Wann stürzt die Mullah-Diktatur im Iran?

Nach offiziellen Angaben starben bislang 40 Menschen bei den Protesten gegen das Mullah-Regime. Inoffizielle Angaben gehen von mindestens 78 Toten aus. Nun wird auch noch die autonome kurdische Region im Norden des Nachbarlands Iraks unter Feuer genommen.

IMAGO / ZUMA Wire
Proteste gegen das Regime in Tehran, 28.09.2022

Der Anlass war ein im Iran fast schon alltäglicher. Mahsa Amini, als Kurdin gewohnt, ihr Haupthaar offen zu tragen, wurde von der islamischen Sittenpolizei verhaftet und eingekerkert, weil sie den Kopftuchzwang der Greise Allahs zu locker ausgelegt hatte. Die vom Obermullah Khamenei befeuerten, psychopathischen Sittenwächter im Namen des Koran ließen die 24 Jahre alte Frau in Haft sterben. Die Umstände werden wohl nie geklärt werden. Die verantwortlichen Schergen des Regimes sprechen von Herzversagen – der Vater erklärt, seine Tochter habe niemals Herzprobleme gehabt.

Der Tod der jungen Frau löste im Iran eine Welle der Empörung aus. Die junge Generation, die die Diktatur der Greise Allahs längst nicht mehr erdulden will, ging landesweit auf die Straße. Junge Frauen rissen sich provokativ den Hijab vom Kopf, steckten das Symbol der islamischen Unterdrückung in Flammen. Doch das Regime schlug zurück. Der Kopftuchzwang ist die DNA des Staats der Theokraten. Fällt das Kopftuch, fällt das Regime.

So zeigte die angebliche Friedensreligion des Mohammed einmal mehr ihr wahres, ihr grausames Gesicht. Die Protestierenden wurden mit der schon immer üblichen Brutalität bekämpft, allein bis vergangenen Montag wurden nach offiziellen Angaben mehr als 1.200 Menschen verhaftet. Dem Terrorregime gelten sie als „ausländische Agenten“, denen hohe Strafen bis zum Tod durch den Strang drohen. Wie stets, wenn sich im Iran Widerstand gegen die Gottesdiktatur regt, kennt die Gewalt der herrschenden Stellvertreter Mohammeds keine Grenze. Beobachter sprechen mittlerweile von mindestens 76 Toten – die wahre Zahl wird sich vor allem in den zerklüfteten Bergregionen, in denen die von den Schiiten unterdrückten Kurden seit Jahrzehnten um ihre Unabhängigkeit kämpfen, niemals feststellen lassen. Und wie in der Vergangenheit werden zahlreiche der Gefangenen in Haft den Tod finden, ohne dass deren Namen und Todesursachen jemals irgendwo veröffentlicht werden.

Alles wie immer – oder doch nicht?

Also alles wie gehabt? So wie immer, wenn es mutige und verzweifelte Iraner, die sich vom Regime um Gegenwart und Zukunft betrogen fühlen, auf die Straße trieb und sie von diesem niedergeknüppelt wurden? Vieles deutet darauf hin. Nach wie vor verfügt die Opposition über keine koordinierenden Strukturen und über keine Leitfigur. Beflügelt wird sie von der Toten in der Haft der Sittenpolizei – doch Tote können keinen Aufstand leiten. Auch keinen der Frauen. Die Zahl der Getöteten und der Inhaftierten scheint dafür zu sprechen, dass der Terror auch dieses Mal wieder obsiegen wird. Und doch ist etwas anders.

Das Regime, das sich wie alle Autokratien den Protest gegen den eigenen Irrtum mit einer Einflussnahme von „äußeren Mächten“ erklären will, scheint erstmals zu ahnen, dass seine Tage gezählt sein könnten. In seiner Not schlägt es um sich und kennt keine Grenzen mehr.

Weil es ein Zentrum des Widerstands bei den Kurden im Norden vermutet, greift der Iran seit Dienstag die benachbarte Kurdische Autonomieregion im Nordirak mit Drohnen und Artillerie an. Angeblich, um dort jene zu exekutieren, die die Aufstände im Iran gesteuert hätten. Tatsächlich jedoch treffen sie vor allem iranische Kurden, die vor dem Terror der Mullahs ihr Heil bei den Brüdern und Schwestern um Erbil gesucht haben. Wie bei den Türken Erdogans definiert im Iran die Angst vor einem unabhängigen Kurdenstaat den Umgang mit den Minderheiten im eigenen Land.

