Bei den Liberalen von Parteichef Christian Lindner brennt der Baum

Die FDP muss wohl in der Vorweihnachtszeit wieder eine Mitgliederbefragung starten, weil sich die Basis gegen den Ampelkurs wehrt. Schon 2011 zeigte sich die Partei gespalten – die Euro-Kritiker hätten sich fast durchgesetzt. Knapp zwei Jahre später flogen die Freidemokraten aus dem Bundestag. Jetzt sollen sie die Koalition mit SPD und Grünen aufkündigen.

IMAGO / Funke Foto Services

Die Ampel-Regierung von SPD, FDP und Grünen im Bund hat fertig. Sie führt Deutschland an den Rand eines Staatsbankrotts dank grüner Ideologie. Neben den 60 Milliarden Euro Corona-Schulden aus dem sogenannten Klima- und Transformationsfonds ist wohl auch der Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF) verfassungswidrig – der 200 Milliarden Euro „Doppel-Wumms“ von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD). Mehr Chaos geht nicht.

Aber bei der FDP schon: Die Parteiführung muss in der Vorweihnachtszeit eine Mitgliederbefragung für einen Ampelausstieg über sich ergehen lassen. Denn eine vermeintlich Freie Demokratische Partei macht sich aus Sicht vieler an der Basis in höchstem Maße mitschuldig an dem Finanz- und Regierungschaos. Verantwortlich dafür zeichnet der einst jüngste Parteivorsitzende aller Zeiten bei den Liberalen Christian Lindner. Der heute 44-jährige Bundesfinanzminister kann Deutschland nur noch durch Haushaltssperren regieren, weil die Ampel mit ihrer ideologischen Klimapolitik zusätzlich gigantische Milliardenlöcher in ein ohnehin hochverschuldetes Land schaufelt.

Nun muss Lindner, als Herr der Schulden, also noch eine Mitgliederbefragung hinnehmen, weil die Basis die Nase voll hat von der dilettantischen Bundespolitik der Ampel.

Nordhessens FDP-Parteichef Matthias Nölke steht an der Spitze der parteiinternen Ampel-Gegner. Er ist Wirtschaftsdezernent in Kassel, der drittgrößten Stadt Hessens. Der 43-jährige Nölke hat jetzt mehr als 500 notwendige Unterschriften von FDP-Mitgliedern gesammelt, um eine Befragung für einen Ampelausstieg zu erzwingen. Damit muss Lindners Partei alle 76.071 Mitglieder (Stand 31.12.22) befragen, ob die FDP aus der Ampel rausgehen muss oder drinbleiben soll.

„Der Geist ist aus der Flasche, ab jetzt steht die Ampel-Beteiligung der FDP unter Vorbehalt,“ erklärt der langjährige FDP-Fraktionschef von Nordrhein-Westfalen, Gerhard Papke, im Gespräch mit Tichys Einblick die Konsequenzen. Denn das Thema werde Lindners Parteiführung nun in den nächsten Monaten auf Schritt und Tritt begleiten.

Auch der frühere FDP-Generalsekretär Patrick Döring mahnt gegenüber Tichys Einblick: „Die dramatischen haushaltspolitischen Entscheidungen, die jetzt noch getroffen werden müssen, entscheiden auch, ob der Koalitionsvertrag, wie ihn der Bundesparteitag beschlossen hat, überhaupt noch die Geschäftsgrundlage der Bundesregierung ist.“

Findet eine offene FDP-Debatte statt oder wird sie abgewürgt?

Allerdings kann sich die Befragung monatelang hinziehen, abhängig von dem Verfahren, welches die Parteiführung wählt. In der Bundessatzung heißt es unter Paragraf 21a, Absatz 3: „Die Mitgliederbefragung erfolgt entweder durch geheime Briefabstimmung, durch eine dezentrale Präsenzwahl, durch eine online-basierte Abstimmung oder durch eine Kombination dieser drei Verfahren.“ Die entscheidende Frage hierbei: Lässt die Parteiführung dabei einen parteiinternen Diskussionsprozess zu oder versucht sie, ihn schnell abzuwürgen?

FDP-Chef Lindner trifft die Rebellion mitten in der schlimmsten Krise seiner Amtszeit. Schließlich hat er seine Partei nach dem Bundestagswahlerfolg von 2021 mit 11,5 Prozent als grüner Erfüllungsgehilfe in der Ampel heute mehr als halbiert. In aktuellen Umfragen liegt sie nur noch um die fünf Prozent.

