Kandidiert Freier Wähler als Ministerpräsident?

Der langjährige Oberbürgermeister von Grimma, Matthias Berger, will mit seiner Kandidatur das „Weiter-so“ von Sachsens umstrittenem Regierungschef Michael Kretschmer mit linken Parteien verhindern. Die Freien Wähler setzen dabei auf Stimmen von AfD, BSW und unzufriedenen CDU-Abgeordneten.

picture alliance/dpa | Sebastian Willnow
Matthias Berger, 04.02.2024

Die Woche vor der Wahl des neuen sächsischen Ministerpräsidenten könnte mit einem Paukenschlag enden. Matthias Berger, direkt gewählter Abgeordneter der Freien Wähler Sachsens, beabsichtigt nach Informationen von Tichys Einblick, im Dresdner Landtag gegen den amtierenden Regierungschef Michael Kretschmer (CDU) bei der Wahl am 18. Dezember anzutreten – David gegen Goliath.

Weil der Union die Brandmauer gegen die Alternative für Deutschland wichtiger als die wirtschaftliche und finanzielle Krise des Freistaates ist, versucht die seit 1990 regierende CDU unter Ministerpräsident Kretschmer, sich mit der dramatisch geschrumpften SPD in einer Minderheitsregierung im Sächsischen Landtag wieder durchzumogeln. Stimmen von Grünen und Linken alias PDS alias SED sind der CDU Kretschmers dabei willkommen. Dafür hat der angeschlagene Regierungschef geschichtsvergessen Linksgrün intern schon Angebote gemacht.

Diese Kungelei der etablierten Parteien wollen die Freien Wähler Sachsens jetzt durchkreuzen. Am Freitag laden sie in Dresden um 11:30 Uhr im Sächsischen Landtag zur Pressekonferenz mit MP-Kandidat Berger ein. Der 56-jährige Grimmaer hat den Mut, zur Wahl am nächsten Mittwoch, den 18. Dezember 2024 anzutreten.

Der Direktkandidat der Freien Wähler Matthias Berger, er regierte über 20 Jahre als Oberbürgermeister die Muldestadt Grimma, will als Ministerpräsident von Sachsen Abgrenzungsmauern aufbrechen und mit einer Expertenregierung dem Freistaat neue Chancen eröffnen – jenseits des politischen Machtklüngels.

„Der Ernst der Lage ist im Sächsischen Landtag noch gar nicht angekommen“, findet Berger. „Ein ‚Weiter-so‘ mit Ministerpräsident Kretschmer darf es nicht geben, denn er hat uns in die jetzige Krise geführt,“ begründet der Freie Wähler seine Kandidatur im Gespräch mit Tichys Einblick. „Sachsen braucht einen politischen Neustart ohne Ausgrenzung. Diese Krise können wir nur mit Sachverstand und Experten lösen.“ Das Interesse an einer Alternative zum „Weiter-so“ sei jedenfalls groß.

„Die jetzige Lage ist doch komplett verfahren. Es geht doch nur noch um Parteipolitik und Machterhalt“, kritisiert Berger die Kungelei von CDU und SPD mit Linken und Grünen, nachdem eine Regierungsbeteiligung des BSW gescheitert war. Es sei jetzt an der Zeit, auf Parteitaktik zu verzichten und es mit einer unabhängigen Expertenregierung zu versuchen. Schließlich habe Kretschmers CDU-SPD-Grünen-Regierung eine riesige Haushaltsmisere im Land Sachsen verursacht. Bis zu vier Milliarden Euro fehlen in den kommenden zwei Jahren. Linderung ist nicht in Sicht.

Selbst der Sächsische Landkreistag (SLKT) und der Landesvorstand des Sächsischen Städte- und Gemeindetages (SSG) finden den Minderheitsentwurf des Koalitionsvertrages zwischen CDU und SPD als äußerst mickrig: „Dieser Koalitionsvertrag ist zu wenig für unser Land! Er setzt überwiegend auf ein Weiter so und sendet kaum Impulse für den Veränderungsbedarf im Freistaat Sachsen.“

Der Freistaat, die Gemeinden, Städte und Landkreise befinden sich in einer prekären Finanzsituation. „Wir brauchen ein klares Programm und entschlossenes Handeln, um Strukturreformen einzuleiten und die öffentliche Hand zu konsolidieren.“

Sachsens Wahlergebnis 01.09.2024: Die absolute Mehrheit liegt bei 61 von 120 Sitzen im Landtag

Die Freien Wähler sehen jetzt eine Chance für einen neuen Weg mit unabhängigen Experten in der Landesregierung, weil CDU- und Regierungschef Kretschmer selbst in den eigenen Reihen höchst umstritten ist. Sie wollen die Brandmauern aufbrechen und mit allen Parteien im Landtag zusammenarbeiten, insbesondere auch mit den 40 Abgeordneten der starken AfD-Fraktion.

„Für Sachsen wäre in dieser prekären Lage eine Expertenregierung die weitaus bessere Lösung als eine CDU-SPD-Minderheitsregierung, die von linken Parteien abhängig ist“, betont der Vorsitzende der sächsischen Freien Wähler Thomas Weidinger gegenüber Tichys Einblick.

