Autor Thomas Spahn ist befangen. Über 15 Jahre war die U-Bahnstation „Mohrenstraße“ sein Anlaufpunkt, wenn er zu seinen Arbeitsplätzen in der Berliner Senatsverwaltung und später unter dem Fernsehturm am Alexanderplatz fuhr.
Vorweg: Ich bin befangen. Über 15 Jahre war die U-Bahnstation „Mohrenstraße“ mein Anlaufpunkt, wenn ich zu meinen Arbeitsplätzen in der Berliner Senatsverwaltung und später unter dem Fernsehturm am Alexanderplatz fuhr. Wenn wir im Sommer im Vorgarten des Imbiss an der Ecke mit dem Eigentümer Döner und Raki genossen, blickten wir auf das Jugendstilschild, das den westlichen Eingang zum Bahnhof markierte. Auch vom Chinesen an der Ecke Voß/Wilhelmstraße, in dem wir uns gelegentlich mit Vertretern der Berliner Politik und Gewerkschaftern trafen, fiel der Blick zwangsläufig auf diesen Einstieg in die Berliner Unterwelt, von dem uns die U4 bis nach Prenzlauer Berg und über den Wittenbergplatz hinaus transportieren konnte.
So gehörte der Bahnhof Mohrenstraße einfach dazu – und es erregte sich niemand über den Namen. Ganz im Gegenteil: Für uns war die Mohrenstraße immer auch Symbol eines Berlins, das als Hauptstadt Preußens den Anspruch erhob, zu den Weltmetropolen zu gehören und trotz der den proletarischen Berlinern innewohnenden Kleinkariertheit ihrer Kiezmentalität für etwas Weltoffenheit stand.
Keine Schönheit in Rot
Eher gewöhnungsbedürftig hingegen war der Bahnhof selbst. 1950 richteten die herrschenden Kommunisten den im Krieg weitgehend zerstörten, ursprünglich mit weißem und schwarzem Marmor ausgekleideten Bahnhof mit seinem schmalen Bahnsteig und den zwei Schienensträngen neu ein. Dazu nutzten sie dunkelroten Saalburger Marmor aus Thüringen, mit dem mehr schlecht als recht die Außenwände und einige Teile des Inventars umfasst wurden. Der Versuch, die großen roten Flächen im Bauhausstil mit schmal gefassten, weißen Rechtecken zu zieren, fällt in die klassische Rubrik des „gut gemeint ist nicht immer gut gemacht“.
Denn das verwendete weiße Material war von minderer Qualität, wurde schnell dreckig und unansehnlich und gibt dem Bahnhof Berliner Schmuddelimage. Dadurch wurde der ohnehin enge und nur spärlich ausgeleuchtete Bahnhofskarton dunkel und bedrückend. Ein Zustand, der sich bis heute erhalten hat. Die Legende erzählt, dieser Marmor sei aus der angrenzenden Reichskanzlei genommen worden – eine unzutreffende Geschichte, die der schon früher gelegentlich zum Relotionieren neigende Spiegel ungeprüft übernahm und die auf diesem Wege weite Verbreitung fand.
Also griffen die Kommunisten auf den allen autoritären Ideologen innewohnenden Wunsch zurück, sogenannte „Helden der Bewegung“ im Stadtbild zu verewigen. Die U-Bahnstation hieß nun „Thälmannplatz“ – ebenso, wie der rudimentäre Platz, der auf den Trümmern des Wilhelmsplatzes entstanden war. Der frühere Führer des „Roten Frontkämpferbundes“, der Schlägertruppe der KPD, die in der Antifa würdige Nachfolger gefunden hat, gilt der Linken bis heute als einer ihrer Helden. Um diesen würdigen Vertreter der Kommunisten jedoch seiner Bedeutung angemessen zu ehren, nannte die SED nach ihm im Jahr 1966 auch ein neues Wohngebiet im Prenzlauer Berg.
Um die nun befürchtete Desorientierung der werktätigen Genossen zu vermeiden, wechselte der Bahnhof seinen Namen von Thälmann zu Otto Grotewohl. Dieser erste Ministerpräsident des sowjetischen Klientelstaats „DDR“ hatte seine SPD in die Vereinigung mit der KPD des Walter Ulbricht geführt, weshalb er mit dem unbedeutenden Amt belohnt wurde – die wahre Macht im Staate lag beim ZK der SED in den Händen von Wilhelm Pieck und Ulbricht. Nach seinem Tod im Jahr 1964 fand der SPD-Verräter 1966 seine sozialistische Ehrung durch die Umbenennung der am Mauerstreifen gelegenen Wilhelmstraße in Otto-Grotewohl-Straße – die Neubenennung des Bahnhofs, der zu DDR-Zeiten Endstation war, machte insofern sogar Sinn.
