„Wir“? Nein – Ich nicht

Neuerdings begegnet Ihnen das Wörtchen "Wir" wieder recht oft: "Wir waren zu tolerant", "Wir waren zu naiv und zu bequem", "Wir" haben darin „versagt, die Zuwanderung nach Deutschland zu steuern und zu begrenzen", "Wir als Gesellschaft haben den Antisemitismus nicht gesehen oder wollten ihn nicht sehen.“ Der Herbst 2023: Ein Versuch der Vergemeinschaftung des eigenen Versagens.

IMAGO - Collage: TE

Wir. Wir? „Wir waren offenbar zu tolerant“. Felix Klein. „Wir haben das alles sehenden Auges zugelassen.“ „Wir (…) waren zu naiv und zu bequem.“ Ulf Poschardt. „Wir als Gesellschaft haben den Antisemitismus nicht gesehen oder wollten ihn nicht sehen.“ Bärbel Bas. Wir haben darin „versagt, die Zuwanderung nach Deutschland zu steuern und zu begrenzen.“ Sigmar Gabriel.

Wir? Tut mir leid: ich nicht. Wir nicht.

Ich und viele andere führen die Debatte mindestens seit 2011, seit Kanzlerin Merkel das Buch von Thilo Sarrazin als „nicht hilfreich“ den Geiern zum Fraß vorgeworfen hat. Wir haben 2015 mitten in der Euphorie der „Willkommenskultur“ genau hingesehen und gewarnt vor dem großen Andrang überwiegend junger Männer mit muslimischem Hintergrund. Wer damals forderte, die Grenzen zu schließen und besser zu kontrollieren, wovon die Bundespolizei, die in Bereitschaft war, nur durch die Kanzlerin abgehalten wurde, galt als Befürworter einer Art Berliner Mauer samt Schießbefehl.

Wir wurden als Fremdenfeinde beschimpft, als Rechte, als Rassisten, als islamophobe Menschenfeinde. Wer die Schleuser- und Schlepperaktivität kritisierte und die sie unterstützende Politik der privaten Seenotretter im Mittelmeer, wurde mit der Frage behelligt: „Ja, sollen wir sie denn ertrinken lassen?“

In Politik und Medien reüssierten die Vertreterinnen bedingungsloser Offenheit, meist mit Hintergrund, schließlich gäbe es ja keine besondere und irgendwie schützenswerte deutsche Kultur, wie die deutsche Muslima Aydan Özoguz, damals Integrationsbeauftragte, 2017 verkündete: „eine spezifisch deutsche Kultur […], jenseits der Sprache, schlicht nicht identifizierbar“. Ferda Ataman, die es possierlich findet, Deutsche als „Kartoffeln“ zu bezeichnen, ist von der Spiegel-Kolumnistin zur „Unabhängigen Bundesbeauftragten für Antidiskriminierung“ aufgestiegen worden, worunter sie vor allem „antimuslimischen Rassismus“ zu verstehen scheint.

Nein, nicht „wir“ haben versagt. Es geht um das seit Jahren andauernde Versagen in der deutschen Politik und den deutschen Medien, das Lügengebäude, demzufolge nur Fachkräfte einwanderten, deren Integration Aufgabe der deutschen „Willkommenskultur“ sei und dass der Islam zu Deutschland gehöre – ohne sich jemals zu fragen, ob „der Islam“ das überhaupt will.

Und jetzt ist das, was jahrelang galt, plötzlich falsch gewesen? Weil man jetzt erst gemerkt hat, dass man sich massenhaft Judenfeinde ins Land eingeladen hat? Es brauchte also tatsächlich das schlimmste Massaker an Bürgern Israels nach dem Holocaust durch palästinensische Mörder aus dem von der Hamas beherrschten Gazastreifen, um Journalisten und Politiker aufmerken werden zu lassen?

Allein das erlaubt bereits den Verdacht, dass die reumütigen Bekenntnisse heiße Luft sind, weil aus ihnen keine Konsequenzen folgen. Im Gegenteil: Nancy Faeser, eine wandelnde Katastrophe als Innenministerin, möchte Asylverfahren nun dadurch beschleunigen, dass noch unklarer wird, wer sich da meldet: es sollen weniger Pässe, Ausweise und Urkunden überprüft oder Handys ausgewertet werden, auch der Dialekt, mit dem man bei Arabern auf die Herkunft schließen kann, soll nicht mehr erfasst werden.

