Atomkraft? Ja, bitte!

Atomkraft könnte das Land CO2-frei vor einem Blackout bewahren. In der FDP gibt es dafür Sympathien. Aber für die Grünen geht es da ums Eingemachte. Wahrscheinlich bedarf es erst der Katastrophe, damit das Land aus der Sackgasse der „Energiewende“ wieder herausfindet.

IMAGO / Jannis Große
Symbolbild: Pro-Atom Klimaschutz-Demo 29.12.2019

Wenn es der FDP ernst damit wäre, käme doch noch Spannung in das Sondierungstheater mit den Grünen: FDP-Vize Michael Theurer plädiert für Atomkraft.

Eine gute Idee. Die neue Generation der Reaktoren ist sicher, produziert  nur wenig Abfall und kann sogar den bereits angefallenen Atommüll kleinarbeiten. Und, ach herrje, die Meiler sind auch noch CO2-neutral!

Was will man mehr? Unsere Nachbarn in Europa setzen auf Atomenergie, in der EU wird darüber nachgedacht, sie sogar zu fördern – und Deutschland steht, sind die sechs verbliebenen Reaktoren abgeschaltet und wird zugleich auf Kohleverstromung verzichtet, vor einem veritablen Blackout. 

Gretchenfrage für die Ampelkoalition
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Atomkraft, ja bitte? Tja. Das ginge den Grünen und ihren Anhängern ans Eingemachte. Die Partei verdankt ihre Existenz der Umwelt- und der Friedensbewegung, an die sich manch einer aus den linken Sekten im Nachgang der 68er Bewegung angeschmiegt hat. Die deutsche Friedensbewegung war zugleich eine Anti-Atom-Bewegung – und sie hatte einen weit größeren Einfluss als 68ff. Im übrigen wurde sie ideell und materiell gefördert von der Staatspartei der DDR. Das MfS nannte ja geschickterweise seine Auslandsagenten „Kundschafter des Friedens“.

Das alles war und ist bekannt. Die Friedensbewegung nutzte und schürte das, was ausländische Beobachter „German Angst“ tauften: Die Angst in Deutschland Ost wie West, bei einer atomaren Auseinandersetzung zwischen den beiden Blöcken USA und UdSSR den gesammelten Segen von oben abzubekommen. Deutschland als Austragungsort einer solchen Schlacht hätte sich damit für immer erledigt. 

Gut möglich, dass die „German Angst“ dabei an ein altes Trauma anknüpfte – an das Trauma des 30jährigen Krieges, als hin- und herwogende Heerscharen weite Teile des heutigen Deutschlands verwüsteten. 

„Atom“ stand für Vernichtung. Nur in Volkes Hand, also in der DDR oder der UdSSR, galt Atomkraft als Segen. Dem kapitalistischen Westen aber traute man zu, die AKWs vor allem zur Herstellung atombombenfähigen Materials zu nutzen. Die Anti-Atom-Bewegung war zugleich eine antikapitalistische Bewegung, die mit dem Appell an Urängste eine breite Basis bekam, mit der die Grünen in den Bundestag und die Länderparlamente gelangte. 

Deutschland, einst technisch führend, was die Atomkraft betrifft, hat sich unter dem Eindruck dieser Antistimmung längst aus der Weiterentwicklung verabschiedet. Und dank Angela Merkels opportunistischer Wende angesichts eines havarierten Reaktors in Fukushima ist es im nächsten Jahr vorbei mit einer verlässlichen Energieversorgung. Selbst die Verspargelung ganzer Landstriche wird die Selbstversorgung des Landes mit Energie nicht sichern.

Durchaus möglich, dass es bei den Grünen „Realpolitiker“ gibt, die sich mit der neuen Generation von Atomkraftwerken vorurteilsarm befasst haben. Die meisten Journalisten vermeiden das Thema – ganz so wie viele Bürger, die noch nicht ahnen, wie prekär die Energieversorgung in Deutschland bereits ist. Im Wahlkampf kam das bezeichnenderweise so gut wie nicht vor – man versprach lieber die Rettung des Klimas. 

