Das Heilmittel des Nikolaus

Pfarrer Achijah Zorn erinnert an die Nikolaus-Geschichte von Myra, mit deren Metaphern die Fehlentwicklungen in Kirchen und Parteien aufgedeckt werden können.

Vom Bischof Nikolaus (270–343) wird folgende Geschichte erzählt: Eine Familie in Myra ist bettelarm; sie hat nicht genügend Geld für die täglichen Lebensmittel. Um nicht verhungern zu müssen, gehen die drei Töchter des Hauses der Prostitution nach. Das bekommt Nikolaus mit und ist entsetzt. In der nächsten Nacht legt er ein wertvolles Goldstück aus dem Kirchenschatz in einen Stiefel vor der Haustür. Als die Familie dieses große Geschenk entdeckt, jubeln die Eltern und die Töchter. Ihr Überleben ist nun ohne Prostitution gesichert.

Eine provozierende Parabel für die Kirche. Ohne ihr Goldstück Jesus Christus wird die Kirche bettelarm. So arm, dass sie sich prostituieren muss, zum Beispiel mit einer bestimmten politischen Haltung:

Der Superintendent des Kirchenkreises Mülheim an der Ruhr trägt als Amtskleidung zum schwarzen Talar ein Beffchen, das nicht wie üblich weiß ist, sondern einen Regenbogen eingestickt hat. Passend dazu ist er politisch unterwegs: Am Anfang des Jahres hat sich der evangelische Kirchenkreis dem Bündnis „Mülheim stellt sich quer“ angeschlossen, das in Mülheim die deutschlandweiten Demonstrationen gegen die AfD organisiert hatte. Jetzt Anfang Advent bekam das Organisationsteam von „Mülheim stellt sich quer“ den mit 1000 Euro Kirchengeldern dotierten kirchlichen Ehrenamtspreis 2024. Damit werden diese politischen Aktivisten kirchlich geadelt, weil sie dem Treffen von „Neonazis und Unternehmern … in einer Villa am Berliner Wannsee“ etwas entgegengesetzt hätten.

Sie haben richtig gelesen; der Superintendent verlegt dieses Treffen in seiner blühenden politischen Phantasie von der Villa Adlon am Lehnitzsee direkt mal an den Wannsee, um damit alle Teilnehmer in die Nähe der Wannseekonferenz von 1942 zu rücken. Natürlich unterschlägt er auch, dass CDU-Parteimitglieder bei diesem privaten Treffen aktiv teilgenommen haben. So geht kirchliche Manipulation mithilfe von Fake-News zur Unterdrückung des demokratischen Diskurses über Migration. Der Superintendent, der sich selber wohl für tolerant hält, macht seine Mitmenschen und Mitchristen zu Nazi-Schmuddelkindern, weil sie seinen Vorstellungen einer grenzenlosen Masseneinwanderung nicht folgen wollen.

Natürlich darf der Superintendent seine dezidierte politische Meinung haben, genau wie ich meine dezidierte politische Meinung habe. Doch Kirche mit der Vielfalt der Christen in politischen Meinungen tut sich selber keinen Gefallen, wenn sie nicht nur im Namen einzelner Pfarrer und Christen, sondern im Namen der Kirche (!) sich dermaßen einseitig im grünen Rotlicht-Milieu aufstellt. Aus einer ehemaligen Volkskirche, die in allen Milieus der Bevölkerung zuhause war, wird damit eine klerikale Politik-Sekte, aus der sich viele liberale und konservative Christen genervt und angewidert abwenden, um sich an anderer Stelle auf die Suche nach dem Gold des Evangeliums zu machen, die geborgenheitsschenkende Liebesbeziehung zu Gott in Jesus Christus.

Leider ist es nicht nur die evangelische Kirche, die sich von ihrem Gold abwendet und auf dem Strich des Zeitgeistigen landet. Ähnliches hat uns die FDP die letzten drei Jahren aufreizend vor Augen geführt: Diese Partei hat ihren Goldschatz des Liberalismus mit Füßen getreten. Zwangsläufig hat sie sich damit selber verloren in den autoritären Versuchungen des Heizungsgesetzes, der überzogenen Coronamaßnahmen, der übergriffigen Impfpflicht, des Einfache-Geschlechterwechsel-Gesetzes, der Subventionierung von „Freiheitsenergien“, der Denunziations- und Anzeigenpraktiken von „So Done“ und Marie-Agnes Strack-Zimmerman.