Anti-Ampel-Rebell Nölke ficht das nicht an: „Es ist ein basisdemokratisches Instrument. Wenn die Parteiführung der Meinung ist, die Partei steht mehrheitlich hinter der Ampel, dann muss man eine Befragung nicht fürchten.“

Die Mitgliederbefragung ist zwar nicht bindend, hat aber enormes Spaltungspotenzial. Entweder zerreißt es die FDP – oder auch die Ampel. Denn innerhalb der Partei formieren sich immer mehr Liberale, die ihre FDP über eine Mitgliederbefragung zum Ampel-Aus zwingen wollen. Schließlich hat Nölke mit seinem Kreisverband, wie Bild berichtet, in kurzer Zeit mehr als 500 Mitgliedsunterschriften gesammelt: „Ich fahre jetzt nach Berlin und überreiche die Unterschriften.“

In der Parteizentrale des Hans-Dietrich-Genscher-Hauses werden sie geprüft. Sind sie gültig, müsste die FDP die Mitgliederbefragung nach Paragraf 21a Absatz 1 der Bundessatzung starten, wenn sie nicht trickreich gegen das Befragungsthema Gründe ins Feld führt.

Dem FDP-Mitgliederentscheid 2011 folgte das Bundestags-Aus

Schon vor 12 Jahren gab die FDP inmitten einer Finanzkrise ein zerrissenes Bild ab. Ein FDP-Mitgliederentscheid gegen die kostspieligen Euro-Rettungsmaßnahmen der schwarz-gelben Bundesregierung scheiterte nur knapp. Der damalige Parteichef Philipp Rösler rettete sich mit einem knappen Ergebnis und viel Glück. Denn die Euro-Rebellen um den Bundestagsabgeordneten Frank Schäffler hatten das erforderliche Quorum knapp verfehlt. Die erforderliche Mindestbeteiligung von 21.503 Stimmen beziehungsweise 33,3 Prozent erreichten sie nicht. Lediglich 31,6 Prozent gaben ihr Votum ab. Für den Antrag der Euro-Rettungsgegner stimmten 44,2 Prozent. Den Kurs der Bundesregierung von CDU-Kanzlerin Angela Merkel unterstützten 54,4 Prozent.

Lindners Rücktritt als Generalsekretär 2011 glich einer Fahnenflucht

Was viele heute nicht mehr wissen, der heutige FDP-Chef und Bundesfinanzminister Lindner ließ wenige Tage vor dem Ergebnis des Mitgliederentscheids seinen Vorsitzenden Rösler im Stich.
Durch den Rücktritt ermögliche er es dem Parteichef, „die wichtige Bundestagswahl 2013 mit einem neuen Generalsekretär vorzubereiten und damit auch mit neuen Impulsen zu einem Erfolg für die FDP zu machen“, versuchte Lindner seinen Abgang zu kaschieren.

Ein rücksichtsloser Vorgang für den damaligen FDP-Vize Holger Zastrow, der in einem Focus-Interview Lindners Rücktritt scharf kritisierte mit den Worten: „Sein Abgang ohne Begründung war unprofessionell, sein Verhalten grenzt schon fast an Fahnenflucht. Ein Generalsekretär einer traditionsreichen Partei mit rund 65.000 Mitgliedern und Regierungsverantwortung darf kurz vor Bekanntgabe des Abstimmungsergebnisses seine Truppe nicht einfach im Stich lassen.“

Im Gespräch mit Tichys Einblick befürchtet FDP-Politiker Zastrow jedoch heute: „Die Geschichte wird sich in der Form wiederholen, indem man wieder alle Kraft zur Disziplinierung der Parteibasis aufwendet, um in der Ampel zu bleiben.“ Mit anderen Worten: FDP-Chef Lindner und seine Regierungscrew wollen um alles in der Welt lieber weiterampeln.

