Warum soll es nicht möglich sein, die gescheiterte Doha-Runde, die Zölle und Handelsschranken von Industrieländern, Entwicklungs- und Schwellenländern beseitigen wollte, gerade jetzt, unter dem Druck einer neuen Protektionismus-Spirale, neu zu starten?
US-Präsident Donald Trump macht weiter, wo er aufgehört hat. Jetzt nimmt er sich die Welthandelsorganisation WTO vor. „Die WTO hat die USA sehr, sehr schlecht behandelt und ich hoffe, sie ändert dies“, poltert er vor wenigen Tagen. Das ist nicht neu. Bereits 2016 bezeichnete er die WTO als „Desaster“.
Einen möglichen Austritt der USA hält sein Handelsminister Wilbur Rose zwar noch für ein verfrühtes Gerede, dennoch berichten US-Medien darüber, dass Trump einen Gesetzentwurf vorbereiten lässt, der ihm die Möglichkeit geben soll, auf Einfuhren aus jedem Land Zölle in beliebiger Höhe zu verhängen, und auch die Obergrenzen der WTO zu sprengen. Beides wäre letztlich das Ende der WTO. Zwar gehören die USA zu den Gründungsmitgliedern der 1994 ins Leben gerufenen Welthandelsorganisation, doch beliebt war die Organisation bei US-Regierungen nie. Bereits Trumps Vorgänger Bush und Obama haben sich immer wieder kritisch zur WTO geäußert. Doch jetzt hat die Kritik eine neue Dimension.
In den USA gibt es auch gewichtige Stimmen, die diese Entwicklung äußerst kritisch sehen. Simon Lester vom Cato Institute befürchtet, „dass die USA höhere Handelsbarrieren in allen ihren wichtigsten Export-Märkten vorfinden würden, da all diese Länder nicht länger an ihr Versprechen gebunden wären, Zölle auf US-Produkte zu verringern.“ Auch der Schutz geistigen Eigentums sei dadurch gefährdet. Insgesamt hätte die USA kein gutes Instrument mehr, um gegen Handelsbarrieren anderer Staaten vorzugehen, so Lester.
Die Kritik an der WTO kommt aber nicht nur von Donald Trump und aus Amerika. Viele so genannte NGOs bekämpfen die WTO, weil sie einseitig nur die Interessen der Industrienationen vertrete und Schwellen- und Entwicklungsländer nicht ausreichend ihre Interessen wahrnehmen könnten. In den Verhandlungen über den Abbau von Handelsschranken hätten es große und entwickelte Ländern einfacher, ihre Interessen vorzubringen und auch durchzusetzen. Diese Kritik ist nicht völlig unberechtigt, da kleine Länder und Länder mit geringen finanziellen Mitteln sich eine professionelle Vorbereitung auf die Verhandlungen meist nicht leisten können. Doch was ist die Alternative? Kann Marokko oder Nepal die Interessen seiner Bürger und Unternehmen besser durch bilaterale Handelsabkommen vertreten? Wohl kaum. Verhandlungen auf Augenhöhe sind so auch nicht zu erwarten. Mit einer gewissen Asymmetrie müssen wir wohl daher leben. Die WTO und ihre Instrumente der Konfliktschlichtung sind daher eine große historische Errungenschaft.
Eigentlich ist die WTO die Antwort auf die gravierenden Fehler der Vergangenheit. Schon einmal ging Amerika den Weg der Abschottung und des Bilateralismus. Es ist gerade mal 88 Jahre her. Im Juni 1930 trat der Smoot-Hawley Tariff Act in Kraft. Er führte US-Schutzzölle auf 20.000 Produkte ein, um die amerikanische Wirtschaft zu schützen. Amerika setzte nur noch auf gegenseitige Handelsabkommen und verzichtete auf die Meistbegünstigungsklausel, die Dritten die gleichen Handelsvorteile zubilligt wie den beiden Vertragsparteien. Anschließend trat ein wechselseitiges Hochschaukeln protektionistischer Maßnahmen in den weltweiten Handelsbeziehungen ein. So weit sind wir inzwischen von dieser Entwicklung nicht mehr entfernt.
Besser wäre es doch, wenn die willigen Staaten sich zusammenfinden und gemeinsam die WTO-Regeln neu vereinbaren und fortschreiben würden. Warum soll es nicht möglich sein, die gescheiterte Doha-Runde, die Zölle und Handelsschranken von Industrieländern, Entwicklungs- und Schwellenländern beseitigen wollte, gerade jetzt, unter dem Druck einer neuen Protektionismus-Spirale, neu zu starten? Daher wäre eine WTO 2.0 die richtige Antwort auf den Smoot-Hawley Tariff Act 2.0 eines Donald Trump.
