Lange dachten Parteien und Medien, auf YouTube und Instagram tobe sich eine entpolitisierte, wohlstandsverwöhnte Jugend mit Schminktipps und Musikvideos aus. Keine Gefahr für die gefühlten Meinungsmonopole. Und nun plötzlich der Schock namens Rezo.
Es ist noch nicht lange her, da feierten am 15. Mai die CDU-Hinterbänkler Elisabeth Winkelmeier-Becker und Carsten Müller den bislang heftigsten Angriff auf die Meinungsfreiheit, der in der Bundesrepublik seit deren Gründung zu verzeichnen ist. Jenes vom damaligen Bundesminister der Justiz, Heiko Maas, im Eiltempo durch den Bundestags gepeitschte Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG), mit dem erstmals originäre Aufgaben der Strafverfolgungsbehörden an private Institutionen übertragen wurden, welche gleichzeitig die Rolle von Staatsanwalt- und Richterschaft übernahmen, wurde nicht nur als wirkmächtig gefeiert – die beiden Hinterbänkler setzten gleich noch einen drauf, indem sie wissen ließen: „Die Unionsfraktion setzt sich für eine zeitnahe Anpassung des Gesetzes ein, um die Wirksamkeit des NetzDG weiter zu erhöhen.“ Übersetzt in verständliche Sprache: CDU und CSU im Deutschen Bundestag werden aktiv die Verschärfung der Zensur betreiben – und dieses möglichst schnell.
„Die Frage stellt sich schon mit Blick auf das Thema Meinungsmache, was sind eigentlich Regeln aus dem analogen Bereich und welche Regeln gelten eigentlich für den digitalen Bereich, ja oder nein. Das ist eine fundamentale Frage, über die wir uns unterhalten werden, und zwar nicht wir in der CDU, mit der CDU, sondern, ich bin mir ganz sicher, in der gesamten medienpolitischen und auch demokratietheoretischen Diskussion der nächsten Zeit wird das eine Rolle spielen.“
Die Union kalt erwischt
Hintergrund dieser Eloge war die Attacke eines YouTubers mit dem Namen „Rezo“, die die Union im wahrsten Sinne des Wortes kalt erwischt hatte. Rezo hatte eine Woche vor der Wahl ein „Zerstörungs-Video“ veröffentlicht, in dem er vor allem der CDU vorwarf, seit Jahren eine falsche Politik zugunsten der Reichen, gegen Klimapolitik und für die Unterstützung aus seiner Sicht inhumaner Kriegshandlungen der USA zu betreiben. Gezielt hatte er einige besonders schwache Vertreter der Parteinomenklatura herausgepickt und deren inhaltliche wie rhetorische Unfähigkeit anhand öffentlich zugänglicher Materialien an den Pranger gestellt. Es gipfelte in dem Aufruf, keinesfalls die CDU zu wählen.
Ein alltäglicher Vorgang
Das alles ist nichts anderes als ein alltäglicher Vorgang, der in jeder Familie, jeder Bürogemeinschaft, jedem Verein stattfindet. Menschen tauschen sich aus, einer positioniert sich, andere diskutieren darüber. Völlig normal.
Und doch meint Annette Kramp-Karrenbauer, einen solchen, normalen Vorgang zum Anlass nehmen zu müssen, eine „medienpolitische und demokratietheoretische Diskussion“ veranlassen zu wollen. Denn eines – das wollen wir nicht unterschlagen – unterscheidet Rezos Zerstörungstrip eben doch von Speaker’s Corner. Der Querulant oder Diskutant im Hydepark erreicht vielleicht gerade einmal ein paar hundert Personen. Tritt er im Rahmen einer Großdemonstration auf, sind es vielleicht sogar ein paar tausend. Und wenn er großes Glück hat, dann berichten irgendwelche Medien darüber, picken zwei oder drei Sätze heraus, die dann einer breiteren Öffentlichkeit bekannt gemacht werden.
