Euro-Zone: Nach dem Freibier kommt der Kater

Stiegen die Zinsunterschiede zwischen Italien und Deutschland wieder an, wäre die italienische Verschuldung nicht mehr so einfach, vielleicht gar nicht mehr zu finanzieren. Italiens Staatsschulden erklimmen Monat für Monat einen neuen Höchststand.

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Sieben italienische Wissenschaftler, darunter auch der ehemalige Finanz- und Wirtschaftsminister Fabrizio Saccomanni, haben vor einigen Wochen in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung auf einen gemeinsamen Vorschlag von französischen und deutschen Ökonomen an gleicher Stelle reagiert, und vor deren Vorschlägen zur Weiterentwicklung der Euro-Zone gewarnt. Letztere plädierten in ihrem Artikel dafür, dass Deutschland mehr Risikoteilung zulassen solle und Frankreich mehr Marktdisziplin. Konkret plädierten die französisch-deutschen Schreiber für eine gemeinsame Einlagensicherung für Sparvermögen in der EU und gleichzeitig für eine Risikogewichtung der Banken beim Kauf von Staatsanleihen. Derzeit fehle es an einem gemeinsamen Kapitalmarkt, und die Risiken in der Eurozone würden auf die jeweiligen Staaten und die EZB verteilt.

Die Einlagensicherung sieht vor, dass Spareinlagen mit 100.000 Euro bei der jeweiligen Bank versichert sind, egal ob in Flensburg, Siena oder Athen. Die Frage ist: Wer trägt das Risiko einer Bankenschieflage im jeweiligen Land? Ist es die Sicherungseinrichtung in Spanien, Italien oder Griechenland? Oder ist in einem gemeinsamen Währungsraum eine gemeinsame Einlagensicherung dafür verantwortlich, also auch die Einlagensicherungseinrichtungen von Sparkassen und Volksbanken in Deutschland? Um dieses Frage geht es. Die EU-Kommission hat dafür in dieser Woche einen Kompromiss vorgeschlagen, der zu Beginn eine Art Rückversicherung vorsieht. Erstmal sollen die nationalen Einlagensicherungssysteme greifen. Haben diese kein Geld mehr, können sie sich von anderen Einlagensicherungssystemen Geld leihen. Erst langfristig sollen die Einlagensicherungssysteme zu einem einheitlichen System verschmolzen werden.

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Bei der Nullgewichtung von Staatsanleihen doktert die Politik schon lange herum. Letztlich geht es darum, ob aufsichtsrechtlich eine griechische Staatsanleihe ebenso sicher ist wie eine deutsche. Das ist in der Realität natürlich nicht so, doch das ficht die Bankenaufsicht nicht an. Während Kredite an den Mittelstand mit 20 Prozent Eigenkapital von der Bank unterlegt werden müssen, kann eine Bank Staatsanleihen von Griechenland, Portugal oder Zypern ohne Eigenkapital in ihre Bücher nehmen. Viele europäische Regierungen, aber auch die italienischen Autoren des FAZ-Artikels, wehren sich gegen eine Risikogewichtung. Sie vertreten die Ansicht, dass dann die folgenden Zinsunterschiede sofort wieder eine neue Krise heraufbeschwören würden. Die Gefahr ist durchaus nicht von der Hand zu weisen. Denn die öffentliche Verschuldung in Europa ist in den letzten Jahren massiv auf über 90 Prozent der Wirtschaftskraft angestiegen.

Würden die Zinsunterschiede zwischen Italien und Deutschland wieder ansteigen, dann wäre die italienische Verschuldung nicht mehr so einfach, vielleicht gar nicht mehr zu finanzieren. Italiens Staatsschulden erklimmen Monat für Monat einen neuen Höchststand. Er liegt derzeit bei 2.300 Milliarden Euro, im Verhältnis zur Wirtschaftskraft bei 134,5 Prozent (Juli 2017). Während die Verschuldung steigt, sinken die dafür zu zahlenden Zinsen enorm. In den 1980-Jahren betrugen die Renditen 10-jährigern Italienischer Staatsanleihen über 16 Prozent. Mit der Einführung des Euro sank die Rendite auf 6 Prozent und fiel dann auf 4 Prozent. Mit der Eurokrise stieg das Risiko wieder auf bis zu 7 Prozent. Erst mit der Intervention der EZB trat eine Beruhigung ein. Heute rentiert die italienische Anleihe mit 2 Prozent. Diesen Zustand will Italien möglichst lange konservieren.

Die italienischen Autoren, aber auch die deutsch-französischen Ökonomen in abgeschwächter Form, wollen das tragende Prinzip der Marktwirtschaft von Risiko und Haftung auseinanderfallen lassen. Wer die Einlagensicherung vereinheitlicht, sei es heute, morgen oder übermorgen, sorgt dafür, dass finnische, deutsche und niederländische Sparer für Schieflagen spanischer, griechischer oder italienischer Banken haften müssen, obwohl sie als Bürger weder auf die dortige Regierungspolitik noch auf die Geschäftspolitik der dortigen Banken irgendeinen Einfluss haben.