Zumindest bei den Wählern, deren Herz für den Liberalismus schlägt, hat diese exzessive Fremdgeherei mit dem Autoritären und Planwirtschaftlichen eine Verachtung der FDP zur Folge. Ein „Schwamm drüber“ ist meines Erachtens nur schwer möglich, da die dauerhaften Schäden durch die FDP nicht einfach mit ein paar liberalen Sonntagsreden des begnadeten Rhetorikers Christian Lindner weggewischt werden können.

Die Geschichte des Nikolaus von Myra hat eine geradezu legendarische Kraft. Mit ihren Metaphern kann das Versagen von Kirchen, Parteien, Gewerkschaften und Medien scharf und provozierend aufgedeckt werden. Und gleichzeitig bietet die Legende ein Heilmittel: die Rückbesinnung auf das Gold. Sehr häufig liegt in dem Kerngeschäft der Institutionen mehr Gold verborgen, als die auf oberflächliche Haltung dressierten Funktionäre zu sehen vermögen. Es wird Zeit, dass Institutionen einmal das tückische Freudenhaus des Zeitgeistigen verlassen und mal wieder draußen vor der Tür in den Stiefeln nach dem Eigentlichen schauen. Nicht nur den Nikolaus würde es freuen.

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Kommentare ( 16 )

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16 Comments
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Deutscher
2 Tage her

Die Fehlentwicklungen müssen überhaupt nicht aufgedeckt werden, denn sie sind offenbar.

Was die Kirchen anbelangt: Jesus sagte „Neuen Wein in neue Schläuche!“. Er hätte sich nichts vorgemacht und wäre ausgetreten.

mitdenkerin
3 Tage her

Lieber Herr Zorn,
Ihr Vorwort zum Sonntag ist heute wieder ein ganz besonderer Trost und Lichtblick in diesen gottlosen Zeiten.
Selten habe ich so viel gebetet für meine Kinderfamilien, dass Gott sie nicht verlassen möge.

Die Wahrheit
3 Tage her

Aus der grünen Sekte (früher mal EKD) bin ich schon seit Jahren ausgetreten. Seit dem letzten Kirchentag in Nürnberg, kann ich keine deutsche Kirche mehr betreten und das wird mir Weihnachten sehr, sehr fehlen. Wirklich traurig – wie man in dem Land leben muss..

Kassandra
3 Tage her
Antworten an  Die Wahrheit

Bei uns gibt es zu Weihnachten Konzerte von Schulen in Kirchen, die ohne „Bepredigung“ auskommen. Wiewohl ich neulich in eines geriet, in der ein Pfarrer vorab das schöne Lied „Macht hoch die Tür“ hinsichtlich der „Flüchtlinge“ sich zu interpretieren nicht schämte. Vor einem so gut wie rein Indigenem Publikum – im Jahre 10, seit der Wahn überhand nahm.

1989
3 Tage her

Eher wird ein Kamel durch ein Nadelöhr gehen als das diese „Kirche“ wieder den rechten Glauben finden wird. Diese vom Staat finanzierte
„Kirche“ ist an Machtgier, an Lügen und am Mammon erstickt. Diese „Kirche“ hat lange genug das leere Wort Christi im Munde geführt und im Herz den widerrechtlichen Fürst dieser Welt beherbergt. Diese „Kirche“ ist eine Räuberhöhle geworden anstatt der Tempel Gottes zu sein. Diese „Kirche“ ist zur Schande Gottes geworden, Gott wird die Gebete der Gläubigen um Erlösung von dieser „Kirche“ erhören!

