Adieu, Rundfunk. Du hast dich entbehrlich gemacht

Das „Manifest“ der frustrierten Journalisten legt ungewollt offen, warum es eine Neuerfindung des öffentlich-rechtlichen Gestrüpps nicht geben wird. Zu viele Günstlinge, zu hohe Gehälter, zu viel Nähe zur Macht. Es hat keinen Sinn, alten Zeiten nachzutrauern.

IMAGO / Michael Gstettenbauer

Warum erst jetzt? Warum melden sich diejenigen, die die eigentliche Arbeit beim deutschen öffentlich-rechtlichen Rundfunk machen, so spät? Und warum halten viele die Analyse der Lage für so gefährlich, dass sie anonym bleiben wollen?

Das jüngst veröffentlichte „Manifest für einen neuen öffentlich-rechtlichen Rundfunk“ zählt auf, was die Rundfunkanstalten sollen, also Selbstverständlichkeiten. Und das heißt nichts anderes, als dass sie ihren Auftrag nicht erfüllen. Die Öffis bewähren sich seit Jahren als regierungstreue Propagandaabteilungen, und das mit besonderer Verve seit der Ampelkoalition.

Jüngstes Beispiel: Nicht die Anstalten mit ihren üppigen Etats haben die Herausgabe der RKI-Files erklagt, sondern Paul Schreyer als einer der Herausgeber von „Multipolar“, freier Journalist, der sich als linksliberal versteht. Über drei Jahre lang hat es gedauert, bis die Files – weitgehend geschwärzt – endlich zugänglich wurden, und das unter erheblichen Anwalts- und Gerichtskosten. Multipolar lebt von den Spenden seiner Leser, also nicht per Zwangsabgabe, und ist finanziell ein Zwerg gegenüber den Öffentlich-Rechtlichen – oder auch gegenüber dem sich einst als „Speerspitze der Demokratie“ feiernden und mittlerweile Geld von der Gates-Stiftung annehmenden Spiegel. Doch wie sich das heutzutage so gehört: Flugs galt Multipolar als Medium von Verschwörungstheoretikern (Spiegel und SZ) und verzerre Fakten (BR). Also die alte Leier, mit der vom eigenen Versagen abgelenkt wird.

Ich meide das deutsche Fernsehen seit Jahren und nutze den Hörfunk meistens nur als Klangteppich bei der Hausarbeit. Wobei: Spotify macht auch das unnötig und besser als ein politisch korrekter Tatort ist eine gelungene Netflix-Serie. Ich würde auch für ausgewählte Angebote der Öffis zahlen, wenn sie mich interessieren – aber die Unverfrorenheit und Unhöflichkeit, mit der mir eine monatliche „Demokratieabgabe“ abgepresst wird für etwas, das ich nicht nutze, ärgert mich immer wieder, und nur meine schwachen Nerven halten mich vom Boykott ab.

Dabei habe ich den Hörfunk früher innig geliebt. Seit 1976 habe ich für den Hessischen Rundfunk, für Radio Bremen oder den Südwestfunk moderiert und für den WDR, das Deutschlandradio und andere Sender Essays und Hörspiele oder Kommentare verfasst, bis 2024 nach gut 30 Jahren auch für den NDR, für eine Rubrik namens „Die Meinung“.

Als die Hörer dort noch kommentieren durften, wurde mir oft – und ich sage das in aller Eitelkeit – geradezu gedankt dafür, dass ich anders sprach und anders dachte als die üblichen Unverdächtigen. Doch mit dem Generationswechsel in den Hörfunkredaktionen fielen viele Autoren durch das Raster, die sich in keiner Schublade wohlfühlten. Heute wird im WDR für „Zeit für einen deutschen Ramadan“ geworben – was offenbar den Zorn der meisten Hörer erregte, denn unzählige Kommentare wurden gesperrt, weil sie gegen „die Netiquette“ verstoßen haben sollen.

Genug. Es hat keinen Sinn, alten Zeiten nachzutrauern, in denen der öffentlich-rechtliche Rundfunk die Kunstform „Essay“ mit halbstündigen Sendungen sponserte, die oft im „Kursbuch“ oder im „Merkur“ nachgedruckt wurden. Heute herrscht etwa im „Kursbuch“ öde akademische Schonkost ohne intellektuelle Herausforderung. Akademiker können es sich eher leisten, an ausgreifenden Essays zu arbeiten, sie benötigen die Unterstützung durch das Radio nicht.

Es kann jedenfalls heute niemandem mehr entgehen, dass Hörer mehrheitlich nicht goutieren, was ihnen staatstreu verabreicht wird. Alles ist vorhersehbar, was in Nachrichten und Talkshows verlautbart wird, seit 2015 wird hier Willkommenskultur gefeiert oder die brutalsten Eingriffe in bürgerlichen Freiheiten während der Panikpandemie gerechtfertigt.

