God save the Queen – Ein Loblied auf die konstitutionelle Monarchie

Die konstitutionelle Monarchie ist ein Anachronismus und ihre Riten sind Folklore. Aber den Ländern tut sie gut, weil sie für Zusammenhalt sorgt. Einen Staat kann man schätzen, seine Politiker muss man ertragen, aber einen Monarchen kann man lieben und verehren.

IMAGO/United Archives International

Auch hierzulande hat die Queen ihre Anhänger, und keineswegs nur naive Verehrerinnen, die in ihrer Jugend Prinzessin gespielt und Krönchen getragen haben. Manch einer ist sogar neidisch auf die britische Monarchie mit ihrer beständigen, verlässlichen, dem Land und dem Commonwealth dienenden Queen, mit deren Tod eine Epoche endet. Der Lichtblick ist die Königin, die manch dunklen Fleck in der Geschichte der Nation ausgeblendet hat.

Ihre Kritiker verweisen natürlich auf die Absurdität einer Erbmonarchie: Die gekrönten Häupter sind schon als Baby royal, sie werden weder einem Intelligenztest unterworfen noch gewählt.

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Doch ist das wirklich ein Manko? Offenbar fällt es leichter, 70 Jahre lang ein Staatsoberhaupt zu lieben und zu verehren, gerade weil es den Schäbigkeiten der Politik enthoben ist. Eine Symbolfigur, die sich nicht in Jahren der Ochsentour jenen Stallgeruch hat aneignen müssen, der größtenteils nach Opportunismus stinkt. Die sich nicht alle Jahre wieder in Wahlkämpfen verrenken muss, damit die gewünschte Koalition auch zustandekommen kann. Das macht soeben der einstige Hoffnungsträger der CDU Friedrich Merz durch, der den Grünen vorausschauend so weit in den Allerwertesten kriecht, dass es ihm womöglich selbst die Luft nimmt. Und was wäre, wenn der Bundespräsident nicht einer wäre, der aus Parteienproporz in Bellevue gelandet ist, um das Volk mit sozialdemokratischem Mahnen und Warnen zu beglücken? 

Nicht jeder, der nach demokratischen Regeln gewählt wird, erweist sich als Glück für Land und Volk oder gar als Hüter seines Wohlstands und Wohlbefindens. Die Parteiendemokratie hat ihre Grenzen – zumal dann, wenn das Parlament unter Konsenszwang zum Abnickverein heruntergekommen ist und eine Kanzlerin alternativlos durchregiert. 

Nicht zuletzt fehlt unserer nüchternen Republik ein bisschen vom Pomp und Prunk, worauf sich die konstitutionelle Monarchie in Großbritannien stets so blendend verstanden hat. Nicht zuletzt übrigens, was die Armee betrifft und die Wertschätzung, die man britischen Soldaten geradezu ansieht: Was haben sie für farbige Uniformen! Und Straußenfedern auf den Helmen! Bei uns sind selbst die Ausgehuniformen puritanisch grau.

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Gut, einem, der hierzulande schon beim Großen Zapfenstreich Schnappatmung bekommt, dürfte selbst das schon zu viel sein. Soldaten haben hierzulande unsichtbar zu sein, wenn es sie nunmal geben muss. Und wer will schon unseren Kaiser Wilhelm wiederhaben! Wir haben, im Unterschied zu den Briten, keine nationale Identität und Kontinuität, es gibt einen Bruch in der deutschen Vergangenheit, der nicht zu heilen ist.

Und es stimmt ja: Die konstitutionelle Monarchie ist ein Anachronismus und ihre Riten Folklore, eine Touristenattraktion, die immerhin hilft, die Kosten der Royalty ein wenig zu dämpfen. Dabei wird gern übersehen, dass die königliche Familie einer Arbeit nachgeht, die den Spielraum recht klein hält, in dem ihre Angehörigen ihren Reichtum genießen und verprassen könnten. 

Nicht, dass man nun Mitleid empfinden müsste. Aber irgendwie sind die Royals doch erheblich unterhaltsamer als die Leuchten unserer parlamentarischen Demokratie, die sich nicht nur das im Verhältnis zur Größe des Landes mitgliederstärkste Parlament und demnächst das monumentalste Kanzleramt der Welt gönnen. Ganz ohne die Steuerzahler mit ein wenig Protz und Pomp zu entschädigen, die sich womöglich schon länger fragen, wofür man den gefräßig wachsenden Apparat eigentlich braucht, während Schulen verkommen und Infrastruktur zerfällt. 

Also noch einmal: Wozu ist die Monarchie gut, abgesehen vom Spektakulösen? Für so etwas wie den Zusammenhalt der Nation. Gerade weil der Monarch über den Parteien steht, keinem Lager zuzurechnen ist, nicht vom Wohlwollen des Wahlvolks abhängig ist, kann er Auseinanderstrebendes zusammenhalten. Wie manch ein ansonsten unsentimentaler Brite sagen würde: Eine Königin kann man lieben und verehren. Einen Staat kann man schätzen. Die meisten Politiker aber muss man leider ertragen.

