Gratis-Nahverkehr: Kostenlos kann keine Leistung sein

Auch wenn noch so viele auf den ewig gleichen Betrug reinfallen. Jede scheinbare Wohltat des Staates zahlen die Bürger und sonst niemand.

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Die noch geschäftsführende Bundesregierung kapert jetzt die Themen der Piraten-Partei. In Umfragen und bei Wahlen ist diese zwar längst marginalisiert, aber nicht nur der Volksmund sagt bekanntlich, Kleinvieh macht auch Mist. In einem Brief von Umweltministerin Barbara Hendricks (SPD), Verkehrsminister Christian Schmidt (CSU) und Finanzminister Peter Altmaier (CDU) an EU-Umweltkommissar Karmenu Vella, schlägt die Regierung vor, einen kostenlosen Nahverkehr anzubieten, um ein drohendes Fahrverbot in Innenstädten zu verhindern. Kostenlos ist der Nahverkehr auch danach nicht, denn die Infrastruktur und die Beschäftigten müssen ja von jemandem bezahlt werden. Aber es zahlt dann ein anderer. Das Modell soll erst einmal in fünf Modellkommunen getestet werden. In Bonn, Essen, Herrenberg, Reutlingen und Mannheim soll es losgehen. Warum eigentlich dort, fragt sich der geneigte Leser? Warum nicht in Wanne-Eickel, Berlin-Marzahn, Halle-Neustadt, Gundelfingen oder gleich überall?

Diese Umsonst-Kultur passt in den Zeitgeist, daher ist das Thema gut gewählt. Die Straßen und Autobahnen sind verstopft. Was liegt da näher, mit der S-Bahn oder dem Bus zu fahren, insbesondere, wenn man kein Ticket kaufen muss. Doch wie immer hat diese Umsonst-Kultur auch Nachteile. Wieso noch auf das Fahrrad steigen, wenn der Bus so nahe ist? Warum schaltet sich hier eigentlich nicht der Gesundheitsminister ein? Sein Vorschlag müsste doch an dieser Stelle lauten, dass die Bundesregierung auch kostenlose Fahrräder zur Verfügung stellt. Vielleicht kann man sogar einen Rechtsanspruch auf ein Fahrrad ins Grundgesetz schreiben. Grüne und Linke machen da sicherlich mit. Das hätte den Vorteil, dass gleichzeitig die „Volksgesundheit“ gefördert würde und damit das nationale Herzinfarktrisiko gemindert wird. Es würde auch die Fahrradindustrie wieder in Schwung bringen, wenn ein Großauftrag von 80 Millionen Fahrrädern auf die Hersteller zukäme. Gefördert würden dann natürlich nur Fahrräder aus heimischer Produktion, denn das sichert Arbeitsplätze vor Ort und schützt vor den Billigprodukten aus China und anderswo.

Diese nationale Strategie für Busse, Bahnen und Fahrräder könnte dann auch noch mit der Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens von 1.000 Euro pro Bürger verbunden werden. Das würde die Umsonst-Kultur dann noch so richtig abrunden. Ach, die Welt wäre dann so schön. Alle Probleme wären gelöst und alle Menschen glücklich.

Guido Westerwelle sagte einmal: „Wer dem Volk anstrengungslosen Wohlstand verspricht, lädt zu spätrömischer Dekadenz ein.“ Da hatte er sehr Recht. Es würde eine Allmende-Kultur entstehen, in der sich viele es zu Lasten anderer gut gehen lassen. Nein, Dienstleistungen müssen einen Preis haben, sie ausschließlich über Steuern zu finanzieren, mindert die Leistungsfähigkeit der Anbieter, weil sie unabhängig von ihrer Leistung Transfers des Staates erhalten. Man muss nur in die Geschichtsbücher über den Zusammenbruch des Eisernen Vorhangs nachlesen, um zu wissen, dass dieser Weg nicht von Dauer ist. Wenn der Staat und seine Kommunen den Schadstoffausstoß in den Innenstädten reduzieren wollen, dann können sie ja damit beginnen, den städtischen Fuhrpark umzurüsten und Busse mit anderen Antrieben fahren lassen.

