Die verlorene Ehre der Haushaltspolitiker

Das Fazit des Bundesrechnungshofs: Die aktuellen günstigen Rahmenbedingungen und die schwarzen Nullen erzeugen nur noch eine Scheinsicherheit. Wegen der anstehenden gewaltigen Risiken, der expansiven Ausgabenpolitik sowie dem ausbleibenden Konsolidierungswillen, gerät der Bundeshaushalt immer stärker unter Druck.

Tobias Schwarz/AFP/Getty Images

Der Budgetausschuss des Deutschen Bundestags versteht sich nicht mehr als Sachwalter einer soliden Finanzpolitik, sondern als Wünsch-dir-was-Gremium.

Einst waren die Haushaltspolitiker der Bundestagsfraktionen mächtige und gefürchtete Kollegen. Sprichwörtlich waren die Geschichten von nächtens herbeizitierten Ministern, die man dann stundenlang vor den Ausschusstüren warten ließ, ehe sie im Ausschuss „gegrillt“ wurden. Verhielten sich die Ressortchefs oder ihre Staatssekretäre und Ministerialen nicht lammfromm, wurden kurzerhand auch von den Regierungsfraktionen die Öffentlichkeitstitel mal schnell um größere Summen gekürzt. Mit den Haushältern war nicht gut Kirschen essen, weil sie sich gegenüber zusätzlichen Ausgabenwünschen meist sperrten. Zu meinen Haushaltszeiten (1994 – 2002) wurden die Regierungsentwürfe in der Regel immer gekürzt. Mehrausgaben wurden durch Einsparauflagen an anderer Stelle mehr als gegenfinanziert.

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Von diesem Haushälterethos ist im vergangenen knappen Jahrzehnt nicht mehr viel übrig geblieben. Ständig steigende Steuereinnahmen und rapide sinkende Zinsausgaben haben die Haushaltpolitiker zu Weihnachtsmännern mutieren lassen, die mit ihren guten Gaben – sprich Titelaufstockungen für fast alle denkbaren Pläsierchen – längst den von den Fachpolitikern in den alten Zeiten kritisierten Erbsenzähler-Ruf verloren haben. Niemals hätte der Haushaltsausschuss sang- und klanglos eine Personalmehrung von fast 1.000 Stellen allein in der Ministerialbürokratie passieren lassen, wie es bei der nächtlichen Bereinigungssitzung am frühen Morgen des 8. November in diesem Jahr passierte.

Unvorstellbar wäre es früher gewesen, dass sich die haushaltspolitischen Sprecher der Regierungsfraktionen in ihren Wahlkreisen unmittelbar danach für zig-millionenschwere Zusatzausgaben für ihre Heimatregionen oder Wahlkreise selbst feierten. Doch genau dies taten Eckhard Rehberg, der Haushaltssprecher der Unionsfraktion, sowie Johannes Kahrs, sein SPD-Pendant. Der eine lotst zusätzliche Bundesmittel in Höhe von gut 60 Millionen Euro nach Rostock, Neustrelitz und in seinen Heimatwahlkreis, der andere klopft sich für diverse Kulturprojekte und ein Mehr von rund 90 Millionen Euro für die Hansestadt Hamburg publikumswirksam auf die Schultern. Wenn selbst die Sprecher der Regierungsfraktionen so schamlos Mehrausgaben im Kleinen produzieren, braucht sich kein Steuerzahler darüber wundern, dass lautstarke Rufe nach solider und langfristig tragfähiger Finanzpolitik nicht einmal mehr im Budgetausschuss zu hören sind.

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Dabei müssten sich aufrechte Budgetpolitiker als Sachwalter der steuerpflichtigen Bürger verstehen, die auf solides Ausgabegebaren achten, gegen eine Aufblähung der Ministerialbürokratie energisch ankämpfen und vor allem den fatalen Trend zu immer weniger Investitionen und ständig höheren Sozialausgaben zu stoppen versuchen. Doch diese Aufgabe erfüllt der Haushaltsausschuss überhaupt nicht mehr. Schon Wolfgang Schäuble beklagte sich vor Jahren intern, dass ihm der Haushaltsausschuss im Abwehrkampf gegen zusätzliche Ausgabenwünsche der Ressortchefs immer häufiger in den Rücken falle.