Diese Regierung sei jedoch „einfach nur noch schlecht“, argumentiert Zastrow dagegen. Denn die miesen Ergebnisse seien eindeutig, da es so keine Alternative zu einem Regierungsaustritt gebe. „Aber das wussten wir schon seit Bekanntgabe der Pläne für ein freiheitsfeindliches Heizungsgesetz,“ betont Zastrow. Der Fehler liege darin, dass sich die FDP auf eine missionarische, grüne Ideologie eingelassen hat, wo für Liberale eigentlich Freiheit an erster Stelle stehe. Denn Grüne würden sektenartig nur eine Minderheit in Deutschland vertreten. „Mit den Grünen ist kein Staat zu machen,“ sagt Zastrow Tichys Einblick, „denn sie kennen in ihrer rigorosen Politik keine Grenzen.“

Ob die Basis nun für Lindner und Co. Grenzen zieht, wird sich zeigen, wenn die Mitgliederbefragung ihre Bedingungen erfüllt und startet. Eins ist jedoch jetzt schon klar: Der Ampelausstieg kommt für die FDP zu spät, weil er nicht mehr glaubwürdig ist.

Anzeige

Unterstützung
oder

Kommentare ( 89 )

Liebe Leser!

Wir sind dankbar für Ihre Kommentare und schätzen Ihre aktive Beteiligung sehr. Ihre Zuschriften können auch als eigene Beiträge auf der Site erscheinen oder in unserer Monatszeitschrift „Tichys Einblick“.
Bitte entwerten Sie Ihre Argumente nicht durch Unterstellungen, Verunglimpfungen oder inakzeptable Worte und Links. Solche Texte schalten wir nicht frei. Ihre Kommentare werden moderiert, da die juristische Verantwortung bei TE liegt. Bitte verstehen Sie, dass die Moderation zwischen Mitternacht und morgens Pause macht und es, je nach Aufkommen, zu zeitlichen Verzögerungen kommen kann. Vielen Dank für Ihr Verständnis. Hinweis

89 Comments
neuste
älteste beste Bewertung
Inline Feedbacks
Alle Kommentare ansehen
Juergen P. Schneider
1 Jahr her

Die Umfaller-Partei erlebt nun das, was den Kartellparteien voraussichtlich in nächster Zeit generell ins Haus steht, die Aufspaltung, Zerrüttung und letztlich die Auflösung. Das gesamte Parteiensystem des Altparteienkartells befindet sich im Zustand der Zersetzung. Bei der Union wird es noch etwas länger dauern, aber die Bruchlinien zwischen den links-grünen Merkel-Anhängern und den an den Resten einstiger Programmatik festhaltenden Mitgliedern sind eindeutig erkennbar. Sollten die Merkel-Anhänger die Oberhand behalten, ist die Union in spätestens 10 Jahren Geschichte. Links-grün hat abgewirtschaftet. Der Transformationsirrsinn wird vielen Bürgern nun als das erkennbar, was er von Anfang an gewesen ist, irrationale, bürgerfeindliche und ruinöse Politik.… Mehr

schwarzseher
1 Jahr her

Die Ampel-Regierung hat nicht fertig. Die haben noch 2 Jahre mit üppigen Diäten, danach ebensolche Pensionsansprüche und einen gut dotierten Posten. Und vor der nächsten Wahl, wann immer die srattfindet, werden noch Dutzende Parteimitglieder befördert. Da wird sogar die Mafia neidisch. Deutschland hat fertig.

Astrid
1 Jahr her

Na, Herr Lindner die zwei Jahre sind am 8. Dezember vorbei. Dann sind Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), sein Kanzleramtschef Wolfgang Schmidt und die 15 Minister exakt zwei Jahre im Amt. Just an diesem Tag werden sie genug Dienstzeit angesammelt haben, um 4660 Euro Ruhegehalt pro Monat sicher in der Tasche zu haben. Jetzt wird bei Anne Will, Maischberger und Lanz noch ein bisschen über die schlechte Haushaltslage diskutiert und dann ist der 8. Dezember 2023 da und der Rücktritt wird verkündet, wetten dass?

Fieselsteinchen
1 Jahr her
Antworten an  Astrid

Schön wär’s! Aber was kommt danach? SPD und CDU-Brandmauer, um es den Linken der Republik Recht zu machen oder eine AfD-CDU-FDP-Koalition, die zwar den Wählerwillen widerspiegeln würde, aber mit Merkel als grauer Eminenz im Hintergrund? Oder nicht? Italien, Schweden, die Niederlande – es geht ein Ruck durch Europa, weil die Bürger es satt haben, für eine Transformation ins wirtschaftliche und nationale Nichts zu verarmen und mit dem „Abschaum“ der Welt, das tägliche Zusammenleben aushandeln zu müssen. Den Linksgrünen wird der Schaum vor Wut ums Maul wehen, die Medien werden verbal das Land weiter spalten… Das Geld wurde in alle Welt… Mehr

MarkusF
1 Jahr her

„Bei den Liberalen von Parteichef Christian Lindner brennt der Baum“

Offensichtlich brennt der Baum nicht heiß genug. Habe gerade gelesen das dieser Linder die Schuldenbremse aufheben will; 45 Milliarden (!) Neuverschuldung dieses Jahr.
Der werte Herr Lindner hält offenbar eisern am seinen persönlichen Projekt ‚Fette Ministerpension‘ fest.

