Friedrich Merz: Hoffnungsträger oder Lobbyist?

Seine Kandidatur für den CDU-Vorsitz elektrisiert das konservativ-wirtschaftsliberale Milieu. Doch die Achillesferse des Hoffnungsträgers heißt „BlackRock“.

@ Getty Images

Ich bekenne freimütig: Ich schätzte Friedrich Merz in den acht Jahren unserer gemeinsamen Bundestagszeit (von 1994 – 2002), obwohl ich damals bei der Grünen Konkurrenz engagiert war. Wir kreuzten gelegentlich auch direkt im Parlament als Redner die Klingen, wenn es um finanzpolitische Themen ging. Sein Werben für eine große Steuerreform begrüßte ich ebenso wie sein Plädoyer aus dem Jahr 2000 (!) für eine „deutsche Leitkultur“, mit der er von muslimischen Migranten einforderte, „unsere Sitten, Gebräuche und Gewohnheiten (zu) akzeptieren.“ Im Jahr 2006 durfte ich in der Heidelberger Universität die Laudatio auf ihn halten, als er den Dolf Sternberger-Preis für Verdienste um den „Zusammenhang von Politik und Sprache“ erhielt. In der ersten Reihe saß damals auch Paul Kirchhof, an dessen Steuerkonzept sich Friedrich Merz mit seiner legendären „Bierdeckel-Steuererklärung“ orientiert hatte.

Jetzt also sucht dieser Friedrich Merz seine Chance und will Angela Merkel am 2. Dezember beim CDU-Bundesparteitag in Hamburg als Vorsitzender beerben. Schon öfter wurde seit seinem freiwilligen Ausscheiden aus dem Bundestag im Jahr 2009 von einem Comeback gemunkelt, meist in der Funktion eines Ministers für Wirtschaft oder Finanzen. Doch jetzt greift er nach der Position, die – sollte die Union bei Bundestagswahlen auch künftig mit Abstand stärkste Partei bleiben – mit großer Wahrscheinlichkeit ins Bundeskanzleramt führt. Ein Comeback-Versuch also auf höchstem Niveau.

In Wirtschaftskreisen, beim selbständigen Mittelstand und in konservativ-liberalen Kreisen wird die Kandidatur von Friedrich Merz fast euphorisch begrüßt. Selbst zur AfD gewechselte ehemalige CDU-Wähler scheinen von seiner Kandidatur begeistert. Wenn Spiegel-online ihn dann sofort noch per Civey-Umfrage zum Wähler-Favoriten im Konkurrenzkampf mit Annegret Kramp-Karrenbauer und Jens Spahn kürt, dann schrillen bei mir die ersten Alarmglocken. Denn schon beginnen andere links-liberale Medien wie die ZEIT, die SZ und der Stern, die Achillesferse von Friedrich Merz unter die Lupe zu nehmen.

Seine Achillesferse heißt „Wirtschafts-Lobbyist“ und sie hat auch einen aktuellen Namen: BlackRock. Denn Merz ist seit März 2016 Aufsichtsratschef und Lobbyist für den deutschen Ableger des weltweit größten Vermögensverwalters. Daneben nahm und nimmt er noch eine Reihe von Mandaten in Verwaltungs- und Aufsichtsräten war. Merz ist ein Netzwerker, der seine hervorragenden Kontakte in die Politik vor allem für den deutschen Ableger von BlackRock nutzbringend einsetzt. BlackRock ist mit einem verwalteten Vermögen von knapp 6 Billionen Euro (!) der größte unabhängige Vermögensverwalter weltweit. Die Fondsgesellschaft ist mit Abstand größte Einzelaktionärin an der Deutschen Börse und hält an fast allen DAX-Unternehmen teils erhebliche Beteiligungen. Aufaddiert beläuft sich der aktuelle Börsenwert der deutschen DAX-Beteiligungen von BlackRock auf gut 50 Milliarden Euro. Die Marktmacht von BlackRock wird nicht nur von Medien kritisiert, sondern auch von Finanzinvestoren, die sie als „eine Bedrohung für die globalen Finanzmärkte“ und „eine extrem gefährliche Firma“ halten.

Schon als Friedrich Merz nach seiner Bundestagstätigkeit im Jahr 2010 vom Bankenrettungsfonds Soffin beauftragt wurde, den Verkaufsprozess der Westdeutschen Landesbank (WestLB) an einen privaten Investor zu leiten, hagelte es Kritik an seinen hohen Tageshonorarsätzen von 5.000 Euro, die an der Oberkante des Marktüblichen lagen. Die Beratungstätigkeit endete Mitte Mai 2011, als die konkreten Verkaufsverhandlungen mit HSBC Trinkhaus begannen, die Teile der West LB übernehmen wollte, was aber schlussendlich scheiterte. Merz war damals und ist bis heute Mitglied des Aufsichtsrats von HSBC Trinkhaus. Die Düsseldorfer Privatbank ist übrigens auch in die umstrittenen Cum-Ex-Geschäfte verwickelt gewesen, mit denen sich Investoren vom Fiskus Steuererstattungen auszahlen ließen, die ihnen nicht zustehen. Der Schaden für den Staat war immens. Es ging um hohe Milliardensummen, ehe diese Selbstbedienungspraxis nach Jahren erst vom Gesetzgeber gestoppt wurde.

