Mit Schaum vor dem Mund diskutieren Geimpfte und Ungeimpfte. Hass und Wut ersetzen eine rationale Debatte. Dieser Virus-Kollateralschaden ist gefährlich.
Ob im Freundes- und Bekanntenkreis diskutiert wird, am Arbeitsplatz, in den Arztpraxen oder in den Schlangen vor den Geschäften, wo Sicherheitspersonal die Impf- und Testzertifikate prüft: Die Stimmung ist nicht selten aggressiv. Wütend sind nicht nur die Impfskeptiker, sondern längst auch die Geimpften, denen Politiker und die komplette veröffentlichte Meinung ein Jahr lang die große Freiheit, sprich die Normalität, versprochen haben, wenn sie sich nur impfen ließen. Doppelt geimpft –und man genießt wieder die Leichtigkeit des Seins!
Mit dieser Haltung ging Deutschland in diesen Sommer der Leichtfertigkeit, obwohl von Medizinern und Virologen immer warnender auf die schnell abklingende Schutzwirkung der Impfstoffe hingewiesen wurde. Doch die deutsche Politik befand sich im Wahlkampfmodus und wollte das Volk nicht aus der versprochenen Sorglosigkeit reißen. Also breitete sich das Virus munter weiter aus, weil es keine Wahlkampfpausen und kein politisches Interregnum kennt und vor allem die kalte Jahreszeit schätzt, wie man es im vorigen Winter in Deutschland bereits erlebt hat.
Erst fast unmerklich und dann immer drängender begannen die Intensivärzte in den Problemregionen auf die wachsende Zahl von schweren Verläufen hinzuweisen, die das ausgelaugte und zunehmend knappere Personal an die Belastungsgrenze zu bringen droht. Doch der geschäftsführende Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) verkündete noch in der ersten Oktoberhälfte, ganz im Einklang mit der sich bildenden neuen Ampel-Koalition und der vorherrschenden Leichtsinnigkeit, dass die Pandemie-Notlage enden könne. In diesem Klima gedieh dann der kapitale Fehlstart, den sich SPD, Grüne und FDP noch vor ihrer Regierungsbildung leisteten.
Ausgerechnet in einer Zeit, in der die Infektionsraten im Land bei vielen Ungeimpften, aber auch bei doppelt Geimpften auf absolute Rekordstände gestiegen sind, hat die politische Mehrheit mit dem heutigen 25. November die „epidemische Lage von nationaler Tragweite“ beendet. Doch das kontrafaktische Ende der Pandemie war noch nicht ausgerufen, da mussten selbst liberale Politiker, die sich im Wahlkampf lautstark für die bürgerlichen Freiheitsrechte stark gemacht hatten, Tag für Tag den zunächst massiv eingedampften Instrumentenkasten im Kampf gegen das Virus wieder nachschärfen. Selbst die FDP ist inzwischen zumindest für eine Impfpflicht für bestimmte Berufsgruppen, während sich längst ein fast überparteilicher Meinungsumschwung in Richtung Impfpflicht für alle abzeichnet. Nicht einmal ein neuer Lockdown, den es in einzelnen Problemregionen bereits gibt, scheint ausgeschlossen, wenn sich am 9. Dezember der neue Kanzler Olaf Scholz mit den Ministerpräsidenten der Länder zum nächsten Corona-Gipfel trifft.
Wut verstellt den Blick auf die Fakten
Mit Schaum vor dem Mund schreiben auch Autoren bei TE ihre Wut-Texte. Dabei sollte doch nachdenklich stimmen, wie ohnmächtig viele Regierungen auf dieser Welt auf diese Pandemie reagieren. Selbst in den liberalen Niederlanden, wo die grenzenlose Freiheit längst wieder Einzug gehalten hatte, musste die Regierung angesichts der Infektionslage erneut Beschränkungen einführen, die zu massiven Gewaltausbrüchen führten. Wer in Pandemie-Lagen vor allem auf Skandalisierung und Polarisierung setzt, wird eine Gewaltsaat säen, die sich zur Demokratiegefährdung auswachsen kann. Auch Österreich ist ein Beispiel, wie eine Regierung unter dem Diktat der extrem hohen Infektionsraten und der damit verbundenen Überforderung des Gesundheitssystems plötzlich wieder zum Mittel des Lockdown greift und gar eine allgemeine Impfpflicht durchsetzen will.