Christdemokrat Kretschmer meidet jedoch diese demokratische Kultur wie der Teufel das Weihwasser. Dabei hätten CDU und AfD im Parlament nicht nur eine satte und stabile Mehrheit, sondern vor allem die größten politischen Schnittmengen. Doch eine vernünftige konservative und freiheitliche Politik will Kretschmer lieber dem Diktat durch vier linke Parteien opfern, auf die er für seine Wahl und einen Staatshaushalt angewiesen ist.

Im TE-Interview kritisierte Berger die verheerende CDU-Taktik: „Für mich ist die Brandmauer ein von Linksgrün kreiertes politisches Instrument, um die übergroße Mehrheit der konservativen Bevölkerung zu spalten, und die Union in linke Regierungsbündnisse zu zwingen.“

Ein CDU-Ministerpräsident abhängig von linksgrünen Gnaden?

Bergers Kandidatur ist somit eine Kampfansage an CDU-Kretschmer. Denn der Noch-Ministerpräsident hat bis jetzt nur die Stimmen von CDU und SPD sicher. Zu wenig für die Wiederwahl. Zudem hat er sich mit dem BSW überworfen und konservative CDU-Abgeordnete mit seinem Werben um Stimmen von Linken und Grünen verärgert.

Zumindest einigen Unionern wird klar, was die Abhängigkeit von noch mehr linken Parteien als in der Vorgängerregierung (CDU/SPD/Grüne) bedeutet. Jetzt spielen auch die Ex-SED-Genossen alias Linke mit ihrer Schutzpatronin der Linksextremen in Leipzig, der Landtagsabgeordneten Juliane „Bambule“ Nagel, eine gewichtige Rolle mit. Die SPD jedenfalls ist mit den knallroten Genossen gut befreundet.

Als Gast beim Parteitag der sächsischen Unter-Fünf-Prozent-Linken am 16. November bei Leipzig ergriff die stellvertretende Vorsitzende der sächsischen SPD, Sophie Koch, für die befreundeten Genossen das Wort. Rot-Rot-Grün sei immer noch ein schöner Wunschgedanke, schwärmte sie. Die Minderheitsregierung sei nun die beste Variante, um die AfD von der Macht fernzuhalten.

Was sie sagte: Die beste Variante sei, die SPD direkt und die drei anderen linken Parteien (Linke, Grüne, BSW) indirekt an der Macht zu beteiligen. So macht man Kretschmers CDU noch kleiner und zum Bittsteller. Denn die Linke sei fortan nicht nur Opposition, sondern spiele eine wichtige Rolle bei der Gestaltung des Landes, lobte SPD-Vize Koch ihre Partner in spe.

MP-Kandidat Matthias Berger wäre auch eine Alternative für CDU-Abgeordnete

Der Kandidat der Freien Wähler wäre somit auch für zahlreiche über Regierungschef Kretschmer zutiefst verärgerte CDU-Abgeordnete eine willkommene Alternative. Immerhin gebe es mit Bergers Wahl keine Neuwahlen und das CDU-Mandat bleibt sicher. Zudem könnten CDU-Minister in der Expertenregierung eines Ministerpräsidenten Berger eine Chance bekommen.

Kretschmers Kontrahent erhält bereits Signale anderer Parteien, ihn zu unterstützen – sowohl von der AfD als auch vom BSW und frustrierten CDU-Abgeordneten. In deren Kreisen heißt es: Man könnte Berger wählen, wenn Kretschmer im ersten Wahlgang keine Mehrheit erhält und Berger dann im zweiten Wahlgang selbst antritt.

AfD und BSW haben jedenfalls gemeinsam einen Corona-Untersuchungsausschuss im Landtag durchgesetzt, vor dem sich CDU-Ministerpräsident Kretschmer und SPD-Gesundheitsministerin Petra Köpping wegen ihrer völlig überzogenen Maßnahmen verantworten müssen.

Obendrein hat die geplante Minderheitsregierung von CDU und SPD mit nur 51 Abgeordneten keine Mehrheit. Noch-Regierungschef Kretschmer braucht für seine Wiederwahl aber 61 Stimmen. Grüne und Linke könnten aus Angst vor Mandatsverlust durch Neuwahlen 13 Stimmen beisteuern. Doch reicht das, wenn Kretschmer-Gegner in der CDU-Fraktion nicht zustimmen?

Freie Wähler, BSW und AfD hingegen kämen auf insgesamt 56 Stimmen. Für eine Wahl Bergers bräuchte es gut ein halbes Dutzend CDU-Stimmen. Nichts ist unmöglich, wie die im ersten Wahlgang gescheiterte Kandidatur von Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke für seine SPD-BSW-Regierung zeigt. Er wurde erst im zweiten Wahlgang gewählt.

Zumindest der erste Durchfaller wird aller Voraussicht nach auch Kretschmer treffen.