Als Präambel dieser neuen WTO-Vereinbarung könnte auf den großen französischen Staatsmann des 19. Jahrhunderts Alexis de Tocqueville Bezug genommen werden, der über den Freihandel gesagt hat: „Der Handel ist von Natur ein Feind aller gewalttätigen Leidenschaften. Er liebt die Mäßigung, gefällt sich in Zugeständnissen, flieht sogfältig den Zorn. Er ist geduldig, einschmeichelnd und er greift zu äußersten Mitteln nur, wenn die unbedingteste Notwendigkeit ihn dazu zwingt.“
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Herr Schäffler, mit seinem Vorschlag, alle Zölle abzuschaffen, ist Präsident Trump bei der EU auf Taube Ohren gestoßen. Trump wollte direkt das erreichen, was der Doha-Runde nicht gelungen war. Trump will keine Abschottung. Er ist für beiderseitigen freien Handel (free and reciprocal), das hat er auch oft genug so gesagt. Tatsache ist, dass die nach Freihandel verlangende EU und auch die Chinesen daran nicht interessiert sind. Sie fürchten, dass sie mit der Innovationskraft der USA nicht schritthalten können. Mit dem Smoot-Hawley Tariff Act 2.0, wie Sie es ausdrücken, will er keine Abschottung, sondern die Handelspartner in Richtung Doha-Runde bewegen. Ob… Mehr
Ich glaube, Trump sitzt mit den Soja-Bohnen am deutlich längeren Hebel. China ist mit großem Abstand der weltweit führende Produzent von Schweine- und Geflügelflesich. Daran hängen jedoch noch weitere Schritte in der Lebensmittelproduktion. Und im Gegensatz zur „normalen“Industrie, wo man ein Band auch einmal einige Tage abstellen kann, ist dies in der Fleischproduktion nicht möglich. Die Tiere müssen täglich gefüttert werden. Auch macht es keinen Sinn, alle zu schlchten. Gerade der Bestand an Zuchttieren ist nich so problemlos zu erstzen. Das ist ein langfristiges Geschäft. Un bei den mengen, um die es in diesem Fall geht, können auch andere Länder… Mehr
Trotz all der Trump-bashe!
Ich sehe auch Gutes in dem was er tut.
Er bricht rabiat Strukturen auf.
Strukturen die NICHT SELTEN „verkrustet“ sind.
– Sind wir nicht alle und all zu oft „bequem“??? –
Selbst Strukturen die sich SCHEINBAR bewährt haben müssen von Zeit zu Zeit ZUMINDEST auf ihre Tauglichkeit überprüft werden. –
Speziell in Zeiten in denen der „Wandel“ enorm an Tempo zugelegt hat.
Sehr schön, nicht nur der „Tocqueville“! Aber das ist ja ein „alter weißer Mann“!!! Und „Handel“ hat ja etwas mit „Geld verdienen“ zu tun. Das KANN nicht „gut“ sein. Und ausserdem ist heute ja – angeblich – ALLES ANDERS. Weshalb bekanntlich „alte Wahrheiten“ auf den Müll gehören. • Darüber hinaus: Vor langer Zeit lernte ich einmal, dass Städte an einem Fluss mit einer Furth/Brücke und einer Burg „gute“ weil „offene“ Städte sind. Dort treffen sich auf Märkten sich nicht nur lokale und international gehandelte Waren, und konnten so „Bedürfnisse“ erfüllt werden die ansonsten unerfüllbar waren. An diesen Kreuzungen von Handelswegen… Mehr
China ist ja nicht gerade bekannt für seine liberale Handels- und Einfuhrpolitik.
Man kann durchaus von massiven Einseitigkeiten zwischen den USA und China sprechen.
Ich könnte mir gut vorstellen, dass Trump gerade aus diesem Grund so massiv auftritt, um China erst einmal einzuschüchtern (da hauptsächlich China verlieren würde), um dann Zugeständnisse zu erhalten.
Die Europäer sind, wieder einmal, auf der Chamberlismuswelle unterwegs und kapieren nicht, dass der Wolf für der Türe lauert.
Monsieur de Tocqueville kannte Angela Merkel und ihren unbedingten Imperativ der marktkonformen Demokratie nicht, sonst hätte er anders geredet!