Mit der Revolution die Rückbesinnung
Neue Bewegung kam in die Sache, als die erfolgreiche Revolution der DDR-Bürger 1989/90 das kommunistische System hinwegfegte. Die Otto-Grotewohl-Straße bekam kurzzeitig den Namen „Toleranzstraße“, der allerdings nie offiziell wurde, und erhielt 1991 auf Empfehlung einer Historikerkommission wieder ihren ursprünglichen Namen zurück. Damit war nun auch die Lücke in den Hausnummern der Wilhelmstraße, die weit nach Kreuzberg hineinreicht, endlich wieder geschlossen. So aber fiel auch der SED-Mitläufer als Namenspatron des Bahnhofs aus – und da die 1730 als „Husarenstraße“ angelegte Wilhelmstraße, an der bis 1945 alle wichtigen Ministerien des Deutschen Reichs angesiedelt waren, rund 2.400 Meter lang ist und zwei Stadtbezirke umfasste, sollte die Erleichterung der Ortsbestimmung nun über den Namen der dort gelegenen Mohrenstraße erfolgen.
Ähnlich der früheren Husarenstraße, die bereits 1740 nach dem zweiten Preußenkönig Friedrich Wilhelm I. umbenannt worden war, trägt die Mohrenstraße ihren Namen bereits seit 1707. Sie war Teil der sogenannten Friedrichstadt, eines ab 1688 geplanten, groß angelegten Stadterweiterungsprojekts, das nach seinem Initiator, dem ersten Preußenkönig Friedrich I., benannt ist. Warum die preußischen Stadtplaner dieser wichtigen West-Ost-Verbindung, die bis zum Hausvogteiplatz reicht, diesen Namen gaben, ist nicht bekannt. Es gibt mehrere Legenden, von denen die meisten etwas mit einem oder mehreren Mohren zu tun haben.
Gesicherte Quellen jedoch existieren nicht – und so bleibt nur die Tatsache, dass mit der Mohrenstraße ganz sicherlich keine rassistische oder abwertende Absicht verfolgt wurde. Denn wer schon benennt eine Straße, die auf des Königs Geheiß Teil eines bedeutenden Stadtbauprojekts ist, nach etwas, das ihm zuwider ist? Ganz im Gegenteil standen alle Straßennamen, die einst im neuen Stadtgebiet vergeben wurden, für Preußens Aufbruch in die Moderne der Aufklärung – etwas, das sie selbstverständlich den linken Bilderstürmern über alle Maßen suspekt macht, weshalb jede sich bietende Gelegenheit genutzt wurde und wird, die Erinnerung an das aufstrebende Preußen aus der Erinnerung zu tilgen.
Vom Kanonier zu Glinka und andere Namenswechsel
Nun sehen die Bilderstürmer wieder einmal die Zeit gekommen, einen Teil der Berliner Geschichte zu vernichten. Im Merkel-Modus, jedwede Debatte im Keim zu ersticken, indem den möglicherweise kontrovers zu debattierenden Forderungen der Systemüberwinder in vorauseilendem Gehorsam entsprochen wird, ließen die Berliner Verkehrsbetriebe BVG über ihre Sprecherin verkünden, dass die U-Bahnstation künftig in Glinkastraße umbenannt wird. Diese vom Bahnhof abseits gelegene Nebenstraße trägt den Namen des russischen Komponisten seit 1951 – ihr ursprünglicher Name „Kanonierstraße“ durfte selbstverständlich in der DDR auch nicht bestehen.
Anders ausgedrückt: Reetz-Nelken wollte verhindern, dass der kurze Informationsdraht aus den Senatsverwaltungen in die kommunistische Opposition des Abgeordnetenhauses ihren Arbeitgebern bekannt würde. Eine solche „Vorsicht“ ist selbstverständlich überflüssig, seitdem Deutschlands Hauptstadt von einer rotrotgrünen Volksfrontregierung vorsätzlich niedergewirtschaftet wird.