Friedrich Merz weiß also in eigener Sache, wie kritisch wirtschaftliche Interessenskonflikte (vermeintliche oder tatsächliche) von den Medien, aber auch von der politischen Konkurrenz beobachtet werden. Damals wechselte er aus der Politik in die Wirtschaft, war vorher jahrelang nur einfacher Abgeordneter, von Angela Merkel kaltgestellt. Doch jetzt strebt er ein Amt an, das in das Berliner Machtzentrum, das Kanzleramt, führen soll. Umso unerbittlicher werden seine privatwirtschaftlichen Aktivitäten unter die Lupe genommen werden. Ich selbst bin grundsätzlich froh, wenn Leute sich um politische Ämter bemühen, die wirtschaftlich auf eigenen Füßen stehen können. Deshalb halte ich den Wechsel von der Wirtschaft in die Politik grundsätzlich für richtig. Davon haben wir in Deutschland viel zu wenig.

Doch Friedrich Merz hat mit seiner führenden Tätigkeit bei BlackRock einen Mühlstein um den Hals, weil dieses Unternehmen als einflussreichster Investor der Welt eingestuft werden kann. Der Vermögensverwalter betreibt die Oligopolisierung ganzer Wirtschaftszweige, nimmt massiv Einfluss auf die Geschäftsaktivitäten unzähliger Unternehmen und trocknet mit ihren riesigen ETF-Portfolios, mit denen sie die Kursverläufe der Börsen Eins zu Eins abbildet, in Krisenzeiten systematisch die Märkte aus. Eine funktionierende Marktwirtschaft braucht aber Wettbewerb und Transparenz und keine übermächtigen Kartelle. Ob deshalb der Wirtschaftsrat und die Mittelstandsvereinigung der Union gut beraten sind, sich vorschnell auf Friedrich Merz als ihren Favoriten für den Parteivorsitz festzulegen, halte ich für mehr als fraglich. Unabhängig davon stufe ich die Chancen von Merz auch nicht als groß ein, Angela Merkel im Vorsitz zu beerben.

Für mich fehlt in der Pressemitteilung, mit der Friedrich Merz am Dienstag seine Kandidatur für den CDU-Parteivorsitz ankündigte, eine ganz entscheidende Passage: „Ich beende mit sofortiger Wirkung meine Tätigkeit im Aufsichtsrat von BlackRock.“ Das wäre konsequent gewesen und würde manche Kritik im Keim ersticken. Doch das Gesetz zum Handeln hat sich der CDU-Politiker womöglich bereits aus der Hand nehmen lassen. Denn gerade eben spekuliert Spiegel-online bereits, dass es für ihn auch nach einer Niederlage um den CDU-Vorsitz ohnehin kein „Weiter so“ im Unternehmen geben wird.

Unterstützung
oder

Kommentare ( 117 )

Liebe Leser!

Wir sind dankbar für Ihre Kommentare und schätzen Ihre aktive Beteiligung sehr. Ihre Zuschriften können auch als eigene Beiträge auf der Site erscheinen oder in unserer Monatszeitschrift „Tichys Einblick“.
Bitte entwerten Sie Ihre Argumente nicht durch Unterstellungen, Verunglimpfungen oder inakzeptable Worte und Links. Solche Texte schalten wir nicht frei. Ihre Kommentare werden moderiert, da die juristische Verantwortung bei TE liegt. Bitte verstehen Sie, dass die Moderation zwischen Mitternacht und morgens Pause macht und es, je nach Aufkommen, zu zeitlichen Verzögerungen kommen kann. Vielen Dank für Ihr Verständnis. Hinweis

117 Comments
neuste
älteste beste Bewertung
Inline Feedbacks
Alle Kommentare ansehen
SteffiS
6 Jahre her

Von ihrem Kommentar habe ich mir erst einmal einen Screenshot gemacht, denn das klingt so plausibel, dass es wahrscheinlich so oder so ähnlich kommen wird. Jedenfalls wird das Ergebnis „weiter so“ lauten.