So ist es auch mit dem bedingungslosen Grundeinkommen. Natürlich ist die Sozialbürokratie immens. Und natürlich ist es sinnvoll, die unterschiedlichen Einkommensbegriffe, Schwellenwerte und Leistungen des Bundes, der Länder und Kommunen zu bündeln. Und natürlich ist es sinnvoll, den Hinzuverdienst nicht voll auf Sozialhilfe und andere Leistungen anzurechnen. Das würde Bürokratie abbauen, Bürgern mehr Eigenverantwortung übertragen und Findige im Dschungel der Leistungen nicht gegenüber den Bedürftigen bevorteilen. Doch auch hier gilt, dass es eine Wohlstandsillusion einer Gesellschaft ist, zu meinen, der Staat sollte alle, seien sie bedürftig oder nicht, per se und ohne Bedürftigkeitsprüfung alimentieren. Die problematische Stigmatisierung derer, die Sozialleistungen erhalten, sollte in unserem Sozialsystem aber nicht dazu führen, dass man plötzlich vom Regen in die Traufe kommt. Es wäre ein falsches Signal in eine Gesellschaft hinein, wenn dann diejenigen ausgegrenzt und verhöhnt werden, die am Ende das Rad am Laufen halten und Steuern bezahlen. Denn hier sollten wir es mit Ludwig Erhard halten: Es gibt keine Leistung des Staates, die sich nicht auf Verzichte des Volkes gründen.

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Kommentare ( 51 )

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51 Comments
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Bummi
6 Jahre her

Ich finde den Vorschlag sehr gut. Es würden sehr viele Menschen das Angebot nutzen. Werdie guten Systeme in anderen Städten gesehen hat der bekommt eine Ahnung was machbar ist. Und die Kosten sind überschaubar. Für Asyl spielt Geld keine Rolle -. nur Kosten und nu Effekte.

Svenja Gerwing
6 Jahre her

Kostenlos???
Sie und ich subventionieren den ÖPNV doch unbefragt, egal, ob wir ihn in Anspruch nehmen oder nicht!
In diesem Land ist wirklich gar nichts umsonst.

Mangela Erkel
6 Jahre her

Ich bin sofort für free ÖPNV, wenn ich dafür Klaus Kleber nicht mehr jedes Jahr auf 100 Bier einladen muss (GEZ)! Allerdings sehe ich nicht, dass das Merkelregime bei uns, die schon länger hier leben, die Daumenschrauben in irgendeinem Bereich lockern würden. Das bedingungslose Grundeinkommen gibt‘s übrigens längst. Freilich nicht für uns Einheimische (Iiieh, Deutsche!), aber für den, der seinen Pass wegschmeißt & das Zauberwort „Asyl“ sagt…

Philokteta
6 Jahre her

Es geht bei diesem Mumpitz doch wohl in erster Linie darum, der EU Vorschläge anzubieten, wie die Grenzwerte, die es für Stickoxide für Städte gibt, eingehalten werden können. Die EU hatte solche Vorschläge verlangt, und dieser ist einer von sechs Vorschlägen. Werden die Grenzwerte nicht eingehalten, kann es ein Vertragsverletzungsverfahren vor dem EUGH geben. Das ganze soll zunächst auch nur als Testphase laufen, um Erfahrungen sammeln zu können. Auch wolle man die Bewertung der EU abwarten. Soweit meine Informationen. Hat man denn beim Gratisnahverkehr wieder einmal übersehen, daß zunächst einmal das Angebot an Bussen und Bahnen da sein muß, um… Mehr

Doris die kleine Raupe Nimmersatt
6 Jahre her

Beim kostenlosen Nahverkehr für Städte wird wohl folgendes passieren:
Da es viel Geld kostet braucht der Staat neue Einnahmen. Also wird eine zusätzliche Steuer auf Benzin und Diesel gelegt.
Damit zahlen dann die Menschen, die auf dem Land leben, die Pendler, den Städtern ihren kostenlosen Nahverkehr. Das Gefälle zwischen Stadt und Land wird somit noch größer!
Mal davon abgesehen, dass ich das, da auf dem Lande wohnend, unmöglich finde, wird es schlicht die Gesellschaft noch weiter spalten.

Nikolai Jeschow
6 Jahre her

Der Vorschlag „Kostenloser ÖPNV für alle“ poppte vor einigen Jahren kurz in Köln auf – ebenfalls hervorgebracht von der linken Piratenpartei (und deshalb natürlich freudig aufgegriffen von der örtlichen Presse). Im Gegenzug sollte dann jeder Kölner eine Art ÖPNV-Abgabe zahlen, egal ob er Bus und Bahn nutzt oder nicht. „Bus-und-Bahn-GEZ“. Da zeigte sich wieder, was die linke Ecke der Gesellschaft unter „Solidarität“ versteht, nämlich „Wir gönnen uns was schönes, und ihr da bezahlt es!“. Für die eigene Klientel wäre es natürlich ein feines Leckerli gewesen (damals schon über 90,- Euro für das Monatsticket gespart), und die Kosten wären der Allgemeinheit… Mehr

Martin
6 Jahre her

Mal ganz grundsätzlich: Der corpus delicti sind EU-Grenzwerte, die noch nie einen Stand der Wissenschaft repräsentierten. Anstatt von einer idiotischen Idee in eine andere zu verfallen sollte der Ministerrat der EU die Kommission zu einer Korrektur auffordern. Die Kommission macht das zwar sehr ungern, es wäre aber nicht das erste Mal.