Aufruf in europäischen Zeitungen
Frankreich schmiedet eine Allianz für die Atomkraft in der EU
Nun – es scheint unwahrscheinlich, dass sich der Rest der Partei mit der Aussicht auf Machtgewinn dazu überreden lässt, den Kern grüner Identität preiszugeben. Das wäre einmal eine Revolution, die dem ganzen Land guttäte. Und die FDP? Wird sie, ebenfalls des Machtgewinns wegen, die Sache mit der Atomkraft ganz schnell wieder in der Versenkung verschwinden lassen?

Wahrscheinlich. Und wahrscheinlich bedarf es erst der Katastrophe eines flächendeckenden Blackouts, damit das Land aus der Sackgasse der „Energiewende“ wieder herausfindet. Sollten wir das halbwegs überstanden haben, können wir uns um die Entsorgung des Sondermülls kümmern, den Windkraft- und Solar“parks“ hinterlassen werden.


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Kommentare ( 55 )

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55 Comments
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mlw_reloaded
3 Jahre her

Ein veritabler Blackout ist bereits eingepreist. Die entsprechenden Artikel und Narrative liegen schon in den Schubladen, heute schon wird angeteasert: Das lahme Tempo der Merkel-Regierungen bei Ausbau von EE/Netzen/Speichern ist schuld. Nur Notstandsgesetze zur zügigen Verspargelung können uns noch retten.

Last edited 3 Jahre her by mlw_reloaded
Reinhard Lange
3 Jahre her
Antworten an  mlw_reloaded

Wovon träumen Sie? Schauen Sie mal aus dem Fenster. Die Sonne geht bald unter und produzierte eben noch 14 Gigawatt Strom, gut 7 Gigawatt kam von Windrädern auf Land und vor der Küste. Der Verbrauch betrug aber knapp 77 Gigawatt. 50 davon wurden durch konventionelle Kraftwerke geliefert. Da wir so gut wie keine Speicher haben und diese in der benötigten Größe auch niemand bezahlen kann können auch die von Ihnen erwähnten Notstandsgesetze keine funktionierende Lösung erzwingen. Wenn Deutschland den eingeschlagenen Weg der Energiewende weiter verfolgt, gehen hier die Lichter aus. Ab 2023 nach Abschaltung der Kernkraftwerke und weiterer Kohlekraftwerke würde… Mehr

Juergen P. Schneider
3 Jahre her

Wie bei allen Problemen in Deutschland, sei es Migration, Energie oder Corona, eine Wende zur Vernunft wird erst durch den Druck der angrenzenden EU-Länder und deren vernünftiger und pragmatischer Politik erzeugt werden. Von innen heraus wird unser Land nicht zur Vernunft kommen.

haasel
3 Jahre her

Beim Gas an Pipelines hängen und beim Strom am Tropf der atomaren Nachbarländer, das ist die tolle Energiewende, von der die GroKo träumte? Glückwunsch, wir sind entkernt, technologisch so wie logistisch! Jetzt können wir neutral aufgeteilt werden, dann braucht Frau Heinrichs keine Angst mehr haben. Wohl den Staaten, die unsere technischen und qualifizierten Fachkräfte aufnehmen, dort bekommen sie noch Anerkennung. D hat fertig.

FerritKappe
3 Jahre her

Ja, Atomkraft wäre ein sauberer Weg um Deutschland mit Strom zu versorgen.
Aber nach BER, versuchen wir uns das mal vorzustellen, ein neues Atomkraftwerk in Deutschland.
Nachdem der BER schon ohne permanente Demonstrationen und negativem Framing eine halbe Ewigkeit an Bauzeit gebraucht hat.
Ein neues Atomkraftwerk wäre in Deutschland ein Generationenprojekt und nach 50 Jahren Bauzeit wird es dann abgerissen.

