Ampel-Koalition: Wie das Kabinett aussehen könnte

Wenn es um neue Regierungen geht, verbreiten Parteien gerne ihre Plattitüden: Es gehe ihnen in erster Linie um Inhalte. Intern spielen Ministerien und Posten jedoch die Hauptrolle.

IMAGO / Jan Huebner
In einer Ampel-Koalition wären die vier Vorderen Christian Lindner, Olaf Scholz, Annalena Baerbock und Robert Habeck als Kabinettsmitglieder gesetzt.

In den Supermarktregalen bieten Händler derzeit schon auffällig viel Pfefferkuchen und Spekulatius an, obwohl die Weihnachtszeit noch in der Ferne liegt. Für eine Ampel-Koalition von SPD, FDP und Grünen sind zwar noch keine Schaltungen vorgenommen, aber selbst laufende Sondierungen für ein solches rot-grünes Bündnis mit dem Beistand von Liberalen lassen in diesen Tagen schon einige Spekulationen zu.

Ein neues Bundeskabinett könnte wie bisher aus 16 lukrativen Posten bestehen. Denn warum sollte ausgerechnet ein so fragiles Neu-Bündnis wie eine Ampel einen personellen Einsparwillen zeigen? Schließlich müssen drei sehr verschiedene Parteien mit ministerieller Macht befriedigt werden. Es gehe ja um die Umsetzung der „eigenen Inhalte“ – so in etwa könnte man dies dem Wahlvolk verkünden.

Damit die Parteivorderen aus den Sondierungen dieser Woche später eine Ampel-Koalition verhandeln können, haben sie für jeden Partner wohl im Vorfeld bereits ein paar Erfolge vereinbart: So soll die SPD eines ihrer Kernprojekte bekommen – den Mindestlohn von 12 Euro in der Stunde für Arbeitnehmer. Der FDP-Forderung nach einem Super-Abschreibungsprogramm für klimafreundliche Technologie-Investitionen sind die anderen beiden nicht abgeneigt. Auch die Grünen könnten für noch mehr Einwanderung einen Spurwechsel von Asyl- in Erwerbsmigration, weniger Abschiebungen und dauerhafte Aufenthalte zugebilligt bekommen.

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Obendrein verfügt eine Ampel mit 416 Mandaten – sie wäre ein Novum für eine Bundesregierung – über eine größere Mehrheit im Bundestag als die Wiederauflage einer GroKo. Die absolute Mehrheit liegt bei 368. Außerdem: Wenn sich Deutschland schon den größten Bundestag aller Zeiten mit 735 Mandatsträgern statt 598 vorgeschriebenen leisten kann, wird wohl auch ein mindestens so großes Kabinett wie bisher drin sein. Nicht wahr? Doch vielleicht überrascht uns Bürger ja noch das Zitrus-Element in der Ampel mit tatsächlichem Veränderungswillen zur Ressorteinsparung. FDP und Grüne haben ja versprochen: „Wir wollen einen Aufbruch organisieren.“

Wir rechnen derzeit lieber mal mit dem Schlimmsten oder besser mit den meisten Posten. Bislang gibt es wie in Angela Merkels Bundesregierung 16 zu verteilen: Den Kanzler und seinen Kanzleramtsminister stellt in einer Ampel die SPD. 14 weitere Minister warten auf ihre Ressorts. Doch wie werden sie verteilt?

Oft dient dazu in Verhandlungen intern ein halbwegs adäquater Prozentschlüssel, ermittelt durch die Ergebnisse. So erreichten die SPD 25,7 Prozent, die Grünen 14,8 Prozent und die FDP 11,5 Prozent bei der Bundestagswahl. Insofern könnte etwa für je 3,5 Prozent ein Ministerposten herausspringen. Danach bekämen die FDP drei, die Grünen vier und die SPD acht plus den Kanzler. FDP und Grüne könnten durchaus auch je ein Ressort mehr erhalten, doch das würde auf Kosten der SPD gehen und die Kanzlerpartei schwächen. Daran glauben wir zunächst nicht.

Personal statt Inhalte geht natürlich auch

Die SPD bietet also Vizekanzler Olaf Scholz jetzt als Regierungschef an, dazu darf er noch seinen Kanzleramtsminister stellen. Der Name seines vertrauten Staatssekretärs im Bundesfinanzministerium Wolfgang Schmidt (SPD) macht hier die Runde. So könnten zwei SPD-Finanzer einen Bundeskassenwart von der FDP unter Fernkontrolle halten. Arbeits- und Sozialminister Hubertus Heil dürfte womöglich weitermachen, damit das Ampel-Kabinett nicht nur aus Neulingen besteht. Einen Innenminister könnte die SPD womöglich aus den Ländern wie Niedersachsen oder Rheinland-Pfalz rekrutieren.

