Das verschleuderte Erbe des Ludwig Erhard

Ludwig Erhard sagte: „Was sind das für Reformen, die uns Wände voll neuer Gesetze, Novellen und Durchführungsverordnungen bringen? Liberale Reformen sind es jedenfalls nicht. Es sind Reformen, die in immer ausgeklügelterer Form Bürger in neue Abhängigkeiten von staatlichen Organen bringen, wenn nicht sogar zwingen.“

© imago/IPON

Um es vorweg zu sagen. Peter Altmaier ist ein schlechter Wirtschaftsminister. Wohl der schlechteste, den dieses Land seit vielen Jahrzehnten hat. Doch er passt in die Zeit. Wenn Donald Trump „Amerika First“ ruft und China die „neue Seidenstraße“ vorantreibt, dann dürfe auch ein deutscher Wirtschaftsminister nicht untätig sein – glauben viele. Altmaier meint zu wissen, woran es hakt: „Wer neue Technologien verpennt, wird zur verlängerten Werkbank der Länder, die rechtzeitig gehandelt haben.“ Wer will da widersprechen? Es klingt auch so wohlfeil, wenn er in seinem Handlungspapier für eine Industriestrategie 2030 dazu schreibt: Das Ziel der „Nationalen Industriestrategie 2030 besteht darin, gemeinsam mit den Akteuren der Wirtschaft einen Beitrag zu leisten zur Sicherung und Wiedererlangung von wirtschaftlicher und technologischer Kompetenz, Wettbewerbsfähigkeit und Industrie-Führerschaft auf nationaler, europäischer und globaler Ebene in allen relevanten Bereichen.“ Dazu soll der Staat für einen befristeten Zeitraum auch Unternehmensanteile kaufen können, deren Mittel aus einem staatlichen Beteiligungsfonds stammen sollen.

Gerne wird das Beispiel Airbus für diese erfolgreiche Industriestrategie genannt. Das deutsch-französische Luftfahrtunternehmen gilt als Vorzeigeprojekt. Zwar hat es über viele Jahrzehnte nur Verluste gemacht, aber inzwischen ist es durchaus erfolgreich. Daher wurde der Holdingsitz vor einigen Jahren auch in das niederländische Leiden verlegt. Gibt es dort doch die Möglichkeit, die Ertragssteuern unter bestimmten Bedingungen auf nahe Null zu verrechnen. Schön, wenn sich die Bundesregierung über die Amazons, Googles und Apples beschwert und mit einer neuen Digitalsteuer droht, wenn die eigenen Staatsunternehmen vor der lästigen Steuerzahlung geschützt werden. Klar ist das eine sehr interessante Industriestrategie, die die „Wettbewerbsfähigkeit“ und „Industrieführerschaft“ sichert. Leider funktioniert sie nur für wenige Staatsunternehmen.

Eigentlich ist das Vorgehen Altmaiers eine Form des Sozialismus. Im Ernst. Das ist wahrlich nicht zu weit hergeholt. Denn der Sozialismus, also die Abschaffung des Privateigentums an den Produktionsmitteln, kann auf verschiedene Arten erfolgen. Die wohl bekannteste ist die, die mit dem Zusammenbruch der Sowjetunion fast zu Ende ging. Einige Ausprägungen, wie aktuell in Venezuela, gibt es zwar noch, aber auch diese neigen sich dem Ende zu. Dort ging es um einen gewaltsamen Umsturz der bestehenden Eigentumsordnung. Mit einem Schlag wurde das Privateigentum verstaatlicht und die Vergesellschaftung der Produktionsmittel vollzogen. Das Ende ist bekannt.

