Kleine Kernreaktoren könnten die Stromerzeugung der Zukunft prägen

Kleine Kernkraftwerke dürften für andere Länder, zum Beispiel die Niederlande, ein wichtiger Teil künftiger Energieversorgung werden. So genannte Small Modular Reactors (SMR) könnten den Neubau von Stromleitungen teilweise überflüssig machen. In Deutschland bleibt man bei ideologischer Ignoranz. Von Wolfgang Kempkens

IMAGO / Cover-Images
Modellbilder Rolls Royce: Kleine modulare Reaktoren (SMR) sind Kernspaltungsreaktoren, die kleiner sind als herkömmliche Kernreaktoren.

Seit 20 Jahren wird das Kernkraftwerk Stade an der Elbe zurückgebaut. Sein Zwillingsbruder Borssele in den Niederlanden, der wenig später fertiggestellt wurde, erzeugt dagegen immer noch zuverlässig Strom. Und das bis mindestens 2034, wenn er 61 Jahre alt wird. Die Niederlande wollen auf Kernkraft nicht verzichten, wenn es zwischenzeitlich auch mal danach aussah. Doch der Klimawandel hat die Politiker im Haag bekehrt. Jetzt planen sie sogar neue Anlagen, um von fossilen Brennstoffen wegzukommen.

„Atomkraft hat eine relativ gute CO2-Bilanz“, sagt Christoph Pistner vom Öko-Institut in Freiburg. Doch anders als die Niederlande hält er sie dennoch nicht für „eine zukunftsfähige Klimaschutztechnologie“.

Die an Deutschland angrenzende niederländische Provinz Limburg ist bereits aktiv auf der Suche nach Standorten für neue Reaktoren. Zwar hat die Verwaltung festgestellt, dass es dort nirgends Platz für ein großes Kernkraftwerk mit 1600 Megawatt gibt, wie sie in China und Finnland bereits laufen. Doch für Kleinanlagen ab 50 Megawatt, die in der Nähe von großen Verbrauchern errichtet werden sollen, um Leitungen einzusparen, dürfte sich allemal ein Plätzchen finden lassen, vielleicht sogar mehrere. Die Suche übernimmt eine neu gegründete „Allianz für Kernenergie“, in der Unternehmen, Behörden und Wissenschaftler vertreten sind, wie der für Energie und Klima zuständige Provinz-Kommissar Maarten van Gaans-Gijbels mitteilte.

Die Provinz geht davon aus, dass sich der Stromverbrauch in der Region mit der Hauptstadt Maastricht und rund 1,1 Millionen Einwohnern bis 2030 verdreifacht. „Wir wollen weg von fossilen Energieträgern“, verlautet von van Gaans-Gijbels. „Bei der Suche nach einem neuen Energiemix hat die Kernenergie einen festen Platz.“ Während, wie in Deutschland, in Küstennähe sehr viel Windstrom produziert wird, kommt davon um Südosten des Landes mangels Fernleitungen wenig an. So genannte Small Modular Reactors (SMR), die in den USA und vom britischen Turbinenhersteller Rolls-Royce entwickelt werden, könnten den Neubau von Stromleitungen ganz oder teilweise überflüssig machen.

SMR haben mehrere Vorteile, jedenfalls in der 50/100-Megawatt-Klasse. Da sie so klein sind, dass sie mit Schwertransportern auf Straße oder Schiene zum Bestimmungsort gebracht werden können, lassen sie sich in einer Fabrik komplett fertigstellen und testen. Das reduziert die Kosten, weil keine aufwändigen Anlagen zum Aufbau vor Ort errichtet werden müssen. Ein derartiges Kraftwerk entwickelt das US-Start-up Nuscale Power in Corvallis im Bundesstaat Oregon. „Voygr 12“, wie die Anlage heißt, hat eine Leistung von 77 Megawatt. An einem Standort sollen mehrere Anlagen installiert werden können.

Rolls-Royce hat einen weit größeren Druckwasserreaktor entwickelt, der aber noch als SMR gilt. Er hat eine Leistung von 470 Megawatt. Die Einzelteile eines Blocks sollen sich mit Lkw oder per Bahn transportieren lassen und auf der Baustelle lediglich zusammengefügt werden. Das Unternehmen denkt an eine Massenproduktion. Der Reaktortyp soll im kommenden Jahr in Großbritannien zugelassen werden. Fünf Jahre später geht die erste Anlage in Betrieb, so der Plan. Polen hat schon Bedarf angemeldet, um die Dekarbonisierung voranzutreiben.