Doch es sind nicht nur die Kurden, die den Greisen Allahs Sorgen bereiten. Es sind vor allem die Frauen, die immer selbstbewusster gegen das Symbol der islamischen Unterdrückung aufstehen. Nun traf es sogar die Tochter des 2017 verstorbenen, früheren Präsidenten Mullah Ali Akbar Hashemi Rafsandschani. Faezeh Hashemi hatte ihren Vater beim Wort genommen, als jener 2007 erklärte, die islamischen Gesetze passten nicht mehr in die Zeit, jedoch als Mullah und Staatspräsident nichts unternahm, daran etwas zu ändern. Faezeh wollte etwas ändern, legte sich wiederholt mit den Kollegen ihres Vaters an. Nun sitzt auch sie im Kerker, soll wegen Anstiftung zum Aufruhr angeklagt werden.

Der Sohn des Schah hofft auf friedlichen Übergang

All das spricht für die Nervosität der Herren über die Knüppelgarde Mohammeds. Doch ob Reza Pahlevi, Sohn des 1979 gestürzten, letzten Schahs richtig liegt, darf dennoch bezweifelt werden. Er sieht in den anhaltenden Protesten „die erste Revolution für Frauen durch Frauen“ und erwartet „mit hoher Wahrscheinlichkeit“ in absehbarer Zeit den Zusammenbruch des islamischen Regimes. Der Mann, der in den USA lebt und von vielen Exil-Iranern deshalb als Hoffnungsträger gesehen wird, weil er der Restauration des Schah-Regimes eine Absage erteilt hat und auf eine parlamentarische Demokratie setzt, in der Staat und Kirche strikt getrennt sind, könnte sich auch dieses Mal irren.

Die Überlebensdauer von revolutionären Diktaturen wird im Allgemeinen auf drei Generationen geschätzt: Die erste Generation, die die Revolution mitgemacht hat und selbst dann, wenn diese aus dem Ruder läuft, mitlaufen muss. Die zweite Generation, die in die Diktatur hineingeboren wird und angesichts der Stärke des Regimes keinen zielorientierten Widerstand wagt. Dann die dritte Generation, die im Erwachsenwerden die Zwänge der Diktatur abschütteln will und für die Freiheit auch deshalb Haft und Leben riskiert, weil das Regime in sich marode geworden ist und jede Faszination verloren hat. In der Regel liegen solche Laufzeiten zwischen 40 und 60 Jahren.

Die Diktatur Allahs wurde 1979 begründet, steht heute im 43. Jahr ihrer Existenz. Der Todeskampf des Niedergangs kann insofern noch einige Jahre anhalten – auch deshalb, weil immer noch zu viele Nutznießer des Regimes zu fest in ihren Positionen sitzen und zu den Verlierern eines Umsturzes würden. So hilft auch Pahlevis Hoffnung wenig, dass das Regime in einer „kontrollierten Implosion“ untergeht und „einen sanften, friedlichen Übergang“ ermöglicht. Gegenwärtig spricht weder etwas für die Implosion noch für den friedlichen Übergang. Ganz im Gegenteil: Der Todeskampf wird blutig sein und der Übergang die Leichen vieler Unterdrücker sehen. Doch noch ist es nicht so weit.

In eine existentielle Krise allerdings könnte das Regime geraten, wenn mit dem Tod des vor allem bei den jungen Iranern verhassten „Obersten Führers“ Ali Khamenei der Anker der islamischen Pseudorepublik verschwindet. Doch der 83-Jährige, 1939 im nordostiranischen Maschhad geborene Eiferer ist zäh, war schon mehrmals totgesagt worden. So bleibt bei allen Opfern der einem einst liberalen Persien im siebten Jahrhundert aufgezwungenen Wüstenideologie wie stets nur die Hoffnung, dass die Diktatoren Mohammeds möglichst bald das Ende ihrer Tage erleben mögen. Eines zumindest, was hoffen lässt, ist ihnen dieser Tage erneut auf exzellente Weise gelungen: Den jungen Iranern Allah und dessen traumatisches Ideologiekonzept mit dem Einsatz brutalster Gewalt nachhaltig auszutreiben.


Unterstützung
oder

Kommentare ( 33 )

Liebe Leser!

