Schäuble: Wahlempfehlung für Merz

Nach einem richtigen Wahlkampf sieht das alles nicht aus; dazu fehlt es an Wahlkämpfern mit offenem Visier. Doch spricht viel dafür, dass AKK das Rennen macht. Schäubles Eingreifen zugunsten von Merz zeigt, wie kritisch der alte CDU-Fuchs die Lage für seinen politischen Ziehsohn und Freund sieht.

John MacDougall/AFP/Getty mages

Zweimal werden wir noch wach. Dann beschert die CDU sich – und dem Land – einen neuen Parteivorsitzenden oder eine neue Frau an der Spitze. Jetzt hat Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble seinen Wunschzettel veröffentlicht. Darauf steht in Großbuchstaben Friedrich Merz. Er begründet seinen Wunsch unmissverständlich: „Es wäre das Beste für das Land, wenn Friedrich Merz eine Mehrheit auf dem Parteitag erhielte.“ Also nicht nur für die CDU, sondern für das ganze Land. Denn Schäuble verspricht sich von der Wahl von Merz eine klare marktwirtschaftliche, wertkonservative Positionierung der Partei und damit auch ein Zurückdrängen der AfD.

Schäuble ist nicht nur der innerhalb der CDU angesehenste Politiker. Er hört auch, wie kein Zweiter, das Gras wachsen, spürt deutlich, wenn Spitze und Basis der Partei sich voneinander entfernen. Dann greift er gerne mit Formulierungen in die Debatte ein, die nicht sehr präzise, aber dennoch zielgerichtet sind. Zum Beispiel, als er auf dem Höhepunkt der Flüchtlingskrise darüber sinnierte, wie ein unvorsichtiger Skiläufer eine Lawine auslösen könne. Angela Merkel erwähnt er in diesem Zusammenhang nicht. Aber alle wussten, wer und was gemeint war.

Jetzt, zwei Tage vor der Entscheidung zwischen Annegret Kramp-Karrenbauer, Friedrich Merz und Jens Spahn, hat Schäuble alle Zurückhaltung abgelegt. Aus dem „Elder Statesman“ der CDU, der mit Andeutungen und Halbsätzen Einfluss zu nehmen versucht, ist ein Wahlkämpfer geworden – ein Wahlkämpfer für Merz. Da aber ein Wolfgang Schäuble nicht leichtsinnig aus der Deckung geht, ist seine Pro-Merz-Äußerung ein Indiz dafür, dass Schäuble die Chancen seines Freundes schwinden sieht. Offenbar spürt der alte Fuchs, dass bei den überwiegend hauptberuflich in der Politik aktiven Delegierten Kramp-Karrenbauer größere Chancen als Merz haben dürfte. Denn am Freitag in Hamburg gibt es eine Alternative: eine Fortsetzung der stark von Umfragen getriebenen Merkelschen Politik unter „AKK“ oder eine Neuausrichtung der CDU unter Merz: marktwirtschaftlich, rechtsstaatlich, wertkonservativ, nationale Interessen betonend.

Als Merz-Wahlkämpfer bricht Schäuble nicht nur mit seiner üblichen Taktik der gezielten Einwürfe und Stiche. Er hebt sich auch von den allermeisten CDU-Prominenten ab, die auf die Frage, wen sie wählen werden, herumdrucksen wie Teenager beim Thema erste Liebe. Ob Armin Laschet, Julia Klöckner, Volker Bouffier, Ursula von der Leyen oder Ralph Brinkhaus: Sie alle schwärmen von den drei tollen Kandidaten, von dem offenen Entscheidungsprozess und dem fairen Verfahren. Aber sie bringen es nicht fertig, klar zu sagen, wem sie die Führung der CDU – und damit die nächste Kanzlerkandidatur – zutrauen und wem nicht. Man kann das als kollektive Angst vor Führung bezeichnen; Führungsverantwortung sähe jedenfalls anders aus.

