Die volle Schönheit des Rechtsstaates

Bereits in der Pandemie hat sich die Justiz für den Staat und gegen die Freiheit entschieden, statt die Bürger vor Übergriffen zu schützen. Von wenigen Ausnahmen abgesehen hat die Justiz ihre Rolle als Hüterin der Freiheit vergessen.

IMAGO/Eibner

Wie es um die Demokratie in Deutschland bestellt ist? Schlecht, seit Angela Merkel mit der Behauptung, etwas sei alternativlos, das Parlament zum Abnickverein degradiert hat. Noch schlechter, seit die Oppositionspartei AfD von den „demokratischen Parteien“ systematisch ausgegrenzt wird – und damit auch ihre Wähler, die den Stempel „rechtsextrem“ mittragen müssen, daher ebenfalls aussortiert werden. Die Quittung dafür bereitet den Konsensparteien zu Recht Sorgen: derzeit liegt die AfD in den Meinungsumfragen gleichauf mit der SPD, während der Zuspruch für die Grünen schwindet.

Bedenklicher aber ist die Krise des Rechtsstaates – und dass von Politikern Demokratie und Rechtsstaat gern gleichgesetzt oder miteinander verwechselt werden. Der Rechtsstaat aber ist gottlob dem Mehrheitsprinzip nicht unterworfen, sondern dem Gesetz. Und: „Das Rechtsstaatsprinzip hat nichts mit der Rechtsbindung des Bürgers zu tun, sondern betrifft die Rechtsbindung des Staates zum Schutze der Privatautonomie“, so der Rechtswissenschaftler Ulrich Vosgerau.
Vosgerau hat kürzlich eine stattliche Sammlung von Politikersprüchen veröffentlicht, die anzeigen, dass auch unseren Regierenden das Wissen darüber, was der Rechtsstaat bedeutet, abhanden gekommen ist.

Bei denen etwa, die gerne davon sprechen, Missetäter müssten „die volle Härte des Rechtsstaates“ spüren. Die volle Härte des Gesetzes, vielleicht. Rechtsstaatlichkeit aber bedeutet etwas ganz anderes, nämlich Schutz der Bürger vor staatlicher Willkür. Politiker wünschen sich offenbar den strafenden, nicht den an Recht und Gesetz gebundenen Staat. Daran hatte man sich während des Coronamaßnahmenregimes so schön gewöhnt.

Einerseits. Andererseits ist man im politischen Olymp anhaltend auf dem linken Auge blind. Das Gewaltmonopol des Staates verdient dieser sich dadurch, dass er Selbstjustiz verhindert. Der „Kampf gegen Rechts“ scheint aber immer wieder als Legitimation für linksextreme Gewaltorgien durchzugehen. Es ist jedenfalls verblüffend, wie viele Journalisten sich finden, die irgendwie gut heißen, was Lina Engel und andere dazu bewog, Menschen Gewalt anzutun, die sie für „rechts“ hielten. Aber was soll schon sein, wenn wir doch eine Innenministerin haben, die sich als „Antifa“ versteht?

Bereits in der Panikpandemie hat sich die Justiz für den Staat und gegen die Freiheit entschieden, statt die Bürger vor Übergriffen zu schützen. Von wenigen Ausnahmen abgesehen hat die Justiz ihre Rolle als Hüterin der Freiheit vergessen.
Jeder Mensch hat, geht es mit rechten Dingen zu, das Recht auf ein faires Verfahren nach Recht und Gesetz, ohne Ansehen von Herkunft und Person. Justitia ist blind. So soll es sein. So ist es indes nicht immer.

Gewiss: es gibt das richterliche Ermessen. Der Richter urteilt nach Recht und Gesetz, genießt aber einen Ermessensspielraum. Insofern ist das Urteil gegen Lisa Engel schwerlich zu beanstanden – auch wenn man sich fragen mag, ob es nicht eher wahrscheinlich ist, dass sie sich der weiteren Strafverfolgung entziehen wird. Doch die Wertung des Richters bei der Urteilsbegründung erinnert an die notorische Rechtfertigung linker Gewalt. Schlüter-Staats bekräftigt zwar das Gewaltmonopol des Staates, attestiert der Gruppe um Lina E. jedoch ein „achtenswertes Motiv“, denn von rechter Gewalt gehe die größte Gefahr in Deutschland aus. Doch immerhin: auch ein Nazi sei nicht vogelfrei.

Na bitte! Das muss doch alle beruhigen, die Angst davor haben, wegen eines falschen Kleidungsstücks halb totgeschlagen zu werden – oder auch nur wegen einer falschen Meinung, denn rechts oder „Nazi“ sind ja mittlerweile alle, die nicht auf Regierungskurs sind.

Im Zweifelsfall auch jene Polizisten, die einer randalierenden Antifa entgegentreten müssen. Zwar war aus guten Gründen eine Solidaritätsdemonstration für Lina E. in Leipzig verboten worden, doch ein findiger grüner Stadtrat meldete daraufhin eine Demonstration für das Versammlungsrecht an. Versammeln durften sich die Bürger während der Maßnahmenpandemie zwar nicht, das galt als rechts, doch jetzt hat offenbar auch die Linke den Wert von Grundrechten erkannt.

