Auf Tomas Spahns Innensicht der CDU folgten Kommentare, in denen von „Parteienoligarchie“ und ähnlichem die Rede ist. Leider wurde dabei der entscheidende Aspekt übersehen, sagt der Autor: Was hier als Parteienoligarchie bezeichnet wurde, toleriert unser Gesetzgeber nicht nur, sondern will es ganz gezielt.
Nicht immer, aber durchaus auch nicht selten, sind Kommentare zur den bei Tichys Einblick publizierten Artikeln recht spannend. Sie können die Anregung geben, lange im Kopf herumgetragene Ideen einmal etwas konkreter auszuformulieren und zu Papier – pardon: zu Datensatz – zu bringen.
Auf meine Innensicht der CDU folgten einige Kommentare, in denen von „Parteienoligarchie“ und ähnlichem die Rede ist. Leider wurde dabei der entscheidende Aspekt übersehen. Dabei wird das, was hier als Parteienoligarchie bezeichnet wurde, von unserem Gesetzgeber nicht nur toleriert, sondern ganz gezielt gewollt.
Es gibt keine unabhängigen Parteien
Faktisch nämlich haben wir gar keine unabhängigen Parteien. Einmal abgesehen von jenen unbedeutenden Splittergrüppchen, deren Namen einem kaum einfällt, verfügt unsere Republik ausschließlich über Staatsparteien. Denn alle halbwegs bedeutenden Parteien leben von dem, was manche abfällig als „Staatsknete“ bezeichnen.
Ich weiß nicht, ob die Bundesrepublik mit ihrem Parteienfinanzierungsgesetz einmalig auf der Welt dasteht. Es spielt auch keine Rolle. Tatsache aber ist, dass das Parteienfinanzierungsgesetz alle halbwegs relevanten Parteien zu staatlich finanzierten Unternehmungen macht. Sie leben davon, für jeden bei Wahlen für sie stimmenden Bürger einen festgesetzten Geldbetrag einzunehmen. Im wesentlichen von diesem Geld finanzieren sie ihre Apparate, ihre Wahlkämpfe – letztlich ihre Existenz.
Dass dem so ist, ist – siehe oben – vom Gesetzgeber (also den gewählten Parteienvertretern) nicht nur gewollt – er hat auch die in anderen Demokratien gängige Parteienfinanzierung über Spenden derart in Fesseln gelegt und mit dem Hautgout der Bestechlichkeit versehen, dass es heute überhaupt nicht mehr anders vorstellbar ist.
Insofern mag man also gern von Parteien-Oligarchie sprechen und auf diese schimpfen. Zutreffender allerdings wäre der Begriff der Staatsparteien. Was selbst für Parteien wie die NPD gilt, denen unterstellt wird, diesen sie finanzierenden Staat abschaffen oder zumindest radikal ändern zu wollen.
Chancengleichheit statt Klientelinteresse?
Warum das so ist? Nun – hier ist ein Blick sowohl in die Geschichte als auch auf andere Demokratien hilfreich. Das Parteienfinanzierungsgesetz diente einst vorrangig dem hehren Ziel, eine Art Waffengleichheit herzustellen. Hintergrund war die Finanzierung jener NSdAP, die maßgeblich mit dem Geld des aus kleinbürgerlich-proletarischen Verhältnissen stammenden Alfred Hugenberg groß gemacht wurde. Eine derartige Situation sollte sich nicht wiederholen. Also wurden dem Spendenwesen enge Fesseln angelegt. Doch weil auch Politik-machen Geld kostet, musste eine Alternative her. So kam man auf die Idee, die Parteien, die den Bürger vertreten und ihm dienen sollten, auch durch diesen finanzieren zu lassen.
Ein weiterer Aspekt, der es insbesondere Sozialdemokraten sinnvoll erscheinen ließ, das Spendenwesen möglichst bedeutungslos zu halten, war die dort seinerzeit nicht ganz zu Unrecht herrschende Angst, dass die bürgerlichen Parteien aus Industrie und Wirtschaft mit Großspenden überschüttet und allein schon deshalb mit einem unerträglichen Startvorteil versehen werden könnten. Wer in der SPD konnte damals schon ahnen, dass die der Sozialdemokratie nahestehenden Gewerkschaften dereinst über nicht minder bedeutsame Spendenmöglichkeiten verfügen sollten?
Argumentativ hilfreich war auch der Blick auf jene Wahlsysteme, in denen eine Staatsfinanzierung gänzlich ausgeschlossen ist und als Verrat am freien Wettbewerb der Ideen angesehen wird. Vorrangig dienten hier die USA als abschreckendes Beispiel. Denn es ist naheliegend: Unterstützt beispielsweise ein Unternehmen, das in Naturschutzgebieten bedeutsame Rohstoffressourcen abbauen möchte, mit viel Geld einen Kandidaten, dann erwartet es bei dessen Erfolg selbstverständlich ein entsprechendes Entgegenkommen. Welches zumindest dann, wenn der erfolgreiche Bewerber noch ein weiteres Mal antreten möchte, kaum unterbleiben kann, will er sich auch für seine nächste Kampagne die entsprechende Unterstützung sichern.