Nachtwind
6 Jahre her
Antworten an  Martin

Vielen Dank für den Ministerrat der EU! You make my day!

AlNamrood
6 Jahre her

Das Problem am Nahverkehr ist nicht der Preis, sondern die Fahrgäste und die Pünktlichkeit.

Thomas Hellerberger
6 Jahre her
Antworten an  AlNamrood

Das Problem ist sehr wohl der Preis, das zeigt schon die hohe Schwarzfahrerquote. Hier in Frankfurt kostet die Monatskarte nur für das Stadtgebiet (kleiner als Berlin-Neukölln) ca. 90 €. Das ist kein Pappenstiel, auch nicht für Normalverdiener, zumal es bei den meisten obendrauf kommt, das heißt niemand, der mit dem ÖPNV pendelt, verzichtet allein deswegen auf ein Auto. Auch der steigende Anteil der Nur-Radfahrer speist sich in erster Linie aus der Gruppe der ÖPNV-Benutzer. Natürlich gibt es auch andere Gründe, mangelnde Pünktlichkeit (kann ich für Busse und U-Bahnen hier in der Stadt eher nicht sagen, die S-Bahn ganz sicher schon)… Mehr

AlNamrood
6 Jahre her
Antworten an  Thomas Hellerberger

Gut, ich kann in dieser Hinsicht nur auf meine Erfahrungen im ländlichen Bereich zurückgreifen. Wie es in Ballungsräumen läuft weiß ich persönlich nicht. Ich bezahle circa 35€ für eine Wochenkarte. Dafür sind die die Anbindungen die absolute Katastrophe. Internet, App und die physischer Fahrplan sagen jeweils etwas anderes und nichts stimmt. Teilweise kennen die Fahrer ihre eigene Strecke nicht.

Bummi
6 Jahre her
Antworten an  AlNamrood

Das stimmt nicht. Bei uns kostet dieFahrkarte 3,20 Pro Person. Als Familie also 12,80Euro hin und 12,80 zurück in die Stadt für knapp 17 Minuten Fahrt. Das ist null Konkurrenz für das Auto.

Oblongfitzoblong
6 Jahre her

Wie Leistungsfähigkeit rapide abnehmen kann, lässt sich an den zwangsfinanzierten Fernsehsendern hübsch beobachten. Natürlich geht man jetzt auf die Suche nach Geldquellen, Erhöhungen der Benzin- und Heizölsteuer sind doch auch schon angedacht. Weiteres wird folgen. Glaubt wirklich irgendjemand noch, dass die mehr als 50 Milliarden pro Jahr für die Bewältigung der Migrationskrise einfach aus dem Haushalt genommen werden können?

Martin Hofmann
6 Jahre her

Guter Vorschlag, dass die Städte ihren Fuhrpark auf Elektroantrieb umrüsten sollen. Denn schließlich machen ja diese Fahrzeuge den meisten Verkehr in Städten aus. Und diese Busse und LKWs haben ja auch einen viel höheren Stickoxidausstoß als jedes Dieselauto, denn die halten sich ja auch nicht an die Grenzwerte….

Thomas Hellerberger
6 Jahre her
Antworten an  Martin Hofmann

Auch für Busse und Lkw gilt die Euro6-Norm. Bei Stadtbussen ließe sich das relativ elegant lösen, indem man auf Erdgasantrieb umstellte. Allerdings sind die Fahrzeuge teurer und eine Infrastruktur zum Aufgasen muß auch erst erstellt werden, die Investitionen scheuen gerade private Betreiber, die Ausschreibungen gewinnen müssen, die nur über den Preis laufen.

Bummi
6 Jahre her
Antworten an  Martin Hofmann

Ein normaler Bus kostet 200 T€ ein E-Bus 600 T€. Letzterer kann im Winter nicht richtig heizen und im Sommer klimatisieren. Das istSpinnerei.