Rezo aber brachte es innerhalb einer Woche auf satte 12 Millionen Aufrufe. Einmal abgesehen davon, dass das YouTube-Prinzip damit auch einige Talerchen in seine Kasse spült, sind zwölf Millionen deutlich mehr, als selbst im TV in einer Nachrichtensendung wie der ÖR-Tagesschau erreicht werden. Die freute sich beispielsweise am 27. Mai gerade einmal über 4,9 Millionen Zuschauer. Plasbergs „Hart aber …“ kam sogar nur auf 2,67 Millionen.
Wenn die Sicherungen durchbrennen …
Nun weiß kaum jemand, ob sich die Rezo-Klicker tatsächlich die gesamten 55 Minuten angetan haben. Aber das spielt auch keine Rolle, denn in der Community wurde das Zerstörungsvideo zum Großereignis. Rezo nahm – daran führt keine Erkenntnis vorbei – durchaus Einfluss auf das Denken und Handeln vor allem der jungen Generation. Und als dann noch zahlreiche andere YouTube-Heroen sich ihm anschlossen, müssen offensichtlich bei „AKK“ ein paar Sicherungen durchgebrannt sein.
… weil man den Zug verpasst hat
Und nun geschah plötzlich etwas, welches dieses sorgsam errichtete Gebäude der gesteuerten Meinung zum Einsturz bringen kann. Lange hatten sich Parteien und Medien in dem Gefühl gewähnt, auf YouTube und Instagram tobe sich eine entpolitisierte, wohlstandsverwöhnte Jugend mit Schminktipps und Musikvideos aus. Keine Gefahr für die gefühlten Meinungsmonopole.
Und nun plötzlich dieses. Verbunden mit der Erkenntnis: Ein solch 27 Jahre alter Bengel mit blauer Stirnlocke erreicht im Zweifel mehr Publikum als die Partei in ihrer gesamten Wahlkampagne. Nachvollziehbar: Das schmerzt in den Parteizentralen. Mehr noch schmerzt aber die Erkenntnis, hier einen Zug verpasst zu haben, von dem nicht einmal mehr die roten Schlusslaternen zu erkennen sind. Denn in diesen neuen Medien bewegt sich die Union wie eine Feldmaus auf dem Mond.
Statt mit Dynamik neue Formate zu wagen, feierte die Unionsvorsitzende in ihrem letzten parteiinternen Aufruf vor dem EU-Sonntag ein „Video, in dem ein geheimnisvoller Professor die Zukunftsformel für Europa entdeckt“. In der Bildersprache eines Jerry Lewis der Fünfzigerjahre steht dort in einem weißen Kittel EU-Parlament-Auslaufmodell Elmar Brok vor einer mit Kreide vollgekritzelten Schiefertafel, um nach mehreren Anläufen irgendwie zu dem Ergebnis zu kommen, dass EU gleich Frieden und Wohlstand gleich CDU sei. „Gähn!“ – mit solchem Schmonz erreicht die Partei nicht einmal mehr die Generation 60+.
Aus Totalversagen wird der Totalangriff auf die Freiheit
„Es ist absurd, mir zu unterstellen, Meinungsäußerungen regulieren zu wollen. Meinungsfreiheit ist hohes Gut in der Demokratie. Worüber wir aber sprechen müssen, sind Regeln, die im Wahlkampf gelten. #Rezo #Youtuber — Wenn einflussreiche Journalisten oder #Youtuber zum Nichtwählen oder gar zur Zerstörung demokratischer Parteien der Mitte aufrufen, ist das eine Frage der politischen Kultur. Es sind gerade die Parteien der Mitte, die demokratische Werte jeden Tag verteidigen. #Rezo“
Das Mantra der selbsthypnotischen Standortbestimmung als Partei der Mitte – immer nach dem Motto „Le midi cèst moi“ – wird als Beleg angeführt, dass man selbst dann nicht undemokratisch sein könne, wenn man die Demokratie abschafft. Denn genau darauf läuft der seit geraumer Zeit vollführte Angriff auf das Recht des Bürgers, seine Meinung in Wort, Bild und Ton jederzeit kundtun zu können, hinaus.
Der Rechtsstaat bedarf keine Spezialregeln
Ansonsten ist in einer freiheitlichen Demokratie alles erlaubt. Es bedarf keiner „Regeln, die im Wahlkampf gelten“. Denn auch in Wahlkämpfen gelten längst all die Regeln, die außerhalb derselben das gesellschaftliche Zusammenleben organisieren sollen.
