Junckers Rücken-Gate und der Zustand der EU

Nie war er so wertvoll wie heute – anhand von Jean Claude Juncker lässt sich so vieles über die Europäische Union sagen. Dabei ist die Frage Schampus oder Ischias nur so etwas wie der letzte Tropfen ...

Screenprint: youtube

Vielleicht sollten die Bonzen der EU abstimmen lassen: Nach Ansicht des Juncker‘schen Torkel-Videos – Rücken oder Alkohol? Aber wie man weiß, gibt die EU nicht so viel auf Volksabstimmungen, die nicht das vorgeschriebene Resultat bringen. Dank der in die Parlamente eingezogenen „Rechtspopulisten” aber wird die Frage nun wenigstens öffentlich diskutiert, und wir Europäer dürfen dem unterhaltsamen Kampf um die richtige Diagnose beiwohnen. Harald Vilimsky, Generalsekretär der FPÖ hatte sich „in die Symptome von Ischias-Problemen eingelesen“ und gab den medizinischen Rat „Juncker möge den Hut nehmen“. Junckers Untergebener, ein EU-Kommissar Hahn (auch aus Österreich, aber ÖVP vor Kurz), sowie Junckers „Partei“freund, der ÖVP-Delegationsleiter im EU-Parlament, wiesen das empört zurück.

Empört? Wer Empörung sagt, muss auch SPD sagen, oder in Österreich eben SPÖ. Deren Bundesgeschäftsführer Lercher griff gleich tief in die Betroffenheitskiste der theatralischen Mitleidspartei. „Attacken gegen Menschen mit Behinderungen sind inakzeptabel!“ Der Sozialist menschelte weiter: „Was auch immer man von der Politik Junckers hält, aber sich über die körperlichen Gebrechen eines Menschen, der nach einem Autounfall schwer körperlich gezeichnet ist, lustig zu machen, ist absolut inakzeptabel.“ Dazu ist nur zu sagen: Der Unfall ereignete sich vor dreißig Jahren. Dann petzte der Sozi noch, „Vilimskys Fraktion habe im EU-Parlament auf Steuerzahlerkosten 234 Flaschen Champagner bestellt“. Über solche Beträge kann ein Spesenritter (das Amt ist weg, der Titel bleibt) wie Martin aus Würselen nur lachen.

Prost, Gemeinde! Auch der Pfarrer trinkt!

Um das klar zu sagen: Noch ist die EU keine Klosterschule trotz der vielen Pfaffen und Pfaffenkinder in den Parlamenten und nicht der Vatikan der Anonymen Alkoholiker – und sie wird es hoffentlich auch nie! Schampus im Parlament? Bitte sehr, wenn es etwas zu Feiern gibt. Kommissare, die sich mal einen zwitschern? Warum denn nicht! Da stößt einem eher das moralinsaure Getue der angeblich Fehlerfreien übel auf. Aber torkeln auf der NATO-Tagung? Vor den Kameraaugen der ganzen Welt?

Der Turm Europas
Jean-Claude Juncker: Der gefährlichste Mann Europas?
An dieser Stelle käme in früheren Spiegel-Texten, als dort noch die Meisterklasse schrieb, die sogenannte Rolle rückwärts, eine Aufzählung der Verfehlungen des Patienten Juncker. Etwa so: Der englische Guardian zitierte 2014 EU-Führer, „die sich besorgt über Junckers Trinkgewohnheiten geäußert hätten“, eine deutsche Zeitschrift titelte im selben Jahr: „Juncker war stockbetrunken“. Ein Reporter des „Telegraph“ notierte 2016 irritiert in seinen Block, „Juncker verneint ein Alkoholproblem, während er gleichzeitig vier Gläser Champagner kippt“. EU-Rebell Nigel Farage, der selber gerne raucht und trinkt, erkannte neidlos an, „wo ich in der dritten Liga schlucke, ist Mr Juncker Premier League, keine Frage.“ Was sagt der Patient? „Ich küsse nicht die ganze Welt und bin kein Alkoholiker!“

Gott ja, das Abknutschen ist auch so eine Manie bei unserem Schonklod. Nicht elegant wie Emmanuel von Frankreich verteilt er angedeutete Küsschen links, Küsschen rechts, eher zwanghaft wie ein Welpe schleckt der Luxemburger seine Gäste ab (Nur bei Donald Trump traute er sich nicht, und Sebastian Kurz entzog sich). Was sagen die Sozialisten? Wie heißt diese Malesse?