Die andere Form des Sozialismus ist eine schleichende Aushöhlung und Zerstörung der Eigentumsordnung. Durch Regulierung, Ge- und Verbote und eine prohibitive Besteuerung muss nicht einmal eine formale Eigentumsübertragung auf den Staat erfolgen, sondern es reicht schon, wenn das private Eigentum nur noch eine leere Hülle ist, aber der Staat die Richtung und die Art der Produktion steuert. Und genau dieses Ziel strebt Altmaier an – ob bewusst oder unbewusst. Das klingt hart, ist aber die Konsequenz seines Handelns. Der Sozialismus ist letztlich daran gescheitert, dass er die Komplexität des arbeitsteiligen Wirtschaftens nicht lösen und in einem Produktionsplan für eine ganze Wirtschaft nicht abbilden konnte. Denn kein Zentralplaner, kein noch so intelligenter Denker und selbst ein deutscher Wirtschaftsminister haben nicht das Wissen, welches Millionen von Menschen haben und in ihrem täglichen Agieren anwenden. Deshalb weiß Altmaier auch nicht „welche Technologien verpennt“ werden, und ob Deutschland zur „verlängerten Werkbank“ wird. Selbst seine Berater im Ministerium sind dazu nicht in der Lage. Wenn die Regierung nunmehr Siemens, ThyssenKrupp, BWM, VW und Daimler als nationale Champions einstuft und deren Wohlbefinden als im „nationalen politischen und wirtschaftlichen Interesse“ definiert, dann sollten alle skeptisch sein.

Denn wieso diese Unternehmen und nicht andere? Gibt es nicht tausende von „Hidden Champions“ in Deutschland, die es zu fördern gilt, damit „wir“ keine Technologie „verpennen“? Sitzen viele der Innovationstreiber in unserem Land nicht in Göppingen, Freiberg und Minden? Oder wäre es nicht schlauer, wenn sich ein Wirtschaftsminister für bessere Rahmenbedingungen für Unternehmer einsetzen würde. Wie ist es mit Bürokratieabbau? Wie mit der Senkung der Abgabenbelastung? Wie sorgt die Regierung für eine attraktive Infrastruktur? Wie schützt die Regierung das private Eigentum? Das sind die Fragen, mit denen sich ein Wirtschaftsminister beschäftigen sollte. Wie weit ist es schon gekommen, wenn der amtierende Wirtschaftsminister der Vergemeinschaftung von Großunternehmen das Wort redet! Stattdessen sollte er eigentlich die Speerspitze der Marktwirtschaft in der Regierung sein. Man kann sich nur entsetzt die Augen reiben und an den ersten Wirtschaftsminister Ludwig Erhard erinnern, der gesagt hat: „Was sind das für Reformen, die uns Wände voll neuer Gesetze, Novellen und Durchführungsverordnungen bringen? Liberale Reformen sind es jedenfalls nicht. Es sind Reformen, die in immer ausgeklügelterer Form Bürger in neue Abhängigkeiten von staatlichen Organen bringen, wenn nicht sogar zwingen.“

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Kommentare ( 78 )

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jansobieski
5 Jahre her

Nun, das Gute dabei ist, dass man sich in seiner Einschätzung bestätigt fühlt. Diese Regierung ist nicht nur komplett unfähig, sie ist kontraproduktiv. Man hat den Eindruck, dass aktiv Verschlechterung der Verhältnisse betrieben wird.

CIVIS
5 Jahre her

Der wie „der gute Onkel von nebenan“ aussehende und ewig grinsende Herr Altmaier vollzieht nur den Auftrag seiner allergnädigsten Majestät Angela Merkel.
Der Auftrag, der da lautet: „Fahre die deutsche soziale Marktwirtschaft schnellst möglich gegen die Wand und grinse dabei weiterhin unschuldig“
Mit seinem „Handlungspapier für eine Industriestrategie 2030“ , dem gleichzeitigen Ausstieg aus gleich drei Energiesparten (Atom, Steinkohle und Braunkohle), der geplanten Zerschlagung der deutschen Automobilindustrie samt allen Individualverkehrs u.s.w. hat er in kurzer Zeit einen guten Anfang gemacht; die wenigsten haben gemerkt, wo der Hase hin läuft ! Honecker lässt grüßen.

