Jesus Wahlwerbung für Pilatus gemacht oder Herodes angebetet?

Maria Jolantos
3 Jahre her

Auch das „Kreuziget ihn“ bei der Synode (Versammlung, Treffen) vor Pilatus hatte die „Verbindlichkeit öffentlicher Äußerungen“ und beinhaltete „ein prophetisches Element“. Pilatus kann dann als Synodenpräsident betrachtet werden und wie Bedford-Strohm den damaligen „kommunikativem Prozess“ mitgestaltet hätte, um die „Verbindlichkeitskonsequenz“ des Präsidenten zu unterstützen, liegt auf der Hand.

achijah
3 Jahre her
Antworten an  Maria Jolantos

Was für eine pfiffige Idee, mit ganz einfachen Linien die Absurdität des Ansatzes von Bedford-Strohm aufzuzeigen!

Heiner Wirth
3 Jahre her

Luther hätte die heutigen Selbsterlöser noch stärker kritisiert als den Papst und die Obrigkeit zu seiner Zeit. Von seinem Christentum der Gottesbeziehung ist in der heutigen offiziellen evangelischen Kirsche praktisch nichts mehr geblieben. Das schließt nicht aus, dass viele evangelischen Christen in Deutschland doch noch ihren eigenen, christlichen Weg gehen, wie er Luther gefallen würde.

Evero
3 Jahre her
Antworten an  Heiner Wirth

Luther hätte sicher den obrigkeitshörigen Staatskirchenvertretern ordentlich die Leviten gelesen.

Karl Schmidt
3 Jahre her

Bedford-Strohm geht es nicht um die Bibel oder das Christentum. Er missbraucht die Kirche für seine privaten politischen Ziele – die Berufung auf die christliche Lehre ist nur Show. Die EKD, die unter seiner Führung die politischen Aktivitäten von Linksradikalen und Linksextremisten („Antifa“) letztlich teilweise finanziert, deren Ziel es ist, Demokratie, Rechts- und Sozialstaat zu vernichten und die durch Terror und Gewalttaten in Erscheinung treten, wird damit selbst zu einem Gegner der Republik. Im Mittelmeer fischen die Linksfaschisten nur deshalb nach Ausländern, weil sie nach Deutschland importiert zur Explosion von Mietkosten taugen, die Steuerkassen aussaugen (weil sie nicht in den… Mehr

Evero
3 Jahre her
Antworten an  Karl Schmidt

Die EKD-Jugend ist fast auf jeder Gegendemo vertreten. Man weiß nicht so recht, für welche Werte diese Kirchenvertreter stehen. Soweit ich sehe, vertreten sie den Kommunismus, weil sie so gut wie alles andere bekämpfen.

Emsfranke
3 Jahre her

Der vom Bundespräsidenten für heute angesetzte Gedenktag für die vielen Coronatoten in der Gedächtniskirche zu Berlin, hat mich als Radiohörer des NDR1 dazu animiert, diesem Sender eine Mail zu senden. Guten Tag, in den Nachrichtensendungen werden wir stündlich über die heute umgesetzte Idee des Bundespräsidenten, heute am 18.4.21 einen Gedenkgottesdienst für die an oder mit Corona verstorbenen Mitbürger zu veranstalten, informiert. Das Datum 18. April 1521 jährt sich heute zum 500. mal und hat aber einen weitaus wichtigen historischen Hintergrund: „Hier stehe ich, ich kann nicht anders, Gott helfe mir, Amen.“ Am 18. April 1521 hatte sich Martin Luther geweigert… Mehr

Regenpfeifer
3 Jahre her

„Denn nichts ist schwerer und nichts erfordert mehr Charakter, als sich in offenem Gegensatz zu seiner Zeit zu befinden und laut zu sagen: Nein.“ -Kurt Tucholsky (in „Die Weltbühne“, 6. Oktober 1921, S. 338f). Es gibt nun mal ein regierungsamtliches Meinungsnarrativ, dem die obersten Pfaffen schon immer huldigten, um sich die Macht im Staat mit der Bonzokratie zu teilen. Das war leider auch im Dritten Reich nicht anders, in dem sich Papst und Kardinäle hinter Hitler und Mussolini stellten (während viele kleine Priester vor Ort umgekehrt ihr Leben auf’s Spiel setzten, um Menschen zu retten). Und es jetzt im beginnenden… Mehr

Delfina64
3 Jahre her

„Bibel-Rosinen-Pickerei“ – Das gefällt mir besonders gut. Es wirkt, als verkaufe die EKD gerade eher Rosinen, als frische, saftige Trauben aus dem so lebensförderlichen Elexir, von dem viele Christen ihre Kraft schöpfen.