Das Gesicht der EU. Fehlt nur noch eine Briefmarke.

Warum hacken wir auf dem armen Schonklod herum, dem wir doch allein für unsere wöchentliche Kolumne „Blackbox“ so viele lustige Begebenheiten verdanken? Was interessiert uns ein Graf Schampus aus Luxemburg? Juncker ist wie kein Zweiter das Gesicht der in allen deutschen Qualitätsgazetten besungenen und heilig gesprochenen Europäischen Union. So wie Mörkel für Germoney, Trump für die USA oder Hillary für den Deep State stehen. Und da hört der Spaß auf! Wer wird uns denn noch als EU-Identifikationsfigur angeboten? Der Bertelsmann Elmar Brok, der irrlichternde Günther Oettinger, davor der schlechte Schauspieler Schulz – vielen Dank auch. In Ermangelung halbwegs geeigneter EU-Charaktere wird uns dann Macron verkauft, dabei ist der für Frankreich zuständig, sonst gar nichts.

Es rächt sich, dass die deutschen Parteien die EU immer als Abschiebeposten und sogar Endlager für ihre unnützen Vertreter angesehen haben, und das üppige Auslagensystem zudem zahlreiche Glücksritter anlockte. Die Franzosen besetzten währenddessen wichtige Positionen mit Absolventen ihrer Eliteschule ENA. Das war solange halbwegs entschuldbar, bis immer mehr wichtige Entscheidungen vom deutschen Parlament freiwillig nach Brüssel und Straßburg ausgelagert wurden. Jetzt haben wir den Salat – und deutsche Eliteunis haben wir nicht. Diese Gunst der Stunde wussten die Franzosen, aber auch kleinere unbedeutende Länder wie eben Luxemburg für sich zu nutzen. So wurde auch Jean Claude, was er ist.

Eigentlich steht es den Regierungschefs der EU-Staaten zu, den Kandidaten für das Amt des Präsidenten der Europäischen Kommission vorzuschlagen, wobei sie das Ergebnis der Europawahlen „berücksichtigen“ müssen. Die Abgeordneten des Europäischen Parlaments (MEPs) stimmen dann über diesen Kandidaten in geheimer Abstimmung ab. Eigentlich. Denn die Sorgen, die manche wegen der „künstlichen Intelligenz“ plagen, sind bei der menschlichen Intelligenz längst Wirklichkeit: Die Krake hat ein Eigenleben entwickelt. Der ehemalige englische Premier David Cameron schrieb in einem Zeitungsessay: „Nun haben einige MEPs sich ein neues Verfahren ausgedacht, wonach sie den Kandidaten sowohl aussuchen wie auch wählen. Die großen Fraktionen haben während des Wahlkampfs Spitzenkandidaten ins Feld geschickt und dann im Hinterzimmer verabredet, sich nach den Wahlen gemeinsam hinter den Kandidaten der stärksten Fraktion zu stellen. Das Konzept ist im Europäischen Rat nie beschlossen worden. Es wurde weder zwischen den europäischen Institutionen ausgehandelt noch von den nationalen Parlamenten ratifiziert. Selbst in Deutschland, wo das Konzept der Spitzenkandidaten am meisten Sendezeit bekam, wussten nur 15 Prozent der Wähler, dass Juncker ein Spitzenkandidat war.“

Frust, Lügen, Größenwahn.

Seit 2014 ist Schonklod also Chef der EU-Kommission. Es ist nicht leicht, sich ein klares Bild zu machen. Oft hat er durchaus Recht: „Die Italiener müssen sich mehr um die armen Regionen Italiens kümmern. Das bedeutet mehr Arbeit, weniger Korruption, Ernsthaftigkeit.“ Scusi Italiani. Kaum gibt es Widerstand, kneift Juncker. Eine Sprecherin erklärte, die Bemerkungen seien aus dem Zusammenhang gerissen worden. An anderer Stelle dieses Zitat: „Ein Land ist ein Land, eine Nation ist eine Nation. Staaten zuerst, Europa an zweiter Stelle.“

Das klingt gut, das klingt richtig, aber leider, leider, kann man Juncker keinen Zentimeter über den Weg trauen. Sein berühmtestes Zitat passt fast auf einen Grabstein „Wenn es ernst wird, muss man lügen“.