Haushaltspolitiker agierten zunehmend wie die Abgeordneten in den Fachausschüssen, die ständig mehr Mittel für ihren Aufgabensektor einforderten. Sein Nachfolger Olaf Scholz, dessen offizielles Motto ja inzwischen lautet, einen deutschen „Trumpismus“ (sprich die AfD) mit mehr Sozialstaat zu stoppen, braucht ohnehin keinen bremsenden Budgetausschuss mehr als Helfer gegen neue Ausgabenwünsche, weil er selbst mit Rentengarantie-Forderungen bis zum Jahr 2040 jedes Maß verloren hat. Der Finanzminister höchstpersönlich ist inzwischen ein Haushaltsrisiko.

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Bei solchen Finanzpolitikern im Haushaltsausschuss wie an der Ressortspitze des Finanzministeriums brauchen wir Steuerzahler uns überhaupt keine Hoffnungen machen, dass uns der Staat mehr von den Früchten unserer Arbeit lässt. Sie wollen großzügig verteilen, was andere erwirtschaften. Das ist parteiübergreifende Praxis im Berliner Regierungsviertel. Deshalb werden die Abgaben und Steuern auch langfristig steigen, obwohl sie schon heute für viele Arbeitnehmer eine fast erdrosselnde Wirkung entfalten.

Schonungslos kritisiert Kay Scheller, der Präsident des Bundesrechnungshofs, den Bundeshaushalt 2019 in der Fassung, wie ihn der Haushaltsausschuss jetzt zur Beschlussfassung dem Bundestag vorgelegt hat. Er kritisiert die Leistungsverbesserungen in der Rentenversicherung, die zu massiven Ausgabensteigerungen für den Bundeshaushalt führen und vor allem die jüngere Generation über höhere Sozialbeiträge belasten. Er vermisst jegliche Konsolidierungsvorschläge angesichts der demografischen Risiken. Er attackiert die geradezu lächerlich niedrige Investitionsquote von nur 10 Prozent. Er vermisst eine Schuldentilgung, die das Zinsrisiko des Bundes bei einer anstehenden Zinswende mindern würde. Und er beklagt die fehlende Risikovorsorge für den Brexit, höhere Zahlungen an die EU sowie die teuren EU-Kommissionsvorschläge zur Weiterentwicklung des Euro-Rettungsschirms. Und er redet Klartext, wenn er die föderale Eigenverantwortung der Länder einfordert, die sich immer stärker vom Bund für ihre originären Zuständigkeitsaufgaben alimentieren lassen.

Das Fazit des Bundesrechnungshofs: Die aktuellen günstigen Rahmenbedingungen und die schwarzen Nullen erzeugen nur noch eine Scheinsicherheit. Wegen der anstehenden gewaltigen Risiken, der expansiven Ausgabenpolitik sowie dem ausbleibenden Konsolidierungswillen, gerät der Bundeshaushalt immer stärker unter Druck.

Doch diese Mahnung aus berufenem Mund wird im Parlament ungehört verhallen. Der Bundestag wird an diesem Freitag den Haushalt 2019 beschließen. Ohne Rücksicht auf Verluste!

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Kommentare ( 42 )

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humerd
6 Jahre her

und während nahezu alle im Sommer 2018 mit Fußball abgelenkt waren, hat der Bundestag für die Parteienfinanzierung einen tiefen Griff in den Steuersäckel getan. „DEUTSCHLAND VOR DEM VERFASSUNGSGERICHT FDP, Linke und Grüne klagen gemeinsam gegen Parteienfinanzierung (…) Mitte Juni hatten die Fraktionen von Union und SPD beschlossen, dass alle Parteien gemeinsam vom kommenden Jahr an 25 Millionen Euro mehr vom Staat bekommen – also 190 Millionen Euro jährlich statt wie bisher 165 Millionen. Die Opposition hatte dies inhaltlich kritisiert, aber auch das eilige Vorgehen der Koalition beklagt.“ https://www.welt.de/politik/deutschland/article178774798/Parteienfinanzierung-FDP-Linke-und-Gruene-klagen-vor-Bundesverfassungsgericht.html Aber wenn die Omi für ihre VOR 1992 geborenen Kinder einen HALBEN… Mehr