Kassandra
3 Tage her

Du sollst nicht falsch Zeugnis reden wider deinen Nächsten. . Verstößt der Herr Superintendent mit dem Regenbogenbeffchen, der nicht imstande scheint, sich zu informieren, nicht gegen das 8. Gebot? Und das dann auch noch von der Kanzel? Und dieses „Mülheim stellt sich quer“ folgt wie blind und taub schnittig dem Zeitgeist und hängt sich dafür dann auch so gut wie „intern“ noch einen Preis um? . Liest man Bonhoeffers Biografie erkennt man, dass schon damals viele an der Kirche verzweifelt sein müssen. Wie aber kann es sein, dass die nicht zu lernen imstande scheinen – oder ist an der Stelle… Mehr

ceterum censeo
3 Tage her
Antworten an  Kassandra

Die „Amtskirche“ ist doch 2000 Jahre lang gut gefahren mit dem, was sie macht. Warum dann was lernen?

Last edited 3 Tage her by ceterum censeo
Hugo Treppner
3 Tage her

Für den Herrn Superintendenten ist die Kirche… „auch mal eine Art ,Labor‘, in dem man experimentieren und ausprobieren kann“ Da muss man sich nicht wundern, dass die Laborratten das Schiff verlassen. (Siehe https://kirche-muelheim.de/leitung/ )

Kassandra
3 Tage her
Antworten an  Hugo Treppner

„Kirche ist „eine ,Heimat‘, in die man sich fallen lassen kann und geborgen fühlt…“ – ja halt nur für die dem Herrn Superintendenten Wohlgefälligen.
Kann man sich alles nicht ausdenken – und nach Corona ein neuer Tiefschlag ins Kontor der Kirche.
Danke für den link. Ob die auf dem Bild weiter unten alle nach solcher Musik tanzen – was hieße, sie hätten an der christlichen Botschaft etwas komplett falsch verstanden!

H.H.
3 Tage her

Und dazu die Wiedereröffnung von Notre-Dame ohne dem Mantra „Europa des christlichen Abendlandes“ und überhaupt ganz ohne den christlichen Glauben auskommend, eher ein gelungener Fall des Denkmalschutzes. Erbärmlich die Kommentierung des Bundespräsidenten in der Tagesschau.

Kassandra
3 Tage her
Antworten an  H.H.

Vielleicht ist ja der heutige Festgottesdienst, der auch übertragen wird, keine solche show wie die, die einer sogar in Natooliv beehrte. Die Anwesenden applaudierten, als er eintraf – was mir unverständlich scheint.

ceterum censeo
3 Tage her

Bei allem Respekt, Herr Pfarrer, aber die christliche Kirche, zumindest die deutsche, hat sich durch die selbstauferlegte Politisierung entbehrlich gemacht. Junge Christen werden auf den Kirchentagen indoktriniert, die Alten, die sich evt. gegen die Indoktrination immun zeigen, gehen nach und nach den Weg allen Irdischen. Was bleibt? Klima- und Politkirche. Kann weg!

Kassandra
3 Tage her
Antworten an  ceterum censeo

War ja damals nicht anders.
Und es scheint, als ob sie in der Zwischenzeit nur heuchelten? Zumal sie das mit dem Vatikan!!! geschlossene „Reichskonkordat“ ja auch nach 45 nicht infrage stellten.

verblichene Rose
3 Tage her

„Sehr häufig liegt in dem Kerngeschäft der Institutionen mehr Gold verborgen, als die auf oberflächliche Haltung dressierten Funktionäre zu sehen vermögen.“ Da muss ich widersprechen, denn die dressierten Funktionäre, wie Sie diese Leute bezeichnen, empfinde ich zunehmend als Zuhälter, für die ich auf den Strich gehe. Tatsächlich ist bei mir nämlich noch etwas zu holen und die Funktionäre sind einfach nicht satt zu bekommen. Nehmen Sie es mir daher nicht übel, aber meine Erwartungshaltung an diese Leute ist mittlerweile einer starken Resignation gewichen, während ich meiner Frau und mir die bescheidenen Wünsche nur noch selber zu erfüllen versuche. Tja, nichtmal… Mehr

Ernst Guenther Zimniok
3 Tage her

Danke Bruder Zorn! Sie haben es, wie so oft, auf den Punkt gebracht!
Der Herr möge Sie segnen!
Einen gesegneten 2.Advent für Sie und die Mitleser hier und natürlich auch der Redaktion!

achijah
3 Tage her

Ich bedanke mich sehr für Ihre zusprechenden Worte, die mir an diesem Wochenende besonders gut tun. Danke.

Auch Ihnen Gottes Gold im Stiefel zum zweiten Advent.