Freiheit fuer Argumente
1 Jahr her
Antworten an  MarkusF

Allmählich frage ich mich, ob es nicht doch strafrechtliche Möglichkeiten gibt, mit denen man Lindner Amt und Pension abnehmen kann.

schwarzseher
1 Jahr her

Dafür müßte es vom Parteienklüngel unabhängige Gerichte geben. Keine Chance.

Fieselsteinchen
1 Jahr her

Nicht nur Lindner, zuerst Scholz und Habeck. Dann können sich die anderen einreihen: Bärbock, Merkel, Lauterbach, Faeser – die ganze Regierung muss auf die Anklagebank und die Vorgängerregierung gleich mit. Es muss absolut klargestellt werden, dass Politiker in einer Demokratie die Diener des Volkes sind und dementsprechend demokratisch und verantwortlich zu handeln haben.

Ohanse
1 Jahr her

Eben. Den Parvenue wird man nicht finden, der sich freiwillig bescheidet. Solchen Leuten muss man zeigen, wo ihr Platz ist. Die nächste Wahl kommt. Und dann wird der Wähler diese Truppe aus dem Parlament jagen.

bfwied
1 Jahr her

Wer will denn eigentlich noch eine solche Partei wählen, die sich bisher immer nur als egostische Windfahne gezeigt hat? Die FDP machte doch immer, bestenfalls mit kleinen Abstrichen, bei jedem Mist mit. Was wir brauchen, das ist ein radikaler Richtungswechsel, hin zum Selbstschutz und Förderung der eigenen Wirtschaft, so, wie es alle anderen Länder als Selbstverständlichkeit tun. Es macht sehr ärgerlich, dass die Deutschen immer einen Sonderweg nehmen und immer wieder furchtbar Ausgeflippte wählen, sogar dann, wenn die klipp und klar vorher laut verkünden, was sie an Dummheiten anstellen wollen. Und immer verbrämen die das mit einer höheren Moral, welche… Mehr

Michaelis
1 Jahr her

Jetzt scheint ja eine „Entscheidung“ getroffen: das hoffentlich endgültige Ende dieser Schmierenkomiker!!!

Micci
1 Jahr her

Sollte parallel auch ein Ausschlußverfahren gegen Lindner, Buschmann, Kubicki und … (wie hieß noch diese Stahlhelm-Lady?) … erfolgen, trete ich glatt in die FDP ein.

Freiheit fuer Argumente
1 Jahr her
Antworten an  Micci

Die aktiven Teile der Basis sind nicht viel besser. Ohne die Wahlergebnisse hätte sich da nichts getan.
Und heute erfährt man, dass Lindner weitere(!) 45 Milliarden Schulden aufnehmen will.
Der Mann ist skrupellos und sein gestelztes Auftreten hochnotpeinlich, er wird aber stets mit DDR-Ergebnissen wiedergewählt.

Ralf Schierhold
1 Jahr her

Für was braucht eine Partei, die angeblich von Eliten geleitet wird, in der sich auch in den hinteren Reihen Leuten befinden, die angeblich bei Sinn und Verstand sind, eine mitgliederbefragung zur derzeitigen Situation des Scholz-Regimes?
JEDER, auch nur halbwegs gebildete Mensch erkennt, daß dieses Regime am Ende ist und wenn die FDP- und SPD-Mitglieder dieses Regimes auch nur einen Funken Anstand besitzen treten sie geschlossen. Von der grünfaschistischen Sekte kann man keinen Anstand und auch keinen Verstand verlangen.

Evero
1 Jahr her

Lindner ist der politische Sohn von Merkel.
Aber wie man sieht, ist die Merkelstrategie der Demobilisierung und der Linksruck der Union letztlich schlecht für die Union und vor allem schlecht für Deutschland gewesen.
Da Merkel nur an sich gedacht hat und nie an Deutschland war ihre Taktik erfolgreich für ihr eigenes Fortkommen. Mal schauen, wie Lindner tatsächlich tickt.