Was am Tag der Deutschen Einheit fehlte

Der Hauptgrund für das Ende der DDR spielt im öffentlichen Bewusstsein kaum noch eine Rolle: Der Sozialismus war bankrott und gescheitert. Die Lehre daraus: Schluss mit dem Glauben an die Planbarkeit der Wirtschaft.

"Allee mit Trabi" von Bettina Hagen

In der heutigen Zeit ist man des Öfteren überrascht, welche Themen die politische Agenda bestimmen. So war es auch beim Tag der Deutschen Einheit. Beim Festakt am 3. Oktober in Kiel ging es um viele Themen. Selbstverständlich um den Fall der Berliner Mauer, die Grenzöffnung und die Freude der Menschen. Es ging aber auch um „Klimaschutz”, den Kampf gegen Rechts und den Zusammenhalt der Gesellschaft. Alles sicherlich wichtige Themen.

Doch um eines ging es nicht: Um das Scheitern des Sozialismus. Weder der amtierende Bundesratspräsident Daniel Günther noch die Bundeskanzlerin erinnerten daran. Dabei gehören beide immerhin der CDU an. So ändern sich die Zeiten. Noch 1976 zog die CDU in den damaligen Bundestagswahlkampf mit dem Slogan „Freiheit statt Sozialismus“. Helmut Kohl als Spitzenkandidat erzielte damals 48,6 Prozent der Stimmen.

Trotz allem bewundernswerten Widerstand der Bürger in Kirchen und oppositionellen Kreisen hätte es die Chance der Wiedervereinigung womöglich nicht gegeben, wenn die ökonomische Situation in der Sowjetunion und der DDR nicht so katastrophal gewesen wäre. Der Kapitalstock der DDR war nach 40 Jahren Sozialismus aufgebraucht.

Gerade in Zeiten, in denen der Sozialismus weltweit und auch hierzulande neue Blüten treibt, wäre eine Beschäftigung mit den Gründen des ökonomischen Untergangs der DDR notwendig gewesen, gerade auch für die jüngeren Teilnehmer und Zuschauer. Die DDR ist ökonomisch nicht am Wissen und an der Schaffenskraft seiner Menschen gescheitert, sondern an der sozialistischen Planwirtschaft, an Fünf-Jahres-Plänen und am Irrglauben an die zentrale Lenkbarkeit von Wirtschaftsprozessen.

Kalenderblatt:
Vor 30 Jahren fiel die Entscheidung in Leipzig
Die sozialistische Planwirtschaft hat nicht funktioniert. Der Großversuch für die rund 16 Millionen Menschen scheiterte verheerend. Die DDR war das Land mit der höchsten Umweltbelastung in Europa. Die Schadstoffwerte in der Luft erreichten negative Spitzenwerte. 47 Prozent des Wassers waren als Trinkwasser unbrauchbar. Der Verzehr von in der Elbe gefangenem Fisch war aus Gesundheitsgründen verboten. Die staatliche Plankommission stellte in einem internen Papier im Oktober 1989 fest, dass die DDR „kurz vor der Zahlungsunfähigkeit stehe“. Der Verzicht auf neue Kredite aus dem Ausland „würde im Jahr 1990 eine Senkung des Lebensstandards um 25-30 Prozent erfordern und die DDR unregierbar machen“.

Die sozialistische Planwirtschaft war und ist undurchführbar. Das liegt daran, dass sie keine Marktpreise kennt. In einer Marktwirtschaft versuchen die Verkäufer, die Kundenwünsche und deren Präferenzen herauszufinden und passen sich entsprechend an. Dies entsteht durch einen Prozess des „Versuchs und Irrtums“ der Marktteilnehmer im Kleinen. Der Sozialismus arbeitet nicht mit Versuch und Irrtum, weil er durch Planung zu wissen glaubt, was richtig ist. Doch weder eine staatliche Plankommission noch eine Regierung haben das Wissen, welches Millionen von Akteuren am Markt haben. Ihre Planung musste daher scheitern. Das Gegenteil zur sozialistischen Planwirtschaft ist die Marktwirtschaft. Sie setzt auf Privateigentum und Arbeitsteilung. Niemand weiß alles, aber das Zusammenspiel aller Marktakteure lenkt das Handeln des Einzelnen dorthin, wo es die Bedürfnisse der Kunden und Verbraucher erfüllt.

Schweigen ist keine Zustimmung
Freiheit und Wohlstand brauchen neue Anhänger
Man sollte jedoch nicht dem Irrtum verfallen, dass der Sozialismus mit dem Untergang der DDR verschwunden sei. Vieles, was derzeit in der Klimafrage diskutiert wird, hat mit Sozialismus zu tun. So wird der CO2-Austoß auf Jahrzehnte zentral geplant. Konkret traut sich die Regierung sogar zu, die CO2-Emissionen bis 2030 um 55 Prozent zu reduzieren und bis 2050 „klimaneutral“ zu sein. Da wünscht man sich fast die guten alten Fünf-Jahres-Pläne der DDR zurück! Die waren wenigsten zeitlich überschaubar. Man kann sich ja gar nicht vorstellen, was wir heute noch nicht wissen, aber im Jahr 2050 zum Allgemeinwissen gehören wird. Oder anders gesprochen: man versetze sich einmal in das Jahr 1988 zurück, also vor 31 Jahren, und überlege, welche neuen technischen Möglichkeiten es seither gibt. Damals konnte sich niemand vorstellen, welchen Siegeszug das Internet erfahren sollte und damit unser Leben grundlegend verändern würde. Die Allermeisten konnten sich nicht einmal vorstellen, dass ein Jahr später die Berliner Mauer fällt und es kurze Zeit später zur Wiedervereinigung kommt.

