Sachsen sind gegen politische Brandmauern

Die Union will im 35. Jahr nach dem Mauerfall weiter Brandmauern gegen ihren Konkurrenten von der Alternative für Deutschland errichten. Die Freien Wähler Sachsens hingegen haben erkannt, dass diese an der kommunalen Basis keinen Sinn machen. Sie lehnen das Bauen von politischen Brandmauern ab.

IMAGO / Emmanuele Contini

In der Heimatstadt des Mauerbauers Walter Ulbricht sorgt man dafür, dass die Geschichte sich nicht wiederholt. Der Leipziger Thomas Weidinger, sächsischer Landeschef der Freien Wähler, wehrt sich gegen einen entsprechenden Beschluss seiner Bundesvereinigung. „Den gefassten Beschluss nehmen wir zur Kenntnis, unterstützt haben wir diesen nicht,“ betont der Sachse.

Der Bundesparteitag der Freien Wähler in Bitburg hatte am 17. Februar wie die Union von CDU und CSU ein Kooperationsverbot mit der Alternative für Deutschland beschlossen. Die selbst verordnete Brandmauer der Freien Wähler soll sicherstellen, dass es keine Koalitionen oder Wahllisten mit der AfD gibt. Auch inhaltliche Absprachen sollen ausgeschlossen sein. Weil nicht sein kann, was nicht sein darf.

Doch beim Mauerbau im 35. Jahr des Mauerfalls spielen die Freien Wähler Sachsens nicht mit. „Wir sind parteiunabhängig und daher vom genannten Beschluss ohnehin nicht betroffen,“ argumentiert Weidinger. Sachsens Freie Wähler hätten seit einiger Zeit erfolgreich bewiesen, dass die sogenannte Brandmauer nicht hilfreich sei, wenn es um das Lösen konkreter sachlicher Probleme gehe.

Die sächsische Landesvereinigung der Freien Wähler möchte diesen bewährten Umgang mit pragmatischer Sachpolitik auf Landesebene etablieren. „Wir haben in Deutschland keine guten Erfahrungen mit dem Bau von Mauern gemacht. Hinter einer Brandmauer würden auch die Wähler der AfD verschwinden, die wir für die bürgerliche Mitte zurückgewinnen wollen,“ stellt Weidinger klar.

Sachsens Freien Wählern wissen inzwischen, dass sie mit einer Anti-AfD-Kampagne keine Wähler von CDU, Rest-FDP oder AfD gewinnen können, um über die Fünf-Prozent-Hürde zu kommen.

Wohl auch deswegen stellten die Freien Wähler bei der Oberbürgermeisterwahl in Pirna im vergangenen Jahr selbst im zweiten Wahlgang ihren Kandidaten gegen den Einheitsfrontbewerber der CDU und den der AfD auf. Der politische Wettbewerb sollte entscheiden und nicht Brandmauern.

Die undemokratische Ausgrenzungspolitik gegen breite Wählerschichten wie die der AfD in Sachsen, die inzwischen stabil in Umfragen über 33 Prozent liegt, wollen die Freien Wähler zumindest hier vor den anstehenden Kommunalwahlen am 9. Juni und der Landtagswahl am 1. September nicht mitmachen. „Unser Ziel ist es, das Wort Volksvertreter wieder seinem eigentlichen Zweck zuführen, nämlich Politik im Interesse des Volkes machen. Dabei darf es keine Rolle spielen, von welcher politischen Partei Anträge im sächsischen Landtag gestellt werden,“ wirbt Weidinger für eine Politik der Vernunft in den Parlamenten.
„Unser Wahlprogramm betont zu Recht, dass eine gute Idee eine gute Idee bleibt, unabhängig davon, von wem sie kommt.“

Oder wie ein Dichter sagt: „Wenn der vermeintlich Falsche das Richtige sagt, wird dadurch das Richtige nicht falsch!“

Aus dieser Weisheit heraus sehen sich die Freien Wähler Sachsens mit Ihrer Überzeugung nicht allein und wissen die Bevölkerung auf ihrer Seite: „Die Leute haben es doch einfach satt, dass sich die politischen Parteien nur mit sich selbst oder anderen Parteien beschäftigen. Das Vertrauen der Menschen in die Politik ist auf einem Tiefpunkt“, verweist Weidinger auf den aktuellen Sachsenmonitor 2023. Danach sind nur noch 41 Prozent der Sachsen mit der Demokratie als Regierungsform zufrieden.