chaosgegner
6 Jahre her

„…dass lautstarke Rufe nach solider und langfristig tragfähiger Finanzpolitik nicht einmal mehr im Budgetausschuss zu hören sind“
Dieser Anspruch ist doch schon lange gestrichen worden.
Das Ganze hat doch System:
In wenigen Jahren wird Deutschland finanziell kollabieren und dann wird die EU „helfend“ einspringen, mit enormen Auflagen.
Anschließend findet eine finanzielle Verschmelzung der noch beteiligten EU-Mitglieder statt, und kurz später die Gründung der Vereinigten Staaten Europas.
Und das war’s dann mit Deutschland.
Und die Linken, Grünen, CDU/CSU und Merkel lehnen sich mit einem Seufzer genüßlich zurück und machen in ihre Ziele-Agenda einen dicken Haken.

merkelinfarkt
6 Jahre her
Antworten an  chaosgegner

Ja, Deutschland wird aufgrund seines politischen Sonderweges incl. entsprechenden Wählerverhaltens finanziell, wirtschaftlich und gesellschaftlich kollabieren – doch ein „helfendes“ Einspringen der EU wird es nicht geben! „Deutschland“ wird auch tatsächlich aufgelöst. Doch nicht innerhalb der EU, sondern in kleinere Einheiten, die sich dann z. B. als „Sachsen“, „Hanseaten“, „Thüringer“ oder „Bayern“ verstehen und ihre jeweils eigene Immigrations-, Energie-, Währungs- und Verteidigungspolitik betreiben. Das in Deutschland medial massiv propagierte grün gestrichene „weiter so“ wird – zum Erstaunen seiner Wählerinnenmehrheit- an der Realität regelrecht zerschellen. Mögen uns die USA , GB, Russland, Polen, Ungarn, Italien, Tschechien, Österreich, die Niederlande und Dänemark und… Mehr

Ursula Schneider
6 Jahre her

F. J. Strauß soll gespottet haben: „Eher legt sich ein Hund einen Wurstvorrat an, als dass ein Sozi Geld zurücklegt.“ Leider gilt das heute für die gesamte politische Klasse.

daniel.jungblut
6 Jahre her

„Aufrecht“ gibt es in der deutschen Politik längst nicht mehr. Während andere Worte im Neusprech einer Bedeutungsmigration unterworfen wurden (Demokratie, Solidarität, Verantwortung, usw.) gehört „Aufrecht“ zu den „vergessenen“ Worten und Eigenschaften. Passt wohl nicht mehr in den Selbstbedienungsladen.

Gerhart
6 Jahre her

Merken Sie sich eins: “ Es gibt nichts Schöneres als fremdes Geld auszugeben „, meinte ein Professor mal zu mir.
____________________

Wer glaubt, daß die Bundesregierung in diesem europäischen Kontext, wo viele Bürger Italiens und Spaniens z.B. schon seit Jahren im Abstieg begriffen sind, ein Interesse hat, daß die Deutschen Bürger ihren Lebensstandart verbessern ? Hand hoch.

Crazy Horse
6 Jahre her

Schwarz-Rot im Konsumrausch.
Wehe, Wehe, wenn ich auf das Ende sehe.
Schon bald werden die fetten Jahre vorbei sein. Und dann?
Dann kommt die große Pleite.
Und der Exodus der “Flüchtlinge“.

merkelinfarkt
6 Jahre her
Antworten an  Crazy Horse

Die eingeladenen, neuen ** werden mit einer deutschen Pleite weit besser zurecht kommen, als die deutsche Mittelschicht und ihre dann ins Leere studierenden Weltklimaschützerinnen. Gewaltpotential, Agressivität, Frechheit, Clanstrukturen, Auslandskonten und zweite Staatsbürgerschaft werden sich als enorme Vorteile in einem verarmenden, zerbröselnden Deutschland erweisen. „Pleite-Flüchtlinge“ werden die Deutschen selbst sein – und auch nur diejenigen, die andernorts gesucht sind, oder es sich leisten können. Die große Mehrheit der Pleitedeutschen wird zum Fußvolk der neuen Herren degradiert, die auch eine ausgelutschte, deutsche Beute keineswegs fahren lassen werden!