Dann sprach sich Juncker dafür aus, die Eurokrise nicht öffentlich zu diskutieren. Und sein demokratisches Glaubensbekenntnis hätte auch von Walter Ulbricht stammen können: „Wir beschließen etwas, stellen das dann in den Raum und warten einige Zeit ab, was passiert. Wenn es dann kein großes Geschrei gibt und keine Aufstände, weil die meisten gar nicht begreifen, was da beschlossen wurde, dann machen wir weiter – Schritt für Schritt, bis es kein Zurück mehr gibt.“ Wird eine solche EU noch gebraucht? Oder kann das weg?

Alle Macht der EU
Juncker träumt von der alleinigen Macht
Wem dient der von Herz-Jesu-Priestern Erzogene aus dem Süden Luxemburgs, dieses Rätsel aus Redingen? Lange war er Finanz- und Premierminister dieses Minilandes, dem er durchaus zu Nutzen war. Er lockte 340 Weltkonzerne mit Dumpingsteuern – Amazon zahlte 2002 nur 0,5%! Lustigerweise leitete die Europäische Kommission 2014 eine Untersuchung ein – da war der Bock gerade zum Gärtner gemacht. Vielleicht dient er seinem ganz eigenen Europa, das zu erklären sein Hang zur Unwahrheit leider verhindert. Natürlich ist seine Macht begrenzt in dem Konstrukt EU. Die Kommission erfindet neue Verbote am Fließband, legt Gurkengrößen fest, aber wenn es wichtig wird, blockieren die Staaten. Selbst mit Merkel und Macron zusammen ist das Ende der EU-Fahnenstange langsam erreicht, die Briten haben bereits die Nase voll. Das führt bei Juncker zu einer Mischung aus Größenwahn und Frust.

Auf die Frage „Folgen andere dem Brexit?“ tönte Schonklod „Nein. Denn sie werden bei der Autopsie (der Leiche Großbritannien) sehen, dass es sich nicht lohnt.“ Den neuen Ratsvorsitzenden Sebastian Kurz schnauzte er an „wäre ich Ratsvorsitzender würde ich nicht so großspurig auftreten.“ Gleichzeitig will Schonklod, der Stahlarbeitersohn, vor der Welthandelsorganisation (WTO) nicht nur gegen die USA klagen, sondern auch gegen China. Gibt’s überhaupt noch Stahl aus Luxemburg? Autos jedenfalls nicht.

Langsam schließt sich der Kreis, und wir wollen zum Ende der Geschichte kommen, die ja mit einem Patienten Juncker begann. Helmut Schmidt sagte mal, wer Visionen habe, solle zum Arzt gehen. Dann lesen Sie bitte mal das hier: „Das britische Votum hat einige von unseren zahlreichen Flügeln abgeschnitten, aber wir fliegen weiter. Wir werden unseren Flug Richtung Zukunft nicht abbrechen. Der Horizont erwartet uns und wir fliegen Richtung der Horizonte und diese Horizonte sind die von Europa und des ganzen Planeten. Sie müssen wissen, dass jene, die uns von weitem beobachten, beunruhigt sind. Ich habe gesehen und gehört, dass Führer anderer Planeten beunruhigt sind, weil sie sich dafür interessieren, welchen Weg die Europäische Union künftig einschlagen wird. Und deshalb sollten wir die Europäer und jene, die uns von außen beobachten, beruhigen.“ Hahaha! (In der schriftlichen Fassung fehlten später leider die Aliens – Übersetzungsfehler eines höchstbezahlten Simultandolmetschers?)

Jeder Etikettepatzer des US-Präsidenten wird zur Weltkrise hochgeschrieben, Psychiater werden aufgefordert, eindeutige Ferndiagnosen zu stellen. Bei Schonklod Juncker zieren sich unsere Qualitätsjournalisten in vornehmer Blässe. Wenn der Luxemburger dann im nächsten Jahr aus dem Amt scheidet, werden sie ihr Hosianna ein letztes Mal anstimmen. Bestimmt bekommt Schonklod noch den einen oder anderen Orden, obwohl er bereits behängt ist wie ein Pfingst-Ochse. Wir haben jetzt schon 78 Auszeichnungen gezählt. Darauf einen Dujardin!