Hat jemand wie Rezo vorsätzlich oder auch aus Dummheit Lügen verbreitet, die Union oder deren Vertreter verleumdet oder beleidigt, dann steht der Union der Weg vor die ordentlichen Gerichte offen. Hat er es nicht, muss die CDU damit leben, dass Rezo sie nicht mag und das öffentlich kundtut. Sie kann gern zum Gegenschlag ansetzen und Rezos Argumente widerlegen. Ist sie dazu nicht in der Lage oder ist ihr teurer PR-Apparat mit diesem neuen Medium überfordert – nun, dann ist es eben so.
Gewogen und für zu leicht befunden
Aber so funktioniert Demokratie nun einmal nicht. Hier kann jeder sagen, was er für sagenswert hält. Gefällt mir das Gesagte nicht, muss ich in den Disput einsteigen und die besseren Argumente hören lassen.
Wer das nicht begreift, darf in diesem Staat niemals eine tragende Funktion übernehmen und gehört als Vorsitzende der immer noch größten Partei dann umgehend in die Wüste geschickt, wenn diese Partei sich tatsächlich noch zu den freiheitlichen Werten des Grundgesetzes bekennt.
Das, werte Frau Kramp-Karrenbauer, ist meine Meinung. Die darf ich äußern, weil es das Grundgesetz mir ausdrücklich erlaubt. Und weil keine Parteivorsitzende auch nur einen Hauch von Recht hat, irgendwelche Regeln zu fordern, die beispielsweise Kritik an total überforderten Parteivorsitzenden untersagen. Das gilt auch dann, wenn das grundgesetzlich verankerte Recht durch NetzDG, Uploadfilter und einseitige Hassgesetzgebung ohnehin bereits ständig unterlaufen wird.
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Es ist schon erstaunlich, dass kaum einer der vielen links-grünen Journalisten in den Medien die Frage nach den Urhebern der Grünen-Kampagnen von Greta bis Rezo stellt. Viel mehr wird die Story verbreitet, die kleine Greta und der liebe Rezo hätten sich ganz allein entschlossen, die Welt zu retten. Dass beide Teil einer massiven und professionellen PR-Kampagne sind, wird verschwiegen. Noch schlimmer: Rezos Kampagne von der Medienagentur Stroer aus Köln gesteuert, wäre im Internet versauert, wenn ihr die klassischen Medien und ihre Redakteure, allen voran ARD und ZDF, nicht diese enorme Öffentlichkeit gegeben hätten. AKK’s Reaktion ist natürlich peinlich, weil sie… Mehr
Es ist nicht fair, Frau Annegret Kramp-Karrenbauer zu unterstellen, sie wolle die Meinungsfreiheit regulieren oder gar abschaffen. Denn es gibt zu Recht Regeln, wie man im Wahlkampf und auch insbesondere unmittelbar vor dem Urnengang miteinander umgeht. Sie hat lediglich dafür plädiert, dass man sich diese Zusammenhänge näher ansieht. Folgendes wird übersehen: Für das öffentlich-rechtliche Fernsehen gibt es Vorgaben für die Dauer, die Häufigkeit und die Zeiten, im Rahmen derer Parteien vor Wahlen Werbung veröffentlichen können. Und diese Vorgaben haben ARD, ZDF und Dritte dadurch unterlaufen, dass sie ca. eine Woche vor der Wahl damit begannen, regelmäßig, gezielt, einseitig und wohl… Mehr
Diese Saarländer scheinen durch die Bank ein Demokratieverständnis wie Napoleon zu haben, wie brauchen dringend mehr davon in der deutschen Politik…..
Der letzte Absatz, herrlich! Besten Dank!
AKK ist als Kanzlerkandidatin Geschichte. Jedenfalls würde es mich sehr wundern, wenn es anders laufen würde.
Deutschland lernt daraus: „Demokratie und Meinungsfreiheit“ herrschen in Deutschland -zumindest offiziell- noch genau so lange, wie der „Souverän Schnauze haltend“ auf ewig CDU & SPD wählen. Ansonsten zieht man halt andere Seiten auf…
Getroffene HundInnen…..
