Karlsruhe erteilt Freibrief für Eingriffe ins Eigentum

In die Rechte von Vermietern kann der Gesetzgeber jederzeit eingreifen – mit dem Segen des BVerfG. Ob das für bezahlbare Wohnungen sorgt?

Getty Images

Während im Frühjahr noch die hohen Mieten und der fehlende Wohnraum in angesagten Stadtquartieren das Aufreger-Thema Nummer Eins waren, hat längst der Furor vor dem Klimawandel für dessen mediale Wachablösung gesorgt. Wenn eine frühere Bundesministerin der Grünen und langjährige Fraktionsvorsitzende im ZEIT-Interview ungeniert davon fabulieren kann, dass ein Atomunfall im japanischen Fukushima, ausgelöst von einem gewaltigen Seebeben mit riesiger Flutwelle, ein Beweis für den menschengemachten Klimawandel sei, dann ist eigentlich Fremdschämen angesagt. Andererseits belegt dieses kleine Beispiel, wie schnell eine Erregungskultur durch die andere abgelöst wird. Fakten sind in den meisten Fällen zweitrangig. Nur Haltung zählt!

Bei der Wohnungsnot und den steigenden Mieten verhält es sich ähnlich. Wer das dynamische Wachstum in Berlin, aber auch in anderen Ballungsräumen, das zu steigenden Mietpreisen führt, abstellen will, der müsste den schon jahrelangen Megatrend „Stadtwohnen“ brechen. Wenn Zehntausende Menschen jährlich neu in die Städte ziehen (und das sind überwiegend keine ausländischen Migranten!), dort aber – wie gerade in Berlin – ein restlos überforderter Senat bei Bauinvestitionen bremst statt vorantreibt, der wird aufgrund des knappen Angebots überdurchschnittliche Preissteigerungen bei den Mieten nicht verhindern. Dazu kommt, dass sich der Wohnflächenbedarf pro Person ständig erhöht. Gerade in Städten leben immer mehr Singles, die statistisch die Pro-Kopf-Wohnfläche erhöhen. Außerdem treibt die Alterung der Gesellschaft den Wohnflächenbedarf in die Höhe. Heute nutzt eine Person bereits im Schnitt 46,5 Quadratmeter. Das beeinflusst natürlich auch die Mieten samt Nebenkosten.

Doch statt sich dieser Zusammenhänge intellektuell redlich zu vergewissern, werden fast ausschließlich die bösen Eigentümer und Vermieter als Schuldige ausgemacht – und zwar recht pauschal. Deshalb hat die Große Koalition bereits in der vergangenen Legislaturperiode eine Mietpreisbremse für Bestandswohnungen beschlossen, mit der den Ländern eine Verordnungsermächtigung eingeräumt wird, für Gebiete mit einem angespannten Wohnungs-markt die Miethöhe zu begrenzen. Durch eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ist diese Mietpreisbremse jetzt wieder in den Fokus gerückt. Einstimmig hat der Erste Senat am Dienstag verkündet, dass die umstrittene Mietpreisbremse mit der Verfassung vereinbar ist. Sie verstößt nach Meinung der Richter nicht gegen die Eigentumsgarantie, die Vertragsfreiheit oder den allgemeinen Gleichheitsgrundsatz.

Als ob den Koalitionsspitzen in Berlin die anstehende Entscheidung vorab bekannt gewesen wäre, beschloss zwei Tage zuvor der Koalitionsausschuss aus CDU, CSU und SPD eine Verlängerung der zunächst auf fünf Jahre befristeten Mietpreisbremse bis zum Jahr 2025. Gleichzeitig soll sie an verschiedenen Punkten verschärft werden. Der Rückzahlungsanspruch des Mieters gegen den Vermieter wegen überhöhter Mietzahlungen soll auf 30 Monate verlängert werden. Außerdem soll die Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen er-schwert werden. Dass der Vorsitzende des zuständigen Senats in Karlsruhe bis vorigen Herbst stellvertretender Fraktionsvorsitzender der Unionsfraktion im Bundestag war, hat sicher dem Informationsaustausch zwischen Karlsruhe und Berlin nicht geschadet.