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Kommentare ( 95 )

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Ursula Schneider
6 Jahre her

Herrlich, lieber Herr Paetow, Meisterklasse!
Unser Schonklod als geflügelter Visionär, keine Grenzen mehr, nur noch Zukunft und Horizonte … Dazu Merkel mit ihrem Faible für Aliens aller Art … Da sollte man mit dem Schampus wirklich nicht geizen, zumal die Mischung aus Größenwahn und Frust (hervorragend analysiert!) brandgefährlich ist …

Herbert Wolkenspalter
6 Jahre her

Erstaunlich, wie fröhlich Ischias macht!
Wo kann man das kaufen?

Diese EU kann man nur besoffen ertragen.

Wolfgang M
6 Jahre her

Es sind nicht wenige, die seit langem meinen, dass Juncker ein Alkoholproblem hat. Da scheint zumindest etwas dran zu sein.
Nun gibt es viele Menschen, die ein Alkoholproblem haben. Die Frage ist, warum die EVP Juncker zu ihrem Spitzenmann bei der EU-Wahl auserkoren hat. Als Merkel nach der Europawahl Juncker aus verständlichen Gründen nicht zum EU-Kommissionspräsidenten wollte, war es zu spät. Er war gewählt.
Vielleicht sollten sich alle Parteien grundsätzlich vor der Wahl Gedanken machen, wen sie bei der Wahl an die Spitze ihrer Partei stellen.
Nebenbei, noch ein Merkel-Fehler!

Philipp Tertuete
6 Jahre her

Der Mann hat eine ataktische Gangstörung und dabei ein vergnügtes Gesicht. Noch Fragen?

bkkopp
6 Jahre her

Mit der Verballhornung seines Vornamens zu Schonklod ist Juncker bestens charakterisiert. Aber, die Kritik an der Person, Schonklod oder jeder andere mehr oder weniger prominente EU-Politiker, greift eigentlich zu kurz. Alle hängen der unrealistischen und notwendigerweise vagen Zielvorstellung eines EU-Bundesstaates mit einem gesetzgebenden Parlament und einer Zentralregierung an. Weder die Generation Schonklod, noch die jüngere Generation von EU-Politikern, in Brüssel und in den Hauptstädten, arbeitet an den ungeklärten Struktur- und Verfassungsfragen der EU. An dem Dauerstreit, der notwendigerweise aus der Unordnung entsteht, wird die EU langsam aber sicher zerbröseln.

Lux Patriae
6 Jahre her

Prima Artikel ! Ein Vergnügen, das zu lesen ! Kann man kommentarlos so stehen lassen ! Dankeschön !

hagr
6 Jahre her

Wenn er doch regelmäßig Schmerzen und Ischiasprobleme hat, warum hat er denn keinen Gehstock? Wenn er an dem Tag eine schwere Attacke hatte und das wusste, warum hat er seinen Gehstock im Auto gelassen, der da sicher für alle Fälle liegt? Warum greift er sich im Video nicht einmal an den schmerzenden Rücken? Warum entschuldigt er sich nicht vor den Kameras und sagt z.B.: „Leute, ich habe heute starke Schmerzen und bin nicht so gut drauf, nur damit Sie Bescheid wissen und nichts falsches denken.“ Warum grinst der Mann und scheint sehr gut gelaunt und jovial trotz seiner erheblichen Schmerzen?… Mehr

luc
6 Jahre her

Von mir dazu nur so viel:
Bibit hera, bibit herus,
bibit miles, bibit clerus,
bibit ille, bibit illa,
bibit servus cum ancilla,
bibit velox, bibit piger,
bibit albus, bibit niger,
bibit constans, bibit vagus,
bibit rudis, bibit magus,
Bibit pauper et aegrotus,
bibit exul et ignotus,
bibit puer, bibit canus,
bibit praesul et decanus,
bibit soror, bibit frater,
bibit anus, bibit mater,
bibit ista, bibit ille,
bibunt centum, bibunt mille.

djings
6 Jahre her
Antworten an  luc

es trinken alle – aber nicht alle sind chef der eu-kommission…

Karl Heinz Muttersohn
6 Jahre her

Noch nie haben sich Inkompetenz und Alkoholsucht so harmonisch vereint. Und die, die jetzt Junkers Rücktritt verlangen, sollten sich darüber im Klaren sein, dass sein Nachfolger Merkel heissen könnte!

Randbayer
6 Jahre her

Lügenpresse war gestern. Jetzt neu: die Ischias-Medien.