Erinnerung an oder gegen Deutschland?

In Deutschland kennt man die eigene Geschichte nicht mehr. Oder sollte man besser sagen: Bei Politikern und in vielen Medien fehlt da irgendetwas? Soeben wird eine weitere große erinnerungspolitische Lücke geschlossen: Ein Denkmal soll „an die Gräuel der Kolonialzeit“ erinnern.

Sedat Mehder
Berlin Global Village, "Dekoloniales Denkzeichen" EarthNest

Ich erinnere mich, wie peinlich berührt ich war angesichts der Rückerstattung der Benin-Bronzen an das nigerianische Volk, ein stolzer Akt der Außenministerin und der Kulturstaatssekretärin. Doch die Bronzen gehörten einst dem Königshaus Benin, brutalsten Sklavenhändlern, nicht dem nigerianischen Volk, das es weder damals noch heute gibt. Noch heute werden in Nigeria 514 Sprachen und Idiome gesprochen. Doch wozu muss man das wissen, wenn man doch deutsch und reinen Herzens ist?

Und wieso sollte eine Bundestagsabgeordnete wissen, wer der erste Reichskanzler war? Emily Fester erinnerte sich erst an Bismarck, als das Stichwort „Hering“ fiel und der Buchstabe „B“ genannt wurde. Ach, ist doch nicht so wichtig. Die Bundesregierung weiß schließlich auch nicht alles, auch nicht, wer das deutsche Wirtschaftswunder zustandegebracht hat. Zum 63. Jahrestag des deutsch-türkischen Anwerbeabkommens von 1961 dankte die deutsche Bundesregierung in einem Instagram-Post allen Türken überschwänglich, die als „Gastarbeiter“ ins Land gekommen sind. „Ohne euch hätte es unser Wirtschaftswunder niemals gegeben.“

Nun, die Gastarbeiter kamen erst, als das Wirtschaftswunder bereits stattgefunden hatte. Aber in Deutschland würde wahrscheinlich niemand heutzutage auf die Arbeitskraft und Leistungsfähigkeit der Vertriebenen (womöglich 12 bis 14 Millionen) verweisen oder auf die hochqualifizierten Menschen, die rechtzeitig die Sowjetzone verließen und mitsamt ihren Fähigkeiten in den Westen kamen.

In der Erinnerungskultur kommen die deutschen Flüchtlinge und Vertriebenen ja schon lange nicht mehr vor. Man erinnert sich lieber an deutsche Schuld und deutsche Verbrechen, alles andere könnte als „rechts“ oder „völkisch“ verstanden werden. Deshalb wird es in Berlin bald ein „Erinnerungs- und Dokumentationszentrum für die Opfer des Terrors der NSU“ geben. Zehn Menschen sind den Terroristen zum Opfer gefallen. Nancy Faeser, noch Innenministerin: „Die rechtsterroristischen Morde des ,NSU‘ und das Versagen des Staates bei der Aufklärung bleiben eine Schande für unser Land. (…) Es ist wichtig, an die Opfer in Berlin, mitten in unserer Hauptstadt, zu erinnern – auch als Mahnung, dem Rechtsextremismus und Rechtsterrorismus mit aller Kraft entgegenzutreten.“

Wer jetzt beckmesserisch daran erinnert, dass es ein Jahr gedauert hat, bis die Bundeskanzlerin den Opfern des islamterroristischen Anschlags auf den Weihnachtsmarkt auf dem Breitscheidplatz im Jahre 2016 (13 Tote) auch nur die Hand gereicht hat, sollte sich damit beruhigen, dass es auch am Breitscheidplatz ein Mahnmal gibt, ein sehr dezentes, aber immerhin: „Der Riss“.

Vor allem aber wird mittlerweile um jeden Weihnachtsmarkt herum gedacht und gemahnt, mit großen Pollern oder vielen, manchmal auch festlich-bunten „Merkelsteinen“, hier in Quedlinburg. Die Innenministerin rät dennoch zu Wachsamkeit: Weihnachtsmärkte seien „Inbegriff der westlichen Kultur und Lebensweise“ und sowas provoziert natürlich, weshalb es mancherorts mittlerweile „Wintermarkt“ heißt – Rücksichtnahme auf andere Religionen als die christliche.

