Das „Good Cop, Bad Cop“-Spiel der FDP an seinem Ende

Einst wehrte sich Parteichef Lindner gegen Verschuldungspolitik, heute als Bundesfinanzminister setzt er ein ums andere Mal die für die FDP so heilige Schuldenbremse aus. Parteivize Kubicki schießt auf einer Kreuzfahrttour gegen Wirtschaftsminister Habeck, damit die Wähler glauben, die Liberalen würden sich wehren.

IMAGO

Seit die FDP nach der Bundestagswahl 2021 eine für sie toxische Verbindung mit SPD und Grünen eingegangen ist, befindet sich die damalige 11,5-Prozent-Partei im freien Fall. Ihr überfordertes Führungspersonal ist völlig von der Rolle und die Basis rebelliert.

Der einst hoffnungsvoll gestartete jüngste FDP-Bundesvorsitzende aller Zeiten, Christian Lindner, muss in seinem zehnten Amtsjahr eine schwere Schlappe nach der anderen einstecken. Acht Wahlen hat er allein nach der Bundestagswahl 2021 wegen seines höchst umstrittenen Ampelbündnis mit SPD und Grünen verloren. Inzwischen ist der Bundesfinanzminister auch als „Herr der Schulden“ bekannt. Kein Wunder: Schließlich hat Lindner sein Mantra – „Es ist besser, nicht zu regieren, als falsch zu regieren.“ – einmal an der Macht, eiskalt umgekehrt in: Lieber schlecht regieren, als nicht regieren.

Schon deswegen fühlen sich immer mehr FDP-Wähler und selbst Mitglieder verraten, wie sich Lindners Partei den Grünen in der Bundesregierung unterworfen und dabei ihre Grundsätze wie Marktwirtschaft statt Planwirtschaft einfach aufgegeben hat. Schließlich ist die freiheitsfeindliche grüne „Transformation“ nichts anderes als eine gigantische Planwirtschaft mit gleicher Wirkung wie im Staatssozialismus, nämlich ein Land voll vor die Wand zu fahren.
Deswegen gilt: Die FDP ist stets dabei als Kampfreserve der grünen Partei. Nun droht dem FDP-Chef auch noch eine Mitgliederbefragung an der Basis, die über den Ausstieg aus der unsäglichen Ampel entscheiden soll.

Schlimmer noch: Das Bundesverfassungsgericht hat Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) wie seinen Bundesfinanzminister Lindner und dem gesamten Kabinett, insbesondere dem umstrittenen Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck von den Grünen einen rechtswidrigen Haushalt attestiert. Schulden, Schattenhaushalte und Buchungstricks fliegen auf und ausgerechnet ein FDP-Finanzminister ist ganz vorn dabei.

Wie sein Bundeskanzler in der Cum-ex-Affäre hat auch sein Bundeskassenwart Lindner in seinem zweiten Amtsjahr außerordentliche Gedächtnisprobleme. Denn genau das, was Lindner heute im Auftrag seiner Ampelgenossen macht, verfassungswidrige Haushalte aufzustellen, hat er früher in seiner Oppositionszeit immer scharf kritisiert und sogar dagegen Wahlkampf betrieben.

Mehr noch: Vor allem neue Schulden waren für ihn ein Sakrileg. Die Schuldenbremse galt für die FDP eigentlich als Heiligtum. Doch schon 2021 und 2022 war die Schuldenbremse, die einen nahezu ausgeglichenen Haushalt vorschreibt, unter Berufung auf eine Notlagen-Klausel ausgesetzt, was dem Bundeskassenwart eine höhere Neuverschuldung ermöglichte. 2023 sollte sie wieder wirken. Der FDP-Chef lobte noch vor wenigen Tagen im Bild-Interview, die Schuldenbremse habe „ihre Verdienste, denn sie schützt die Bürgerinnen und Bürger vor untragbarer Schuldenlast und zwingt die Politik zu Entscheidungen.“

Doch Lindner regiert nach dem bewährten Politikermotto, was schert mich mein Geschwätz von gestern. Nach dem vernichtenden Karlsruher Urteil über den nicht verfassungsgerechten Haushalt, fiel Lindners Finanzministerium am vergangenen Donnerstag unglaublich schnell um: Die Ampel-Koalition wolle für das laufende Jahr 2023 die im Grundgesetz verankerte Schuldenbremse erneut aussetzen. Der Bundestag müsse eine „außergewöhnliche Notlage“ beschließen.
Kurz, die Schuldenbremse ist unter einem FDP-Finanzminister nicht einmal das Papier wert, auf dem sie steht.