Aber vielleicht überrascht Matthias Berger am Freitag die Öffentlichkeit damit, dass er schon im ersten Wahlgang gegen Kretschmer als Kandidat zur Verfügung steht. Auf diese Weise könnte der Noch-MP mit seinen linken Stimmen nicht so einfach durchflutschen.

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Kommentare ( 61 )

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Zum alten Fritz
27 Tage her

Da muss wohl der Michael sich mit dem Mario auf eine Tasse Kaffee bei Oma treffen um ein Format 2+x zu entwickeln.

gladius
28 Tage her

Der Spiegel hat Tichys Einblick im Zusammenhang mit der möglichen MP Kandidatur Bergers als „rechtsgerichtetes Portal“ bezeichnet. Vielleicht sollte man denen mal klarmachen, dass Portale wie Tichys Einblick u. Ä. die Demokratie sind und der Spiegel eben nicht, schon lange nicht mehr.

Edwin
28 Tage her
Antworten an  gladius

Und wenn schon, was ist denn an der Bezeichnung rechts schlimmer als an der Bezeichnung links? Es gab in Deutschland sowohl rechte als eben auch linke Diktaturen. Das sind geschichtliche Tatsachen.

schmittgen
28 Tage her

Versuchen, bitte versuchen. Manchmal klappt’s ja auch.

CIVIS
29 Tage her

Man stelle sich nur vor, -aber allein diese Vorstellung ist für „wahre Demokraten“ ja unvorstellbar und unverzeihlich-, dass dieser Matthias Berger tatsächlich zum MP gewählt würde.

Da müsste doch tatsächlich Alt-BK Angela Merkel reaktiviert werden, damit sie mit all ihren vergangenen Erfahrungen aus Thüringen auch in Sachsen eine solche unverzeihliche Wahl nachträglich noch rückgängig machen könnte.

Also sollte der Herr Berger im Fall der Fälle mit allem rechnen ?!

Last edited 29 Tage her by CIVIS
Jens Frisch
29 Tage her

Die vier linken Parteien SPD, BSW, Grüne und Linke haben zusammen (!!!) 38 von 120 Stimmen und sprechen von einer „Minderheitsregierung“?
Allein das sollte jedem CDU Wähler zeigen, was Merkel aus der einstmals konservativen Partei gemacht hat: Einen Erfüllungsgehilfen der Sozialisten!

Franz Grossmann
29 Tage her

Die Beiträge von Olaf Opitz bei TE, vor allem auch zu sportlichen Themen sind immer sehr lesenswert.

Franz Grossmann
29 Tage her

Wen interessiert eigentlich, außer den Menschen in Thüringen, wer oder welche Parteien in Thüringen die Regierung stellen. Die CDU wird hoffentlich infolge ihrer Tricksereien und Lügen bei den nächsten Landtagswahlen in fünf Jahren an der 5% Hürde scheitern. Finanziell ist das kleine Bundesland, wie die meisten anderen kleinen Bundesländer mehr oder weniger pleite. Die neue Regierung, die sich abhängig von der Linken Partei gemacht hat, wir den Weg in die Pleite fortsetzten. Langsam müsste es selbst der letzte Wähler in Thüringen merken, dass nur eine AfD-geführte Regierung wirkliche Änderungen zum Wohle der Bevölkerung bringen wird.

AufrechtFuerDeutschland
29 Tage her
Antworten an  Franz Grossmann

Leider hat gerade die AfD kein Rezept, vor allem nicht für den Osten.Die Reise in die Vergangenheit wird keine Lösung für die Probleme von morgen sein. Und die Wirtschaft wird fort sein, wenn die AfD „das Ruder übernimmt“.
Wenn die AfD im Osten ihr sozialpolitisches Programm umsetzen würde, wäre sie sofort wieder weg vom Fenster!

Gerro Medicus
30 Tage her

So wünschenswert es wäre, Herrn Berger als Ministerpräsidenten zu haben: ist es denn auch realistisch? AfD hat 40 Sitze, also müsste das BSW geschlossen und aus der CDU wenigstens noch 6 Abgeordnete für ihn stimmen. Schon beim BSW bin ich skeptisch. Die haben sich sowohl mit der CDU (Thüringen) als auch in Brandenburg (SPD) mit den Altparteien ins Bett gelegt.Diese Koalitionen wollen sie sicher nicht gefährden. Außerdem schielen sie schon auf die Bundestagswahl (so die denn kommt). Da können sie sich vermeintlich keine Mehrheiten zusammen mit der AfD leisten. Nee, das wird nix mit Herrn Berger. Aber wenigstens kann er… Mehr

PulsarOperator
30 Tage her

Gerüchteweise soll in Potsdam der Knoblauch ausverkauft sein, weil offensichtlich einige aus der Nosferatu-Partei Woidke gewählt haben. Dasselbe könnte auch in Dresden drohen.

RobertF
30 Tage her

Viel Erfolg, Herr Berger!
Das nenne ich mal Mut und Tatkraft! Ich wünsche dem Kandidaten der Freien Wähler, dass er sächsischer Ministerpräsident wird. Das wäre der richtige Tritt vors Schienbein für die schwarz-linken Altparteien in Sachsen.