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Bestimmt wird jedoch das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat wieder zerrissen. Denn Heimat ist für Sozis zu national und geht sicher gar nicht. Der größte Brüller wäre natürlich, wenn der Corona-Paniker Karl Lauterbach – im Netz als „Klabauterbach“ verspottet – für seinen direkt gewonnenen Wahlkreis Leverkusen / Köln-Mülheim (45,6 Prozent) mit dem Posten des Gesundheitsministers belohnt würde. Dann lacht er all seine Kritiker aus. Vielleicht dringt durch die neue Macht der Jusos auch noch der abgebrochene Student und Parteivize Kevin Kühnert ins Kabinett vor. Zumindest sollte endlich mal ein richtig lukrativer Job als Parlamentarischer Staatssekretär drin sein. Das Ministerium ist dabei fast egal. Aber auch die Antifa an der SPD-Spitze in Person von Parteichefin Saskia Esken harrt einer Befriedigung durch Posten. Die Antwort weiß vorerst nur der Wind oder Olaf Scholz.

Bei den Grünen sind die vorderen Figuren ziemlich sicher aufgestellt. Der grünen Kanzlerkandidatin und Parteichefin Annalena Baerbock könnte man die verlorene Wahl mit dem Auswärtigen Amt versüßen. Sie kommt ja nach eigenem Bekunden „eher aus dem Völkerrecht“. Ihr profilierter Amtskollege und Spitzenkandidat Robert Habeck könnte einem Ressort für Klima/Energie/Umwelt vorstehen. Regierungserfahrung hat der Schriftsteller aus Lübeck in Schleswig-Holstein schon als Vize-Ministerpräsident und Minister für Energiewende, Landwirtschaft, Umwelt und Natur sammeln können. Ob Fraktionschef Anton Hofreiter noch die Autofahrer als Verkehrsminister überrascht oder Realo Cem Özdemir noch mal irgendwo ans Ruder darf, bleibt abzuwarten.

In den Reihen der FDP rechnen Insider derzeit mit drei Ministern. Wollen die Freidemokraten nicht wie 2009–2013 untergehen, müssen sie sich diesmal das Bundesfinanzministerium mit Parteichef Christian Linder an der Spitze sichern. Dessen Chefunterhändler und Generalsekretär Volker Wissing könnte das Justizressort übernehmen. Mit Finanzen und Justiz hätte die FDP ressortübergreifende Kontrolle und Einfluss auf andere Ministerien. Zudem gilt die hessische Bundestagsabgeordnete Bettina Stark-Watzinger als qualifizierte Kandidatin für ein digital aufpoliertes Bildungs- und Forschungsministerium. Hinzu kommen Möchtegernminister wie Agnes Strack-Zimmermann (Verteidigung), Alexander Graf Lambsdorff (Entwicklungshilfe) oder der profilierte Michael Theurer (Wirtschaft). Die ersten beiden sind recht unwahrscheinlich. Wenn die FDP den Finanzminister stellt, gehört dann der Wirtschaftsminister in der Regel kaum noch zum Paket.

Nicht nur im Bundestag, sondern selbst in Kreiszeitungen geistern schon Kabinettslisten herum. Gesetzt sind in solchen Fällen nur die vier Parteivorderen Scholz, Lindner, Baerbock und Habeck. Die anderen Mitspieler müssen dann auf die nächtlichen Entscheidungen ihrer Übungsleiter warten.

Keine Ampel ohne grüne Bundespräsidentin?

Glosse
Fangt endlich an mit der Ampel – aber richtig
Damit nicht genug: Eine wichtige Personalie, ohne die eine Ampel höchstwahrscheinlich keine Zukunft hat, ist das Amt des nächsten Bundespräsidenten. Falls die FDP nicht völlig im Bündnis mit den Rot-Grünen untergehen will und den Liberalen das Finanzministerium sowie der Verzicht auf große Steuererhöhungen zugestanden werden, dann hat die kleine Zitrus-Koalition bestimmt schon über die nächste Bundespräsidentin gesprochen. Ja, sie könnte ziemlich sicher eine Frau wie Grüne sein und Katrin Göring-Eckardt heißen. Wenn die SPD den Kanzler stellen will, wird sie wohl oder übel auf diesen Deal eingehen.

Einem designierten Kanzler Olaf Scholz fällt es bestimmt nicht schwer, seinen Genossen Frank-Walter Steinmeier vom Interesse an einer zweiten Amtszeit abzubringen. Denn der 65-jährige Steinmeier, so in etwa könnte Scholz wie die Volksbanken in ihrer Werbung argumentieren, würde doch sicher in einer Ampel-Koalition neue Horizonte sehen und für diesen „Aufbruch“ den „Weg frei“ machen.

Schließlich hätte die nächste Bundesversammlung am 13. Februar 2022 derzeit 1.470 Sitze. Die Ampel-Fraktionen brächten es darin auf eine Mehrheit von 776 Stimmen. Die grüne Fraktionschefin Göring-Eckardt könnte so als erste Frau zur Bundespräsidentin gewählt werden. Im Gegenzug erkauft sich die FDP dafür mehr Beinfreiheit in einer Bundesregierung mit SPD und Grünen. In der Politik geht es eben nicht nur um Inhalte, sondern vor allem um Macht und ums Geschäft.