Das Problem liegt doch auf einer anderen Ebene, beginnt da, wo gewisse Bosse den Hals nicht voll genug bekommen. Dann werden die Autos in Mexiko gebaut. Dabei muss man sich eine moderne Autofabrik nur mal ansehen. Dort arbeiten kaum noch Leute, und die dort arbeiten, werden in wenigen Jahren von Robotern ersetzt, die bereits zum Stückpreis von 40.000 Dollar zu haben sind. Das Gleiche passiert mit diversen Konsumprodukten in Asien, so dass man sich nicht wundern muss, wenn man alles importiert, nichts mehr selbst herstellt, und der Chinse den Fernseher ins eigene Wohnzimmer stellt. Dass man so auch sein Know… Mehr
Der freie Welthandel ist ein Geben und Nehmen, und dort nehmen einige deutlich mehr, als sie geben. Aber ohne diesen Transfer an Arbeitsplätzen und Lebensqualität, oft etwas euphemistisch und beschönigend „internationale Arbeitsteilung“ genannt, läuft es nicht. Das ist natürlich, wie immer, eine Machtfrage, aber eben auch eine Frage des Systems. Die nahezu komplette Deindustrialisierung der USA und die weitgehende Westeuropas war der Preis für die Gewinne der Globalisierung in diesen Ländern, die sich in erster Linie in schuldenbasierten Konsumexzessen jenes Teils der Mittelschicht äußern, der keine Industriearbeit verrichtet – dazu gehören auch die sog. MINT-Bereiche. China und Ostasien – und… Mehr
Wunderbarer Kommentar, danke
Danke für diesen erhellenden, denkwürdigen Kommentar. Ich bin innerlich ganz still geworden.
Die USA haben eine defizitäre Leistungsbilanz nicht aus all den oben angegeben Gründen, sondern weil aus aller Welt die Investoren dort ihr Geld anlegen wollen. Die defizitäre Leistungsbilanz ist nur das Gegenstück zu dieser Attraktivität eines Landes, das erstens ausreichend Rechtssicherheit für Investoren hat und zweitens Kapital ertragreich beschäftigen kann.
Das kann und will auch Präsident Trump nicht ändern. Deshalb wird seine Schutzzoll-Politik nicht die Ziele erreichen, die Trump anstrebt: Die Leistungsbilanz der USA wird defizitär bleiben.
Sehr geehrter Herr Hellerberger, Ihr Kommentar veranlasst dazu, in sich zu gehen. Natürlich kann keiner Bezweifeln, dass alte Zeiten für immer vorbei sind. Einzig: mir fehlt die Phantasie wie eine neue Welt aussehen kann. Vielleicht liegt es daran, dass ich mir immer mehr bewusst darüber werde, in welch sehr gute Ära ich hineingeboren wurde. Ich gehöre als Frau zur ersten Generation, die vom in den 50er und 60er Jahren noch bestehenden moralischen Korsett emanzipiert aufwachsen durfte (wobei ich emanzipiert bitte nicht mit Emanzentum gleich gesetzt wissen will). Ich habe zu der Zeit eine Schule besucht, in der Bildungsvermittlung noch hochwertig… Mehr
Ebenfalls danke! Gut geschrieben!
@Thomas Hellerberger:
Richtig gedacht und gut geschrieben ! Kompliment.
Man könnte noch analog anfügen:
Auch was die Parteienlandschaft angeht, bewegen sich ja einige Autoren und Kommentatoren hier bei TE, noch in der Zeit der 80er des vorherigen Jhdt. !
Man vergleiche die CDU, die CSU, die FDP und die SPD mal mit der jeweiligen Partei der 80er ! NICHTS ist da geblieben, wie es war und es kommt auch nicht wieder !
Relativ konstant sind nur die GRÜNEN und DIE LINKE. … und das sagt leider auch Einiges über unsere Republik.
Neu denken – ist auch hier das Stichwort.
Ich weiß nicht wie der Handel USA-China aussieht, die Chinesen sind meinem Eindruck nach aber strikte Protektionisten, sonst würde Merkel nicht alle paar Monate mit den Wirtschaftsbossen da hin fliegen um zu versuchen die chinesischen Märkte zu öffnen. Was die EU aber angeht hat Trump sicherlich recht, die Mittelwerte der Zölle aller Produktkategorien in die EU sind 5,3 % (gewesen), die in die USA dagegen 3,5 % (gewesen). Es ist lächerlich, wie die MSM versuchen Trump als den Sündenbock darzustellen, sind die Brüsseler doch diejenigen, die einen fairen Handel verhindern. Nach einigen Diskussionen mit meinen Mit-Almans hat sich offensichtlich der… Mehr
Aha…man will aus die Handelbarrieren beseitigen in dem man dem Handel neue Regeln (WTO-Willkür und Bürokratie) aufbürdet?! Ein freier Handel ist doch ein HANDEL OHNE Bürokratie und Vorschriften….ohne Zölle und Willkür Gesetzen…. Trump hat doch ganz recht, wenn er die WTO als das bezeichnet was es ist…ein Willkürliches Bürokratie Monster. Die WTO schafft keinen Freien Handel sondern schadet dem freien Handel…weil es ein büorkratisches Machtinstrument derer ist, die das Sagen haben…die sich also über die freie Marktwirtschaft/Gesellschaft stellen. Trump hat doch, über seinen Botschafter in Deutschland, den Deutschen Autobauern eine Null-Zoll Politik vorgeschlagen…..das ist FREIER Handel…das ist es was Trump… Mehr