Dass die unterschiedlichsten Länder auf die immer wieder aufflammenden Corona-Wellen mit einem Hü und Hott der Notmaßnahmen reagieren, zeigt doch, wie komplex der Umgang mit der Pandemie ist. Einfache Lösungen gibt es nicht, die Methode „Versuch und Irrtum“ hat global Konjunktur. Wer gestern noch die neue Freiheit ausgerufen hat, muss sich heute vielleicht schon wieder korrigieren. Was für eine sachliche Debatte auch zu beachten ist: Gerade Länder wie Italien, Portugal und Spanien, die vor allem zu Beginn der Pandemie hohe Todesfallraten aufwiesen und die Triage anwenden mussten, weil ihre Gesundheitssysteme restlos überfordert waren, weisen viel höhere Impfraten auf als die deutschsprachigen Länder. Mit der aktuellen Folge, dass dort das Virus bei Weitem nicht so grassiert wie bei uns und die dortigen Kliniken das Geschehen beherrschen.
Sortiert die Triage nach geimpft und ungeimpft?
Wer ideologisch nicht verblendet und bei klarem Verstand ist, kann die Fakten nicht ausblenden. Dass das CoVid19-Virus keine einfache Grippe ist, haben mich die vergangenen eineinhalb Jahre traurig gelehrt. Nicht weniger als fünf Menschen in meinem engen und weiteren Bekanntenkreis sind daran gestorben – manchmal allein auf abgeschotteten Intensivstationen, in denen sie bis zu ihrem Tod wochenlang oft nicht einmal engste Angehörige zu Besuch haben durften. Zwischen 57 und 82 Jahre alt waren diese Corona-Opfer, zwei jüngere ohne jegliche Vorerkrankung, die älteren mit teilweise stattlichem Übergewicht.
In meiner Heimatzeitung las ich gestern, dass in Friedrichshafen (normal 160 OPs) und in Tettnang (normal 150 OPs) aktuell mehr als die Hälfte der geplanten wöchentlichen Eingriffe verschoben werden müssen, weil Corona-Patienten die Personalressourcen beanspruchen. Aus anderen Kliniken im Kreis Ravensburg ist mir verbürgt berichtet, dass eine weinende Ärztin nur einen Tag nach einem schweren Herzinfarkt einen Patienten mit den Worten aus dem Krankenhaus entlassen musste: „Es ist unverantwortlich, aber wir haben keine Kapazitäten, weil Corona-Intensivpatienten alle Ressourcen beanspruchen.“ Selbst ein Patient mit Schädelbasisbruch wurde ebenfalls kurzfristig wieder aus demselben Grund heimgeschickt.
Dass auch in Deutschland in der aktuellen Lage Vorbereitungen für die Triage getroffen werden, dürfte bekannt sein. In der Triage-Lage muss entschieden werden, wer noch medizinisch versorgt wird. Den Vorzug erhalten Patienten mit den größten Überlebenschancen. Der Leiter des Zentralen Aufnahme- und Belegungsmanagements am Klinikum Friedrichshafen, Maximilian Bosch, wird dazu in der Schwäbischen Zeitung wie folgt zitiert: „Ohne Angst schüren zu wollen: Jeder, der ungeimpft ist, hat keine guten Aussichten. Wenn ich als Arzt in einer Notlage triagieren müsste, würde ich mich für den Geimpften entscheiden.“ Boris Palmer, das Enfant terrible der Grünen, den sie jetzt endgültig aus der Partei ausschließen wollen, hat das polarisierende Thema kürzlich von der anderen Seite zugespitzt. Wer sich partout nicht impfen lassen wolle, solle doch einfach per Patientenverfügung bekunden, dass er im Fall einer schweren Corona-Erkrankung keine intensivmedizinische Betreuung wünscht. Für die zahlenmäßig weit größere Gruppe der Geimpften und deren weit unterdurchschnittlich schweren Krankheitsverläufe stünden dann genügend Intensivbetten bereit.