Jetzt wird erst noch sondiert und dann in den nächsten Wochen verhandelt. Das Ergebnis kann jedoch noch viele Wochen auf sich warten lassen. Eine neue Bundesregierung vor Weihnachten wäre kein Wunder, aber zumindest eine kleine Überraschung – siehe Grafik.

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Kommentare ( 28 )

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thinkSelf
3 Jahre her

Besonders lustig finde ich den mehrfach eingeflochtenen Running Gag, die FDP würde irgendwas auf dem kürzesten Weg in den Steinzeitsozialismus „verhindern“. Z.B. massive Steuer- und Abgabenerhöhungen. Wieso jemand so was von der sozialistischen Partei für Anzugträger erwartet erschließt sich mir nicht.

Anti-Merkel
3 Jahre her

SPD und Grün*innen wollten schon immer mehr, nicht weniger, Ministerien, die sie mit ihren Marionetten besetzen können. Von den Grün*innen wird die Forderung nach Klima-, Gender-, und Transministerien kommen, die SPD will dann zum Ausgleich neue Posten als Umverteilungs-, Gegen-Räächts- und Lockdownminister (letzteres geht an Superminister Lauterbach, um einfache Gesundheitsthemen ausser dem Killervirus kann sich dann einer seiner Lakaien im trotzdem weiter bestehenden Gesundheitsministerium kümmern). Die FDP macht das natürlich nur mit, wenn sie auch ein paar zusätzliche Posten verteilen können. Die FDP bekommt dann das neu geschaffene Umfallerministerium (das dann auch international dafür verantwortlich ist, in Fragen wie UN-Migrationspakt… Mehr

Peter Gramm
3 Jahre her

jeder, der sich heute noch die Ochsentour eines Studiums mit Abschluß antut sollte gewarnt sein. es geht auch völlig ohne. Üppige Entlohnung wartet. Quali ist nebensächlich, sich widersprechende Lebensläufe kein Problem, berufliche Expertise entbehrlich, Insolvenzen, Pleiten Pech und Pannen, aber ich hab’s halt versucht ging schief aber als Minister*In weiss ich wie’s geht. Man muß nur fest daran glauben. Deutschlands Regierende ein el dorado für all Diejenigen die diese Kriterien erfüllen. Alles ein bisschen ….“ich hab’s vergessen, bedaure einen Fehler gemacht zu haben, kommt nicht mehr vor, ach ja, habe ich auch noch vergessen usw usf………“ Strom kommt aus der… Mehr

Joerg Plath
3 Jahre her

Nun ja, die SPD faselt von der „notwenigen Transformation“… Tut mir leid, das erinnert mich an die große Transformation der Kommunisten.

Nibelung
3 Jahre her

Nun möchte ich niemand zu nahe treten, aber das Weihnachtsgebäck wird schon seit Jahren ab Sept. angeboten und hat sicherlich mit Engpaß oder anderen Imponderabilien wenig zu tun. Was aber auch völlig egal ist und ob Weihnachten ein Reinfall wird oder wer wen beerbt ist doch nebensächlich, denn der alimentierte Wähler, wie die Rentner, die Beamtenschaft und die Hartzer haben entschieden und die wollen sich nichts nehmen lassen und somit müssen alle anderen bluten, die noch noch einer anderen Arbeit nachgehen, wo man sich noch bewähren muß und nicht in der Hängematte liegt bis zum Ableben, der eine früher der… Mehr

W aus der Diaspora
3 Jahre her

Ich denke, dass die Grünen das Wirtschaftsministerium beanspuchen werden, dort können sie dann wunderbar mit Zuckerbrot und Peitsche die Wirtschaft ergrünen lassen.
Dort seh ich auch Annalenchen eher als in der Außenwirtschaft. Dann werden die Grünen garantiert das Digitalministerium beanspruchen. Kühnert kann wiederum Verkehrsminister werden und Esken benötigt ein komplett neu zu schaffendes Ministerium, Das muss einen wohlklingenden Namen haben und möglichst viel Außenwirkung also viel Auftritte in den Medien. Wie wäre es mit Heimat und Kulturministerium? Da hätte sie zudem jede Menge Möglichkeiten Antifa und NGOs zu pampern.

moorwald
3 Jahre her

Annalena als Außenminsterin. Ich stelle mir vor, wie die mit Putin oder Biden zusammenrtrifft.
Die können hinterher sagen: You made my day…

Epiktet
3 Jahre her

Christian Lindner. Denn: Besser Ministerposten in der Vita als gar keinen Dienstwagen…

Lars Baecker
3 Jahre her

Hängt ja immer von den Abgeordneten ab, ob sie alles abnicken oder nicht…

Amerikaner
3 Jahre her

Nun ist es schon ein Erfolg für die sog. Liberalen, wenn sie im Land mit den höchsten Steuern der Welt keine weiteren Erhöhungen zulassen. Dieses Land ist ein komplettes Tollhaus geworden.