Die Berliner Kleinkariertheit des „weltoffenen Unternehmens“
Diese namens-flexible Reetz-Nelken nun ließ am 3. Juli wissen: „Als weltoffenes Unternehmen und einer der größten Arbeitgeber der Hauptstadt lehnt die BVG jegliche Form von Rassismus oder sonstiger Diskriminierung ab.“
Getreu der marxistisch-leninistischen Maxime, wonach von Russland lernen siegen lernen heißt, solle es nun also Michael Iwanowitsch Glinka richten. Dumm nur, dass jener zarentreue Komponist nicht nur für das System der Leibeigenschaft steht, sondern darüber hinaus sogar noch bekennender Antijudaist gewesen ist. Seine Ausfälle gegen jüdische Kollegen sind ebenso dokumentiert, wie er einen Text vertonte, der von einer angeblich gegen Russland gerichteten jüdischen Verschwörung handelt. Im Sinne der Political Correctness dürfte also auch Glinka demnächst auf der Abschussliste stehen. Immerhin jedoch befindet sich in der Glinkastraße die Botschaft des nordkoreanischen Herrschers Kim Jong-un. Möglicherweise hat das die BVG-Entscheidung beflügelt – zumindest aber werden die zahlreichen Berlin-Besucher aus dem Reich des Staatsterrors künftig wissen, wie sie zu heimatähnlichen Gefilden finden.
Wenn schon, dann bitte ehrlich machen
Ganz unabhängig von dieser sachlichen Correctness sollte in einer weltoffenen, toleranten Stadt die Maxime gelten, dass man sich seine eigene Geschichte nicht durch aberwitzige Empfindlichkeiten von Menschen zerstören lässt, die sich willkürlich einen Schuh anziehen, der nie für sie gedacht war. Und ohnehin: Wenn man der Ideologie folgen möchte, die längst aus den Studierstuben mancher US-Universitäten nach Europa geschwappt ist, dann sollte man sich wenigstens ehrlich machen. Dann vernichten wir eben umgehend alles, was in irgendeiner Weise an unsere Geschichte erinnert. Die Bilder der großen Meister, die Komponisten der Klassik und der Kinderliedautoren namens „Tote Hosen“, die Architektur. Denn wenn wir nur lange genug suchen, werden wir immer mindestens ein wenig von dem finden, was wir als Rassismus brandmarken können. Und sollten die Bilderstürmer bei der Suche dann doch einmal erfolglos bleiben, dann wird einfach die Geschichte umgeschrieben.
Auch Luther war Rassist – also lösen die Protestanten ihre Rassistenreligion sofort auf und kehren heim in den Schoß des Papstes. Wobei – diese Katholische Kirche ist ja auch ein rassistisches Übel. Allein schon diese widernatürliche Zwangsmissionierung! Außerdem huldigt die Bibel sogar der Sklaverei!
Dann die großen Werke der Malerei! Hat nicht Ernst Ludwig Kirchner immer nur Akte von Weißen gemalt? Eindeutig rassistisch. Auch Gauguin, der seine rassistische Lust in der Südsee an farbigen Schönheiten auslebte. Was ist mit Michelangelo? Adam und Gott und sogar die Engel – alles Weiße! Seine Statuen – nur weißer Marmor, kein schwarzer, brauner oder roter! Nicht besser Leonardo da Vinci – zwölf Jünger und ein Jesus – alle weiß! Sogar die Mona Lisa – unfassbar! Also alles vernichten!
Oder es zumindest in Sachen Mohrenstraße so halten wie ein ungenannter Berliner, der empfahl, einfach aus dem Mohren Möhren zu machen. „Det spart Jeld und jeht schnell!“, stellte er, ganz Pragmatiker, fest.