Wäre es in dem Video gegen die AfD gegangen, wäre sie die erste (noch vor Stegner) gewesen, die diese geliked hätte. Für die Stammkunden der CDU: „liken“ ist neu-deutsch und kommt aus dem Englischen und hat nichts mit dem Bio-Vollkorn-Brothersteller zu tun (diesen schreibt man mit „ie“): to like für „gefallen; mit dem „Gefällt mir-Button“ kann man seine Meinung über einen (Video-) Beitrag, auch für andere sichtbar, kundtun. Einen Dislike-Button gibt’s übrigens auch, Annegret ;-)))
Meinungsmache hat es ja monatelang konzentriert und gezielt gegen die AfD gegeben. Wenn sogar die Oberhirten der katholischen und evangelischen Kirche noch am Wahlsonntag predigen nicht die „bösen Rechtspopulisten“ zu wählen. Die Union hat ebenfalls fleißig mitgemacht, auch die öffentlich rechtlichen Rundfunkanstalten und Medien waren sich sehr einig gegen die AfD. Das musste man akzeptieren in einem Land der „angeblichen“ freien Meinungsäußerung wie jetzt eben das Rezo Video. Die Union ist nur noch nicht daran gewöhnt, vielleicht sollten sie bei der AfD nachfragen, wie man damit umgeht.
Leider haben es die Gegenvideos zu Rezo nicht geschafft so populär zu werden. Warum wohl? Weil die Regierungsmedien nur Werbung für das Rezo Video gemacht haben. So langsam sickern die anderen beiden Gegenvideos zwar durch, allerdings zu spät. Wenn ich lese, dass das Rezo Video sogar in den Schulen gezeigt wird, dann ist das schon sehr einseitig und fragwürdig. In Schulen sollte man darauf besonders achten ausgewogen zu unterrichten und zu kontroversen Diskussionen anregen.
Von wegen Meinungsmacher. Täglich in allen Medien von FAZ bis TAZ. und GEZ-RUNDUM PAKET von Will bis PLASI: Wählt nicht diese Schnuddelkinder ( Pssst sie wissen schon – AFD).
Und der PASTOR WOELKI dürfte sogar noch am Wahltag auf allen Medien verkünden: Wählt nicht AFD. Wie denn nun ? Meinungsmache und MEINUNGSMACHER ( in meinen Augen HETZE) nur im Netz. ??? Genau das sind die Lügner und die LÜGENPRESSE in ihrer vollen POLITISCHEN SCHÖNHEIT aus dem gleichnamigen Zentrum, die das behaupten.
Zunächst, Herr Spahn, möchte ich betonen, dass ich mir keinen Kopf um die Zukunft und die Wahlergebnisse der CDU machen muss. Und Frau Kamp Karrenbauer ist aus den verschiedensten Gründen auch nicht mein Fall. Aber was hat sie denn eigentlich so Schlimmes gesagt? Wenn ich sie richtig verstanden habe, war das Hauptthema ihrer Äußerung die Wahlkampfbeeinflussung. Ich gehöre nicht zur Zielgruppe dieses Youtubers kann mich daher aber sehr gut an Zeiten erinnern, in denen man die katholische Kirche und ihre Pfarrer zu recht dafür kritisierte, dass sie ihren Schäfchen unmissverständlich erklärte, was am nächsten Sonntag zu wählen sei. Und eine… Mehr
Da gibt es nichts zu beleuchten, und der CDU wird auch kein Licht mehr aufgehen. Heutzutage kritisiert niemand die Pfaffen dafür, dass sie ihre Schafe öffentlich von der Wahl der AfD warnen. Oder kam da von Annegret eine Beschwerde, die ich überhört habe? Das nennt man wohl Heuchelei. Ja, hinter Rezo steht ein grüner Konzern. Na und? Hat die CDU keine Konzerne, Lobbys, Wirtschaftsverbände, Staatsmedien-Intendanten, etc. zur Hand? Besitzt die SPD nicht ein eigenes Medienimperium? Hätten sie ihre Ressourcen mal lieber sinnvoll genutzt, statt im Chor mit den Grünen auf die AfD einzuprügeln. Haben sie aber nicht. Sind ja selbst… Mehr