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Doch genau das, das Zusammenhangstiftende der Queen, geriet ihr jüngst in der Talkshow von Markus Lanz zum großen Manko. Die Queen überdecke etwas, verhindere Veränderungen des Klassensystems, halte zusammen, was nicht zusammengehöre. Das dürfe nun endlich diskutiert werden. Und in bester klassenkämpferischer Manier tönte der Moderator, dass Großbritannien in der Hand von wenigen Großgrundbesitzern sei, die unermessliche Reichtümer anhäuften. Die Korrespondentin assistierte: Die Ungerechtigkeiten seien in England deutlich schreiender als in Deutschland, weil, Achtung, an der Spitze des Landes ein „nichtgewähltes Staatsoberhaupt“ stehe.

Ob das auch für die EU zutrifft? Help me out: Wurde Ursula von der Leyen im wahrsten Sinne des Wortes gewählt oder eher ausgewählt? Und wie steht es mit dem Bundespräsidenten, ist dessen Wahl mehr als eine formelle Bestätigung des vorher Vereinbarten? Und inwieweit ist ein Parlament von Vorteil, das auf Konsens getrimmt ist und die einzige Opposition systematisch ausgrenzt?

Der britische Autor Douglas Murray schätzt nicht nur den konstitutionellen Frieden, den die Monarchie bringt, sowie Einheit jenseits von Politik, sie schütze auch vor einer Politikform, die von sich behauptet, meritokratisch zu sein, aber alles andere ist als das.   

Und womöglich hat es die vierzehn Premierminister, die sie begrüßt und verabschiedet hat, ein wenig Demut gelehrt, wenn sie allwöchentlich vor der Queen sozusagen auf die Knie fallen mussten, um berichtend womöglich zugleich zu reflektieren, was wichtig und richtig ist und was nicht. 

Man nennt es: Rechenschaft ablegen. Das ist hierzulande dringend weiterzuempfehlen. Vielleicht verbunden mit dem Eingeständnis von Fehlern und der Buße dafür. In manchen Fällen wäre Rücktritt der erste Schritt in die richtige Richtung.



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Kommentare ( 30 )

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bfwied
2 Jahre her

Es ist ernsthaft gelebte Tradition, die die Bürger als Mitglieder einer Familie ernstnimmt und ihnen Halt durch Zusammengehörigkeitsgefühl gibt. Pompös? Ja, mit allgegenwärtigen Zeichen, dass sie alle ein Volk sind, ergänzt durch das Commonwealth. Was ist dagegen ein Land, das sogar seine Nationalfahne in den Papierkorb wirft (Merkel), die Nationalfussballmannschaft nur noch „Die Mannschaft“ nennt – wer hat daran noch Interesse? Was hat dagegen ein Steinmeier zu bieten, der ideologiebasierte Parteipolitik betreibt und – in völligem Gegensatz zu UK – alle ausgrenzt, die nicht linksgrün ideologisiert sind? Der augenfällige Gegensatz ist: UK ist gelebte und geliebte Tradition, Deutschl. redet viel von Werten,… Mehr

Mozartin
2 Jahre her

Die englische Monarchie ist nicht die einzige in Europa; als da wären noch Norwegen, Schweden, Dänemark, die Niederlande, Belgien, Liechtenstein, Luxembourg, Spanien, Monaco. Das sind nicht wenige und ich vermute, dass es in der Tat zutun hat mit der FÄHIGKEIT zu einem dauerhaften Konsens und FREIWILLIGER UNTERWERFUNG unter ein führendes Haus. Es würde mir im Traum nicht einfallen, dies etwa einzufordern oder selbst zu leisten. Die ehedem germanischen Stämme sind nicht so verfasst? Was Sie, Frau Stephan, als bei uns so blass und „schlingernd“ beschreiben, das leuchtet für mich, das nimmt mich mit, unsere verfasste parlamentarische Demokratie. FREIWILLIG selbstbestimmt und… Mehr

Fritz Goergen
2 Jahre her

Das Empire wurde durch den Eintritt der USA 1917 in den 1. Weltkrieg beendet. Da blieb nur noch Nachlass-Verwaltung.

ketzerlehrling
2 Jahre her

In diesen Zeiten mag mancher wehmütig werden und sich einreden, dass damit alles besser wäre. Nichts ändert eine Monarchie, ausser, dass sie eine Menge Geld kostet und missbraucht wird und werden kann. Die Monarchie ist längst aus der Zeit gefallen.