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Ende vergangenen Jahres überraschte der Staatsfunk DLF den angewiderten Hörer damit, eine überwältigende Mahrheit der Rundfunkteilnehmer habe sich für den thematischen Jahresschwerpunkt „Dekolonisierung“ ausgesprochen. Das war insoweit bemerkenswert, als von so einer Umfrage kaum je was zu hören gewesen war, überdies dieses Thema „kein Aas“ interessiert hatte. Kima oder „Rächtz“ hätte ich glaubwürdig gefunden – das nicht. Und wie passend dann die Sache mit dem drogensüchtigen Kriminellen in den USA und in der Folge „BLM“ etc., watt nen Zufall aber auch. Nun der Tinnef mit den Namen. Ich muß kein begnadeter Verschwörungstheoretiker sein, um die ganze Sache für orchestriert zu… Mehr
Für Unternehmen oder Institutionen, die solche U-Bahnstationen in ihren Auskünften zur Anreise beispielsweise in Prospekten beschreiben, ist das auch aufwändig und teuer zu ändern. Das geht weiter bis zu allen Stadtplänen und Reiseführern auf Papier, die eingestampft werden müssen – wie auch alle Fahrassistenten neu programmiert werden müssen. Merkel bringt die Welt im Großen wie solche im Kleinen in heillose Unordnung. Zahlen wird von denen, die das fordern, am Ende keiner. Lächerlich auch die in den Proportionen zum Sockel unpassende „Frau“ die jetzt in Bristol statt Colston ohne jeglichen demokratischen Prozess aufgestellt wurde. Wer hat das in die Wege geleitet… Mehr
Was meint denn unser Lehrer Dr. Specht dazu? Und das auch noch im ZDF:
https://youtu.be/qMuM4glK2iA
Nur eine Korrektur, auch wenn sich jemand selbst ein Bild machen möchte. Es ist nicht die U4 sondern die U2, die diesen U-Bahnhof passiert.
Und wenn Reformation und katholische Kirche entsorgt sind, dann geht es ans richtige Eingemachte. Dann werden die Moscheen gestürmt, war der Sklavenhandel im religiösen Überbau nicht nur missionarischer Auftrag, sondern man hatte auch mit Ausnahme von knapp 200 Jahren darauf das Monopol. Wenn das nun wiederum „islamophob“ ist, bin ich gespannt, wie solche gravierenden kognitiven Dissonanzen in der Einfaltskultur der linksgrünen BLM Ideologen aufgelöst oder wegignoriert werden.
Möhrenstraße, der beste Kompromiss. Antirassistisch können die selbstgerechten Hundertschaften der Verquerten dann hüpfend skandieren „Auf Möhren musst du schwören!“
Ach Herr Spahn:
Ich mach nicht viele Worte,
ich liebe sie fuer ihre Texte!!
Deutschland ist ein super Land, nur nicht für Deutsche. Hier kann man von da herkommen, wo immer die Sonne scheint, muss nix gearbeitet, oder eine Ausbildung haben, kriegt Kleidung, Geld, Kost und Logis umsonst, und kann immer noch beleidigt sein. Aber sehen wir das mal positiv, durch Selbsthass, Unterwerfung und Vermischung werden wir aussterben, und vom Globus verschwinden. Das neue Personal ist schon unterwegs hierher. Und irgendwie freut es mich, dass wir schon mal die Kraftwerke abschalten, denen ein paar Windmühlen und Solarpanele von geringer Haltbarkeit hinbauen, unsere Industrie systematisch vertreiben, und am Ende sind wir dann auch weg. Was… Mehr
Das zentrale Problem bei der Geschichte ist, dass Umbenennungen nie von Dauer sind und mit der Lebensspanne von Ideologie zu tun haben. So haben sich die Nazis mal an dem Thema versucht und Auswirkungen bis in die Namensgebung der Buben als Adolf gehaben. Sie haben das Stadtbild nachhaltig verändert und Bücher verbrannt und wenn es damals bereits eine Internet gegeben hätte, das NetzDG hätte auch ihr Werk sein können, denn, Hass und Hetze kommt immer nur vom politischen Feind. Danach sind die Sozialisten in roter Fraktion eingezogen und haben fröhlich da weiter gemacht. Andere sind in Ungnade gefallen, Literatur verboten,… Mehr
Der Struwwelpeter – Die Geschichte von den schwarzen Buben Es ging spazieren vor dem Tor Ein kohlpechrabenschwarzer Mohr. Die Sonne schien ihm aufs Gehirn, Da nahm er seinen Sonnenschirm. Da kam der Ludwig hergerannt Und trug sein Fähnchen in der Hand. Der Kaspar kam mit schnellem Schritt Und brachte seine Bretzel mit; Und auch der Wilhelm war nicht steif Und brachte seinen runden Reif. Die schrie’n und lachten alle drei, Als dort das Mohrchen ging vorbei, Weil es so schwarz wie Tinte sei! Da kam der große Nikolas Mit seinem großen Tintenfaß. Der sprach: „Ihr Kinder, hört mir zu Und laßt den Mohren hübsch in Ruh’! Was… Mehr
Wilhelm Busch gehört auch verboten, aber das von Ihnen rezitierte Stück ist von einem seiner Komplizen, Heinrich Hoffmann.