Soeben wird eine weitere große erinnerungspolitische Lücke geschlossen: „Lange existierte in Deutschland kein Denkmal, das an die Gräuel der Kolonialzeit erinnert.“ Das ist jetzt vorbei. Eine Bronzeskulptur, die, je nach Perspektive, wie eine Hütte oder ein Vogelnest wirkt, soll, als „Dekoloniales Denkzeichen“, ein Ort sein, „um sich mit dem kolonialen deutschen Erbe auseinanderzusetzen“. „Berlin übernimmt eine Vorreiterrolle in der Dekolonisierung des öffentlichen Raums und wir sind stolz darauf, dieses Projekt unterstützt zu haben“, heißt es. Der unterirdische Teil des Kunstwerks beherbergt übrigens Erde aus ehemaligen Kolonien.

Was für eine Symbolkraft! Was für ein Kitsch! Was, wenn Schlesier und Sudetendeutsche mit Erde aus der ehemaligen Heimat … Nicht auszudenken.

Nun, es waren eher die Briten, die unterjochte Kolonialvölker als Barbaren behandelten – barbarisch. Als sie die Deutschen Barbaren nannten, gedachten sie, Deutsche ebenfalls als Barbaren zu behandeln. Der größte Propagandaerfolg der Briten seit dem Ersten Weltkrieg: Die Deutschen glauben mittlerweile selbst daran, dass sie die Barbaren waren.

Doch immerhin: Bei uns dringt das Gute zur Not auch durch den Asphalt.


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Kommentare ( 34 )

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Peter Pascht
1 Stunde her

Für jene welche die Wahrheit wissen wollen. Bibliographie: (nur ein kleiner Auszug) [1] „The Deportation and Destruction of the German Minority in the USSR, Prof. J. Otto Pohl, 2001 [2] “The Story of Deportations behind the iron Curtain”, Washington D.C., 1951 [3] “Forced Labor in the Soviet Union“, [4]  “The Soviet Empire: The Prison House of Nations and Races“, A Study in Genocide, Discrimination , and Abuse of Power; Legislative Reference Service of the Library of Congress of United States, Sep. 1968 [5] „Against their Will“, – Pavel Polian, 2004, Printed in Hungary, aus russischen Archiven über die geplanten und systematischen… Mehr

stefanvolker
1 Stunde her

Eine Umfrage unter Deutschen vor einigen Jahren, wer am Ausbruch des Deutsch-Ungarischen Krieges 1881 Schuld gewesen sei, ergab, daß über 70% der Befragten Deutschland die Schuld gaben. – Bemerkenswert daran ist nicht nur, daß die Deutschen grundsätzlich dazu neigen, sich selbst ohne weiteres alle Schuld zuzuschreiben, sondern auch die geschichtliche Unkenntnis und Ahnungslosigkeit, denn einen solchen Krieg hat es nie gegeben. – „Ein Volk, das seine Vergangenheit nicht ehrt, hat keine Zukunft.“ (Goethe) – Und darum geht es: Da wir als Volk keine Zukunft haben sollen, dürfen wir unsere Vergangenheit nicht ehren.

Wolfgang Schlage
1 Stunde her

Meine unbeantwortete Frage ist: Woher kommt dieser Selbsthass der westlichen Gesellschaften? Hitler ist es nicht, denn die selbsthasserischen Briten und US-Amerikaner hatten den nicht. Kolonialismus ist es nicht, denn Deutschland war kein Kolonialstaat. Sklaverei ist es auch nicht; die hat England ab dem Beginn des 19. Jh. militärisch bekämpft und abgeschafft.

Wir haben es mit einem psychologischen Widerwillen gegen das Eigene zu tun; die angeblichen Ursachen sind nichts als intellektuelle Krücken, Rationalisierungen im freudianischen Sinn. Was aber ist der Grund für diesen Widerwillen? – Ideen erbeten!

