Im Bällebad des Wertewestens

Wie erfolgreich die Mission des Wertewestens ist, hat man zuletzt in Afghanistan gesehen. Nicht alle Menschen und Staaten auf der Welt ticken nach unserer Fasson. Wer, wie Annalena Baerbock, vom „Wertewesten“ redet, möchte entweder die harten Fakten unter moralischem Gewölk verbergen oder hat noch immer nicht begriffen, dass die Welt gänzlich anders funktioniert.

IMAGO / photothek

Man muss es täglich, stündlich, minütlich wiederholen, wenn es um deutsche Außenpolitik und insbesondere um die Außenministerin geht: Zwischen Staaten gibt es keine Freunde, höchstens Allianzen – Charles de Gaulle. Oder Henry Kissinger, über die USA: „Amerika hat keine dauerhaften Freunde oder Feinde, nur Interessen.“ Insofern ist es auch unsinnig, davon zu reden, dass Staaten gemeinsame „Werte“ haben. Eher im Gegenteil: wer, wie Annalena Baerbock, vom „Wertewesten“ redet oder von „Wertepartnern“, möchte entweder die harten Fakten unter moralischem Gewölk verbergen oder hat noch immer nicht begriffen, dass die Welt gänzlich anders funktioniert.

Nehmen wir allein die USA: dort hat man stets mit Despoten, Autokraten und Majestäten kooperiert, solange es den eigenen Interessen diente – sei es im geopolitischen Sinn oder, was Energie und Rohstoffe betrifft. Opferte man doch irgendwann einen dieser Freunde, wie etwa Muammar Al-Gaddafi, ließ man die Welt glauben, es habe sich wieder einmal um eine notwendige Handlung gehalten, eine moralische Notwendigkeit a la „to make the world safe for democracy“. (So Woodrow Wilson, der damit den Kriegseintritt der USA 1917 begründete, womit der europäische Krieg zum Weltkrieg wurde. Später allerdings bequemte er sich zur Wahrheit: der Weltkrieg sei „ein kommerzieller und industrieller Krieg“ gewesen, „kein politischer Krieg“.)

Die moralische Tünche ist gefährlich. Wer die Verteidigung höchster Werte für sich reklamiert, möchte sich nicht nur unangreifbar machen. Er spricht auch allen die Menschlichkeit ab, die nicht auf der gleichen Wolke schweben. Fein hat man im China die deutsche Außenministerin jüngst darauf hingewiesen: „Was China am wenigsten braucht, ist ein Lehrmeister aus dem Westen,“, meinte Qing Gan, ihr chinesischer Amtskollege. Jeder Staat habe seine eigenen Gegebenheiten und kulturellen und historischen Hintergründe.

In der Tat: wie erfolgreich die Mission des Wertewestens ist, hat man zuletzt in Afghanistan gesehen. Nicht alle Menschen und Staaten auf der Welt ticken nach unserer Fasson. Notiz am Rande: Baerbock soll zum Thema Taiwan in China erklärt haben, „Konflikte dürfen nur friedlich gelöst werden.“ Aha. Nur nicht, was Russland betrifft, demgegenüber gilt der Grundsatz der Moral, sei es doch das Reich des Bösen, und demgegenüber sind alle Mittel gerechtfertigt, vor allem die unfriedlichen.
In Kriegsdingen geht es nicht um Gut gegen Böse. Das Glück im Krieg hängt eher von der Stärke der Bataillone ab denn vom moralischen Zuschnitt der Kriegsparteien, wie man im Europa des 19. Jahrhunderts noch wusste. Doch wo die Moral und die Gut-Böse-Dichotomie dominieren, sind nicht nur die feindlichen Armeen teuflische Entsandte Mordors, sondern die Entmenschlichung bezieht auch die Zivilbevölkerung ein, die im Zeitalter der Massenarmeen involviert wurde wie kaum je zuvor.

Die alte kriegsvölkerrechtlich verbürgte Einhegung, wonach Kampfhandlungen nur zwischen Kombattanten legitim sind, hat sich in Zeiten der Atombombe und der Guerilla erledigt. Die Atombomben auf Hiroshima und Nagasaki fielen ganz ohne auch nur den Anschein einer Begründung, etwa der, damit hätte eine kriegsrelevante Industrie getroffen werden müssen, etwas, was bei der Massenbombardierung deutscher Städte wenigstens hie und da noch versucht wurde, wonach zivile Opfer bedauernswerte Kollateralschäden seien. Nein: sie waren gemeint, sie waren das Ziel.

