Wenn öffentlich-rechtliche Journalisten twittern und posten

Die Öffentlich-Rechtlichen sollten ihre Mitarbeiter weiter Social Media bespielen lassen. Denn nichts widerlegt die angebliche öffentlich-rechtliche Ausgewogenheit besser als Mitarbeiter, die „privat“ so klar Flagge zeigen.

John MacDougall/AFP/Getty Images

Der staatliche Österreichische Rundfunk (ORF) will nicht, dass seine Redakteure auf Twitter oder Facebook ihre private politische Meinung äußern. Eine entsprechende Dienstanweisung soll ihnen das von Herbst an untersagen. Denn den ORF-Oberen gefällt nicht, dass bekannte und weniger bekannte TV- und Hörfunkredakteure Partei ergreifen. Das könnte, so die Befürchtung, die „Objektivität, Unparteilichkeit und Unabhängigkeit des ORF konterkarieren.“

Bei ARD und ZDF gibt es solche Pläne nicht. Und das ist auch gut so. Wenn nämlich Angestellte der öffentlich-rechtlichen Anstalten twittern und posten, geben sie bisweilen unmissverständlich zu verstehen, wes Geistes Kind sie sind, wo sie politisch stehen und wie man auch von ihnen produzierte „Nachrichten“ und „Berichte“ einzuordnen hat.

Die meisten Journalisten, die in den Social Media unterwegs sind, betonen, dass die geäußerte Meinung ihre „private“ sei, also keine offizielle Äußerung ihres Senders. Das ZDF schreibt seinen Mitarbeitern sogar ausdrücklich vor, klarzustellen, „dass es sich bei einem Post um eine persönliche Einschätzung handelt und nicht um eine Position des ZDF“. So weit, so gut – und eigentlich selbstverständlich.

Ach du mein Mainstream du
Oden an Robert - Wenn der Mainstream tanzt
Wenn also bekannte Moderatoren und Kommentatoren von Fernsehen und Hörfunk sich auf ihren privaten Accounts privat äußern, drängt sich gleichwohl die Frage auf, ob deren private Meinung sich von der dienstlichen, also der gesendeten, unterscheidet, ja sich überhaupt unterscheiden kann. Ist es eigentlich vorstellbar, dass ein ARD-Mann oder eine ZDF-Frau als Moderatoren Seehofers Pläne für Transitzentren loben, sie aber privat mit Abscheu und Empörung verurteilen? Theoretisch ja. In der Praxis ist jemand mit zwei unterschiedlichen Meinungen zum selben Thema entweder ein gnadenloser Opportunist, der „auf Sendung“ anders redet, als er denkt. Oder es handelt sich um eine schwere Bewusstseinsstörung, also um einen Fall für den Arzt.

Gemäß der alten Sponti-Parole ist bekanntlich „auch das Private politisch“. Das zeigte sich beispielsweise Anfang des Jahres, als Tina Hassel auf Twitter geradezu jungmädchenhaft von den neuen Stars der Grünen schwärmte: „#Baerbock wird mit viel Applaus zur Wahl getragen, beim Rennen um #Parteivorsitz. Erfrischend lebendig, angesichts der lahmen #Groko Protagonisten #bdk18“, twitterte sie. Und legte kurz darauf nach: „Frische #grüne Doppelspitze lässt Aufbruchsstimmung nicht nur in Frankreich spüren. #Habeck und #Baerbock werden wahrgenommen werden! #Verantwortung kann auch Spaß machen u nicht nur Bürde sein Wichtiges Signal in diesen Zeiten! #bdk18.“ (27 Januar).

Hassels Lobpreisung der Grünen fiel dem Welt-Redakteur Robin Alexander auf, der sich darüber lustig machte. „Leider berichte ich nicht über @Die_Gruenen. Aber zum nächsten Parteitag fahre ich trotzdem. Diese Begeisterung, die aus den Tweets vieler Journalisten spricht, möchte ich auch einmal empfinden. #bdk18.“ Die „private“ Tina Hassel war wohl so auf dem Grünen-Trip, dass sie Alexanders Ironie nicht wahrnahm und bierernst antwortete: “Ich war da, Robin, und kann das nur bestätigen. Mal sehen, wie lange es hält.”