Wir sind dankbar für Ihre Kommentare und schätzen Ihre aktive Beteiligung sehr. Ihre Zuschriften können auch als eigene Beiträge auf der Site erscheinen oder in unserer Monatszeitschrift „Tichys Einblick“.
Bitte entwerten Sie Ihre Argumente nicht durch Unterstellungen, Verunglimpfungen oder inakzeptable Worte und Links. Solche Texte schalten wir nicht frei. Ihre Kommentare werden moderiert, da die juristische Verantwortung bei TE liegt. Bitte verstehen Sie, dass die Moderation zwischen Mitternacht und morgens Pause macht und es, je nach Aufkommen, zu zeitlichen Verzögerungen kommen kann. Vielen Dank für Ihr Verständnis. Hinweis

33 Comments
neuste
älteste beste Bewertung
Inline Feedbacks
Alle Kommentare ansehen
Ciceronianus
2 Jahre her

Mohammed würde ich da aus dem Spiel lassen. Nachdem Irak/Iran von den frühen Muslimen erobert worden waren, erlebte das Christentum dort zunächst eine erneute Blüte. Keiner dachte daran, dass die Länder islamisch werden würden, und es wurden sogar Missionare nach Asien ausgesandt. Später änderte sich das natürlich. Und nein, das war nicht der „Plan“ von Anfang an. Der Islam selbst hatte sich verändert. Natürlich ist der Islam das Problem, aber nicht in dem Sinn, dass der Islam das absolute Böse ist, sondern in dem Sinn, dass im Iran eine besonders bösartige Variante an der Macht ist.

Sonny
2 Jahre her

Die Freiheit müssen sich die Iraner schon selbst erstreiten. Das das nicht alle überleben werden, ist auch klar. Mir selbst erschließt sich diese Gottesanbeterei sowieso nicht. Als kleines Kind hat bei mir die Gehirnwäsche anscheinend nicht funktioniert, obwohl sich meine Mutter die allergrößte Mühe gegeben hat. Darum fällt es mir generell schwer, die Gedanken von Religionsanbetern nachzuvollziehen. Jeder kann glauben oder auch nicht, was sie oder er will, aber eine Religion, die sich nur auf Terror, Diktatur und Unterdrückung begründet ist nichts anderes als eine Waffe gegen Menschen. Und wenn man nicht daran glaubt, so wie ich, stellt sich dieses… Mehr

Ralf Poehling
2 Jahre her

Die Perser sollten sich vor Augen halten, dass sie da mit Gewalt gegen ihre eigenen Frauen ein von Arabern stammendes Religionssystem aufrecht erhalten, das nicht ihr eigenes ist. Der Islam ist nicht persischen, sondern arabischen Ursprungs. Die Perser sind zivilisierte und intelligente Menschen. Wie kann es sein, dass zivilisierte und intelligente Menschen ihre eigenen Frauen mit Gewalt unter ein islamisches Kopftuch verbannen, damit die Männer sie nicht überfallen? Bei Arabern macht das vielleicht noch Sinn. Bei Persern nicht. Die Perser verteidigen mit Gewalt gegen ihre eigenen Leute ein System, dass ihnen vor Jahrhunderten durch Eroberung aufgezwungen worden ist. Ich sage… Mehr

Inana
2 Jahre her

Auch wenn ich bestimmt keine Sympathie für die Mullahs habe – man sollte bei diesen Demonstrationen inzwischen ein bisschen vorsichtig sein. Das Ganze bedient doch sehr die typischen Muster „bunter Revolutionen“. Ein stark emotionales Ereignis, ein personifiziertes Opfer – starke, medienwirksame Bilder und starker Fokus auf Frauen und junge Menschen. Das ist, sorry, aber ein Drehbuch. Und das Problem ist eben immer, dass man nicht weiß, wer eigentlich hinter den Kulissen die Strippen zieht und was da überhaupt los ist. Und das mag alles kalt klingen. Nur man sollte nicht vergessen, dass man eben nie weiß, wer die Strippen zieht,… Mehr

chez Fonfon
2 Jahre her
Antworten an  Inana

So ist es. Vor allem darf man nicht vergessen, dass diese alten verkrusteten religiösen Strukturen auf dem Land noch völlig intakt sind. Wenn ein paar Großstadtgören Krawall machen, heißt das noch lange nicht, dass der Umsturz kommt.