In den Niederlanden sollen Neuanlagen erst gebaut werden, wenn anderswo bereits SMR realisiert worden sind. Wenn alles so läuft wie sich Rolls-Royce das vorstellt, könnten die Niederlande ihre Rückkehr zur Kernenergie etwa 2035 feiern.

Am 24. Februar 2023 startete Natural Resources Canada (NRCan) das Enabling Small Modular Reactors Program (SMRs-Programm), um die kommerzielle Entwicklung von kleinen modularen Reaktoren (SMRs) zu finanzieren.

Die französische EDF hat mit den italienischen Unternehmen Ansaldo Energia, Ansaldo Nucleare und Edison eine Absichtserklärung unterzeichnet, um eine mögliche industrielle Zusammenarbeit bei der Entwicklung der Kernenergie in Europa, einschließlich Italiens, insbesondere im Bereich der kleinen modularen Reaktoren (SMR) zu prüfen.

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Kommentare ( 30 )

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Peterson82
1 Jahr her

Für alle die immer noch glauben dass hier irgendeine Art von Zukunftsfähigkeit liegen könnte:
Das Projekt ist gescheitert…
https://winfuture.de/news,139513.html

Endlich Frei
1 Jahr her

Deutschland wird bei der klimafreundlichen, sicheren Kernkraft nicht dabei sein und stattdessen künftig Strom aus schmutzigen polnischen Braunkohlekraftwerken – oder Steinkohle aus kolumbianisch Lützerath beziehen. Ein Rückschritt auf ganzer Linie – auch wenn man Deutschland flächendeckend mit disfunktionalen Windrädern zuzustellen beabsichtit.

Donostia
1 Jahr her

Das Problem für uns Deutsche ist nicht , dass sowohl die Ampelregierung als auch die CDU in der Energiepolitik völlig versagt. Das Problem für uns Deutsche ist, dass wir das selber wählen.

Haerter
1 Jahr her

Klimaschutztechnologie“, man muss Schwachsinn nur oft genug wiederholen, bis keine mehr drüber nachdenkt und es in den allgemeinen Wortschatz übergeht. Das hat in der DDR auch begrenzt gut geklappt.

Ohanse
1 Jahr her

Ich kenne mich mit den sonstigen Lebensverhältnissen in den Niederlanden nicht aus. Aber wenn die alles Andere auch so vernünftig angehen wie ihre Energieversorgung, dann müsste man mal überprüfen, ob es sich dort nicht besser leben lässt als hier. Liegt ja außerdem direkt vor der Haustür.

MichaelR
1 Jahr her

Würde man in D endlich mal anfangen sich mit der Technik zur Wasserstofferzeugung zu befassen, hätten wir gewaltige Mengen an Stahl, Beton, Kupfer und Keramik einsparen können, also auch Überland- und Erdkabel. Der »Trick« wäre nämlich, dass man jedes Gebäude mit einer eigenen Brennstoffzelle bestückt und Wasserstoff dann direkt aus der Luft gewonnen werden kann; dazu reicht eine 5 %ige Luftfeuchtigkeit völlig aus. Die Technik dafür gibt es bereits. Alle Haushalte, Behörden sowie andere öffentlichen Einrichtungen wären demnach völlig unabhängig von einem Stromnetz, das irgendwann einen Kollaps erleidet, wenn man so weiter macht. Die Universität Bielefeld hat es vor über… Mehr

BerlinWarMalSehrSchoen
1 Jahr her

„Polen hat schon Bedarf angemeldet, um die Dekarbonisierung voranzutreiben.“
Wohl eher,

  • weil man erwartet, dass sich der Betrieb dieser Anlage im Markt rentierte (z.B.Stromexporte nach Deutschland; billige Energie für eigene Industrie), und
  • weil eine landesweite Diversifizierung mit den günstigsten Stromquellen die beste Absicherung gegen Marktverwerfungen im Energiemarkt ist, und
  • weil einige Politiker dort tatsächlich unbedingt einen regelmäßigen möglichen Zugriff auf Technik und Material haben wollen, due eine Atomwaffenproduktion zumindest vorbereiten könnten. (Auch wenn das Tagträumereien sind, da die USA vorher den Finanz- und Sicherheitsstecker ziehen würden, bzw mittels Erpressung und Intrigen einen Regierungwechsel betreiben würden.)
Last edited 1 Jahr her by BerlinWarMalSehrSchoen
Der Ketzer
1 Jahr her

Welche Vorteile – außer vielleicht den wirtschaftlichen – hat der SMR etwa im Vergleich zum Dual Fluid Reaktor, der z.B. vorhandene ausgemusterte Brennstäbe soweit weiternutzen können soll, dass der verbleibende Atom-Müll lediglich noch 300 Jahre braucht, bis er auf ein natürliches, ungefährliches Strahlungsniveau „abgekühlt“ ist?
Über SMR ist zu lesen, dass sie auf Technik aus den 50er Jahren beruhen … „High Tech“?