Franjo
2 Jahre her

Sie schreiben durch die Kriege die Deutschland angezettelt hat gäbe es eine groß e Wunde in der deutschen Vergangenheit die nicht heilen könne. Dass stimmt aber Wunden können heilen, das Problem ist nur wir haben Politiker und Medien die die Wunden immer wieder aufreissen und nicht wollen, dass sich eine neue deutsche Identität entwickelt. Man könnte und sollte das Zusammengehörigkeitsgefühl über Parteigrenzen hinweg fördern wenn man in der Öffentlichkeit steht.
Wenn man aber, wie Teile der jetzigen Ministerriege, nichts mit Deutschland anfangen kann und gegen dasn eigene Volk Politik betreibt ist das schwierig!

fatherted
2 Jahre her

Echt jetzt? Will die Autorin tatsächlich wieder Adel und Herrschaft in Amt und Würden bringen. Der recht kurzsichtige Artikel oben, vergisst die Klassengesellschaft in Britanien die kurz vor dem überkochen ist. Die Upper Class die sich vor allem aus „altem Adel“ rekrutiert ist heute noch der Meinung, dass man mit dem „Pöbel da unten“ nichts zu tun haben möchte und Britanien wieder Großmacht werden könnte. Da hilft auch keine „Volksnahe Königin“. Will man tatsächlich in Erbfolge wieder das Knie vor einem Herrscher beugen? Will man das hier bei TE? Ich knie vor niemanden….außer ich bekomme einen Gewehrkolben in die Kniekehlen.… Mehr

Sabine Ehrke
2 Jahre her

Echt jetz? Ein Clan, wie viele andere auch, welcher Reichtum und Macht auf Verbrechen über Jahrhunderte an seinen Untertanen begründet hat? Es ist bedauerlich, dass Blut abwaschbar ist, sonst würde man auch augenscheinlich erkennen, dass diese Herrschaften alles andere als blaublütig sind.

Wilhelm Roepke
2 Jahre her

Es gibt nur einen Unterschied zwischen Ländern wie Grossbritannien mit Monarchie und Ländern ohne wie Deutschland: in den ersteren hat sie wie z.B. in Schweden, Spanien oder Dänemark in der Vergangenheit funktioniert; in den anderen wie Deutschland, Russland oder Frankreich haben es die Herrscherfamilien verbockt. Aber das ist eine Einbahnstraße; es gibt im 21. Jahrhundert keine Rückkehr. Und daher wird jeder Grossfehler in einer Monarchie zu weiteren Umwandlungen führen. Spanien hat schon mal gewackelt und auch Grossbritannien war in den 90er Jahren gefährdeter. Und selbst im Falle des Fortbestands schrumpft die tatsächliche Macht wie z.B. in Japan oder Thailand in… Mehr

Hannibal ante portas
2 Jahre her

Eine Erbmonarchie widerspricht natürlich jeder Demokratie und jedem Rechtsstaat, auch wenn sie konstitutionell sein sollte. Auch vermeintlich moderne Verfassungen tragen auch immer Anachronismen und Widersprüche in sich. Bei uns sind es zum Beispiel das Beamtentum, Kanzler, die theoretisch lebenslang regieren können oder Bundespräsidenten, die sich als gewählte Monarchen verstehen. Kein politisches System ist ohne „Altlasten“ denkbar. Jeder stellt sich demonstrativ in eine populäre Traditionsreihe: Hitler hinter Friedrich den Großen und die heutige BRD hinter das Paulskirchenparlament. Beide liegen aber falsch, da sie nur genehme Eigenschaften der vermeintlichen historischen Vorbilder in den Vordergrund rücken und die unpassenden einfach unter den Tisch… Mehr

zweisteinke
2 Jahre her
Antworten an  Hannibal ante portas

Ach so und diese Clowns, die in „unserem Rechtsstaat“ als „Regierung“ in irgendwelche dubiosen „Koalitionen“ völlig abseits des Wählerwillens, geschweige denn durch irgendwelche Beeinflussung des Souveräns in Hinterzimmern ausgewürfelt werden, entsprechen Ihrer Meinung nach demokratischen Grundprinzipien?

Hannibal ante portas
2 Jahre her
Antworten an  zweisteinke

Nein, natürlich nicht! Jede noch so gute Verfassung braucht Politiker UND Volk, die sich dieser verpflichtet fühlen und danach handeln. Im vorliegenden Fall hat sich die „Elite“ des Staates bemächtigt. Das Volk, besser: JEDER EINZELNE hatte im Jahre 2021 ( die Bundestagswahl habe ich dabei nicht im Sinn!) die Chance durch sein ganz individuelles Verhalten dies zu verhindern! Die Mehrheit hat sich aber für eine nicht vorhandene Sicherheit entschieden. Eine mögliche Korrektur dieser verheerenden Entscheidung wird ohne „Schrammen“ nur schwerlich denkbar sein.

Johann Thiel
2 Jahre her

Ausgezeichneter Beitrag von Cora Stephan aus einem interessanten Blickwinkel und mit ordentlichen Spitzen an den richtigen Stellen.