Juergen Schmidt
2 Jahre her
Antworten an  Inana

»Nur man sollte nicht vergessen, dass man eben nie weiß, wer die Strippen zieht, …«
Das weiss man eigentlich doch ganz gut, siehe folgenden Artikel:
https://uncutnews.ch/schmutziges-geld-lernen-sie-die-us-agentin-kennen-die-die-cia-gefuehrten-unruhen-im-iran-vorantreibt/
Auch wenn ich gegen das Mullah-Regime bin, und auch nicht mit allem in dem verlinkten Artikel einverstanden bin – macht er jedoch ganz gut deutlich, dass schon seit langer Zeit massiv aus den USA heraus versucht wird, den Iran zu destabilisieren und einen Regime-Change herbeizuführen.

imapact
2 Jahre her

Bei aller Sympathie für die Oppositionellen, die weitere Entwicklung ist absehbar. Lt. Berichten bombardiert der Iran bereits Kurdengebiete… . Sobald dieser Aufstand richtig hochkocht, wird erneut eine Migrationswelle ausgelöst – und das Endziel dieser Welle kann man nach den letzten 7 Jahren erahnen. Nach bewährtem Muster wird das Bundesregime dann wieder Blankoschecks ausstellen – jeder Iraner ist potentiell von den Mullahs Verfolger und hat das Recht, „in Europa“ (also Deutschland…) seinen Antrag zu stellen, mit garantierter Bleibedauer und Versorgungsanspruch auf Lebenszeit.

Poetenfan
2 Jahre her

Es wird so gehen wie in Belarus.
Nach einigen Wochen redet keiner mehr davon.
Die Eischüchterungsmaßnahmen haben ihr Ziel erreicht.

imapact
2 Jahre her

Bei aller Sympathie für die Oppositionellen, die weitere Entwicklung ist absehbar. Lt. Berichten bombardiert der Iran bereits Kurdengebiete… . Sobald dieser Aufstand richtig hochkocht, wird erneut eine Migrationswelle ausgelöst – und das Endziel dieser Welle kann man nach den letzten 7 Jahren erahnen. Nach bewährtem Muster wird das Bundesregime dann wieder Blankoschecks ausstellen – jeder Iraner ist potentiell von den Mullahs Verfolger und hat das Recht, „in Europa“ (also Deutschland…) seinen Antrag zu stellen, mit garantierter Bleibedauer und Versorgungsanspruch auf Lebenszeit.

Return
2 Jahre her

Und was haben wir vom Sturz des Mullah-Regimes?!
Ein Sturz des „Mullah-Regimes“ würde vermutlich zu einem Machtvakuum, Chaos und Instabilität und infolge zu weiteren Migrationsströmen in Richtung Europas führen, die unsere Bundesregierung natürlich mit Freuden aufnehmen würde.
Außerdem würde der Fall der Mullahs die sunnitisch-islamischen Milizen in der Region stärken, die der Iran und die von ihm unterstützen Kräfte in der Region bekämpft. Möglicherweise würde dies zu einem Wiedererstarken der IS führen.

Last edited 2 Jahre her by Return
imapact
2 Jahre her
Antworten an  Return

Die Migrationsströme werden schon vor dem (potentiellen) Sturz des Regimes anfangen zu fließen. Von heute auf morgen wird dieser Sturz nicht geschehen, sondern es werden lange Kämpfe vorausgehen.

Konservativer2
2 Jahre her

Die Frage ist natürlich auch: was passiert mit dem Iran, sollte die Diktatur weg sein. Im Laufe der letzten Jahrzehnte haben wir ja beobachten können, dass der Sturz von Diktatoren gerade im arabischen Raum ein dauerhaftes politisches Chaos und Niedergang verursacht hat – siehe Irak, Libyen oder auch Ägypten. Insofern bin ich mittlerweile zu der Erkenntnis gelangt, dass wir da unsere Maßstäbe nicht 1:1 anlegen können. Und: repräsentieren die Demonstranten überhaupt die Mehrheit? Die Medien nehmen Demonstrationen beim Gegner gerne als Indiz dafür her, dass dessen System bald zusammenbricht. Das machen wir hierzulande mit Demonstrationen in Russland gegen die Teilmobilisierung,… Mehr

Juergen Schmidt
2 Jahre her

Oh, so ein Zufall aber auch. Genau jetzt, in dem Moment wo der Iran und Russland eine enge wirtschaftliche und militärische Zusammenarbeit vereinbart haben, und der Iran z.B. Russland mit Militär-Drohnen »Shahed 29« beliefert, mit Flugzeugteilen und -ausrüstung, wo der Iran das russische Zahlungssystem »Mir« als Swift-Alternative einführt, wo die »Nord-Süd«-Handelsroute in Betrieb genommen wurde, über die Waren und Rohstoffe von Russland via Iran (!) nach Indien und zurück geliefert werden, genau in dem Moment wo der Iran den BRICS-Staaten beitreten wird, und dieser Bund damit immer mächtiger wird, ja – genau in dem Moment »passieren« plötzlich Aufstände im Iran,… Mehr

Last edited 2 Jahre her by Juergen Schmidt