Es kam, wie man es erwarten durfte: die vermummte Putztruppe sah ihre Chance. „BRD, Bullenstaat, wir haben dich zum Kotzen satt.“ Doch wem geben „Kritiker“ nun die Schuld an der Eskalation? Den das Gewaltmonopol des Staates durchsetzenden Kräften, kurz: den Ausputzern. Den Bullen. Die den Kopf hinhalten müssen für politische Fehler.

Man wünscht ihnen manchmal die volle Härte des Rechtsstaates – all jenen aus der politischen Klasse, die ihn weder verstehen noch achten.


Das neue Buch von Cora Stephan, „Über alle Gräben hinweg. Roman einer Freundschaft“ ist am 8. Februar bei Kiepenheuer & Witsch erschienen

 

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Kommentare ( 31 )

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jopa
1 Jahr her

Sitzen in der AfDSpitze vielleicht auch schon Vertreter von Blackrock oder dem Verfassungsschutz?

John Beaufort
1 Jahr her

In einem Rechtsstaat ist jeder Bürger dem Recht gleichermaßen unterworfen. In einem Unrechtsstaat wird das Recht selektiv angewendet, also nur gegen diejenigen Bürger, die der Agenda der Regierung schaden. Alle anderen dürfen gewähren. Nun kann man überlegen, was von beidem die BRD 2023 ist. Wir brauchen eine neue Verfassung mit drei unabhängigen Gewalten: 1. Verfassungsrichter, die keiner Partei angehören dürfen und von der gesamten Richterschaft des Landes demokratisch gewählt werden. 2. Einen Regierungschef, der vom Volk gewählt wird und ebenfalls weder einer Partei noch einem Parlament angehören darf. 3. Ein Parlament, dessen Abgeordnete einen echten Beruf haben und unabhängig von… Mehr

Waehler 21
1 Jahr her

Der Rechtsstaat und die Demokratie ist blutleer. Diskutiert man mit jungen Menschen, Aktivisten auf der Straße, hat der größte Teil dieser Menschen falsche Vorstellungen von einem Rechtsstaat und von einem Staat überhaupt. Menschenrechte und Grundrechte sind definiert, aber auch teilweise veränderlich, bisweilen eingeschränkt und auf das Staatsgebiet beschränkt. Wenn Herr Vosgerau von einer Rechtsbindung des Staates spricht, ist damit gemeint, dass er sich selber an die geltende Rechtslage hält und nicht selber dagegen verstößt. Weiterhin ist er verpflichtet Gesetze auch durchzusetzen um Anarchie und Selbstjustiz zu unterbinden. Beliebigkeit hat keinen Platz in einem Rechtsstaat. Jungen Menschen wird das Fantastisieren über… Mehr

Juergen P. Schneider
1 Jahr her

Die deutsche Justiz ist zur Affirmationsinstanz für Regierungswillkür verkommen. Während der Corona-Panik-Pandemie war deutlich zu sehen, wie die Gerichte jeden Willkürakt einer Amok laufenden Exekutive abgesegnet haben. Unser Land leistet sich eine regierungshörige, links-grüne Gesinnungsjustiz. Es wird wie weiland zur Nazizeit mit zweierlei Maß gemessen. Wer als Richter für Gewalttaten den Tätern ein „achtenswertes Motiv“ attestiert, der billigt Gewalt, wenn sie sich gegen die „Richtigen“ wendet. Die ersten Anzeichen einer kommenden linken Gesinnungsdiktatur sind klar zu erkennen. Die Corona-Panik hat uns gezeigt, wie leicht es geworden ist, in diesem Land über Nacht ein diktaturähnliches Regime zu errichten, in dem kein… Mehr

Autour
1 Jahr her

Tja mit dem Recht und Rechtsstaat ist es immer so eine Sache.
Auch das 3. Reich war im Grunde ein Rechtsstaat in dem Richter recht sprachen. Viele der Gesetze sind heute noch gültig. Es wurden sogar wegweisende Gesetze wie das erste Tierschutz Gesetz erlassen.
Nein, was letzten Endes einen Staat zu einem Unrechtsstaat macht sind die ausführenden Organe! Genau wie damals wird heute mit zweierlei Maas gemessen. Genau wie damals werden die einen mit Samthandschuhen angefasst während die anderen die höchstmöglichen Strafen erwarten dürfen.

Gabriele Kremmel
1 Jahr her

Der Zweck heiligt eben nicht die Mittel. Auf diesem Auge hat die Justiz blind zu sein und nicht darauf zu schielen, ob dem Richter der Zweck gefällt oder nicht. Wenn der richterliche Ermessensspielraum nicht unter das Neutralitätsgebot fällt und das private Denkmuster der Richter (oder das Regierung) hier zum Tragen kommt, dann fragt man sich, was als nächstes kommt. Der muslimische Richter urteilt über den Gattinenmörder mild, weil er mit guter Absicht die Tat begangen hat?

