Ist Moldawien als nächstes dran?

Militärstrategisch wäre die Einverleibung Moldawiens für Putins Russland eine optimale Verkürzung der Grenzlinie zur NATO von gegenwärtig 1.222 auf nur noch 450 Kilometer.

IMAGO / agefotostock

Die Unfähigkeit der NATO, der russischen Aggression Einhalt zu gebieten, ist offiziell eingestanden. So drehen sich alle Ängste nun nur noch darum, ob der Russisch-Ukrainische Krieg gewollt oder ungewollt auch NATO-Territorium erreichen könnte. Spätestens, wenn ukrainische Einheiten im Abwehrkampf unmittelbar vor der Grenze Polens stehen sollten, könnten russische Raketen auch im NATO-Gebiet einschlagen, lautet eine Befürchtung. Wäre das dann bereits der Casus belli? Vermutlich nicht, wenn es sich tatsächlich nur um einen eingestandenen Irrläufer handelt. Und doch: Was geschieht, wenn beispielsweise russische Flugzeuge auf NATO-Gebiet ausweichen? Selbst, wenn dieses scheinbar ungewollt geschähe – ein Abschuss wäre völkerrechtlich gerechtfertigt. Und dann?

Ukraine
Putins historischer Irrtum – ein Krieg ohne Perspektive
So dreht sich im Moment die Kriegsangst in Westeuropa vor allem um die Frage, ob Putin Halt macht, wenn er den ukrainischen Widerstand zerschlagen und die legitime Regierung in Kiew durch ein Marionettenkabinett ersetzt hat. Kommt es zu Übergriffen gegen das Baltikum? Greift Putin vielleicht nach Lemberg/Lwiw Polen an – oder Rumänien, wenn er die Region Odessa übernommen hat? Die NATO verlegt vorsorglich Kräfte an die Grenze zum neuen alten Feind – und sie werden dort bleiben, solange die Diktatur Putins eine Bedrohung darstellt.

Joe Biden hat angekündigt, auch die Garnisonen in der Bundesrepublik aufzustocken. Von 7.000 GIs ist die Rede – und das erscheint auch bitter nötig angesichts der Tatsache, dass mittlerweile nicht nur Militärangehörige, sondern auch die Politik eingesteht, dass die Bundeswehr „blank“ ist. Weshalb beispielsweise FDP-Vertreter nun von dringender „Ausrüstung“ sprechen, weil von einer „Aufrüstung“, wie sie beispielsweise Sandra Maischberger vom Öffentlich-Rechtlichen im Gespräch mit FDP-Vertretern ständig einforderte, noch lange nicht die Rede sein kann.

Die NATO verteidigt nur NATO

Die NATO stünde bereit, jederzeit geschlossen nach Artikel 5 auf jeden bewaffneten Angriff auf ein Bündnismitglied ge- und entschlossen zu reagieren. Das betonen unisono Jens Stoltenberg und US-Präsident Biden – es gibt vor allem dem Baltikum eine gewisse Sicherheit. Doch es verstellt den Blick auf das, was Putin nach der NATO-offiziellen Freigabe der Ukraine dennoch unternehmen könnte, um seinen nun ohnehin sanktionierten Imperialismus weit möglichst voranzutreiben.

Da steht – bereits ein wenig aus den Augen verloren – Finnland auf der Liste. Bei der Restauration des Zarenreichs gehören nicht nur die ohnehin russisch besetzten Gebiete Kareliens und Viborg zur Russkji Mir (Russische Welt), sondern auch der gegenwärtig nicht russisch besetzte Teil von Lappland bis Helsinki. Finnland ist nicht Mitglied der NATO – Stoltenberg hat wiederholt darauf hingewiesen, dass Artikel 5 im Falle Finnland keine Anwendung fände. Gleichwohl scheint ein russischer Überfall auf Finnland aktuell auch deshalb wenig wahrscheinlich, weil Putin die einsatzfähigen Teile seiner Armee benötigt, um die Ukraine zu unterwerfen.

