Deutsche Schuld, global verfügbar

Die Critical Race Theory kennt nur weiße und europäische Täter, die andere Völker unterdrückt haben. So sah das offenbar auch Außenminister Maas, als er im Mai 2021 am Parlament vorbei ein Abkommen mit dem Staat Namibia einfädelte.

IMAGO

Die Deutschen trauen sich nur das Allerschlimmste zu. Als ob es nicht schlimm genug wäre, dass während der Naziherrschaft Juden, Sinti und Roma, „Asoziale“ und politische Gegner in Lager verfrachtet wurden, wo sie nicht nur an Nazibestialität, sondern auch an Seuchen starben, verhungerten, sich durch Zwangsarbeit totschuften mussten – als ob das nicht reichte, interessieren vor allem die handfesten Greuel, die Erzählungen von Lampenschirmen aus Menschenhaut, etwa. Das, so 1998 der Journalist Jörg Lau, habe dazu geführt, dass die Schilderungen ungeheuerlicher Taten der Nazis in der erfundenen Biografie eine gewissen Binjamin Wilkomirski bei den deutschen Rezensenten eine „fast religiöse Ehrfurcht“ ausgelöst hat: es schmeichele offenbar „der moralischen Eitelkeit des Kritikers, einen Text voll derartiger Schrecken mit gleichsam versagender Stimme zu loben. An solchen Auftritten voller Schuldstolz ist etwas faul.“

Dieser „Schuldstolz“ (Lau) begleitet Deutschland seit langem. Selbst die britische Propaganda im Ersten Weltkrieg mit erschröcklichen Geschichten über die deutschen Barbaren, die Hunnen, hält man bei uns für plausibel, während man sich in Großbritannien längst von der eigenen Propaganda distanziert hat. Etwa von jenem „Blue Book“, in dem die Briten im Mai 1918 das Vorgehen der Deutschen in Südwestafrika als derart grausam beschrieben, dass man den Deutschen die moralische Eignung als Kolonialmacht absprechen müsse. (1926 ließ die britische Regierung die Propagandaschrift einstampfen).

Doch Historiker aus der DDR trieben das Spiel mit Eifer weiter, etwa Horst Drechsler, der den „antiimperialistischen Auftrag des 22. Parteitags der sowjetischen KP“ treulich erfüllte, indem er allein Westdeutschland die historische Verantwortung für Kolonialverbrechen ungeheuren Ausmaßes zuwies.

Das hat offenbar mittlerweile Tradition. Einige unserer Politiker beharren auch dann auf deutscher Schuld, wenn sie nicht nachweisbar ist. Ein Beispiel: die Benin-Bronzen, angeblich gestohlenes kulturelles Erbe der Nigerianer, weshalb Außenministerin Baerbock sie mit großer Geste ins Land zurückbrachte. Dort gingen sie prompt in den Privatbesitz des Königs von Benin über, das Königshaus, bekannt für Sklavenhandel in großem Stil, war schließlich der ursprüngliche Eigentümer.

Macht nichts. Die Critical Race Theory kennt schließlich nur weiße und europäische Täter, die edle Wilde unterdrückt haben. So sah das offenbar auch Außenminister Maas, als er im Mai 2021 am Parlament vorbei ein Abkommen mit dem Staat Namibia einfädelte. „Wir“, die Deutschen, hätten in der kurzen deutschen Kolonialzeit „Völkermord“ betrieben, und bitten „Namibia und die Nachkommen der Opfer um Vergebung.“ (Namibia gibt es allerdings erst seit 1990). Die Vereinbarung von 2021 sieht vor, dass Deutschland in den kommenden 30 Jahren 1,1 Milliarden Euro für Entwicklungs- und Versöhnungsprojekte zahlt, zusätzlich zu der regulären Entwicklungshilfe. Das Geld soll vor allem in jene Gebiete Namibias fließen, in denen die Nama und Herero leben. Diese aber sind mit dem Ergebnis nicht zufrieden.

War es also der erste deutsche Genozid, die Auseinandersetzung der deutschen Schutztruppe mit den Herero, kulminierend in der Schlacht am Waterberg im August 1904 und der darauffolgenden Vertreibung der Herero in die wasserarme Omaheke? Haben, wie der türkische Präsident Erdogan 2016 behauptete, die Deutschen 100 000 Herero in Südwestafrika auf dem Gewissen? Von Afrika nach Auschwitz, wie der Historiker Jürgen Zimmerer meint?