Ein anderes Beispiel. ARD-Mann Georg Restle macht aus seiner politischen Positionierung auch auf Twitter keinen Hehl. Schließlich lehnt er einen „Journalismus im Neutralitätswahn“ ab und plädiert für einen „werteorientierten Journalismus“, also einen parteiischen. Wie „Werteorientierung“ aussieht, verbreitete Restle kürzlich per Tweet: „Seehofer will Boote der Seenotretter festsetzen, während Flüchtlinge im Meer ertrinken. Das humanitäre Drama europäischer Flüchtlingspolitik verkommt zur Fußnote im erbärmlichen Machtpoker von CDU/CSU und der EU-Regierungschefs.“ (30. Juni). Oder: „Während CDU/CSU ein erbärmliches Schauspiel aufführen, ertrinken wieder hunderte Flüchtlinge im Mittelmeer. Und in Malta werden Schiffe der Seenotretter festgesetzt. Auch das gehört zu Seehofers Plan.“ (2. Juli).

Trotzdem: Die öffentlich-rechtlichen Anstalten sollten ihre Mitarbeiter weiterhin die Social Media-Kanäle bespielen lassen. Denn nichts und niemand widerlegt das angebliche Bemühen um öffentlich-rechtliche Ausgewogenheit eindrucksvoller als Mitarbeiter, die „privat“ so klar Flagge zeigen. Lasst sie also twittern und posten. Denn: „Die Wahrheit ist den Menschen zumutbar“ (Ingeborg Bachmann).

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Kommentare ( 37 )

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giesemann
6 Jahre her

Was tun mit Herbert Wehner selig? Sagen wir den Tinas, Maybrits, Sandras, Angelas, dunjas, der ganzen Wirtschaft einschließlich der (… „mein Jott, wat sin‘ de Männer dumm“ nach Claire Waldoff): Meine Damen, das ist nicht radikal, das ist ridikül (O-Ton Wehner).
Und der Trump bekommt den Zaun nach Mexiko, die Merkel Grenzschutz (n)irgendwo.
Brave new world.

F.Peter
6 Jahre her

Das einzige was nicht nur mir gewaltig stinkt, ist, dass solche Ideologen wie dieser Restle, der sich auch noch Journalist nennt, von den Zwangsgebühren alimentiert werden, die alle in diesem Land zahlen müssen. Und mir kann keiner erzählen, dass Journalisten – zumindest die überwiedende Zahl derer, die derzeit aktiv sind – ihre Themen und Themensetzungen nicht nach ihrer persönlichen Einstellung aussuchen. Ich erinner an die Aussage einer Hayali, die sich mit dem Argument aus der Schlinge der einseitigen Berichterstattung ziehen wollte, indem sie äußerte, man könne sich ja mal selbst ansehen, was da morgens auf dem Redaktionstisch liegt. Dass sie… Mehr

Dr. Mephisto von Rehmstack
6 Jahre her

Werteorientierter Journalismus lag unzweifelhaft auch beim „Stürmer“ von Julius Streicher vor, oder der „Prawda“ oder beim „Neuen Deutschland“. Das Problem ist also die Definition der Werte, an denen man sich orientiert: das „humanitäre Drama im Mittelmeer“ kann ebensogut daher rühren, daß Menschen verführt werden, sich in Schlauchboote, die so hochseetauglich wie Trekkerreifen sind, zu setzen, in der zugesicherten Erwartung umgehend von NGO Booten aus so selbst herbeigeführter „Seenot“ gerettet zu werden und nach Erreichen von Deutschland ein bedingungsloses Grundeinkommen zu erhalten, daß in Africa eine ganze Sippe ernähren kann? Und das um den Preis vieler Toter und Vernachlässigung derer, die… Mehr

Dr. Mephisto von Rehmstack
6 Jahre her

weiter: wenn ein Staat eine solche Lotterie ermöglicht, macht er sich zur wichtigsten Fluchtursache. Wenn Migranten 18 Milliarden Euro in ihre Heimatländer überweisen können, warum sollte dann ein afrikanischer Potent seine stärksten Devisenbringer zurücknehmen? Könnte er nicht verführt werden, sich auf diesem Wege seiner eher unbeliebten und unproduktiven Landsleute zu entledigen, auch die in den Gefängnissen?
Wer diese Kausalitäten nicht sieht und nicht anprangert ist entweder dumm oder wertelos oder beides.