Die Verrohung der Sitten: zwischen einer feindlichen Regierung und der Zivilbevölkerung keinen Unterschied mehr zu machen. Das zeichnet auch die Rhetorik Baerbocks aus – und die allgemeine deutsche Unart, Künstler auszuladen, weil sie Russen sind. Die Justifizierung des Feindes ist die Grundlage jener fundamentalen Kriegsökonomie, wonach es darauf ankommt, dem Gegner das Aufgeben stets offenzuhalten, damit die Kriege kurz und mäßig bleiben. Die Forderung nach bedingungsloser Kapitulation dient diesem Ziel jedenfalls nicht.

Moral setzt die Regeln außer Kraft, macht den Gegner zum absoluten Feind. „Ich will, dass wir siegen, aber nicht zu sehr“, sagte ein weiser alliierter General im zweiten Weltkrieg. Daran sollte man sich halten, zumal, wenn man an das Danach denkt: an die Zeit, in der man wieder in Frieden zusammenleben will. Die enthemmte Kriegsrhetorik einer feministischen Außenministerin ist da nicht hilfreich.

Achja, der Feminismus. In einem Streitgespräch mit Klaus von Dohnanyi erklärte Kristina Lunz, feministische Außenpolitik sei „der Versuch, die traditionellen Paradigmen von Außen- und Sicherheitspolitik auf den Kopf zu stellen.“ Und: „Neue Moralideen und neues Gewohnheitsrecht zu schaffen, kann nur gelingen im Bündnis mit Gleichgesinnten, die an einem Strang ziehen.“
Genau.

Das ist die Selbstermächtigung der allzeit Moralgewissen über den Rest der Welt. Mädels: das wird nicht funktionieren.


Das neue Buch von Cora Stephan, „Über alle Gräben hinweg. Roman einer Freundschaft“ ist am 8. Februar bei Kiepenheuer & Witsch erschienen

 

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Kommentare ( 105 )

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Der Ketzer
1 Jahr her

Wir erleben einen „Wertewestern“ … erst schießen, dann fragen … zu den „Werten“ im Sinne von Vermögen & Schulden kommen wir später, wenn die Reste aufgeteilt werden.

Nibelung
1 Jahr her

Auch blinde Hühner landen mal in der Pfanne oder im Suppentopf, denn geistige Gebrechen schützen nicht vor dem eigenen Niedergang, dem könnte man allenfalls noch entgehen, wenn man die anderen höflichst bittet auf solche Arten der Verwertung zu verzichten, ansonsten ist es um jeden geschehen, ob hoch oder niedrig spielt keine Rolle, das ist ein Naturgesetz, es sei denn wir werden Heilige, aber davon gibt es auch schon viele, was die Welt trotzdem nicht verbessert hat.

StefanZ
1 Jahr her

Tja die Menschen in der islamischen Welt, die Menschen in China und Indien und in vielen anderen Ländern haben auch ihre „Werte“. Die Christen wollten ihre Werte auch auf der ganzen Welt verbreiten, die Kolonialisierung war auch der Versuch der restlichen Welt die westlichen“ Werte“ zu vermitteln und selbst Hitler wollte die deutschen „Werte“ weltweit verbreiten. Da ist Annalena ja in bester Gesellschaft. Ich bin da viel bescheidener. Mir würde es schon reichen, wenn Annalena und ihre Freunde die demokratischen Werte in Deutschland nicht ständig mit Füssen treten würden und die Werte, Einigkeit und Recht und Freiheit endlich wieder achten… Mehr

ketzerlehrling
1 Jahr her

Baerbock und ihresgleichen kapieren sehr wohl, dass die Welt, dass Menschen, selbst in Deutschland ein kleiner Teil, anders ticken. Das ignoriert sie und ihresgleichen, sie setzen sich über alles hinweg, weil sie starke Frauen sind. Dass sie alles zerstören und damit ihre eigene Grundlage, die andere für sie schaffen, für sie am Leben erhalten und mit Geld füllen, sehen sie offenbar nicht, oder ignorieren auch diese Tatsache. Sie gehen so weit, dass sie sich herausnehmen, allen, die nicht so ticken wie sie selbst, zumindest Deutschen und Weissen, das Existenzrecht abzusprechen und sie Minderbemittelten zum Fraß vorzuwerfen.