ErwinLoewe
5 Jahre her

Gut gebrüllt, Herr Schäffler.

Leider würde Ihr Parteivorsitzender am Liebsten sofort zur Ohne-Merkel-Union und zu KGE unter die Bettdecken hüpfen, wo Marktwirtschaft ein Fremdwort geworden ist oder es nie gewesen ist.

Mit Christian Lindner wird die FDP weder genesen noch wachsen können.

Ursula Schneider
5 Jahre her

„Es ist ein Irrtum zu glauben, man könne ungestraft das Feld der Wirtschafts-, Finanz- und Währungspolitik Laien, die von der Materie nicht die nötige Sachkenntnis besitzen, so weit überlassen, wie das in der Bundesrepublik geschieht“, warnte schon vor Jahrzehnten der Publizist Jürgen Eick.
Inzwischen ist die Vergabe sämtlicher Ministerien zu einem fröhlichen „Bäumchen wechsle dich“-Spiel unter Laien degeneriert, das jedes Kabarett in den Schatten stellt. Der bisherige absolute Höhepunkt war für mich allerdings nicht Altmaier, sondern „Flinten-**“ …

axel58
5 Jahre her

Zurecht wird immer wieder über das niveaulose Personal der spd geschimpft.Vergessen wird dabei das es bei der cdu nicht besser aussieht.Merkel,Altmaier,v.d.Leyen und setze dagegen Barley,Scholz,Maas.Kein qualitativer Unterschied.

Thorsten
5 Jahre her

Eher der „Golem“ von Merkels Gnaden…

Ruud
5 Jahre her

Was Schaeffler hier schreibt ist ja nicht falsch, nur vergisst er eben, dass dazu auch immer zwei gehören. Anstatt mutig gegen diese neuen Formen des Marxismus zu kämpfen, knicken deutsche Unternehmen lieber sofort ein und gegen den Gang nach Canossa. Ich kann keinen „Betrug“ erkennen, wenn ein Unternehmen wie VW eben die schlampig durchgeführten Regelungen zur Schadstoffermittlung für sich nutzt und eben mit einer Software nach hilft. Betrug ist es aber, wenn ein amerikanischer Elektroautohersteller den Basispreis seines Fahrzeuges senkt, um in den Genuss von Fördergeldern zu kommen, ohne dieses Auto jemals auszuliefern an Kunden zu diesem Preis! Wenn ein… Mehr

Portofino
5 Jahre her

Wirtschaftsminister Peter Altmeier, einer der unfähigsten aus Muttis Ministerriege ( gespickt mit ** und Lakaien). Was würde Ludwig Erhardt – der Erfinder der sozialen Marktwirtschaft – seinem Nachfolger zu der Planwirtschaft sagen? Er würde ihm zunächst heftig vorwerfen, dass sie die Soziale Marktwirtschaft bis hin zur Unkenntlichkeit entstellt hat und das „ seine“ damalige Maßhalte- Parole immer noch Bestand hat: Arbeitslosigkeit, internationale Wettbewerbsfähigkeit, übertriebener Wohlfahrtstaat, Subventionsunwesen, Gewerkschaftsmacht überhöhte Tarifabschlüsse, Machtanspruch der Großindustrie, Geldwertstabilität Das war damals schon für Ludwig Erhardt das Widersinnige seiner Zeit. Erhardt wollte erst mal Marktwirtschaft und Wirtschaften und Erarbeiten und Wachstum und anschließend bei Bedürftigkeit verteilen.… Mehr

Maja Schneider
5 Jahre her

Und alle arbeiten mit an der Zerstörung des Wirtschaftsstandortes Deutschland! Wo ist eigentlich eine deutlich hörbare Stimme der FDP als wirtschaftsliberaler Partei?

F.Peter
5 Jahre her

Zu diesem Wirtschaftsminister – und auch zu all seinen früheren Tätigkeiten – fällt mir einfach nichts positives ein. Das einzige, was ich da schreiben könnte, würde der Streichung zum Opfer fallen…….