Christian Linder hat wieder mal als Häuptling gespaltene Zunge gesprochen. Das ist nicht neu. Denn wir erinnern uns noch: Der junge Generalsekretär der Bundespartei Lindner ließ im Dezember 2011 kurz vorm Ende des FDP-Mitgliederentscheids gegen Dr. Angela Merkels Euro-Rettungskurs seinen Vorsitzenden Philipp Rösler im Stich und trat zurück. Nur um wenige Wochen später seinen Wiederaufstieg im heimatlichen Sprengel Nordrhein-Westfalen als Spitzenkandidat im Landtagswahlkampf zu organisieren. Dort prangerte er die angeschlagene rot-grüne Regierung an mit dem Plakatslogan: „Lieber neue Wahlen als neue Schulden.“

Lindner und sein NRW-FDP wollten die umstrittene Regierung von SPD und Grünen damit im Wahlkampf vorführen, was ihnen auch mit einem ordentlichen Ergebnis von 8,6 Prozent sogar gegen den negativen Bundestrend gelang.

Damals verstieß der rot-grüne Landeshaushalt für das Jahr 2011 gegen die nordrhein-westfälische Verfassung. Die Richter gaben einer Klage der CDU statt, die wie heute im Bund gegen einen unseriösen Etat geklagt hatte.

Das Landesverfassungsgericht in Münster demontierte seinerzeit zum dritten Mal die Haushaltspolitik der rot-grünen Koalition in Nordrhein-Westfalen. Grund für den Verstoß gegen die Landesverfassung war die zu hohe Kreditaufnahme.
Das Gerichtsurteil brachte der rot-grünen Landesregierung von Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) eine politische Niederlage bei – genauso wie heute das Karlsruher Urteil des Bundesverfassungsgerichts gegen den illegalen Schuldenhaushalt der Ampelregierung von SPD-Kanzler Scholz, Wirtschaftsminister Habeck (Grüne) und FDP-Finanzminister Lindner.

Wie sich die Bilder gleichen, aber nur nicht die Sprüche. Verurteilte Lindner 2012 noch den Pfusch einer Regierung, macht er heute selbst nichts anderes. Dazu passt der Klassiker: „Die schärfsten Kritiker der Elche, waren früher selber welche.“

Doch die Parolen sind elf Jahre her. Allerdings hatte Lindner noch im Mai 2022 bei einem Auftritt vor dem Berliner Steuerberaterkongreß mit seinem Motto von 2012 „Lieber neue Wahlen, statt neue Schulden“ kurz gedroht, weil das seiner „politischen Laufbahn eine wesentliche Prägung“ gab. Aber mit dieser Haltung ist es wohl 2023 endgültig vorbei, denn der heutige Bundesvorsitzende Lindner setzt dagegen, wie so oft in der Politik bewährt, lieber auf die Vergesslichkeit der Wähler.

Was er vor Jahren noch der rot-grünen Konkurrenz vorwarf, gilt heute nicht mehr, denn er regiert ja mit ihnen die Berliner Bundesampel. „Das macht doch nichts, das merkt doch keiner“, würde der Kabarettist Hans Scheibner dazu singen – „Kuck, Kuck!“.

Kubicki klabautert auf Karibik-Kreuzfahrt gegen Grünen-Habeck

Ohnehin ist Lindners Spitzenpersonal immer seltsamer unterwegs. Verzweiflung über die belastende Existenz in der Ampel greift rasant um sich. Im Bundestag tobt ein Haushaltsskandal und Lindners Vize Wolfgang Kubicki treibt sich vergangene Woche acht sonnige Tage auf einem Kreuzfahrtschiff in der Karibik herum. Karibik statt Krisensitzung, monierte Bild. Zudem hätte er für die Reise auf eine Teilnahme am Parteitag seiner Landes-FDP in Schleswig-Holstein verzichtet.

Jetzt käme zudem heraus: „Nicht nur die Karibik-Rundfahrt (Kabinenpreis ab 7000 Euro/Woche) ließ sich Kubicki bezahlen. Auch die Flugreisen für sich und Ehefrau Annette von Deutschland nach Martinique und zurück von Miami in die Heimat (Gesamtpreis mehr als 2000 Euro) wurden dem Pärchen erstattet“, berichtet das Boulevardblatt.