Dozoern
3 Jahre her

Neue Nachrichten aus dem deutschen Wolkenkukucksheim. Oder der Witz der Woche: Wo war der Finanzminister Olaf Scholz als letzte Woche die europäischen Finanzminister einen Ausbau der Kernergie befürworteten, um den Kontinent preiswert & sicher CO 2 frei zu machen? Er verhandelte die neue Koalition mit den Grünen… Bumbäh, bumbäh, bumbäh …

Boudicca
3 Jahre her

Ein flächendeckender mehrtägiger Blackout, ist mit einem Wisch wahrscheinlich nicht vom Tisch, wenn das inzwischen komplizierte Gleichgewicht der Stromversorgung durcheinander geraten ist. Ob die „Gutmenschen“ es wahr wollen oder nicht, der Mensch hat sich charakterlich und ethisch, seit der Zeit der Trennung vom Stammbaum der Primaten nicht geändert. Bricht die dünne Decke der Zivilisation zusammen, zeigt sich schnell das grausame Wesen des Lebens aus Fressen und Gefressen werden. Auch wenn viele sich wünschen, ein Blackout könnte das ersehnte Ende mit Schrecken der momentanen politischen rot-grünen Politik sein, es wird ein Schrecken mit grausamen Ende für viele Schwache, Alte und auch… Mehr

Alexis de Tocqueville
3 Jahre her
Antworten an  Boudicca

Bisschen Schwund ist immer.
Die blöden rächten Prepper wirds im Allgemeinen nicht so hart treffen.

Deutscher
3 Jahre her

Die klassische Atomkraft ist eine Sackgasse. Zu problematisch, zu riskant und ohne Lösung für den Atommüll. Selbst sicherste Kraftwerke können Unfälle nicht auf Dauer ausschließen. Es ist schlichtweg ein mathematisches Grundprinzip, dass mit der Häufigkeit und Dauer der Nutzung die Wahrscheinlichkeit eines GAU steigt. Und nein: Auch eine laufende Verfeinerung der Technologie kann dieses Prinzip nicht außer Kraft setzen. Die Zukunft gehört in den nächsten 50 bis 100 Jahren dem Flüssigsalzreaktor. China hat die Weichen richtig gestellt und wird dank dieser Technologie in wenigen Jahrzehnten den weltweiten Energiemarkt dominieren. In Deutschland wird man dann reumütig und kostenintensiv die Altlasten einer… Mehr

Last edited 3 Jahre her by Deutscher
Reinhard Lange
3 Jahre her
Antworten an  Deutscher

Das, was Sie als Sackgasse und als zu riskant bezeichnen, hat von allen Energieerzeugungsarten die wenigsten Todesfälle je erzeugter Energieeinheit aufzuweisen.
https://de.statista.com/infografik/14187/todesfaelle-nach-energiequelle/

Deutscher
3 Jahre her
Antworten an  Reinhard Lange

Noch eine Statistik. Ich schau sie mir gleich gar nicht an.

Es gibt eine bessere nukleare Alternative und sie ist die Zukunft. Es sei denn, in Deutschland kämen wieder mal welche an die Macht, die die Zeichen der Zeit nicht erkennen und verbissen an einer veraltenden Form der Atomkraft festhalten, so, wie sie es heute mit dem Windrad tun.

Last edited 3 Jahre her by Deutscher
Forist_
3 Jahre her
Antworten an  Deutscher

Ich würde mich nicht auf genau eine Technologie festlegen. Flüssigsalzreaktoren sind, nach allem was wir wissen, inhärent sicher. Für die fachfremden Leser: Bei einem FLR ist der Brennstoff in einer Salzschmelze gelöst, im Betrieb flüssig. Es kann keine Kernschmelze geben die unkontrollierbar Dinge tut, weil der Reaktor“kern“ bereits im Regelbetrieb flüssig ist. Im Fall eines Temperaturanstiegs über die geplante Betriebstemperatur schmilzt ein am tiefsten Punkt der Anordnung angebrachter, aktiv gekühlter Salzpropfen und die Schmelze verteilt sich in eine ausreichende Anzahl vorbereiteter Auffangbehälter, in denen die jeweilige Einzelmenge unterkritisch ist, d.h. die Kernreaktion endet. Die neuen Reaktortypen in China und Russland… Mehr