Abgewandelt nach dem Motto, das man aus der Finanzkrisen-Welt kennt – „Gewinne privatisieren, Verluste sozialisieren“ –, heißt dann die Losung in der Pandemie: „(Geringe) Impfrisiken individuell vermeiden, aber mit einer schweren Corona-Erkrankung auf jeden Fall die kollektive Intensivmedizin in Anspruch nehmen!“ Ich weiß, das klingt polemisch, trifft aber den Kern. Denn Abermillionen von bisher freiwillig Geimpften tragen das weit höhere Risiko der viel kleineren Gruppe der Ungeimpften mit. Hier stehen Egoismus und die so oft eingeforderte Solidarität in einem eklatanten Missverhältnis.
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Herr Metzger gibt den Lauterbach, oder wie?! Sorry, aber das Thema Solidarität ist doch schon seit einiger Zeit widerlegt, weil die sterile Immunität nichts anderes als ein Märchen war. Die vulnerablen Gruppen würden spätestens jetzt (die Polit-Laienschauspieltruppehat das ja die letzten Monate komplett versäumt und sich lieber an den Ungeimpften abgearbeitet) den Booster benötigen und jetzt drängeln sich panikartig die Jüngeren vor. Ist das etwa Solidarität H. Metzger. Und warum soll ein Ungeimpfter unter 60, der normalgewichtig und nicht vorerkrankt ist, denn bitte unsolidarisch sein? Das Risiko eines schweren Verlaufs ist für solche Personengruppen nahezu Null, das belegen die Zahlen… Mehr
… Wer auf Skandalisierung und Polarisierung setzt, wird eine Gewaltsaat säen…
Dann gucken wir einmal.
Migrations/Flüchtlngspolitik?
CO2 / Klima?
Gender \ „Feminismus“ usw
Und gucken auf die „Diskussionskultur… bzw was davon noch übrig ist.
Ungeimpfte sind in Deutschland die letzte Gruppe, bei der hemmungslos verallgemeinert werden darf. Dabei gibt es DIE Unfeimpften gar nicht! Ein gesunder 20 Jähriger hat ein WEIT, WEIT höheres Risiko, durch die Impfung zu Schaden zu kommen, als durch Corona. Menschen bis zum Alter von 40 Jahren finden in den Corona-Statistiken quasi nicht statt. Die Jungen einfach mitzuverhaften ist unredlich und bösartig. Und auch die älteren haben absolut das Recht, unvernünftig zu sein. Das System ist für uns und unsere Freiheit da, nicht umgekehrt. In einem Deutschland, in dem die Politik däumchendrehend zugeschaut hat, wie das Personal im Gegenwert von… Mehr
Ich erlebe in meiner Arbeit als Notfallmediziner eine starke Tendenz, selbst schwerwiegende mögliche Impffolgen zu „übersehen“ oder unter den Teppich zu kehren. Der Beweis im Einzelfall ist oft nicht zu führen. Eine ordentliche Erfassung und statistische Aufbereitung dagegen schafft Klarheit. Würde hier sorgfältiger gearbeitet, wäre die Diskussion für eine Impfpflicht für Kinder und Junge möglicherweise bald beendet. Ich frage mich oft, was mit vielen meiner ärztlichen Kollegen in den letzten zwei Jahren so geschehen sein muss.