Tomas Spahn hat die Geschichte und den Ausgang des Konflikts für Tichys Einblick akribisch analysiert und attestiert den Deutschen durchaus Kriegsverbrechen, aber keinen Genozid. Vor allem aber habe Heiko Maas einen völkerrechtlich relevanten Präzedenzfall geschaffen, „der die Tür für eine unendliche Kette vom Regressforderungen öffnet.“

Ist der Unterschied zwischen Kriegsverbrechen und Genozid relevant? Aber sicher doch. Und wäre es nicht an der Zeit, deutschen „Schuldstolz“ mit historischen Fakten zu konfrontieren?

Michael Klonovsky fordert angesichts der Milliardenforderung an den deutschen Steuerzahler in Sachen Herero einen Historikerstreit. Zum einen, so greift er auf die Argumentation von Tomas Spahn zurück, sei weder die Zahl der Herero vor der kriegerischen Auseinandersetzung bekannt noch die Zahl ihrer Opfer, gewiss aber waren es keine 100.000, eine derart große Zahl hätte am Waterberg weder Platz noch Nahrung gefunden. Auch habe dort keine „Kesselschlacht“ stattgefunden, sondern eine Reihe von Gefechten. Im übrigen hätten die Deutschen die Herero nicht in die Omaheke getrieben – eine Trockensavanne mit Wasserstellen, keine Wüste –, sondern die Herero nutzten die ihnen seit langem bekannten Routen ins britisch kontrollierte Betschuanaland. Und schließlich war die „Schutztruppe“ trotz martialischer Sprüche ihres Generals Lothar von Trotha längst durch Wassermangel und Krankheiten zermürbt. Die Gesamtzahl der direkt im Kampf gegen die Herero eingesetzten Soldaten betrug wohl maximal 4700 Mann, von denen 2000 oder 3000 gestorben sind.

Es passt dazu, die historischen Gegner lediglich als Opfer zu begreifen, ihnen damit letztlich die Würde abzusprechen – als ob sie auch 120 Jahre nach dem Geschehen noch nicht in der Lage seien, ihr Schicksal in Selbstverantwortung in die Hand zu nehmen.

Das sind sie aber. Sie haben durchaus den Vorteil erkannt, den ihnen die deutsche Reue bietet. Es werden sich gewiss noch andere solcher Opfer finden.


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Kommentare ( 11 )

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Dr. Friedrich Walter
11 Monate her

Genau in dieser „Schuld-Hybris“ zeigt sich doch die elitäre Arroganz Deutschlands. Uns „Deutsche“ kann man in nichts überbieten, also auch nicht in der Schuld. Sowohl in der Schuld, als auch in der öffentlich-demonstrativen Reue sind wir allen anderen Völkern überlegen. Wer etwas anderes zu behaupten wagt, gehört ins Gefängnis…!

Christa Born
11 Monate her

Wir sind förmlich von Schuld durchtränkt und überhäuft, das ist ja einmalig! Von mir aus kann der ganze Kolonial-Krempel weg. Aber die Grünen sind bald weg und wir sind dann auch pleite, man sollte also jetzt zügig Reparationen fordern, so lange es noch was zu holen gibt.

MariaundJosef
11 Monate her

Lieben Dank, Frau Stephan, dass Sie dieses Thema aufarbeiten. In keinem Land der Welt wird die wahre Historie ( vor allem „Kolonialismus“) so sehr falsch dargestellt, wie in diesem deutschen Land. Herr Maas verteilt großzügig eine Milliarde, ohne geschichtliches Hintergrundwissen. Was soll man auch zu ihm noch sagen…..“ er ist in die Politik gegangen, weil ihm ein Film die Augen über Auschwitz geöffnet hat..“ Das sagt alles aus über diesen Mann und seine Bildung…die ist sehr bescheiden. Heute interessiert ihn diese 000 000 000 nicht mehr. Er hat sich ein neues Betätigungsfeld gesucht.

LiKoDe
11 Monate her

Es scheint, als wollten manche Amtsträger sich mit ihrer ‚Reue‘ für die Schuld mancher ‚Vorfahren‘ selbst rühmen. So wurde und wird ‚Deutsche Kollektivschuld‘ erzeugt.

Da können sie dann auch gleich den grosszügigen Geldgeber mimen, indem sie mit deutschen Steuergeldern in Milliardenhöhe nur so um sich schmeissen.