„Das ist kein Journalismus mehr, der als ‚Vierte Gewalt‘ im Staat bezeichnet werden kann, sondern einer, der mit der Regierung eher gemeinsame Sache macht, wie mir scheint. In Artikel 5 des Grundgesetzes wird die Pressefreiheit gewährleistet und betont, dass eine Zensur nicht stattfindet. Seit Corona findet diese Zensur meiner Meinung nach statt – nur viel perfider, als ich das jemals für möglich gehalten hätte“, erklärt eine anonym bleibende Mitarbeiterin der ARD im „Manifest“.

Das irritiert das Publikum womöglich mehr noch als die Tatsache, dass sich Leute wie der unkomische Jan Böhmermann derweil einen goldenen Hintern verdienen – ganz zu schweigen von der Intendantenriege. Selbst der Fall der einstigen Intendantin von RBB Patricia Schlesinger hat zu keiner echten Debatte darüber geführt, in welchem Verhältnis die Verwalter zu den Gestaltern stehen. Content interessiert nicht, der ist zu teuer, wenn man zu den üppigen Gehältern noch die üppigen Renten der Ausgeschiedenen hinzuzählt. Kein kleiner König im Intendantensessel würde sich darauf einlassen, die Zahl der untergebenen Sykophanten zu reduzieren, damit diejenigen, die Programm machen (und mittlerweile überwiegend nicht mehr festangestellt sind) ausführlich und auskömmlich arbeiten können.

Das „Manifest“ der frustrierten Journalisten legt ungewollt offen, warum es eine Neuerfindung des öffentlich-rechtlichen Gestrüpps nicht geben wird. Es ist zu viel Geld und Macht im Spiel. Zusammenlegung von Rundfunkanstalten? Verschlankung der Programme? Wer gibt schon gern Macht ab.

Wie wäre es aber, wenn man, statt immer wieder Beitragserhöhungen zu fordern, die prächtigen Immobilien auf kostbaren Grundstücken meist in den Innenstädten verkaufte? Spätestens mit Corona hat man gemerkt, dass vieles beim Hörfunk ohne exorbitante Kosten daheim oder mobil erledigt werden kann – und dass die Fernsehteams immer kleiner werden. Und ein überaus erfolgreiches Start-up wie der „Kontrafunk“ zeigt, dass man täglich ein umfangreiches Programm (auch noch grenzüberschreitend) produzieren und senden kann, ohne dass dafür ein Hauptquartier oder eine ausgefinkelte Hierarchie nötig wären.

Zeit für eine neue Bescheidenheit? Schön wär’s.

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Kommentare ( 46 )

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WandererX
8 Monate her

Wir haben das Problem der 100% Verbürgerlichung der Kultur nach 1982 und dann viel krasser nach 1990: die Antibürgerlichkeit als Kritik oder Ignoranz des Bürgerlichen war im Kulturbereich (weniger im Politbereich) sehr schlau! Und sie war wichtig, um als junger Mensch geistig selbstständig werden zu können: dazu braucht es die anderen Milieus! 1982 war die meisten froh, die „alte Linke“ aus den 1960ern hinter sich zu haben. Was die New Waver, die ablösten, nicht bedachten: da hat gleich die Beatkultur mit erledigt – und die war war ja das neue der 60er/70er- sogar made in germany. Übrig blieb eine neue… Mehr

swengoessouth
8 Monate her

Ich höre und sehe schon seit 15 Jahren keinen Deutschen Demokratischen Rundfunk (DDR) mehr. Am Anfang wurde ich bemitleidet als wir den Fernseher entsorgt haben, jetzt ziehen viele weitere nach.
Um das Problem DDR los zu werden hilft nur eins: Zahlung einstellen. Je mehr es machen, um so schneller ist der Spuk vorbei. Nur leider ist der obrigkeitshörige Michel dazu nur eingeschränkt fähig. Deshalb wird gezahlt und sich weiter geärgert.

Logiker
8 Monate her

„Das „Manifest“ der frustrierten Journalisten legt ungewollt offen, warum es eine Neuerfindung des öffentlich-rechtlichen Gestrüpps nicht geben wird. Zu viele Günstlinge, zu hohe Gehälter, zu viel Nähe zur Macht. Es hat keinen Sinn, alten Zeiten nachzutrauern.“

wohl wahr !!