Vor allem aber der Ausfall des Journalismus als Kritiker der Regierenden stößt immer mehr auf größeres Misstrauen. Nur noch jeder zweite Bürger hält Medien überhaupt noch für glaubwürdig.

Das scheinen zumindest die Freien Wähler Sachsens anders als CDU und CSU erkannt zu haben. „Für uns steht die Sache und die Lösung der Probleme der Menschen im Mittelpunkt unserer politischen Arbeit. Ohnehin sehen wir uns als positives Korrektiv in alle politischen Richtungen“, glaubt Landeschef Weidinger.

Auch die vom Spitzenkandidat Matthias Berger, Oberbürgermeister von Grimma, ausgerufene Losung „Vor der Wahl reden wir mit niemanden, nach der Wahl mit allen“ würde nach dem Brandmauer-Beschluss von Bitburg für Sachsen weiter gelten. „Wenn man uns im Fall des Einzuges in den Landtag zu Gesprächen einlädt, so sind wir höflich genug, eine solche Einladung anzunehmen. Wir möchten zuhören, nur dann können wir verstehen. Zuhören ist ohnehin eine Eigenschaft, die in den letzten Jahren zu kurz gekommen ist.“, mahnt Weidinger. Sachsens Freie Wähler setzen auf ihren Slogan „Zuhören & Machen“.

Den Beschluss der Mauerbauer von Bitburg kommentiert Weidinger mit sächsischem Witz und Gemütlichkeit: „Im Beschluss der Bundesvereinigung ist Zuhören nicht untersagt. Das wäre ja auch noch schöner. Wir sind entspannt und gehen unseren Weg in Sachsen weiter.“

Schon zu DDR-Zeiten hat man Beschlüsse und Verbote in Sachsen nicht ernst genommen. Dort sind die Menschen im Herbst 1989 als erste in Leipzig, Dresden, Plauen oder Chemnitz für Meinungsfreiheit und echte Demokratie auf die Straße gegangen.

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Kommentare ( 23 )

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Vinzent
9 Monate her

Natürlich sind die Sachsen FW gegen eine Brandmauer zur AFD. Mit einem Stimmenalteil von 30+ % kann man eine Partei rechnerisch einfach nicht mehr ignorieren. Reines Kalkül.

Ron
9 Monate her

Man wollte die AfD mit Inhalten und Argumenten stellen. Diese fehlen offensichtlich. Daher braucht es eine „Brandmauer“. Oder, wenn es nach Faeser, Paus, Haltungszwang geht, ein „Demokratiefördergesetz“.
Die FW brauchen Stimmen und halten sich Optionen offen. Doch wer näher hinsieht: die FW Bayern zeigten schon wie „vertrauenswürdig“ sie sind.

Biskaborn
9 Monate her

Die Worte höre ich wohl, nun müssen Taten folgen. Bislang sind die FW stramm dem linken und grünen Mainstream hinterhergelaufen!

wachschaf
9 Monate her
Antworten an  Biskaborn

Auch FW Wähler sehen Tagesschau und lesen RND durchsetzte Tageszeitungen – der propagierte Zeitgeist ist nun einmal links grün. Die Parteien- Futtertrogstrategie zu durchschauen, ist eine Sache, Zweifel an Coronapolitik und Klimawandel und Russlandfeldzug erfordern dann doch mehr Eigeninitiative.