Man mag von dem US-Prinzip halten was man will – zumindest ist es ein ehrliches System. Ob es ein „gerechtes“ im Sinne von Chancengleichheit ist, lasse ich an dieser Stelle dahingestellt. Wie wenig es allerdings in der Bundesrepublik heute noch durchsetzbar ist, dass durfte die FDP erleben, als sie nach ihrem erfolgreichen Einzug in die Regierung das Steuerprivileg für das Hotelgewerbe durchsetzte und damit den Wünschen eines Förderers folgte. Als „Klientelpartei“ vom Mainstream verachtet, leiden die Liberalen noch heute darunter, dass sie die Grundprämisse der Parteienfinanzierung missverstanden hatten.
Die Partei als Staatsunternehmen
So beschlossen die gewählten Parteienvertreter der Bundesrepublik Deutschland einvernehmlich das Parteienfinanzierungsgesetz und passen die Tantieme regelmäßig den inflationsbedingten Teuerungen an. Damit machten sie gleichzeitig alle Parteien zu Staatsunternehmen. Was dann auch sicherstellen konnte, dass Parteien, die eine gewisse Bedeutung erlangten, keinerlei Bestrebungen unterstützen würden, dieses Parteienfinanzierungsgesetz und damit einen Grundpfeiler unseres Staatswesens infrage zu stellen.
Wie gut dieses System funktioniert, konnten wir exemplarisch bei den Grünen feststellen. Als radikale „Alternative“ zu diesem Staat und all seinen Mechanismen gestartet, stellten auch die Grünen schnell fest, wie praktisch es ist, seine Ausgaben durch den Steuerzahler finanziert zu bekommen. So disziplinierte sich diese einstmals wilde Truppe schnell selbst – und wurde zu einem nicht minder etablierten Bestandteil unseres Staates wie die von ihnen einst so vehement angegriffenen „Staatsparteien“.
Keine „Staatsknete“ – keine Parteienoligarchie
Will man das, was einige Kritiker in ihren Kommentaren als „Parteienoligarchie“ anprangern, ernsthaft abschaffen, dann müssten aus den Staatsparteien wieder Klientelparteien werden. Dann müsste die staatliche Parteienfinanzierung ohne Wenn und Aber abgeschafft und statt dessen die uneingeschränkte Spendenfinanzierung freigegeben werden. Aber nicht nur, dass dieses die Parteien – alle Parteien – vor die heute angesichts der allgemeinen Parteienverdrossenheit kaum noch lösbare Aufgabe stellen würde, Klinken-putzend von potentiellem Spender zu potentiellem Spender zu wandern und um Unterstützung zu betteln – es würde auch zumindest in der Umstellungsphase zwangsläufig zu einem absoluten Zusammenbruch unseres gesamten Parteiensystems führen. Denn die Apparate aus Parteizentralen und hauptamtlich, sozialversicherungspflichtig-unkündbar angestellten Mitarbeitern ließe sich bei keiner der Parteien durch die Mitgliedsbeiträge finanzieren oder durch ehrenamtliche Tätigkeit ersetzen.
Ohnehin – wer sollte eine solche Rückkehr zum klassischen Parteienfinanzierungsmodell über Spenden und freiwillige Unterstützung beschließen? Sicherlich nicht diejenigen, die für diese Parteien vom Bürger zum Gesetzgeber gewählt werden. Folglich werden wir bis auf weiteres mit dieser „Parteienoligarchie“, also den von uns gemeinsam finanzierten Staatsparteien, leben müssen.
Und vielleicht hat das ja auch etwas Gutes. Wie das Beispiel der Grünen gezeigt hat, werden selbst radikale Parteien schnell handzahm, wenn es um das liebe Geld geht. Warum also beispielsweise den Einzug jener von manchen als radikal angesehenen Parteien wie der AfD in die Parlamente fürchten? Spätestens dann, wenn neben den Diäten für die gewählten Führungseliten auch die Apparate merken, wie gut es sie sich in der finanziellen Abhängigkeit von „Staatsknete“ leben lässt, werden allzu radikale Systemkritiker schnell vom lockenden Mammon und den eigenen Funktionären eingefangen werden.
Insofern: Leben wir weiterhin mit unseren Staatsparteien und machen wir die kritischen „Irrläufer“ schnell zu Staatsfinanzierungsjunkies. Auf dass das System auch weiterhin trotz aller Mängel keinen ernsthaften Schaden nehme.
PS: Unter diesem Aspekt erklärt sich auch das allgemeine Überherfallen der Etablierten auf neue, erfolgversprechende Gruppen – da soll schlicht verhindert werden, dass die Töpfe mit noch mehr Mitessern geteilt werden müssen.
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