MartinL
1 Jahr her

Von „rechter Gewalt“ geht die größte Gefahr aus? Nimmt man die Zahlen der Amadeu Antonio Stiftung und die offiziellen Zahlen des statistischen Bundesamts zur Hand, kann man eine simple Tatsache sehen.
Ausländer in Deutschland töten in etwa 1.5 Jahren soviele Menschen mehr, als dieselbe Menge Deutsche, wie in den letzten 30 Jahren Opfer rechtsextremer Taten wurden. Die Berechnung hatte ich 2020 mal gemacht, besser geworden ist es nicht.

Waehler 21
1 Jahr her
Antworten an  MartinL

Relativieren ist im Zusammenhang mit dem Schutz des Lebens Mist. Das was man sagen kann ist, dass gewisse Taten verharmlost werden, während andere gehypt werden.

PK110
1 Jahr her

Wieso eigentlich wird die verurteilte linke Straftäterin Lina E. nicht mit vollem Namen genannt?
Die vor einigen Monaten als Reichsbürger verdächtigten Personen wurden vor laufender Kamera verhaftet, ihr voller Name und ihr Bild sind sofort veröffentlicht worden. Die bis zu einem Urteil geltende Unschuldsvermutung war in diesem Falle ausgesetzt.

Aegnor
1 Jahr her
Antworten an  PK110

Die Namen und Gesichter der „Rechten“ wurden/werden deshalb veröffentlicht, damit solche Subjekte wie Lina Engel und ihre Spießgesellen sich ihrer annehmen könnten, falls aus irgendwelchen Gründen die Justiz aus linker Sichtweise „versagt“. Quasi ein Backup-Mechanismus der linken Medien. Ein völlig unnötiger allerdings, wissen wir doch, dass bei „Rechten“, egal was man ihnen wirklich nachweisen kann, immer die mögliche Höchststrafe ausgesprochen wird.

Last edited 1 Jahr her by Aegnor
alter weisser Mann
1 Jahr her
Antworten an  Aegnor

Die im Hintergrund gehaltenen Putztruppen der Regierenden, alimentiert aus vielen Töpfen „gegen rechts“.
So mancher Oberbürgermeister ist ganz erstaunt, dass es gar nicht hilft, mit diesen Typen Gespräche zu führen und sie zu lobpreisen (für was auch immer), man hat sie, so man ihren Wünschen nicht nachkommt, trotzdem am Hals.

Nibelung
1 Jahr her

Zitat: In der Corona-Pandemie hat sich die Justiz für den Staat und gegen die Feiheit entschieden. Dazu muß man sagen, daß dieses Verhalten nicht neu ist und nur wieder fröhliche Urständ feiert, denn die Nazis von damals sind auch nur was geworden, bzw. konnten sich halten weil sie vom Bürgertum unterstützt wurden und das waren viele Akademiker wie Ärzte, Juristen, Adel, Medienschaffende und die Mittelständler, die sich alle was vom Aufschwung versprochen haben, was dann im größten Desaster geendet ist und das Proletariat war das Kanonenfutter und wurde entsprechend befeuert um eigene Vorstellungen umzusetzen und auch daran finanziell zu partizipieren.… Mehr

Marco Mahlmann
1 Jahr her
Antworten an  Nibelung

Das stimmt nicht. Damals liefen rote und braune Horden umher (die Teilnehmer wechselten zudem munter die Seiten) und schlugen sich gegenseitig die Köpfe ein. Das Bürgertum hat das nicht toleriert oder gar unterstützt, sondern es hat sich angewidert abgewandt; das Bürgertum hat sich damit nicht befaßt, weil es den Pöbel für unter seiner Würde hielt.
Letztlich haben sich die Braunhemden durchgesetzt. Das lag aber nicht am Bürgertum, das sie machen lassen hätte, sondern zum einen an der härteren Schlagkraft und zum anderen an der Figur Hitler, der sich als talentierterer und überzeugender erwies als die Kommunistenbande.

Gerro Medicus
1 Jahr her

Neben dem Richten nach Recht und Gesetz hat ein Richter auch die Verhältnismäßigkeit zu beachten. Wenn eine linke Lina Engel für schwere Körperverletzung und potentiellen Totschlag 5,5 Jahre Knast erhält, das Gericht aber als freie Frau verlassen kann, die rechte Gruppe Freital hingegen, die Sachbeschädigung plus ein paar Kanonenschlagzündungen begangen hat, bei denen niemand zu Schaden kam, dafür 10 Jahre bekommt, die sie voraussichtlich auch absitzen müssen, dann hat der Rechtsstaat schwere Schieflage. Andersdenkenden aufzulauern, sie zu schlagen, ihnen die Knochen zu brechen und sie ggf. sogar zu Tode zu prügeln, das kann kein ehrenwertes Motiv sein. Zum Vergleich: komme… Mehr