Moldawien als nächstes Opfer

Wie aber sieht es dort aus, wo die russische Kriegsmaschine ohnehin in Kürze stehen wird und wo Putin schon vor langer Zeit einen Terroristenstützpunkt gegen eine ehemals sowjetische Kolonie eingerichtet hat? Die Rede ist von Moldawien, dieser kleinen Republik Moldau, die überwiegend rumänisch besiedelt ist und durch den Hitler-Stalin-Pakt im Juni 1940 von der Roten Armee annektiert wurde. Nach der Implosion der Sowjetunion übernahm dort die rumänische Mehrheit die Macht, setzte Rumänisch in lateinischer Schrift als Amtssprache durch, wobei die russische als solche abgeschafft wurde. Der zur Grenze zur Ukraine gelegene Landesteil Transnistrien erklärte daraufhin seine „Sezession“ und wurde, immer noch Hammer und Sichel auf rotem Grund in der „Landesflagge“, zum „frozen conflict“, mit dem Putin seinen imperialen Fuß in der Tür der ehemals „Sozialistischen Sowjetrepublik“ hielt.

Es geht um die ungarische Minderheit
Orbáns heikle Ukraine-Strategie
Faktisch wie Königsberg (Kaliningrad) eine russische Exklave, gilt jenes Narrativ, mit dem Putin seinen völkerrechtswidrigen Überfall auf die Ukraine scheinlegitimiert, ebenso für das knapp 34.000 Quadratkilometer große Moldawien mit seinen 2,6 Millionen Bewohnern. Wenn die demokratisch gewählte Regierung Selenskyj „Nazi“ ist und die Politik der Rückbesinnung auf die Mehrheitssprache der Bevölkerung zum „Genozid“ stilisiert sind, dann gelten Putins Scheinbegründungen nicht nur für die Ukraine, sondern auch für die Republik Moldau.

Beistand der NATO kann auch Moldawien nicht erwarten – mit jener Rücksicht auf russische Befindlichkeiten, die den Untergang der Ukraine ermöglicht haben, ist auch dieser Landstreifen südlich des Dnister offiziell neutral. Doch mit Maia Sandu ist seit November 2020 in der Hauptstadt Chisinau eine pro-westliche Politikerin an der Macht, die Putin ebenso ein Dorn im Auge ist wie der ukrainische Präsident Selenskij, der gegenwärtig auf dem besten Weg ist, sich als tragischer Held in die Geschichte der Ukraine einzuschreiben.

Geostrategische Grenzbereinigung ohne Risiko

Geostrategisch stellt die Republik Moldau aus russischer Sicht einen Fremdkörper in der Russkji Mir dar, der den künftig russisch besetzten Küstenstreifen des ukrainischen Bessarabiens von den westlichen Landesteilen der Ukraine trennt. Militärstrategisch wäre die Einverleibung Moldawiens für den Russischen Imperialismus eine optimale Verkürzung der Grenzlinie zum Feind NATO von gegenwärtig 1.222 auf nur noch 450 Kilometer. Mit den sowjettreuen Sezessioinisten in Transnistrien stünden – ähnlich Donbass – auch jene Moskau-treuen Vasallen zur Verfügung, die von Putin als Marionettenregierung eingesetzt werden könnten.

Angesichts der Tatsache, dass NATO und EU mit ihren Sanktionen ihr Pulver weitgehend verschossen haben, stellt der russische Vormarsch durch die Ex-Sowjetrepublik für Putin kein zusätzliches Risiko dar. Ähnlich scheint das auch das NATO-Hauptquartier zu sehen, wenn es gegenwärtig sein Hauptaugenmerk neben dem Baltikum auf NATO-Mitglied Rumänien lenkt.