Werter Herr Metzger, leider bestätigt sich täglich, dass die Regierenden nach der Feuerwehr rufen, obwohl sie den Brand täglich neu anzünden. Man kann nur davor warnen, die Ungeimpften als Gegner der Geimpften darzustellen. Damit werden wir alle in diesem Land zum Spielball der vermeintlich Mächtigen. Die Demokratie in Deutschland hat bereits Schnappatmung und bei allem Verständnis Ihrer persönlichen leidvollen Erfahrungen, wir brauchen einen Richtungswechsel. Es ist die Verantwortung der in der Regierung handelnden Personen, die Bevölkerung mitzunehmen. Wenn sie das nicht können, sollen sie zur Müllabfuhr gehen. Fakt ist, dass bzgl. des COVID 19 von Beginn an spalterisch und mit… Mehr
Vielen Dank Hr. Metzger für ihren Artikel. Ich musste schon feststellen, das er bei den Lesern auf nur geringes Verständnis trifft. Auch wenn viele Infos seitens TE und der TE Leser richtig sind: Natürlich gibt es ein eklatantes Versagen der Politik. Genauso versagen die ÖR Mainstream Medien in ihrer unsäglichen Arroganten Haltung und sie Versagen bei notwendigen Informationen. Wie z.B Wirkungen und Nebenwirkungen und Sinn von Impfungen mit Vor-und Nachteilen. Dass daraus ein grundsätzlicher Vertrauensverlust gegenüber diesen Institutionen vorherrscht, ist nachvollziehbar und deren Versagen. Allderings: Es ändert nichts an der prekären Situation der Pfleger bzw. dass wir einen Mangel an… Mehr
Sehr geehrter Herr Metzger,
meine Frau darf wegen einer schwerden Erkrankung nicht geimpft werden, obwohl sie gerne geimpft werden wollte. Die Anfeindungen und die Stolpersteine bei lebensnotwendigen Arzt und Klinikbesuchen sind zermürbend, vor allem wenn man auch vom medizinischen Personal als Impfgegner dumm angeredet wird. Wir wissen jetzt endlich, was sie bei gesundheitlichen Problemen im Rahmen der Triage erwarten kann.
Aber da finde ich ich schon das Urteil der Gerichte sehr interessant, dass die Maskenprovisionen von christlichen Politikern rechtens sind und diese das sauer verdiente Geld behalten dürfen
„Dass das CoVid19-Virus keine einfache Grippe ist…“ Wenn die Grippe so „einfach“ wäre, würde sie in vier Monaten nicht 25.000 Erkrankten das Leben kosten. Wer hat sich nach der harten Grippesaison 2017/18 hingestellt und für Winter 2018/19 eine Impfpflicht gefordert? Niemand. Auch konnte die Grippeimpfung in 30 Jahren keine solche harten Saisons verhindern. Man sah die Grippe als allgemeines Lebensrisiko. Bei Corona ist das alles auf einmal aber eine Weltkatastrophe. Im Text auch kein Hinweis darauf, dass in der Pandemie wieder Krankenhäuser geschlossen und Betten reduziert wurden. Kein Wunder, dass Patienten in weit entfernte Städte verlegt werden müssen und der… Mehr
Sehr geehrter Herr Metzger,
ich vermisse Ihr Anprangern der menschenverachtenden Vorschriften, Sterbende allein zu lassen. Nicht die Ungeimpften sind daran schuld, sondern diejenigen, die so unbarmherzige Vorschriften erlassen. Ich hoffe, diese Entscheider müssen sich eines Tages dafür verantworten und wenn es nur moralisch ist.
Ich vermisse in Ihrem Artikel auch das Anprangern der Tatenlosigkeit der handelnden Politiker, Pflegepersonal zu ertüchtigen, ausgeschiedene Pflegekräfte durch Anreize wieder zurück zu holen etc. Die von Ihnen gepriesene Impfung wird da keine Lösung bringen.
Jeder Ungeimpfte oder Impfkritische ist sich bewusst, dass Ihr Artikel Ihre berechtigte Meinung ausdrückt. Und gleichzeitig die Meinung von vielen (?) Menschen. Achgut hatte gestern auch einen Artikel, der in Ihre Richtung ging. Ist ja auch völlig ok. Was ich aber insbesondere an TE schätze, sind die vielen Links, die die Behauptungen und Meinung untermauern. Es gibt für mich zwei kritische Punkte: 1. Die Pandemie und 2. Die Notfallzulassung der Impfstoffe. Ich würde es also begrüssen, wenn Sie sich, statt einen Meinungsartikel zu schreiben, mal das Video des Erbsenzählers auf youtube ansehen würden. Dann könnten Sie das Video Punkt für… Mehr