Viele Ansätze der heutigen Klimapolitik sind Sozialismus in Reinkultur. Was von den Bürgern benötigt wird, sagt und plant auch heute der Staat. Ölheizungen gibt es bald nicht mehr und Elektroautos sind das Nonplusultra. Dass dies die richtige Lösung ist, wissen nicht der Markt und seine Teilnehmer, sondern der Koalitionsausschuss aus Union und SPD, quasi als staatliche Planungskommission. Vielleicht ist das auch der Grund, wieso Angela Merkel den Sozialismus als Thema bei ihrer Ansprache beim Festakt zum Tag der Deutschen Einheit in Kiel ausgespart hat. Zu viel déjà-vu hätte die Feiertagsstimmung wohl eingetrübt.

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Kommentare ( 49 )

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LadyGrilka55
5 Jahre her

Da sie gerade versuchen, eine neue sozialistische Diktatur zu errichten, warum sollten sie wohl das Scheitern des Sozialismus thematisieren? Das wäre doch unlogisch. Und wen interessieren schon Fakten? Die roten Ideologen bestimmt nicht.

Dr. Michael Kubina
5 Jahre her

Volle Zustimmung, nur trifft das Gesagte nicht nur auf die Jubiläumsveranstaltungen zu. Wenn die DDR heute nicht „ostalgisch“ thematisiert wird, wird fast ausschließlich auf den Repressionsapparat Bezug genommen und auf deren Opfer. Das war anfangs sicher wichtig, ist jetzt aber ein schwerer Fehler bzw. böse Absicht. Warum es diesen Apparat einschließ Mauer bis zum Ende geben „musste“, ja er immer weiter ausgebaut wurde, wird tatsächlich kaum mehr thematisiert. Es lag ja nicht daran, dass die Kommunisten „allergisch“ gegen Demokratie und Freiheit waren, sondern dass sie in einer „Übergangsperiode“ die „Dikatur des Proletariats“ zur Errichtung einer kommunistischen und freien Gesellschaft, quasi… Mehr

LadyGrilka55
5 Jahre her
Antworten an  Dr. Michael Kubina

Ein Faktum ist doch nicht aus der Welt zu reden: Kommunismus respektive Sozialismus haben noch nie funktioniert, funktionieren heute nicht und werden niemals funktionieren. Und das liegt daran, dass der Mensch einfach nicht so IST, wie die Roten ihn gerne hätten. Aber das wollen sie nicht (ein)sehen. Daher auch der Machbarkeitswahn und die penetrante (Volks)Erziehungshaltung der Linken. Sie können es einfach nicht akzeptieren, dass Kommunismus/Sozialismus eine Totgeburt von Anfang an war.

bkkopp
5 Jahre her

Deshalb war ich immer dafür den 17.Juni als “ Tag der deutschen Einheit “ zu belassen. Das Datum hätte “ Seele “ für die Ostdeutschen gehabt, und war in der alten BRD etabliert, hatte auch für den Westen “ Seele“. Das Datum ist nicht mit dem Scheitern der DDR, dem Streit über das Scheitern oder Nichtscheitern des Sozialismus, die Tätigkeit der Treuhandanstalt usw. usw. befrachtet. Deshalb könnten alle mit Datum 17. Juni gut leben und müssten dabei nicht immer die kontroversen Vereinigungsthemen aufwärmen.

Britsch
5 Jahre her

AM mußte den Sozialismuß ausschließen. Sie selbst war Anhängerin des DDR Sozialismus und des damaligen Systems. Sie war es auch die zum Ende der DDR als diese bankrott war und AM bereits in einer Partei eine maßgebliche Funktion hatte, gesagt hat / gesagt haben soll “ der Sozialismus sei das einzig richtige, man müsse nur eine etwas abgewandelte Form entwickeln“. Das hat sie getan und bereits weitgehend umgesetzt. In der Doktorarbeit die zwischenzeitlich als die von AM öffentlich aufgefunden werden kann fehlt nach meinem Wissen die Abhandlung / Beurteilung des Sozialismuß ganz. Damals war es aber in der DDR nach… Mehr

Danton
5 Jahre her

Schön und Gut, aber es geht dem heutigen Mainstream um die Verherrlichung des Sozialismus unter Ausblendung jeglichen Nachdenkens über das real Existierende.
In erster Linie geht es denen darum Geschichte zu eliminieren. Das ist wie beim Klimaaktivismus. Wenn sie die, auch nur mit überschaubarem historischem Wissen konfrontieren dann morphen sie ihr Gesicht zu einem Honecker-Schädel der sie anschreit „du faschistischer Kapitalist“. Ganz so wie pawloische Hunde.