Um Missverständnissen vorzubeugen: Es gibt sicher Vermieter, die mit Wuchermieten auf die hohe Nachfrage nach Wohnraum reagieren. Aus angesagten Stadtquartieren werden durch den soziökonomischen Strukturwandel, der Folge einer Attraktivitätssteigerung ist, die zahlungskräftige neue Eigentümer und Mieter anlockt, die langjährigen Altbewohner buchstäblich vertrieben. Doch einen Generalverdacht gegen die Vermieter auszusprechen und mit immer schärferen Auflagen auf die Wohnungsmisere in Brennpunkten zu reagieren, ist unanständig und wird die Schaffung von neuem Mietwohnraum eher erschweren. Dass die Mietpreisbremse in den vergangen knapp vier Jahren das Wohnen günstiger gemacht oder gar den Wohnungsmarkt entspannt hat, wird kaum jemand behaupten wollen. Wer kann nicht aus seiner Umgebung Beispiele nennen, wo nicht die Vermieter, sondern skrupellose Mieter – manchmal auch mit Flankenschutz von Gerichten – fremdes Eigentum über Jahre okkupieren und buchstäblich kaputtwohnen? Außerdem treibt der Gesetzgeber mit immer neuen Bauvorschriften oder jetzt mit dem bevorstehenden Klimaschutzgesetz, das auch die energetische Sanierung des Altbaubestands erzwingen soll, die Kosten und damit auch die Mieten. Den Rest erledigt die EZB mit ihrer Nullzinspolitik, die zu einer brutalen Steigerung der Immobilienpreise geführt hat. Dass rund 60 Prozent aller Wohnungen von privaten Kleineigentümern vermietet werden, die ihren oft langjährigen Mietern nur unterdurchschnittli-che Mieten abverlangen, scheint sich weder nach Berlin noch bis Karlsruhe herumgesprochen zu haben.

Mit ihrer Regulierungswut schafft die Politik keinen neuen Wohnraum. Sie macht das Vermieten unattraktiv und verknappt das Wohnungsangebot zusätzlich. Im Land Berlin wird bis zum Jahresende voraussichtlich ein absoluter Mietpreisdeckel für die nächsten fünf Jahre beschlossen. Parallel wird vom rot-rot-grünen Senat die Enteignung von großen Wohnungsunternehmen per Volksentscheid vorbereitet. Bei der momentanen Stimmungslage in der Stadt ist nicht auszuschließen, dass dieser Volksentscheid Erfolg hat. Mit einem Satz ihrer Entscheidungsbegründung gibt das BVerfG der Politik dafür fast schon einen Freibrief: „Auf dem sozialpolitisch umstrittenen Gebiet des Mietrechts müssen Vermieter mit häufigen Gesetzesänderungen rechnen und können nicht auf den Fortbestand einer ihnen günstigen Rechtslage vertrauen.“ Ob das wohl auch eine formale Enteignung einschließt?

Anzeige

Unterstützung
oder

Kommentare ( 65 )

Liebe Leser!

Wir sind dankbar für Ihre Kommentare und schätzen Ihre aktive Beteiligung sehr. Ihre Zuschriften können auch als eigene Beiträge auf der Site erscheinen oder in unserer Monatszeitschrift „Tichys Einblick“.
Bitte entwerten Sie Ihre Argumente nicht durch Unterstellungen, Verunglimpfungen oder inakzeptable Worte und Links. Solche Texte schalten wir nicht frei. Ihre Kommentare werden moderiert, da die juristische Verantwortung bei TE liegt. Bitte verstehen Sie, dass die Moderation zwischen Mitternacht und morgens Pause macht und es, je nach Aufkommen, zu zeitlichen Verzögerungen kommen kann. Vielen Dank für Ihr Verständnis. Hinweis

65 Comments
neuste
älteste beste Bewertung
Inline Feedbacks
Alle Kommentare ansehen
Sagen was ist
5 Jahre her

Georg Büchner „Die Justiz ist in Deutschland seit Jahrhunderten die Hure der deutschen Fürsten. […] Die meisten ihrer Diener sind der Regierung mit Haut und Haar verkauft.“ Der Hessische Landbote, 1834 Damals schon Erkenntnis? Heute immer noch Tatsache für einen scharfen Geist wie Büchner? Zur speziellen deutschen Form der Gewaltenteilung: Wo kann die Executive (hier Regierung incl BK) auch legislativ (BK und Minis als MdBs stimmen auch im BT als Executivorgane über ihre eigenen Gesetzesentwürfe ab) tätig werden? Montesquieu würde nicht nur die Stirn runzeln: Was für ein absurdes Verständnis des GG von Gewaltenteilung. Das deutsche Bildungsversagen wirkte offensichtlich schon… Mehr

elly
5 Jahre her

so ist halt in Diktaturen. Wir leben in einer ganz perfiden Form von Diktatur. Diese ist nicht offensichtlich erkennbar und gibt den Menschend das Gefühl noch in einer Demokratie zu leben. So gibt es keinen Aufstand.
„Ein „Bundesverfassungsgericht“ ohne vom Deutschen Volke abgestimmte Verfassung (Art. 146 GG) ist verfassungslos. Das Grundgesetz ist und bleibt eine verfassungsloses Provisorium. Es macht fassungslos, dass diese Kostümierten ständig über Verfassungsrechtliches fabulieren“ .http://justizalltag-justizskandale.info/

Christian K.
5 Jahre her

Es ist Marktgesetz das höhere Erstellungskosten zu einem höheren Mietzins bzw. Verkaufspreis führt. Ca. 70 % der Baukosten samt Grundstückerwerbes sind Steuern, Gebühren und fallen als Sozialversicherungsbeiträge an. In Deutschland, speziell in Berlin gabe es einen gesunden Wohnungsmarkt mit annehmbaren Mieten und einem Leerstand von 4-5 % ( gesunder Leerstand ) bis die Niedrigzinspolitik als Folge der Weltwirtschaftskrise zu einer Anlegerflucht in den Immobilienmarkt und steigenden Preisen bei Neubauten vor allem in den Zentren geführt hat. Der Preisanstig auf dem Immobiliensektor hat sich seit Jahren von der Lohnsteigerung entkoppelt.