andreashofer
3 Jahre her

Meines Erachtens erfüllte Merkel mit der Energiewende 2 Wünsche: Deutschland darf nie in den Besitz kernwaffenfähigen Materials kommen, daher ist der Atomausstieg auch ein Stück Demilitarisierung Deutschland hat mit der Energiewende wieder ein Stück Souveränität aufgegeben (so wie es ja auch seine Grenzen, sein Geld und seine Identität aufgegeben hat). Daher ist die Energiewende ein Baustein der glückhaften europäischen Einigung, welche uns ewigen Frieden, Glück und Wohlstand garantiert Betrachtet man meine kirre Theorie wird Merkels Handeln nachvollziehbar. “Deutschland muss sterben, damit wir leben können”, so sang einst der Dichter. Diese Sentenz wurde zur Maxime der deutschen Politik. Wie erleben die… Mehr

Waehler 21
3 Jahre her

1980 habe ich Grün gewählt, weil ich den Deutschen Wald erhalten wollte. Ein ehrvolles Ansinnen. Doch leider habe ich erst nach Stimmabgabe gemerkt, dass die benannten Gründe für den desolaten Waldzustand mit Gründen zu tun hatten die nicht bekannt waren oder verschwiegen wurden. Stattdessen verteufelte man den “ Saureren Regen“ , der nur zum kleinsten Teil dafür verantwortlich war. Gut, dem Diesel ist es nicht besser ergangen. Bei der Atomkraft gibt es einen kleinen Unterschied, sie war und ist eine „Brückentechnologie“. Da heißt, man nutzt sie, bis man einen besseren Energieträger gefunden hat. Dieser Hauptgrund für die Nutzung der Kernenergie… Mehr

Last edited 3 Jahre her by Waehler 21
Germer
3 Jahre her
Antworten an  Waehler 21

„Wir brauchen ohnehin ein Endlager.“

Ein Endlager benötigen nur Ewiggestrige die, die Forschung im Kernenergiebereich eingestellt haben.
Für alle anderen, ist der heutige atomare „Abfall“ der „Brennstoff“ der Zukunft, welcher so gelagert werden sollte, dass man jederzeit wieder einen Zugriff darauf hat.

Alexis de Tocqueville
3 Jahre her
Antworten an  Waehler 21

Rohstoffe werden nicht endgelagert.
So ein Blödsinn. Mittelalter ist vorbei.

Peterson82
3 Jahre her

Es ist völlig unrealistisch das hier irgendwo in Deutschland noch eine Baugenehmigung für ein AKW rausgehen würde. Mal völlig abgesehen von den andauernden Protesten die das begleiten würde.
Hinzu käme das übliche „not in my backyard“ Prinzip in dem zwar alle AKW irgendwie ganz gut finden, aber dann bitte nicht vor der eigenen Haustür.
Das Pferd ist tot, egal was da jetzt noch kommt. Zudem würde, wie alles in Deutschland, der Bau vermutlich derart teuer werden dass es viel günstiger wäre das ganze Land mit kleinen, flexibel steuerbaren Gaskraftwerken vollzubauen.

Waehler 21
3 Jahre her
Antworten an  Peterson82

Bei der Stimmungslage stimme ich Ihnen teilweise zu. Diese Stimmungslage wird sich aber ändern, wenn die Versorgung mit Gas nämlich stockt und nicht nur der Hinterhof der AKW-Gegner einfriert. Versorgungslücken treten nämlich immer dann auf, wenn man sie am wenigsten gebrauchen kann.
Da die Stammwähler in Deutschland immer weniger werden, weil sich die Altparteien ideologisch entkernt haben, versuchen Parteien es mit Panikmache. Ich hoffe das wird sich wieder ändern, nur bis dahin wird es teuer, sehr teuer.

Alexis de Tocqueville
3 Jahre her
Antworten an  Peterson82

Vor meiner Haustür könnten sie ruhig ein Atomkraftwerk bauen. Zugegeben, begeistert wäre ich nicht, stört die Aussicht. Aber wenn ich die Wahl zwischen AKW und Vogelschredder-Infraschallkanone hab…
Wenn sie mir kostenlos Strom liefern, dann können die das auch gern mitten in meinem Garten aufstellen oder im Keller, wenns ein kleines AKW ist…