6 Jahre her

Die Zeit vernuftbezogener Politik ist endgültig vorbei. Die letzten Jahrzehnte haben Politik derart korrumpiert das Vernunft in der Politik nicht mehr zu finden ist. Politik , Wirtschaft und selbst das Verbrechen ist derart miteinander verschmolzen das eine Umkehr fasst ausgeschlossen scheint. Schaut man sich die Staatsmänner und Frauen an stellt man fest, dass nahezu alle mit kriminellen Machenschaften verstrickt sind, der eine mehr und der andere weniger. Bei den Medien ist es ähnlich, die Recherche kommt der Wahrheit nur noch nahe wenn sie sich selbst krimineller Machenschaften bedient. In der Wirtschaft sieht es ähnlich aus, kaum eine Branche ist frei… Mehr

lospolloshermanos
6 Jahre her

Ist das Problem mit den Beamtenpensionen eigentlich gelöst? Dunkel erinnere ich mich an irgendwas von 2 Billionen die irgendwie „fehlen“.

Interessierter Leser
6 Jahre her
Antworten an  lospolloshermanos

Ich las erst vor wenigen Tagen in einem Artikel (leider vergessen in welchem Medium), daß Deutschland insgesamt mit 8 Billionen Euro verschuldet sei. 6 Billionen betreffen dabei alleine die künftigen Beamtenpensionen, für die keine Rücklagen geschaffen wurden. Die restlichen 2 Billionen verteilen sich auf verschiedene andere Bereiche.

merkelinfarkt
6 Jahre her
Antworten an  lospolloshermanos

Das Pensionsproblem wird so gelöst, wie es die Weimarer Republik mir „Kaiserlichen“, das Dritte Reich mit den „Weimarschen“ und die Bundesrpublik es mit „Nazis“ gelöst haben.

juri
6 Jahre her
Antworten an  lospolloshermanos

Na klar ist die gelöst. Da wird der Rentenfond geplündert und das Problem über Lohndumping (nicht für Beamte) geregelt. Notfalls kann das unser Finanzchef mit Spekulationen regeln. Er hat ja bereits Erfahrungen mit der HSH-Nord-Bank gemacht.
Der Zug mit den „fleißigen **“ sollte inzwischen bei den letzten Sozi abgefahren sein.

Riffelblech
6 Jahre her

Durch Dauerbeschallung der MMM und ÖR sind die meisten Bürger so weit desinformiert ,das sie die verschwiegenen Realitäten nicht sehen und die Wahrheiten für Schwindel und Lügen halten . Früher hat man Hänsel und Gretel vor der Hexe gewarnt ,heute ist die Hexe der Glücksbringer in diesem Informationswahnsinn. So weit hat es noch nicht einmal K.E. VScnitzler geschafft ,wie es diese verlogene Politikerpack der etablierten Parteien bis auf die AfD verbiegen . Diese Wahrheiten werden uns noch gewaltig um die Ohren fliegen und AM in der Karibik unerreichbar sein

Frank B.
6 Jahre her

Was bitte ist eine Zinswende? Ein Ungeheuer aus ferner Zukunft? Und was eine Konsolidierung, wenn es um das weitere Aufblähen des Bürokratenballons geht? Wer hinterfragt die Machbarkeit von Rentenfinanzierungen in Zeiten des akuten Wählerschwunds? Und wofür braucht es stichhaltige Konzepte, wenn es um Beglückung in Form von Surrealen Forderungen, wie einem ‚Bürgergeld‘ geht? Alles Rubbish. Wer gestern noch den rennomierten und kalt rechnenden Ökonomen zum politischen Überleben brauchte, hst heute da ein Hutzelmännchen mit Pendel im Büro sitzen. Und, wie im Asterix Heft einen Seher, dem die Leute, denen er gutes verspricht, allerlei Leckereien in den Wald tragen. Vergesst die… Mehr