Hugo Waldmann
6 Jahre her

Die Wirtschaftsprobleme stehen voran. Die teure Energiepolitik kann zur Vernichtung bestimmer Firmen in der Produktionskette führen. An dieser Krankheit leidet z.T. die USA. Des Weiteren ist der Spitzensteuersatz ein schlechter Witz, weil er die Mittelschicht trifft. Nicht zu vergessen hat die Sparpolitik am falschen Ende zu Problemen bei Brücken und der Bildung geführt. Die Migrationspolitik war und ist die Krönung der Idiotie.

Ohne Konservative und Wirtschaftsliberale wird die CDU das nicht hinkriegen. Merz hat Ahnung – er braucht aber Verbündete für das Soziale.

Peter G.
6 Jahre her

Seine „hervorragenden Kontakte in die Politik“ werden ihm ebensowenig nutzen wie die ihm zugedachte Rolle als konservatives Aushängeschild der Partei, wenn ihm die für einen Parteivorsitzenden unbedingt erforderliche Hausmacht fehlt. Sich zum Wohle der Partei zurück zu nehmen kann nicht erwartet werden, wie das Beispiel der Klatschhasen auf den Parteitagen zeigt.

Thomas
6 Jahre her

Als Faustformel gilt: Wenn die Mainstreammedien jemanden/etwas hochjubeln ist das schlecht für Deutschland (Deutschland im Sinne des Deutschen Volkes).

Hansano
6 Jahre her

Wir haben in der Politik zu wenig Sachverstand, und das Narrativ von der bösen (Finanz)Industrie ist zu wirkmächtig. Er wird dadurch Angriffsflächen bieten, die es erlauben, ihn als korrupt darzustellen.

Karl Napf
6 Jahre her

Egal was er er ist, scheint so, dass man sich in der Politik 10Jahre vom Acker machen kann – und dann sogar besser da steht als zu vor. In welchem Beruf geht das sonst noch?

Bambu
6 Jahre her

Bei mir entwickelt sich bei der Personalie Merz auch Unbehagen.
Ich stelle mir die Frage, ob Merz wirklich einen Sinneswandel erlebt hat oder ob er von der Finanzwirtschaft in Stellung gebracht wurde, um neue lukrative Geschäftsfelder zu generieren.
Man sollte Merz fragen, wie er zum Verkauf des Bundesvermögens bei den T-Aktien steht. Jetzt wo der Netzumbau weitestgehend abgeschlossen, kann alles künftig sehr viel günstiger betrieben werden und der zu erwartende Überschuss dürfte Gelüste wecken. Ein weiterer Punkt, wäre die Privatisierung von Wasserwerken oder der regionalen Stromanbieter. Für Unternehmen wie Black Rock ein Festschmaus mit langfristig gesicherten Einnahmen.

Manuel F.
6 Jahre her

Wenn man nur in diesen Leuten (wie Merz) wie in einem offenen Buch lesen könnte, um ihre Motivation herauszufinden… Was treibt einen Merz? Er hat doch mit 62? bereits alles erreicht! Er ist steinreich (bei zeitweisen 5000€ Tagessatz und einem Aufsichtsratsposten bei BlackRock möchte ich mir nicht ausmalen, wie millionenschwer er ist. Er ist/war mächtig und einflußreich – zuletzt im Hintergrund – aber das ist doch ungleich attraktiver als regelmäßig vor MSM Stümpern den Hampelmann abgeben zu müssen (kommt man in der Politik nicht drumherum) Er hat einen coolen Ruf/Nimbus aus seiner Zeit als Politiker (sieht man ja gerade aktuell,… Mehr

Donostia
6 Jahre her

Zitat: Selbst zur AfD gewechselte ehemalige CDU-Wähler scheinen von seiner Kandidatur begeistert. Wenn die CDU Abgeordneten meinen das ich als ehemaliger CDU Wähler nur aufgrund der Tatsache das Herr Merz zum Chef gewählt wird wieder mein Kreuz bei der CDU mache dann haben sie sich aber knallhart verrechnet. Ich werde doch nicht wieder Politiker wählen die Merkel ständig voll unterstützt haben. Ich wähle diejenigen die sich klar gegen Merkel stellten und gezeigt haben das sie Prinzipien haben und konsequent genug waren aus der CDU auszutreten, auch im Wissen gesellschaftlich geächtete zu werden. Wendehälse mag ich nicht. Wäre Merz konsequent gewesen… Mehr

Ratax
6 Jahre her

Ich sehe inzwischen in März genau den international und sehr marktliberal aufgestellen Globalisten, der sich für Deutschland eigentlich nur noch interessiert, soweit es darum geht, hier Geld zu verdienen.

Genau diese fehlende Verbundenheit mit Deutschland ist mE ein Teil der linken „no borders“-Bewegung, welche große Teile der Bevölkerung aufbringt. Insofern wäre März ein Teil des Problems und eine Lösung nicht zu erwarten.