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Kommentare ( 54 )

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Nun ja
2 Jahre her

Wir wollten in diesem Sommer eigentlich den Dnestr entlang zum Donaudelta reisen. Neben der Westukraine wäre dabei auch Moldawien im Reiseplan gewesen. Urlaubspläne sind das eine, Krieg etwas ganz anderes. Die letzten Tage zerstörten nicht nur Träume sondern viele Leben. Dafür kann ich die Verantwortlichen nur verabscheuen. Tragisch in Bezug auf den ukrainischen Präsidenten ist sicher richtig. Zum einen, weil er vor dem Krieg im Volk eher unbeliebt war. Auch die westlichen Medien haben dazu 2021 vernichtende Artikel veröffentlicht. Die Korruption war nicht sein Feind, sondern sein Freund. Auch das dürfte ein Grund für die Fehleinschätzung der Russen gewesen sein.… Mehr

beccon
2 Jahre her

Was gibt es in Moldawien zu holen? Ein heruntergewirtschaftetes Land, noch ärmer und korrupter als die Ukraine – nicht Teil der slawischen Welt. Nicht einmal einen richtigen Zugang zum Meer haben die.

tomo
2 Jahre her

Sonst bin ich oft kritisch mit den Beiträgen auf TE, aber auch diesmal hat Herr Spahn im Zusammenhang mit der Aggression Putins Recht. Ein Diktator, der mit dem gleichen Narrativ wie Hitler gegen Völker vorgeht, ist zu allem fähig.
Schön, dass auch viele Kommentare sensibel mit dem Thema umgehen. Weiter so!

Jens Frisch
2 Jahre her

„Die NATO stünde bereit, jederzeit geschlossen nach Artikel 5 auf jeden bewaffneten Angriff auf ein Bündnismitglied ge- und entschlossen zu reagieren.“

Ich musste laut lachen! China hat Russland bereits Beistand versprochen und wird sich diese Gelegenheit nicht entgehen lassen und wohl noch dieses Jahr Taiwan überrennen: Will sich die NATO mit Russland und China gleichzeitig anlegen?
Nein – der Westen „hat fertig“ und will es sich nur noch nicht eingestehen.

Wolfgang Richter
2 Jahre her

Die kamen doch in den letzten Monaten schon mal Busladungsweise nach Berlin zum Gucken und Stellen eines Asylantrages mit gleichzeitigem Abgreifen der Soforthilfe, was bei einer mehrköpfigen Familie mehrere 1000 Euronen sind. Und dann gings wieder nach Hause. Also zumindest die Anträge liegen „hier“ schon mal vor.

Helfen.heilen.80
2 Jahre her

Sie spekulierenen mit unwahrscheinlichen Eventualitäten (warum nicht gleich Ausdehnung zum japanischen Meer?). Eine Angstspirale führt zu unkontollierter zur Hysterie in der Bevölkerung. Sie wissen zweifelsfrei, dass US-Stratege Brezinski beizeiten darlegte, dass die Ukraine eine Schlüsselstellung für die strategische Gebietskontrolle von RU hat. Das trifft weder auf Moldawien noch auf Finnland zu. Das hört sich zwar abgebrüht an, aber vermutlich war’s das, nachdem die Ukraine besetzt oder geteilt werden sein wird. Der Gebietsverlauf entspricht dann der Pilsudski-Linie die wohl avisiert wird. Zweifelsfrei – ein menschliches und völkerrechtliches Desaster. Gar keine Diskussion. Aber Europa hat es selbst in der Hand, ob bald… Mehr

Cola
2 Jahre her

Naja, sonderlich demokratisch ist die Wahl in der Ukraine nicht gewesen, nachdem vorher ein vom Westen finanzierter Putsch stattgefunden hat. Etwas befremdlich wirkt auch der dann installierte jetzige Präsident, der auf Biegen und Brechen in die EU will und am liebsten heute als morgen die Nato mit reinziehen will. Vielleicht ist es so profan wie immer, und er ist eine amerikanische Marionette, mit der man Putin in eine Falle gelockt hat. Putin weg/isoliert und im Falle eines Natokrieges wird Europa strategisch mit Atomraketen pulverisiert. Bleibt als Gegner nur China übrig, das fast seinen gesamten Absatzmarkt verlöre und keine Technik mehr… Mehr