Das gleiche trifft übrigens auch auf das Parteiensystem und das Whlrecht zu !

rainer erich
8 Monate her

Wenn man die „Kritiker“ des ÖRR vor die Wahl stellen wuerde, dass entweder ein von der AfD regiertes Bundesland das System des ÖRR zu Fall braechte oder in diesem Bundesland das Kartell an der Macht bliebe und damit auch der ÖRR, wissen wir, wie diese „Wahl“ ausginge. Natuerlich wuerden sich die Liberalkonservativen fuer das Kartell entscheiden. Fuer den ÖRR darf man gerne auch so Themen wie Migration, Energie, Sicherheit, Recht und Wirtschaft nehmen. Ob es ueberhaupt einen Befund geben kann, bzw wie dieser aussehen muesste, der Liberalkonservative zur Wahlkonsequenz veranlassen koennte, ist sehr zweifelhaft. Sie beweisen jedes Mal aufs Neue,… Mehr

puke_on_IM-ERIKA
8 Monate her

die Uni Mainz kann in der Berichterstattung keinen Linkstrend erkennen“
Klar, 100% der Dealer sind überzeugt, dass Heroin gesundheitsförderlich ist und 100% der Mafia ist der Meinung, dass es sich um eine caritative Organisation handelt, die nur aus purer Menschenfreude einigen Unbotmäßigen die Faszination der Tiefen des örtlichen Hafenbeckens präsentiert.

Waldorf
8 Monate her

„wer gibt schon gerne Macht ab“ oder auf… Eben! Das ist der Dreh und Angelpunkt, von gefühlt 1001 Mißständen, die wir hier tagtäglich präsentieren bzw kommentieren. Jede Form von „mehr Demokratie“, „mehr Mitsprache“, „mehr Gewaltenteilung“, mehr „Kontrolle der Regierung“ usw usw heißt im Ergebnis, der Parteienstaat müßte dazu „Macht“ und/oder Geld und/oder Einfluss abgeben. Dass dies freiwillig geschehen würde oder könnte, erscheint mir geradezu naiv. Aber wer ist dieser so oft erwähnte „Parteienstaat“? Wer genau müßte „Macht“ abgeben und sträubt sich (menschlich sogar verständlich) dagegen? Sind es tatsächlich „nur“ die etablierten Parteien, also Union, Spd, fdp und Grüne nebst (bzw.… Mehr

horrex
8 Monate her

Alles absolut zutreffend! Keine Frage! Aber: Es ist „von gestern“, ein „gelutschtes Drops“. Zumindest was – ganz überwiegend – die hiesige Leserschaft angeht. Ich MAG keine Beiträge mehr die den status quo beschreiben/analysieren ihn – am Ende dann doch nur – b e j a m m e r n. Ihn – so zutreffend Beschreibung/Analyse auch sein mag – nachzeichnen wie der Weg war der zu den vielen „Zuständen die wir haben“ kommen konnte. Ich S U C H E – inzwischen fast verzweifelt – Beiträge die K O N S T R U K T I V sind. –… Mehr

thomas0469
8 Monate her

Ist auch bei mir so was den Klangteppich betrifft. Den lasse ich mir per Flatrate aufs Handy streamen, wobei ich entscheiden kann ob ich die Hausarbeit oder Autofahrt lieber zu Klängen der aktuellen Texas Country Music Chart oder einer Symphonie oder Concerto von Peter von Winter verrichten mag. Beides bekomme ich beim ÖRR nicht. Im Musikradio gibt es außer „den besten Hits der 80er, 90er und von heute“ so gut wie kaum noch etwas anderes, sowohl bei ÖRR als Privatfunk.. Interessante Wortbeiträge oder Videos gibts in den Mediatheken oder auf Plattformen wie Tichys Einblick oder youtube.

Delegro
8 Monate her

Es wird ganz bewusste ein Klima der Angst und des Denunziantentum erzeugt. Das kennt man eigentlich nur von totalitären Staaten, zu denen Deutschland mittlerweile klar zuzurechnen ist. Wer nicht spurt wie links/grün das will, wird vernichtet. Existenz, Job, Familie. Da kann man verstehen, dass diese Menschen massiv eingeschüchtert sind und anonym bleiben wollen. Die Reaktion des ÖRF auf dieses Manifest spricht Bände. Wohlfeile Worte um nicht zu sagen glatte Lüge als Gegendarstellung. Nicht anonym, nein von Mitarbeitern und Führung unterschrieben. Den das sind die, die aus dem System die meiste Kohle ziehen. So spaltet man. Die Gesellschaft, die eigenen Mitarbeiter.… Mehr

fatherted
8 Monate her

Machen wir uns nichts vor….auch nach den nächsten Wahlen wird es wieder eine Gebührenerhöhung geben….es wird sich nichts ändern….weder ein Manifest noch Bürgerprotest ändert da was dran. Die sitzen alle wie die Maden im Speck….und….die brauchen auch keine Zuschauer….sogar bei 0 Zuschauern….würde der ÖRR weiterbestehen….war in der DDR auch so…und im übrigen….Schlümpfe sind blau.