Aha. Und jetzt sollen „Wir als Gesellschaft“, jahrelang beschimpft, diffamiert, verunglimpft die Kohlen aus dem Feuer holen, weiteres Unheil verhindern, soll es „einen Schulterschluss aller gesellschaftlichen Gruppen gegen Judenfeindlichkeit“ geben, wie Bundestagspräsidentin Bärbel Bas fordert?

Das ist nichts anderes als die Vergemeinschaftung des eigenen Versagens trotz jahrelanger Kritik. Das ist erbärmlich, hilf- und folgenlos und die Selbstaufgabe politischen Handelns.

Dagegen gilt es, sich als „Gesellschaft“, als „Wir“ zu wehren.


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Kommentare ( 194 )

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Helfen.heilen.80
1 Jahr her

Man könnte meinen, wenn es darum geht „moralische Integrität“ zu betonen, wird u.U. gern auch mal „abgegrenzt“. Wenn es eine m.E. ideologische Pleite zu verarbeiten gibt, sind es plötzlich wieder „WIR“? Von der „elitären Erhabenheit“ einer „Avantgarde“ ist jetzt keine Rede mehr, wie auch?

Last edited 1 Jahr her by Helfen.heilen.80
investival
1 Jahr her

Frau Bas, die Herren Klein, Poschardt und Gabriel, et al.: IHR habt das WIR gespalten oder das willfährig zugelassen. Die unkontrollierte Immigration war nach dem für das WIR bereits grenzwertigen Euro-Intro Euer Auftakt, dann kam ‚Klima‘, dazwischen ‚Corona‘, nun wieder ‚Klima‘ – immer die gleichen Lautsprecher, denen IHR nicht widersprochen habt. Nun, nach 8 Jahren, fällt Euch der Auftakt als Konsequenzs so langsam, endlich, auch auf die eigenen Füße.
Mit einem undifferenzierten banalen WIR kommt Ihr da nicht heraus.
Es macht es nur noch schlimmer.
Es gibt Verantwortliche, in allen 4 Staatsgewalten, und DIE sind zu benennen.

Last edited 1 Jahr her by investival
Michael Scholz
1 Jahr her

Danke Frau Stepan, dass Sie diesen Unverschämtheiten Einhalt gebieten!

Ich bin auch nicht „Wir“! An meine schlaflosen Nächte im Sept. 2015, an den Beginn der nächsten und diesmal wohl der endgültigen deutschen Katastrophe, kann ich mich noch sehr gut erinnern.
Und z.B. auch Karl Lagerfeld (ein Modezar und kein Politiker) war nicht „Wir“: „Wir können nicht, selbst wenn Jahrzehnte zwischen den beiden Ereignissen liegen, Millionen Juden töten und Millionen ihrer schlimmsten Feinde ins Land holen“.

Judith Panther
1 Jahr her

„Wir waren zu tolerant“ … zu naiv …Wir haben … versagt … nicht gesehen … wollten … nicht sehen …“ Wer ist WIR? Merkel? Scholz? Habeck? Nee: Die wußten genau was sie tun. Bärbock vielleicht? Ausgeschlossen. Die hat bis heute keine Ahnung und weiß auch garnicht, wo man sowas herbekommt. Faeser sowieso nicht. Die hat ja nun nachweislich nichts getan, aber auch GARNICHTS! Was ist mit den Grün-Grünen? Den Gelb-Grünen? Den Rot- oder den Schwarz-Grünen? Nee. Sind sauber. Haben auch nichts damit zu tun. Haben sie selber zugegeben. Waschen ihre Hände im Blut der Un … äh, ´schuldigung … waschen… Mehr

Waldorf
1 Jahr her

Es ist das übliche Abladen eigener Verantwortung bei anderen, damit man selbst in Amt, Job und Bezüge bleiben kann. Also die übliche strukturelle Verantwortungslosigkeit, die seit Jahren astrein funktioniert. Rücktritte gibt’s nur noch für krasse Fehler, die eigentlich vor Gerichte gehören würden, die üblichen Standardfehler, -Mißerfolge oder -Stümpereien führen jedenfalls nicht in den politischen Jobverlust, weil ansonsten die mühsam aufgebauten Partei-Promis in kürzester Zeit allesamt arbeitslos wären. Es sind halt überwiegend drittklassige Stümper, die sich über das Partei/Listenticket auf Positionen wanzen konnten, für die sie regelmäßig kolossal ungeeignet und oft noch unqualifiziert sind. Seit Merkel entsprechen unsere Regierungskabinette eher einer… Mehr