Quasi als Gegenleistung für eine Talkshow an Bord bei der sich Bundestagsvizepräsident Kubicki von ARD-Talk-Legende Sabine Christiansen befragen ließ.

Wieso das? Es sei richtig, dass Kubicki in Christiansens Talkshow auf der „MS Europa 2“ aufgetreten sei, verteidigt sein Büro die Vorstellung. Gemäß dem im Februar geschlossenen Vertrag sei er als Autor des Buches „Sagen, was Sache ist“ eingeladen worden. Ein Honorar wurde demnach nicht gezahlt, allerdings wären Kost und Logis übernommen worden. Soso.

Damit nicht genug: Auf der „MS Europa 2“ teilte der FDP-Vize in Christiansens Talkshow noch gegen seinen früheren Kieler Kumpel von den Grünen Robert Habeck aus: Entweder dessen Heizgesetz werde verschwinden, wettert Kubicki, „oder Habeck muss weg“.

Tja, warum nur regiert die FDP dann noch mit SPD und Grünen, wenn alles so schlimm ist? Das fragen sich jetzt selbst die Parteimitglieder. Sie wollen daher zurecht über einen Ampelausstieg abstimmen lassen.

Klabautern gegen Grüne fern der Heimat von einem Kreuzfahrtschiff aus – was für eine merkwürdige FDP, was für eine kaputte Koalition.

Der Kubicki-Hammer gegen das Ampel-Chaos ist nur der verzweifelte Ausdruck dafür. Womöglich sollen die davonlaufenden FDP-Wähler jetzt glauben, Freiheitsgeist Kubicki bringt als Klabautermann gegen die Grünen seine sinkende Partei wieder auf Kurs. Sicher hat der Freiheitskämpfer aus dem Norden zurecht den Mangel von Demokratie und Meinungsfreiheit in unserem Land vor allem in der Corona-Diktatur, wie viele Bürger sie mittlerweile nennen, zurecht beklagt. Doch Reden ist Gold, aber Handeln meist nur Silber beim stellvertretenden Parteivorsitzenden von Lindner. Denn dem umstrittenen Heizungsgesetz hat Kubicki im Bundestag brav zugestimmt, obwohl er heute dagegen poltert. Bei der FDP brennt halt der Mastbaum.

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Kommentare ( 53 )

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Micci
1 Jahr her

„Zudem hätte er für die Reise auf eine Teilnahme am Parteitag seiner Landes-FDP in Schleswig-Holstein verzichtet.“

Ja, aber Herr Kubicki – können Sie dann etwa auch an der Mitgliederbefragung zum Ampel-Exit nicht teilnehmen?
Da wird doch jeder gebraucht – oder wollen Sie etwa, dass dieser Ampel-Salat so weitergeht?

Sie Schlingel?

🙂

Dr. Rehmstack
1 Jahr her

„Nicht nur die Karibik-Rundfahrt (Kabinenpreis ab 7000 Euro/Woche) ließ sich Kubicki bezahlen. Auch die Flugreisen für sich und Ehefrau Annette von Deutschland nach Martinique und zurück von Miami in die Heimat (Gesamtpreis mehr als 2000 Euro) wurden dem Pärchen erstattet“, berichtet das Boulevardblatt. Quasi als Gegenleistung für eine Talkshow an Bord bei der sich Bundestagsvizepräsident Kubicki von ARD-Talk-Legende Sabine Christiansen befragen ließ. Ein Honorar wurde demnach nicht gezahlt, allerdings wären Kost und Logis übernommen worden.“
Und wer hat das ganze bezahlt?

humerd
1 Jahr her

Kubicki ließ sich auf die Kreuzfahrt einladen. Von seinen knappen Diäten kann er sich sowas ja nicht leisten.

ketzerlehrling
1 Jahr her

Kubicki wird vorgeschickt, oder lässt sich vorschicken, um gegen die Ampel zu wettern, hinterher stimmt er aber dafür, ein ums andere Mal. Eine nette Inszenierung, wer nach mehr als zwei Jahren immer noch darauf reinfällt, dem ist nicht zu helfen. Die FDP regiert nicht nur schlecht, sondern grottenschlecht, aber sie regiert und kann sich auf die Fahnen schreiben, tatkräftig mitgeholfen zu haben, das Land vor die Wand zu fahren, Zehntausende, bis Ende der Ampel vielleicht noch viel mehr, auf dem Gewissen zu haben, egal, ob durch Arbeitsplatzverlust, Wohnungsverlust, Abschalten des Stroms, der Heizung, Mangelernährung, oder Mord und Abschlachtung der Sofortrentner.… Mehr