Es fällt schon auf, wie gering die Neigung unter Ministerpräsidenten, Ministern und Fraktionsvorsitzenden der CDU ist, so wie Schäuble klar und offen für einen bestimmten Kurs und eine bestimmte Partei einzustehen. Am selben Tag wie Schäuble hat auch der Vorsitzende der Kommunalpolitischen Vereinigung der CDU, der Bundestagsabgeordnete Christian Hasse, Farbe bekannt und zur Wahl von Kramp-Karrenbauer aufgerufen. Zur KPV zählen zwar 461 der 1001 Delegierten. Doch journalistische Rechnungen, Haase würde fast im Alleingang die von AKK benötigten 501 Stimmen liefern, zeugen allenfalls von einer großen Unkenntnis innerparteilicher Mehrheitsbildungen. Die 461 KPV-Delegierten sind keineswegs ausschließlich kommunalpolitisch ausgerichtet. Sie fühlen sich ebenso ihren Landesverbänden, anderen Vereinigungen innerhalb der Partei und nicht zuletzt ihren Kreisverbänden und Wahlkreisen verbunden und verpflichtet. Da hat die Empfehlung des KPV-Bundesvorsitzenden kein sonderliches Gewicht.

Nach der Zahl halbwegs bekannter Unterstützer liegt Kramp-Karrenbauer vorn. Sie weiß zwei Ministerpräsidenten hinter sich, Daniel Günther (Kiel) und Tobias Hans, ihr eigener Nachfolger in Saarbrücken. Der Nordrhein-Westfale Laschet lässt zwar verbreiten, er werde AKK wählen, legt sich aber öffentlich nicht fest. Hinter sich weiß AKK auch Annette Widmann Mauz, Staatsministerin im Kanzleramt und Vorsitzende der Frauen-Union.

Offene Unterstützung fand Merz bisher bei zwei hinter den Kulissen für ihn aktiven Ex-Regierungschefs: Roland Koch (Hessen) und Günther Oettinger (Baden-Württemberg), inzwischen EU-Kommissar. Ebenso für Merz stark engagiert ist Christian von Stetten, der Chef der Mittelständler innerhalb der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. Auch eine Reihe von Abgeordneten aus Baden-Württemberg und Hessen haben ihre Präferenz für Merz erkennen lassen.

Nach einem richtigen Wahlkampf sieht das alles nicht aus; dazu fehlt es an Wahlkämpfern mit offenem Visier. Doch spricht viel dafür, dass AKK das Rennen macht. Schäubles Eingreifen zugunsten von Merz zeigt, wie kritisch der alte CDU-Fuchs die Lage für seinen politischen Ziehsohn und Freund sieht. Schäubles Sorge, die CDU könnte bei einem „Weiter so“ sich dauerhaft mit einer Größenordnung von „20 Prozent plus“ zufrieden geben, muss ungleich größer sein als seine Sorge, eine Niederlage von Merz könnte auch sein Ansehen in der Partei beschädigen. Schäuble tut das, was die meisten CDU-Spitzenpolitiker beim Ringen um die Zukunft der Partei peinlichst vermeiden: er kämpft – und das mit offenem Visier.

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Kommentare ( 53 )

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taliscas
6 Jahre her

Too late, too little!
Schäuble ist maßgeblich dafür verantwortlich, dass diese ** noch an der Macht ist.
Er ist schuldig.

Melli
6 Jahre her

Mir ist es ehrlich gesagt mittlerweile egal, wer von den Dreien gewinnt. Die CDU ist und bleibt für mich weiterhin unwählbar.

Peterson82
6 Jahre her

Man soll ja immer das Positive sehen. Ich glaube die CDU muss erst einen Reinigungsprozess durchmachen. AKK wird die CDU weiter abbauen lassen, es wird immer mehr Wählerstimmen kosten und dann kann nach langer Durststrecke vielleicht einmal wirklich was passieren. Merz ist noch zu früh fürs Land und als Person zu spät. Er hat für mich das Feuer von vor 10 Jahren verloren, wirkt zwar immer noch weise und klug, hätte für mich aber nicht den Enthusiasmus, den z.B. ein Sebastian Kurz hat. Er ist ja auch nicht mehr jung, er steht für das satte, scheinbar wohlhabende, träge Land dem… Mehr

Andreas aus E.
6 Jahre her

Nebenbei bemerkt, weil mir das eben auch schon im Deutschlandfunk negativ auffiel:

Muss das „AKK“ sein?
Dieser Parteifreundeslang widerte mich schon bei „Joschka“ Fischer an. In jüngerer Zeit „Malu“ oder „Ska“.
Derlei Kosenamen können deren Komplizen gern verwenden, geht mich nichts an, ein Journalist aber sollte sich dessen enthalten und stets den richtigen Namen verwenden.

