EuGH-Urteil: Noch so ein Sieg und wir sind verloren!

Eigentlich muss man den Richtern des EuGH in Luxemburg aus Dankbarkeit die Füße küssen. Mit dem am Dienstag gefassten Beschluss, das Anleihenaufkaufprogramm der EZB (OMT-Beschluss) aus dem Jahr 2012 faktisch ohne Auflagen durchzuwinken, kann der Sieg der EZB vor dem EU-Gericht sehr schnell zum Pyrrhussieg werden.

Denn das Bundesverfassungsgericht hat in seinem eigenen Beschluss vom März 2014 wichtige Leitplanken aufgestellt, die der EuGH jetzt einfach ignoriert hat.




Die Karlsruher Richter urteilten damals: „Würde man den Kauf von Staatsanleihen durch die EZB bei jeder Störung des geldpolitischen Transmissionsmechanismus zulassen, käme dies einer Befugnis der Europäischen Zentralbank gleich, jede Verschlechterung der Bonität eines Euro-Mitgliedstaates durch den Kauf von Staatsanleihen beheben zu dürfen.“

Wichtig ist im damaligen Urteil, dass das Verfassungsgericht den OMT-Beschluss dann nicht beanstanden würde, wenn ein Schuldenschnitts ausgeschlossen, Staatsanleihen einzelner Staaten nicht in unbegrenzter Höhe aufgekauft und Eingriffe in die Preisbildung am Markt soweit wie möglich vermieden würden.

Ersteres zeigt schon, wohin der Zug in Griechenland in den nächsten Tagen fahren wird: in eine Verlängerung der Hilfen ohne Schuldenschnitt. Nicht nur aus politischen, sondern eben auch aus verfassungsrechtlichen Gründen kann Deutschland einem Schuldenschnitt nicht zustimmen, weil die Bundesbank sonst ihre Griechenlandanleihen abschreiben müsste. Dies käme einer direkten Staatsfinanzierung Griechenlands durch die Notenpresse der Bundesbank gleich.

Unabhängig von der griechischen Situation bedeutet dies jetzt im Umkehrschluss, dass das Karlsruher Gericht den OMT-Beschluss nicht ebenfalls durchwinken kann, wenn es sich nicht selbst widersprechen will.

In seinem Urteil schreibt das Bundesverfassungsgericht: „Ob der OMT-Beschluss und sein Vollzug auch die Verfassungsidentität des Grundgesetzes verletzen können, ist derzeit nicht sicher absehbar und hängt nicht zuletzt von Inhalt und Reichweite des – primärrechtskonform ausgelegten – OMT-Beschluss ab.“ Die Reichweite hat der EuGH als unendlich definiert, indem er unbegrenzten Staatsanleihenkäufen sein Plazet gegeben hat. Das EuGH-Urteil widerspricht daher dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts. Es kommt zum Schwur in Karlsruhe. Die Richter dort müssen jetzt springen. Sie können jetzt nicht auf Zeit spielen.

Deshalb ist es ein Pyrrhussieg für die EZB. Es kann ihr am Ende gehen wie Pyrrhus I von Epirus, der nach seiner siegreichen Schlacht bei Asculum sagte: „Noch so ein Sieg und wir sind verloren.“




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