Malte
1 Jahr her

Kubicki ist ein Großmaul. Kann weg. FDP kann auch weg. Nur, damit hier kein falscher Tenor aufkommt: zuvörderst müssen die Grünen weg! Bitte mal alle Politiker fragen, von wem die Staatsgewalt ausgeht. Wer länger als 2 Sekunden überlegen muss, kann auch weg. Für alle, die’s vergessen haben: die Staatsgewalt geht laut Grundgesetzt vom Volke aus. Nicht: allen, die hier leben, nicht: den schon länger hier Lebenden.

Jede Regierung, die auch nur einen einzigen Euro (Katastrophensoforthilfe ausgenommen) ins Ausland verschiebt, kann weg.

Klaus Kabel
1 Jahr her

Wo FDP drauf steht, ist FDP drin. Da macht es keinen Unterschied ob Lindner oder Kubicki. Da ist mir der Lindner noch lieber, weil er zumindest in seinen Lügen ehrlich ist. Der Kubicki ist da hinterfoziger. Er sagt, was er nicht unterstützt und führt so die Lüge als absurdum, weil er genau das macht, wo er angeblich dagegen ist.

Last edited 1 Jahr her by Klaus Kabel
Farbauti
1 Jahr her

Kubicki weiß ganz genau was der deutsche Wähler liebt: Das Traumschiff

alter weisser Mann
1 Jahr her

Ist doch hübsch, dass nicht nur die Politik erhebliche Mittel in den ÖRR leitet, sondern dass auch mal was zurückfließt und wie man die 10.000 Euro für den bedürftigen Kubicki nun nennt … egal, ist eh ein Schmierentheater. Spassiger ist aber, dass Kubiki sich gegen die erneute Feststellung einer Notlage stellt …“… hatte sich Kubicki gegen die Ausrufung einer neuen fiskalpolitischen Notlage für die Jahre 2023 und 2024 gestellt. Er sehe solche Überlegungen „kritisch“… „zwar rechtlich möglich, jedoch würde sie „erhebliche Vertrauensprobleme“ schaffen.“ “ ….. mal sehen, wie lange es dauert, dass der Herr -ganz Jurist- dann doch Lindners Kurs schön… Mehr

Yossarian
1 Jahr her

Die Politik hat während der Corona Zeit gelernt, das der Bürger ein ängstlicher Duckmäuser ist, dem man auch weismachen kann, das im Himmel Jahrmarkt ist. Wahrscheinlich waren sie selber überrascht, wie dumm der Souverän doch eigentlich ist.
Jetzt machen sie einfach weiter.

ludwig67
1 Jahr her

Die FDP hält ihre (ex) Wähler wirklich für knalldoof. Immer wenn es eng wird, insbesondere ca. 2 Wochen vor Wahlen, holen sie den alten Kubicki aus der Kiste, damit der „mal sagt was Sache ist“, um dann wieder im Weinfass zu verschwinden.

Was für ein erbärmliches und widerwärtiges Schmierentheater. Die FDP gehört unwiderruflich aus der Politik katapultiert.

Andreas aus E.
1 Jahr her
Antworten an  ludwig67

Die FDP hält ihre (ex) Wähler wirklich für knalldoof.“
Immerhin mit der Einschätzung liegt die FDP wohl nicht ganz daneben.

Der Person
1 Jahr her
Antworten an  ludwig67

Um für sich die Entscheidung zu treffen, ein Liberaler zu sein, bedarf es eines gewissen Intellektes. Weswegen man die Hütchenspieler Kubicki und Lindner auch sehr schnell durchschaut, da braucht man ja nur auf deren Abstimmungsverhalten zu schauen, das kostet maximal drei Minuten. Ein echter Liberaler würde die FDP deswegen auch nicht mehr wählen. Es bleiben aber noch die Denkfaulen und die Mitläufer, die Möchtegernselbständigen, Hosenträgerträger und Wall-Streeter aus Castrop-Rauxel. Und die sind tatsächlich knalldoof. Mit denen könnte man auch einen Ururururenkel-Trick abziehen…