Sani58
9 Monate her
Antworten an  wachschaf

Wobei Herr Maaßen sich direkt nach der Parteigründung beim Mainstream einschmeicheln will, indem er die AfD radikal nennt und Angst vor einer AfD in Verantwortung hat lt., Statement. Sein Wunschkoalitionär wär die CDU…bla, bla, bla… . Nun hat aber Genossen Merz eine Zusammenarbeit mit der WU strikt abgelehnt. WU sei jenseits der Brandmauer wie die Blauen.
*“Kleiner Mann nun“ frei nach Hans Fallada. Die Foren reagieren eindeutig. Die ersten Wähler sind bereits abgesprungen. Max Otte ist brüskiert und erwägt den Austritt. AfD-Wähler werden so auf keinen Fall zur WU wechseln. Ein schlechter Start für die WU.

imapact
9 Monate her

Guter Schritt. Gerade mit Blick auf die Bundestagswahlen wäre es für bürgerliche Wähler sinnvoller, ihre Stimme nicht auf eine paar-Prozent-Partei zu verschwenden, sondern entweder der WU oder AfD zu geben.

nethoesi
9 Monate her

Ergänzend zum letzen Artikel bleibt mir nach 34 erfolgreichen Arbeitsjahren in den gebrauchten Bundesländern als stolzer Sachse nur Eines zu sagen: Wir Ossis waren schon immer die besseren Wessis – wir haben es durch den durchaus zu erreichenden Wohlstand bis in die Nuller-Jahre nur nicht gleich gemerkt. Spätestes seit dem Antritt der Abrißbirne ist es damit aber in Gesamt-Schland vorbei. Und was danach über uns gekommen ist, müssen wir jeden Tag und überall erleben. Es wird dringend Zeit für die nächste Wende …

Tarakles
9 Monate her

Herr Weidinger, die AfD ist die bürgerliche Mitte. Das politische und öffentlich-rechtliche Gesabber vonwegen rechtsextrem ist Haldenwang-/Faeser-Sprech. Aber wenn die Freien Wähler in Sachsen genauso sind wie die ergrünten FW in Bayern, dann können wir darauf gern verzichten.

Waldschrat
9 Monate her

Ob man diesen Beteuerungen glauben schenken darf, muss man offen lassen. Skepsis ist angebracht. Allein die Reaktion des Kandidaten der Freien Wähler nach der durch einen AfD-Kandidaten gewonnenen Bürgermeisterwahl in Pirna spricht Bände.

J. Braun
9 Monate her

Daß ausgerechnet die Feigen Wähler Mut plakatieren, entbehrt nich einer gewissen Komik. Denn die wählt ja nur der mit den Altparteien Unzufriedene, der Angst hat vor der AfD.

Sani58
9 Monate her
Antworten an  J. Braun

Und bald auch nicht mehr, sondern WU. Es wird hart für die FW, sehr hart, voallem westelbisch.

Alf
9 Monate her

Politdarsteller, die Brandmauern errichten, gehören ins Baugewerbe und nicht in die Politik..Man stelle sich vor, die Sitze im Bundestag, Bundesrat u.a. wären durch Brandmauern getrennt. Eine Demokratie, die Brandmauern für notwendig hält, in der Politdarsteller nicht neben Abgeordneten einer anderen Partei sitzen wollen, ist keine Demokratie. Wählerbeschimpfung ist das letzte.

Micky Maus
9 Monate her
Antworten an  Alf

Wenn selbst der Bundespräsident Steinmeier die AfD als extremistische Rattenfänger und damit die AfD Wähler als Ratten bezeichnet, zeigt doch dieser Volksverhetzer, wie er zur Demokratie steht. Dieser Bundespräsident ist das allerletzte, was die Demokratie braucht.

Talleyrand
9 Monate her

Wie schön, dass es die Sachsen gibt. Wie sprach doch deren letzter König? „Macht Euren Dreck aleene!“ Seh ich auch so, Herr Aiwanger.

Last edited 9 Monate her by Talleyrand