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Vielleicht wäre es an dieser Stelle viel besser, das Absicherungsniveau in der Europäischen Richtlinie abzusenken. Denn haben Sparer mehrere Konten bei mehreren Banken, dann hängen sie über diesen Weg sehr leicht mit mehreren hunderttausend Euro mit drin. Muss dieses Risiko über eine staatlich festgelegte Versicherung in der ganzen Europäischen Union abgesichert werden? Wer das will, kann das gerne national oder in der jeweiligen Bank selbst tun. Die Sparkassen und Volksbanken in Deutschland kennen die sogenannte Institutssicherung. Sie retten sich gegenseitig und schützen damit die Spareinlagen ihrer Einleger faktisch unbegrenzt. Ihre Dachorganisationen überwachen die Institute, damit es zu keiner Schieflage kommt. Die Beiträge für die Institutssicherung richten sich nach dem Risiko der Bank. Wer weniger solide wirtschaftet, zahlt mehr und umgekehrt.

Risiko und Haftung fallen erst recht bei der Nullgewichtung der Staatsanleihen auseinander. Ein Wechsel zu einem risikogewichteten Modell ist nicht einfach, aber mit Übergangsfristen möglich und notwendig. Ansonsten finanziert die EZB die Freibiermentalität der Euro-Staaten immer weiter. Doch irgendwann ist auch die Zeit des free lunch vorbei und die Realität kehrt wieder ein. Wie groß der Kater danach ist, hängt davon ab, wie lange der Rausch angehalten hat. Europa muss mehr Marktwirtschaft wagen – nicht weniger.

Dieser Beitrag erschien zuerst bei Prometheus – Das Freiheitsinstitut.

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Kommentare ( 10 )

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Jörg Illtis
7 Jahre her

Das ist nicht verantwortungslos, daß ich höchst kriminell!

Licht und Schatten
7 Jahre her

Solange Juncker in der EU eine andere Rolle spielt als die eines Angeklagten wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung ist sichergestellt, dass Geld, das in Italien fehlt aus Deutschland geleistet wird. Geleistet und nicht gezahlt, da die virtuelle Milliardenrumschieberei mittlerweile so haarstraeubend ist, dass es mit dieser Realitaet in diesem Universum nichts mehr zu tun zu haben scheint.

Katharina
7 Jahre her

Absolut !

GermanMichel
7 Jahre her

Das ist natürlich einer der Kernpunkte seit 2008, das Pan-europäische aufeinander hetzen von Bevölkerungen, die alle auf die gleiche Weise von ihren Politikern und der Finanzmafia abgezockt werden. Es war nie Griechenland vs Deutschland, es war immer pathologische Abzocke durch Finanzhaie die in Finanzmärkten ohne Marktmechanismen agieren, und die Griechenland nur als Geisel benutzen um die letzen Ersparnisse aus Deutschland rauszupressen. Alle die Griechenland Geld geliehen haben, hätten 2008 dieses Geld komplett verlieren sollen. Denn Kreditunwürdigkeit hat genau diesen Zweck, Investoren davon abzuschrecken Geld zu verbrennen. Die Politico/Bankster Mafia kannte aber natürlich den Slogan „Yes we can (bail out Greece)“… Mehr

Falk Kuebler
7 Jahre her

Nicht die allergeringste…

Solange Lindner der Chef von Herrn Schäffler ist, hat letzterer keine Chance, seine zweifellos richtigen Einsichten politisch wirksam werden zu lassen.

Persönlich sehr zu bedauern, aber so ist es nun einmal. Schäffler ist für Lindner das, was für Merkel der „Alibi-Bosbach“ war… 🙁

Rainer Neuhaus
7 Jahre her

Die EZB ist eine GmbH, mit dem einzigen Unterschied zu einem Wirtschaftsunternehmen, dass es ihr praktisch erlaubt ist ihre Bilanzsumme ohne eigenes Vermögen bis ins Unendliche zu steigern.

Heißt in der Praxis. Bis auf die paar Milliönchen Grundkapital kann die EZB für nix haften, weil sie nix hat.

hasenfurz
7 Jahre her

EU = NWO.
Ende der Beweisführung.

Cathys
7 Jahre her

Ja, Her Schäffler, das alles ist nicht neu, das alles war von vornherein klar was die EU – Oberen geplant hatten. War alles nachzulesen. Herr Prof. Schachtschneider (Staatsrechtler) hat frühzeitig darauf hingewiesen!!!!
Diese Gründe führten unter anderen auch zur Gründung der AFD!!!!!
Der Euro ist und bleibt ein Problem!!!
Die FDP hat alles mitgetragen……….

sidious_
7 Jahre her
Antworten an  Cathys

Schäffler ist nicht die FDP. Wo kommen wir den hin, wenn in einer Partei immer alle einer Meinung sein sollten? Glaubwürdig ist die FDP in dieser „Euro-Geschichte“ natürlich trotzdem nicht wirklich…

Angelico Oberlauf
7 Jahre her

Der Euro funktioniert nur noch aufgrund massivster Rechtsbeugungen. Die EZB betreibt Staatsfinanzierung, die No-Bail-Klausel ist schon lange Makulatur. Eine verzwickte Situation. Würde man sich wieder an Recht und Gesetz halten, würde der Euro implodieren. Also wird man einfach so weiter machen. Sich an Gesetze und Regeln zu halten, wird nur noch von uns „schon länger hier Lebenden“ erwartet, alle Anderen haben Narrenfreiheit. Glauben denn unsere Vorturner, Loyalität gäbe es ohne Gegenleistung?