Und zum eigentlichen Thema: Schäuble ist für Merz, um Merkel eins auszuwischen.

Augustiner Edelstoff
6 Jahre her
Antworten an  Andreas aus E.

Und zum eigentlichen Thema: Schäuble ist für Merz, um Merkel eins auszuwischen.
oder..

um die Satans Banker gleich direkt an die Spitze des Kanzleramts zu hieven, wie in den USA es seit 1913 der Fall ist. Dann können die auch ohne Einladung Geburtsatg im Kanzleramt auf Kosten der Steuerzahler feiern.
Da spricht ein Vertreter der Hochfinanz sich für den anderen aus.

Karli
6 Jahre her

Wenn ich die Wahl habe, ist mir Blackrock lieber als weiter Multikulti. AKK sehe ich als Merkel 2.0 und danke, das muss ich nicht haben.

Beat.Buenzli
6 Jahre her

AKK und ein weiter so wäre der Untergang der CDU und auch Deutschlands. Unterstützer wie Altmeier oder vdL hätten bei Merz keine Chance, darum versuchen sie ihre eigene Haut zu retten bzw. ihren Job.

Joe
6 Jahre her

Jenseits der Frage, wie eine gute Politik für unser Land zu betreiben und Merkels Erbe zu reparieren ist, muss die CDU folgendes strategisch bedenken: Die Idee von Merkel, es reiche aus, stärkste Partei zu sein, um dann mit Hilfe von linken Parteien das Kanzleramt zu besetzen, nähert sich erkennbar dem Ende. Denn wenn es nicht gelingen sollte, dass Modell „Österreich“ zu etablieren, könnte sich das Modell „Baden-Württemberg“ realisieren: Die CDU wird – alsbalb nach weiterem Schrumpfen – Juniorpartner der Grünen und die AfD repäsentiert als stärkste Partei das bürgerliche Lager. Schade für die CDU, schlimm für unser Land, das dann… Mehr

Old-Man
6 Jahre her

Die Wartezeit ist nun sehr kurz,da kann man sich aus der Deckung wagen wie Wolfgang Schäuble es tut. Ich persönlich würde mich wohl für keinen der drei entscheiden,zu fadenscheinig sind deren Gründe nach dem Amt zu greifen. Keiner der drei(wo sind die anderen?)hat mich bisher restlos überzeugen können,wobei Friedrich Merz wohl unbelastet von 2015 und folgenden einen kleinen Vorteil haben dürfte,aber das ist nur mein Empfinden,und das zählt am Freitag nichts. Egal wer gewählt wird,er/sie hat dann zwei Jahre Zeit der Bewährung,dann dreht sich das Karrusell wieder neu! Ihre Meinung AKK läge wohl leicht vorne mag eventuell zutreffend sein Herr… Mehr

Ben Goldstein
6 Jahre her

Ja, ist schon spannend, wer in Zukunft unter Katrin Göring-Eckhart regiert.

Maximilian Riese
6 Jahre her

Wurde Schäuble unter Merkel nicht mehrfach gewogen und hat sich immer als zu leicht erwiesen? Ich hoffe, man hat diesmal etwas weiter gedacht. Wenn die Regierung nach der Europawahl implodiert, fällt Merz die Kanzlerkandidatur in den Schoß, egal ob mit oder ohne Parteivorsitz.
Die Idee einer Kanzlerin AKK ist so krenzig aus der Zeit gefallen, never ever!

ludwig67
6 Jahre her
Antworten an  Maximilian Riese

Das hat man über AM auch mal gesagt….das Ergebnis kennen wir.