Odysseus JMB
1 Jahr her

Der nun angestimmte rotgrünmerkelsche Schwanengesang vom „Wir (- haben-versagt-in-Sachen-Antisemitismus)“ ist nicht nur dumm und peinlich, er ist abstoßend für alle, die bereits früh die Zeichen der Zeit erkannten. Sozialismus (als Ersatz für importierten Islamismus) ist eben auch unter Bedingungen der „BEÄRRDE-Demokratie“ mehr als nur nicht zielführend, irrational, fatal und dumpfbackig. Maßlosigkeit und fehlendes Urteilsvermögen sind das durchgehende Kriterium für die Fortschreibung der FDJ-Ideologie durch Akteure wie Merkel, indoktrinierte Steigbügelhalter.innen oder Juso-Abkömmlinge, aka Scholz und Anhang. Fehlendes Wissen im sog. wissenschaftlichen religiös-soziologischen Umfeld, das zudem glaubt ohne tradiertes volkswirtschaftliches Grundwissen öffentliche Ratschläge erteilen zu müssen, verstärkt die freigelegte staatliche Fehlschlüssigkeit. Dies… Mehr

Fragen hilft
1 Jahr her

Liebe Frau Stephan, mit dem folgenden Buchhinweis möchte ich ganz besonders Ihre Glaubwürdigkeit zu diesem Thema unterstreichen. Ich las es damals und danke dafür.
Cora Stephan: Angela Merkel. Ein Irrtum Broschiert – 21. Februar 2011

Menkfiedle
1 Jahr her

Schon witzig. Da wurde Offensichtliches geleugnet und wer es thematisierte, wurde als rechtsradikal und Menschenfeind bezeichnet. Und nun, da es nicht mehr geleugnet werden kann, will man es nicht haben kommen sehen. Aber anstatt vor Scham im Boden zu versinken, wird das Problem dem „wir“ an die Backe geheftet. Viele sagen ja, „wir“ seien antisemitischer geworden. Also auch ich. Das ist der Treppenwitz: Ich habe vor dem neuen Antisemitismus gewarnt, seitdem bin ich rechtsradikal und nun bin ich auch noch antisemitisch. Sehr witzig, wenn es nicht so traurig wäre.

Funke
1 Jahr her

Der grüne Ungeist ist schuld – die „Deutschland ist Scheiße“-Ideologie. Denn am Ende muss es der Staat, unser Deutschland richten. Das verkennen die grünen Ideologen bis heute. Der Modepapst Lagerfeld sagte einst: „Antisemitismus? Mich wundert´s nicht, wenn hunderttausend der schlimmsten Judenhasser ins Land gelassen werden“ Und wieder sage ich: Merkel trägt die Hauptschuld. Die Frage ist: War sie zu dumm oder zu raffiniert? Ich sage: Zu raffiniert. Die wollte (und will) als glühende Kommunistin das Deutschland, welches ihre DDR okkupiert hatte, vernichten! Alles, was sie politisch tat, war auf Vernichtung des Landes ausgerichtet. Erinnert euch!

bfwied
1 Jahr her
Antworten an  Funke

Sie haben sicher recht. Sie war eine privilegierte Funktionärin, sie versteckte sich während der 89er-Revolte, was deutlich zeigt, dass sie das kommunistische SED-Regime nicht weghaben wollte. Sie hat sich hervorragend getarnt – sie war auch gut dafür ausgebildet – und erkannte sicher die Achiles-Ferse der BRD, und sie nützte sie gnadenlos kaltschneuzig aus. Sie testete, wie weit sie gehen konnte. Der letzte Test war die Absetzung des einwandfrei sauber gewählten FDP-Ministerpräsidenten. Damit war klar, dass ihre Seite vollkommen ungestört mit den 83 Mio. Deutschen verfahren kann, wie die es wollen. Es war knallhart geplant und durchgezogen. Diese Frau gehört m.E.… Mehr

Cimice
1 Jahr her

„Und jetzt sollen „Wir als Gesellschaft“, jahrelang beschimpft, diffamiert, verunglimpft die Kohlen aus dem Feuer holen, weiteres Unheil verhindern, soll es „einen Schulterschluss aller gesellschaftlichen Gruppen gegen Judenfeindlichkeit“ geben …“ – — Nur zur Klarstellung: Große Teile unserer Gesellschaft, die linksgerichteten nämlich, standen tatsächlich voll und ganz hinter dieser Politik. Allen voran natürlich die Medien, die die Denkrichtung vorgaben (und noch immer vorgeben). Wer verunglimpft, diffamiert, als „Rääächts“ und womöglich sogar als Nadsi (obwohl auch die Linke waren) verleumdet wurde, waren alle anderen, die nicht müde wurden und trotz aller Beschimpfungen immer wieder auf die Folgen hinwiesen. Somit die bürgerlich-konservativen… Mehr