GefanzerterAloholiker
1 Jahr her

Meinen Kommentar erhärtend:

Die russische Untersuchungskommission der in der Ukraine begangenen Verbrechen sagte, sie habe französische Söldner unter den Verantwortlichen für die Ermordung von 25 russischen Kriegsgefangenen identifiziert.

Damit befinden wir uns da, wo feministische Außenpolitik sich aufhält: Krieg. Dazu gibt es auf youtube ein sehr schönes Short, von dem man viel lernen kann.

https://youtu.be/PKs7v6Ti2e0

Thomas
1 Jahr her

Die Interessen Deutschlands/Europas und die Interessen der USA gehen immer weiter auseinander.
Die Grünen sind in Deutschland die unbedingten Vertreter der Interessen der USA.
Was zum Teufel geht uns Taiwan an???
Wenn uns Taiwan etwas angeht und wir dort einschreiten müssen, dann müssen wir nach dieser Logik in JEDEM Territorialkonflikt auf dieser Welt eine Partei ergreifen und einschreiten.
Das ist Wahnsinn.

Bernhardino
1 Jahr her

Wirklich hervorragender Beitrag! Danke, Frau Stephan. Allerdings wird er Menschen mit dem Intellekt einer Baerbrock definitiv nicht erreichen. Zumal die ideologisch, also ohne Wenn und Aber sowie Vernunft, Wissen, Verantwortung, Kompetenz, gar Logik, leben.

Last edited 1 Jahr her by Bernhardino
Juergen Schmidt
1 Jahr her

Ich schätze diese Frau als total unterbelichtet ein. Ihr Charakter entspricht der eines 15-jährigen Backfisches, der sich als Klassensprecherin mit großem Eifer in den Vordergrund drängt.
Politisch halte ich sie für eine 100% Sockenpuppe des Washingtoner Deep State. Sie plappert ausschließlich nach, was man ihr von jenseits des Atlantik vorgibt – das ist eindeutig wenn man die Inhalte ihrer ähm … Äußerungen betrachtet. Sie vertritt brachial Transatlantische Interessen gegen die der Deutschen.
Ich behaupte mal ganz provokativ, die US-Bürgerin Jennifer Morgan, auf einmalig kuriose Weise installiert im Außenministerium, ist ihr persönlicher »Führungsoffizier«.

Last edited 1 Jahr her by Juergen Schmidt
Oblongfitzoblong
1 Jahr her
Antworten an  Juergen Schmidt

Merkwürdigerweise will ich jetzt einmal die US-Amerikaner in Schutz nehmen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass geopolitisch geschulte Amerikaner solche Informationen, wie z.B. das Land ist 100 000 km entfernt, oder Putin muss sich um 360° drehen, etc. an Frau Baerbock geben. Da steckt schon ein gerüttelt Maß an intellektuellen Defiziten drin. Dazu kommt noch ein gewaltiges Defizit an diplomatischen Geschick, wenn nicht gar menschlichem. Das können die Amis wirklich besser!

Index
1 Jahr her

Dort viel zu viel des Guten, liebe Frau Stephan: Es gibt keine Baerbocksche Rhetorik.
Ich sehe das folgendermaßen:
Unser selbstverliebtes Berufstöchterchen im Berliner AA bekommt jeden morgen ein Rehtohrik 😉 fein in die Hand gedrückt, so, wie die I-Dötzchen morgens das Pausenbrot unter einmal kurz Haarewuscheln zugesteckt bekommen.
Mehr als Ablesen ist dieser Frau auch bloß nicht zuzumuten.
Gott bewahre uns da vor noch Schlimmerem.
Diese Frau hält unser Land in der Geiselhaft ihrer wahrhaft grenzenlosen Gefährlichkeit.

Riffelblech
1 Jahr her

Man muss doch hinterfragen was Frau Außenministerin überhaupt verstanden hat . Diese Dame hat doch Probleme damit ihren eigenen verschleierten Lebenslauf darzustellen. Wie will man denn nun verlangen das sie auch noch Diplomatie versteht ? Um es mal ganz trivial zu sagen ,diese Frau in einer der wichtigsten Positionen der deutschen Regierung quatscht nur nach was ihre „ Spindococtors“ ihr einflüstern . Verstehen tut sie das eh nicht , das Verfallsdatum ist auf ihren Worten praktisch schon aufgedruckt. Frau Baerbock ist an Peinlichkeit kaum zu überbieten ,allerdings unter den „ Schwachblühern“ dieserBundesregierung eben auch nicht auffällig . Sie sind schlicht… Mehr