Diese Hanswürste sind an blanker Dummheit nicht zu überbieten.

Haba Orwell
11 Monate her
Antworten an  LiKoDe

Dabei wird davon abgelenkt, dass heutiges Deutschland viel Schuld an den aktuellen Versuchen der Menschheit-Versklavung trägt. Zum Beispiel identifizieren einige Autoren der unabhängigen Medien die Ampel als eine der wichtigsten Triebkräfte hinter dem WHO-Plandemievertrag, über den TE kürzlich kritisch berichtete.
Frau Baerbock missioniert wie Kerry aus den USA weltweit für den Klimaunsinn, der die Armen ärmer macht und Superreiche noch reicher.

H. Priess
11 Monate her

Völkerrechtlich gesehen war der Kampf gegen die Hereros kein Völkermord oder gar Genozit und wird im Ausland dementsprechend bewertet. Nur die Linken in Deutschland versuchten immer wieder den Kampf als Völkermord hinzustellen. Seit 2016 versuchten sie den selbstgeschaffenen Schuldkult an den Hereros zu befeuern und scheiterten noch im Jahr 2019 in dem der Fonds für die indigenen Bevölkerungsgruppen der Herero und Nama in Namibia abgelehnt wurde https://www.bundestag.de/dokumente/textarchiv/2019/kw12-de-namibia-628 „Im Mai 2021 entschuldigte sich die Bundesregierung offiziell für das in Deutsch-Südwestafrika begangene koloniale Unrecht und erkannte auch die Tötung und Misshandlung tausender Herero und Nama während den Jahren 1904-1908 als „Völkermord aus… Mehr

3 Finnen
11 Monate her

Die sozialistische, anti-imperialistische Geschichtsschreibung zu Namibia wurde schon vor Jahren durch eine simple wirklich wissenschaftliche Untersuchung vor Ort widerlegt. Da es sich bei dem Gebiet in das die Herero geflohen sind um eine Halbwüste handelt, werden Skelette viel länger konserviert und bleiben weitgehend an der Oberfläche liegen, wie jeder auch von Tierkadavern aus solchen Klimata kennt. Sollten tatsächlich 100 000 Herero in dieser Gegend ermordet und durch Wassermangel zu tote gekommen sein, so müssten auch eine entsprechend grosse Menge an menschlichen Gebeinen zu finden sein. NUR DIESE FEHLEN in dieser Menge! Auch wurden die Unterlagen des deutschen Komandanten von Trotha… Mehr

Kassandra
11 Monate her

Am 8. November nimmt Klonovsky in der acta diurna den nächsten uns derart angetragenen Fall auf: Tansania. Denn auch da hat Steinmeier wohl Schuld bekannt, die so gar nicht zu bekennen wäre. Ob da auch Gelder fließen sollen – wer kann das schon wissen? Zumal für solches diese „Haushaltssperre“ auch gelten müsste. . Und am 17. November beschreibt er Dinge, die hier gar nicht publik gemacht werden sollen – nämlich solche: „Das Massaker von Granada beispielsweise, dem anno 1066 mehrere tausend Juden zum Opfer fielen, fast die gesamte jüdische Bevölkerung der Stadt, fand allerdings nicht in einem muslimischen, sondern nur… Mehr

cernunnos
11 Monate her
Antworten an  Kassandra

muslimische Sklaverei“

Kann man sich ja mal fragen warum es in den USA eine erhebliche Population Schwarzer gibt, in den arabischen Staaten aber nicht.

AlterDemokrat
11 Monate her

Es ist nicht so, daß die tatsächlichem Begebenheiten nicht von unterschiedlichen Historikern untersucht worden seien, es fehlt nur daran, daß die verschiedenen Ergebnisse auch der Öffentlichkeit näher gebracht werden. Dies wäre seit langem die Aufgabe der ÖRR und anderen Staatsmedien, anstatt den Nachkommen einer Diktatur immer nur eine angebliche Schuld einzubleuen.

bkkopp
11 Monate her

Der deutsche Schuldkomplex betreffend Süd-West / Namibia, und die anderen eher unbedeutenden kolonialen Beteiligungen in Afrika vor dem Ersten Weltkrieg, ist mit Sicherheit ein Fall für die Psychiatercouch. Entwicklungshilfeminister seit Walter Scheel haben sich aber gerne ihm ergeben, um Geld zu verteilen. Mit der amerikanischen CRT hat der deutsche Schuldkomplex aber nichts zu tun.