Lu Ziffer
5 Jahre her

Das mit der nicht funktionierenden Planwirtschaft ist im Grundsatz richtig, wurde aber durch den RGW und den „großen Bruder“ noch befördert. Zur starken Ablehnung dieses Scheinsozialismus durch die Bevölkerung in der DDR hat eigentlich die Reglementierung und Bevormundung im Kontext mit einer relativ gebildeten Mittelschicht geführt. Die meisten DDR-Bürger wollten reisen und nicht mehr bespitzelt werden und nicht alle wollten S-Klasse fahren oder Kaviar essen. Gefühlt ist die „soziale“ Marktwirtschaft für viele ein Wunschdenken geblieben und wie auch hier bei Tichys in anderen Beiträgen dargestellt, kann die Marktwirtschaft nur durch ungebremstes und globales Wachstum mit allen daraus folgenden Nachteilen existieren.… Mehr

Britsch
5 Jahre her
Antworten an  Lu Ziffer

„kann die Marktwirtschaft nur durch ungebremstes und globales Wachstum mit allen daraus folgenden Nachteilen existierern. Das ist so nicht ganz richtig – eine Marktwirtschaft / soziale Marktwirtschaft wie wir diese in der BRD hatten, kann auch ohne ungezügelte Globalisierung / Grenzen funktionieren. Ich bin Wessie. Ein Bekannter war jetzt erst im Osten, und meinte, bei Vielen stimmt die Einstellung zur „Wirtschaft“ aber immer noch nicht, das dauert wohl noch eine Generation. Darauf erwiderte ich: nach dem was derzeit abläuft / propagandamäßig abläuft wird es wohl eher so kommen, daß Diese ihre Einstellung behalten können und die Verhältnisse noch aus ehemaligen… Mehr

Ananda
5 Jahre her

Die Irrsinns-Schrottpapier-Aufkaufspolitik der Zentralbank, die Aushöhlung der Währung durch Gelddrucken, die Manipulationen über enteignende Niedrigzinsen, ist doch die scheiternde Planwirtschaft schlechthin. Eine ganze Währung wird ruiniert. Vom Abbau der echten Industrien zugunsten von „Techniken“, die noch erfunden werden müssen, ganz zu schweigen.
Kindergarten „Brainstorm“ plus reality Bastelstunde. Natürlich ohne Verantwortung für die katastrophalen Folgen.

H. Priess
5 Jahre her

Der Sozialismus ist gescheitert, Ideologisch wie Wirtschaftlich. Man hat versucht einen Typ sozialistischen Menschen zu schaffen und ist gescheitert. Man hat versucht eine sozialistische Planwirtschaft zu treiben und ist gescheitert. Erstaunlich, daß wieder versucht wird einen anderen Typ Menschen zu schaffen und eine neue Planwirtschaft herzustellen. Wie der neue Typ Mensch sein soll kann man jeden Freitag beim Schulschwänzen erleben und wie die neue Planwirtschaft aussieht am Klimaaktionismus von heute. Aber darauf wollte ich nicht hinaus. Die DDR hat bis in die späten 70iger Jahre Reparartionszahlungen leisten müssen, es waren nach Kurs vom amerikanischen Dollar von 1956 mehr als 96… Mehr

Marcel Seiler
5 Jahre her

Der Sozialismus ist romantisches Wunschdenken: Die seelische Abkehr vom harten Licht der Moderne. Deutschland ist es nicht gelungen, das romantische Wunschdenken zu überwinden, welches zum 1. Weltkrieg, zum NS-Regime, zum 2. Weltkrieg und zur DDR geführt hat.

Die geistigen Eliten Deutschlands, die schon in den 50er Jahren wieder mit Antikapitalismus, Antiamerikanismus flirteten und eine 68’er Generation großzogen, haben versagt. Sie versagen immer noch, wenn sie uns vorgaukeln, ein warm-kuscheliger Sozialismus könne uns erlösen.

Wilhelm Cuno
5 Jahre her

Das ist das Tragische am Untergang der DDR. Den westdeutschen Bürgern fehlt der anschauliche Beweis, dass Sozialismus nicht funktioniert und die Erinnerung daran verblasst leider.

Maja Schneider
5 Jahre her
Antworten an  Wilhelm Cuno

Das kann ich nur unterstreichen, möglicherweise ist das der Grund dafür, dass die Berichterstattung über das Scheitern des Sozialismus in Venezuela völlig aus den Medien gestrichen wurde. Außerdem kommt dazu, dass gerade das langsame Vergessen die Chance bietet, jetzt das Scheitern der DDR eben nicht im Sinne eines aufrechten Historikers wie Hubertus Knabe zu interpretieren sondern ganz im Sinne eines verklärenden Blickes der Linken und ihrer damals verpassten Karrieren in diesem System (auch Merkel gehört zu ihnen). Die Feierlichkeiten zum Tag der Deutschen Einheit untermauern m. E. diesen Gedanken.