D. Ilbert
1 Jahr her
Antworten an  Der Ketzer

Grundsätzlich: die Idee des DFR finde ich toll.

Leider existiert der heute nur rechnerisch als Modell. Meines Wissens wird z.Zt. Geld eingeworben um einen Prototyp bauen zu können.

Meine Befürchtung: die Idee ist so gut, daß sie ein ähnliches Erfolgsmodell zu werden droht wie der Fusionsreaktor. Egal, wann ich nachfrage: in 30 Jahren wird er betriebsbereit sein. 😉

andreas
1 Jahr her
Antworten an  D. Ilbert

Ich sehe da einen großen Unterschied zur Fusion. Der DFR ist theoretisch und auch praktisch durch Vorläufer schon viel näher an der Realisierung als Fusionsreaktoren. Bisher wurde für den DFR vergleichsweise noch „fast Null“ ausgegeben. Im Vergleich zu den Steinzeittechniken der „Energiewende“ sind die erwartbaren Ergebnisse um das zehn- bis hundertfache besser.

D. Ilbert
1 Jahr her
Antworten an  D. Ilbert

Wenn so etwas wie der „dual fluid reactor“ in den Raum gestellt wird, läßt mich das nur schwer wieder los. Das „dual fluid system“ ist nichts wirklich Neues. Bereits in den 1970er Jahren wurde dieses Prinzip in England erforscht und Mitte der 70er Jahre „zu den Akten“ gelegt. Meine Skepsis bezieht sich hierauf: 1. Kernspaltung 1938, 1. Atombombe (Trinity) 1945, 1. funktionierender Prototyp eines KKW 1951. Also 13 Jahre Forschung, wahrscheinlich mit Unterbrechung. Bei „dual fluid“ wird seit 1969 geforscht und noch immer gibt es keinen Prototyp. Die Probleme scheinen so groß zu sein, daß man die auch nach 50… Mehr

dienbienphu
1 Jahr her
Antworten an  Der Ketzer

Ich sehe da auch keine Vorteile. Gerade bei Kernkraftwerken spricht doch einiges für eine Zentralisierung. So kann man die Standorte besser absichern, Bündelung von Ressourcen, etc. Woher kommt die Idee, dass Niederlande darauf setzen würden? Die planen aktuell zwei neue Kernkraftwerke. Aktuell haben die Niederlande ein Kernkraftwerk. Schön am Meer gelegen für effektive Kühlung. Für ein Land dieser Größe ist das wohl ausreichend. Energieversorgung kann so einfach sein. Oder so schwierig, siehe Deutschland.

Last edited 1 Jahr her by dienbienphu
Dr.KoVo
1 Jahr her

Ist es im Zusammenhang mit den SMR ein Öko Institut zu zitieren? Auch der landläufige Begriff „fossil “ im Zusammenhang mit Öl, Gas und Kohle sollte vermieden werden. Kohlenwasserstoffe würde die Sache besser treffen. Es ist keinesfalls geklärt, ob Erdöl aus verwesten Sauriern stammt. Wohl eher vom Methan aus dem Erdinneren.

Carlos
1 Jahr her

Wie gut könnte es uns gehen, wäre Merkels Amtszeit auf 8 Jahre begrenzt gewesen. Kein Atomausstieg, keine Abhängigkeit von Russen-Gas, dafür eigene Kernkraftwerke und Erdgas durch Fracking. Sichere Energie auf Jahrzehnte hinaus. Und das alles zum Spottpreis. Jetzt haben wir die Grünen an der Backe und steuern mit Riesenschritten auf den Abgrund zu.

DELO
1 Jahr her
Antworten an  Carlos

Merkel und ihr Sozialismus hat eben ganze Arbeit geleistet. Und die dummen Zipfelmützen sind ihr noch hinterher gerannt.

ssasse
1 Jahr her
Antworten an  Carlos

Seien Sie getröstet es dauert nicht mehr so lange. So oder So. Ich kann mich hier nur wiederholen. Entweder wird Deutschland fertig mit den Grünen, oder die Grünen werden fertig mit Deutschland. Das Ergebnis scheint derzeit eindeutig determiniert zu sein. Mal aufhören zu arbeiten und die Show genießen.