Salvian
2 Stunden her

Das Thema Kolonialismus ist, wie so viele andere, dank links-grünen Weltverbesserungs-Ideologen derart vergiftet, dass eine unvoreingenommene Beschäftigung damit fast nicht mehr möglich ist. Statt Forschung ist Bekenntnis gefragt, statt Sachlichkeit Gesinnung. Wie flächendeckend dieser Irrsinn inzwischen greift, kann man sehen, wenn man bei Google den Namen einer beliebigen deutschen Stadt mit dem Zusatz „postkolonial“ eingibt. In Wirklichkeit ist das Thema ambivalent. Zum Beispiel: Durch den Kolonialismus wurde der Sklavenhandel globalisiert, aber derselbe Kolonialismus war es auch, der später die weltweite Ächtung der Sklaverei durchgesetzt hat. England spielte dabei eine führende Rolle. Deshalb ist es auch verfehlt, auf die Dekolonisierungs-Ideologie mit… Mehr

Aegnor
2 Stunden her

Naja – beim NSU ist mir viel zu viel Intransparenz. Das wurde ja nie wirklich aufgeklärt. Das was man als offizielle Version verkauft hat, bevor man die Zschäpe für den Rest ihres Lebens weggesperrt hat, obwohl man ihr selbst keinen einzigen Mord nachweisen konnte (wo ist da eigentlich Amnesty International?), passt ja hinten und vorne nicht zusammen. Dazu die Akten alle unter Verschluss. Das stinkt förmlich nach einer schiefgegangenen false-flag-Geheimdienstoperation. Oder es waren wirklich die türkischen Mafiamorde die man ja zuerst naheliegenderweise angenommen hatte. Ev. sogar beides.

paulierwitte
2 Stunden her

Damit landen wir bei einem Grundproblem in Deutschland – dem schlechten Bildungssystem. Ob es nun Geschichts- oder Erdkundebücher sind, ist ziemlich egal. In beiden steht nur noch die ideologisch gefärbte Variante dessen, was wirklich war und ist, übrigens auch beim Thema „Klima“. Wer jetzt den Lehrern Vorwürfe macht, hat insofern recht, als dass diese in der besonderen Pflicht sind, sich umfassend zu informieren. Aber auch Lehrer sind nur Menschen, bei denen neben der Propaganda, die verfängt, ein defizitäres Studium zu konstatieren ist. Wenn man bestimmten Personengruppen in Deutschland vorwirft, dass sie ihrer Ideologie folgen, muss man gleichzeitig festhalten, dass es… Mehr

chez Fonfon
2 Stunden her

Mir gehen diese Selbsthass-Rituale sowas von auf die Nerven. Natürlich soll es auch Mahnmale geben, aber langsam wird es ja zur Obsession, dass die Machthaber den Deutschen ständig vor die Füße kippen, was für Verbrecher sie waren. Beim Kolonialismus haben die Deutschen nun so gut wie keine Aktien drin. Egal, Hauptsache druff. Aus Sündenstolz ist noch nie etwas Positives entstanden.

Ein Mensch
3 Stunden her

Liebe Frau Stephan,
nicht ,,die Deutschen“ sondern ,,die Linken die alles Deutsche hassen“ sind diejenigen, die ihre Vorfahren nur als Barbaren, Unterdrücker und Mörder sehen. Die die Lebensleistung ihrer Groß- und Urgroßeltern konsequent ignorieren und verachten, die sich aber trotzdem in dem von Denen erschaffenen Wohlstand suhlen. Mit Denen möchte ich nicht in einen Topf geworfen werden.

Ananda
5 Stunden her

Deutschland hat das Kolonien-Raffen fast gänzlich verschlafen. Die Kolonisierung war auch eng mit der Entwicklung zur Moderne und dessen Vorzügen verbunden. (Ausgenommen das Niedermetzeln von Azteken und Inkas, aber diese Vorgänge sollte man lieber auch als Eroberungen sehen). Hätte man die Leute lieber in ihrem Kral sitzen lassen sollen? Keine Medizin, keine Straßen, keine Bildung. Unsere schuldsuchenden Weltenverbesserer fordern quasi nachträglich eine selbstlose Entwicklung der damaligen Welt ein, so wie die heutigen verantwortungslosen Verschwender, die dafür die arbeitende deutsche Bevölkerung schamlos ausplündern, um das Geld sinnfrei auf der Welt zu verteilen. Siehe 70 Jahre „Entwicklungshilfe“ und was es gebracht hat.… Mehr

Barbarossa
6 Stunden her

„Bei uns dringt das Gute zur Not auch durch den Asphalt.“
Hoffentlich haben Sie recht. Vielleicht so?
Frei nach Joachim Fernau?

„Unter falscher Schulden Last

warten viele Blumen,

die vom Blühen träumen;

warten, daß ihr Fuß

einmal nicht mehr geht.“

Last edited 6 Stunden her by Barbarossa