Old-Man
2 Jahre her

Ihre Gedanken sind so abwegig gar nicht Herr Spahn. Moldawien „sackt“ Putin im Vorbei gehen ein, das geschieht, wenn es so kommt für den „Neo-Zaren“ sogar ziemlich gefahrlos. Das er auch ein Auge auf Finnland wirft, auch das ist nicht so abwegig, aber zum jetzigen Zeitpunkt ehr unwahrscheinlich. Aber, erst muss dieser Verbrecher einmal die Ukraine besiegen, und da könnte er sich bitter verschätzt haben. Das Volk der Ukraine wird er niemals wieder zu russischen Sklaven machen können, er sollte an Afghanistan denken, das könnte ihm eventuell schlaflose Nächte bescheren, sofern dieser Mann noch irgend etwas menschliches an sich hat,… Mehr

Kraichgau
2 Jahre her

tja,also sind jetzt auch die letzten Medien auf den „Democrats-Zug“ aufgesprungen, „DEN Russen“ wieder als einziges Feindbild auf Erden zu installieren.
Schon erstaunlich,gebrodelt hat es dort unter dem Friedensnobelpreisträger Obama und genau nach der Abwahl Trumps geht es jetzt unter Biden in die zweite Runde.
Und bei beiden Versuchen schicken die edlen „Friedensfürsten“ Ihre ukrainschen Handpuppen ins Feuer,waehrend Sie nur „entrüstet“ zusehen

Falk
2 Jahre her

Finnland, Moldawien, Polen, Romänien – warum nicht gleich das russische Weltreich herraufbeschwören?

Liebe Redaktion, jede Medaille hat 2 Seiten und einen Rand. Zu nahezu jedem Konflikt gehört mehr als nur „der“ Aggressor und das „arme unschuldige Opfer“!

Tomas Spahn
2 Jahre her
Antworten an  Falk

Stimmt. Zu „nahezu“ jedem Konflikt. Aber eben nicht zu jedem.
Im übrigen vertritt Putin letztlich eine Ideologie des russischen Weltreichs. Hat sich das noch nicht herumgesprochen? Dann lesen Sie vorsorglich noch einmal, was er in den letzten Jahren geschrieben hat und hat schreiben lassen.

Old-Man
2 Jahre her
Antworten an  Tomas Spahn

Erstaunlicher Weise scheinen viele unserer Landsleute noch immer nicht begreifen wollen, das ein Vladimir Putin nicht mit den regulären Maßstäben zu begreifen ist.
Dieser Mann hat sich in eine Wahnvorstellung gesteigert, die kein rational denkender Mensch nach voll ziehen kann, er trägt eindeutig pathologische Merkmale, die nur durch einen Psychiater zu erklären wären, uns fehlt der Zugang zu solch „kranken“ Zeitgenossen!!.

Falk
2 Jahre her
Antworten an  Tomas Spahn

Das habe ich, ich habe auch einige seiner Reden verfolgt, auf welchen er die NATO osterweiterzngen scharf kritisierte, den Bau von Raketenbasen in Romänien & Polen, das generelle militärische gebaren des Westens.
Ich entsinne mich auch an eine gewisse Victoria „fuck the EU“ Nuland und ein aufgezeichnetes Telefonat.
Auch habe ich nicht die Geschichte von Umstürtzen Seitens des Westens, vorallem der US, vergessen. Wie und mit welchen Mitteln der „Wertewesten“ seinen Willen und Interessen durchdrückt, noch einen gewissen Edward Snowden oder Julian Assange.

Die Einseitigkeit mit welcher Russland die alleinige Schuld bekommt bereitet mir unglaubliche Kopfschmerzen!

Leander
2 Jahre her
Antworten an  Falk

Stimmt! Und beide Seiten haben in der Eskalationsvermeidung versagt. Zum Massenmörder ist aber Putin alleine geworden. Das Verbrecherische trägt nur er in sich.