GUMBACH
5 Jahre her

„Als ob den Koalitionsspitzen in Berlin die anstehende Entscheidung vorab bekannt gewesen wäre, …“ Herr Metzger, ich bitte Sie! Sie sollten wissen, dass dieses Land eine politische Justiz hat, die eben keinesfalls ‚unabhängig‘ ist. Es werden seit geraumer Zeit keine Urteile mehr ‚im Namen des Volkes‘ gesprochen, sondern im Namen einer herrschenden Politclique.

Skeptiker
5 Jahre her

Immer, wenn ich an der Geschäftsstelle des Heidelberger Mieterbundes vorbeigehe, ärgere ich mich über einen dort ausgehängten Artikel, der die Mietnomaden-Gefahr kleinredet. Denn selbst wenn die Wohnung am Ende NICHT kaputt ist, ist es alles andere als lustig, wenn man – wie ich es erlebt habe – fast ein Jahr lang keine Miete bekommt und dann noch über 2.000 Euro Anwalts- und Gerichtskosten für ein Räumungsurteil zahlen muss. Die SOLLTE natürlich der Mieter zahlen, aber man mag dem schlechten Geld kein gutes hinterherwerfen und schätzt sich schon glücklich, wenn der Mieter nicht noch die Vollstreckung abwartet, sondern schon ein halbes… Mehr

Boehm
5 Jahre her

Die Urteile des BVerfG unterstützen die Politik der Regierung. Von Unabhängigkeit in KA kann keine Rede mehr sein.

luther
5 Jahre her

es zahlt sich für die Systemparteien aus, nur handverlesene Justizkader nach KA zu delegieren. BVerfG: „Auf dem sozialpolitisch umstrittenen Gebiet des Mietrechts müssen Vermieter mit häufigen Gesetzesänderungen rechnen und können nicht auf den Fortbestand einer ihnen günstigen Rechtslage vertrauen.“ Oder, die Gültigkeit der GG ist begrenzt durch deren Tageskurs an der Politbörse.

Thorsten
5 Jahre her
Antworten an  luther

„Fortbestand einer ihnen günstigen Rechtslage vertrauen.“ klingt ein wenig nach Progromstimmung.

Mal sehen, wen sie morgen „holen“ …

Mirko96
5 Jahre her

Es geht nur noch um Wohnraum für Migranten Herr Metzger !!! Die gesamte Politik dreht sich nur noch um die Vollversorgung dieser zumeist illegalen Asylanten. Migranten leben fast ausschließlich nur in Ballungsräumen, genau da fehlen die Wohnungen. Es gibt kein Ende der Flüchtlingskrise, noch immer kommen unzählige Massen aus Afrika und Asien zu uns. In Städten wie Duisburg oder Oberhausen sind Deutsche längst eine kleine Minderheit.

Thorsten
5 Jahre her
Antworten an  Mirko96

Wo in den Nachrichten kam „es fehlen 2 Millionen Sozialwohnungen“ dachte ich nur – „Die Zahl kenne ich doch….“

tavor1
5 Jahre her

Beides kommt eben zusammen: Landflucht und Migranten. Das eine gegen das andere auszuspielen, ist müßig. Für den Staat jedenfalls ein willkommener Hebel, wieder ein Stück Markt zu beseitigen. Das Drehbuch der Politik hat wie jedes gute Drama 5 Akte:

1. Mehr Migranten werden reingeholt, als Wohnungen vorhanden.
2. Wohnungsnot wird lauthals beklagt.
3. Der Vermieter wird zum Schuldigen gestempelt.
4. Das Parteibuch-Gericht ebnet den Weg.
5. Wohnungen werden enteignet, die Planwirtschaft wird ausgebaut.

Man sollte noch hinzufügen, daß das Stück vor einem Publikum aufgeführt wird, in dem die letzten Reste freiheitlichen Bürgersinns vom Verfassungsschutz überwacht werden.

Uwe Jacobs
5 Jahre her
Antworten an  tavor1

Danke, Herr Tavor. Genau so isses. Leider.

Thorsten
5 Jahre her

Als Vermieter hat man sich auf dem Markt zu behaupten und freut sich nicht nur gestiegene Kosten und Risiken weiterzugeben oder auch Zusatzprofite einzustreichen. Aber genauso ist man Investor und überlegt sein Geld rentabel anzulegen. Mit diesen Maßnahmen wird die Rendite beschräbkt und vemutlich werden schwächere Vermieter draufzahlen, was mir zu blöd ist und ich mein Geld besser arbeiten soll.

Für einen globaler Immobilieninvestor wenig zu bieten, da bieten sich in den USA, Asien oder Australien besser Chancen. Da habe ich in den letzten Jahren satte Rendite eingefahren.