Karl Heinz Muttersohn
6 Jahre her

Ich brauche keine Tweets oder Facebook Einträge, um zu erkennen was der Staatsfunk und die übrige Hofberichterstattung an Inhalten transportiert.

Apokalypsis
6 Jahre her

Egal ob private oder öffentlich-rechtlich geäußerte Meinung von „Jounralisten“, es geht immer um die veröffentlichte Meinung (also die Meinung / Ideologie weniger Kommunikationsmultiplikatoren) und nie um die öffentliche Meinung, also die Meinung des Volkes. Die öffentliche Meinung soll natürlich durch die veröffentlichte Meinung gesteuert, manipuliert oder auch erst erzeugt werden. Deswegen machen sich die Protagonisten der ÖR ja so viel Mühe. Das Volk muß die einzig „richtige“ Meinung übernehmen, sonst könnte es wohlmöglich ungemütlich werden. Es könnte ja sein, dass das Volk eventuell recht hat. Aber diese Möglichkeit soll durch die Nichtanwendung des journalistischen Handwerks (obejektive und aufrichtige Berichterstattung) von… Mehr

giesemann
6 Jahre her

Die Friedensnobelpreisträgerin von 2014 heißt Malala Yousafzai. Sie bekam den Preis zugesprochen in direkter Konkurrenz zu einer gewissen(losen) Angela Merkel. Malala kämpft für Bildung von Mädchen, hat dafür als Elfjährige beinahe mit ihrem jungen Leben bezahlt. (Näheres unter „malalafund.com“). Ich bin für (Nach)Bildung von Leuten wie Tina Baerbock. Noch mal auf die Journo-schule? Und die Migranten stechen den Mist um und fegen das Trottoir. Und das Land, das fallt und fallt … (Näheres bei „der Watzmann ruft “ von Wolfgang Ambros). Ich habe gerufen, hicks.

Jo_01
6 Jahre her

Endlich mal ein wirklich guter Beitrag von Müller-Vogg. Danke dafür.
Allerdings ist das grundsätzliche Problem wohl den meisten Lesern von TE wohl bekannt und wurde u.a. vom Leipziger Medienwissenschaftler Krüger sogar wissenschaftlich in einer Studie beschrieben. Fazit dort: der linksgrüne Anteil der Journos beträgt ca. 70-80%.
Ausgewogenheit ist eben alles. Es wird Zeit, dass die AfD auch in den Rundfunkräten stärker präsent ist – analog dem ansatzweisen Erneuern im ORF durch Kurz/Strache.

Karl Napf
6 Jahre her

Ach, eigentlich sind Journalisten auch nur Menschen und sollten ihre Meinungsfreiheit ausueben duerfen – auch in Oesterreich. Zu gleich weiss man dann gleich wer Ross und Reiter ist und muss nicht immer denken, dass man paranoide ist.

honky tonk
6 Jahre her

Stimme ihrem Kommentar weitgehend zu.Die ÖR Journalisten sollen ruhig zeigen wenn sie im geistigen Tiefflug die Grasnarbe streifen.Wenn eine Koryphäe ihres Fachs wie Tina Hassel ein offenes Bekenntnis zu einem Leuchtfeuer der vernunftgeleiteten grünen Politik hinauszwitschert (Baerbock:Das Netz ist der Stromspeicher),,dann denkt der durchschnittliche GEZ-Zahler:kann ein solcher Vogel fake news verbreiten?ähmm,jaaaa!

giesemann
6 Jahre her

Also ich find‘ sie süß, die Tina Baerbock. Ernst nehmen? Nein.