Beim Thema „Nachfolgepartei“ haben die Genossen bei "Die Linke" auf den richtigen Begriff gesetzt. Denn es geht den politischen Semantikern nicht um die Lufthoheit in den Feuilletons; es geht um die Herrschaft in den Köpfen, um Ent-SED-isierung.
Für viele ist es wie das „Warten aufs Christkind“: Am Horizont lockt die Lösung aller deutschen Probleme, die Beseitigung aller Sorgen von Staats wegen: Rot-Rot-Grün. Bei der SPD bekommen bei dieser Vision manche feuchte Augen, die Linke fabuliert schon von einem konstruktiven Misstrauensvotum noch vor der Bundestagswahl 2017 und der „Fundi“-Flügel der Grünen hofft, auf diese Weise Schwarz-Grün verhindern zu können.
Die Medien begleiten das Spektakel überwiegend positiv. Zum einen, weil der Mehrheit der links von der Mitte zu verortenden Journalisten jede Koalition lieber ist als eine von der CDU/CSU geführte. Zum anderen, weil sie schon vor Jahren damit begonnen haben, die Linke als eine normale demokratische Partei links von der SPD zu behandeln. DDR, SED, Stasi – war da etwa was?
Gregor Gysi, im Gegensatz zum Polterer Lafontaine ein ausgebuffter Stratege, hatte schon vor 20 Jahren davon gesprochen, dass für ein solches Bündnis aus Linken und ganz Linken eine zahlenmäßige Mehrheit im Bundestag nicht ausreiche. Dazu bedürfe es auch, so Gysi, einer „gesellschaftlichen Mehrheit“. Soll heißen, die Menschen, vor allem die Wähler im Westen, müssen Rot-Rot-Grün für ebenso selbstverständlich halten wie Rot-Grün, Schwarz-Gelb oder Schwarz-Rot. Was Gysi wohl dachte, aber nie sagte: Eine gesellschaftliche Mehrheit ist dann möglich, wenn so gut wie niemand mehr die Linke mit der Stasi-Partei SED in Verbindung bringt.
Auf diesem Weg sind die „r2g“-Befürworter schon ein großes Stück vorangekommen. Ob „Frankfurter Allgemeine“, „Die Welt“ oder „Süddeutsche Zeitung“: Sie alle bezeichnen „Die Linke“ als „Nachfolgepartei der SED“. „Spiegel“, „Stern“, ARD und ZDF schreiben und senden nicht anders. So wie Angela Merkel die Nachfolgerin von Gerhard Schröder ist, so ist „Die Linke“ eben die Nachfolgerin der SED – eine neue politische Kraft am linken Rand.
„Die Linke“ ist keine Neugründung
Man merkt die Absicht – und wundert sich nicht. Denn „Die Linke“ ist eben keine Neugründung nach der Wende. Sie ist die umbenannte SED. Die „Sozialistische Einheitspartei Deutschland“, hervorgegangen aus der Zwangsfusion von KPD und SPD in der damaligen sowjetisch besetzten Zone und faktisch der verlängerte Arm Moskaus, hat sich nämlich nie aufgelöst. Die SED lebt. Nur nannte sie sich im Dezember 1989, nach dem Mauerfall, zunächst in „Sozialistische Einheitspartei Deutschlands – Partei des Demokratischen Sozialismus (SED-PDS)“ um. Bei den ersten freien Volkskammerwahlen im März 1990 trat sie unter dem Namen PDS an, weil für die meisten Ostdeutschen – damals jedenfalls – SED nur ein Synonym für Unterdrückung und Unfreiheit, für Mangel und Mauer war. Im Juli 2005 änderte die in PDS umbenannte SED ihren Namen abermals: Sie nannte sich jetzt „Die Linkspartei.PDS“, weil sie gemeinsam mit der westdeutschen „Wahlalternative Arbeit und Soziale Gerechtigkeit (WASG)“ in den Wahlkampf ziehen wollte. Seit der Fusion mit der WASG im Juni 2007 hat die SED alias SED/PDS alias Die Linkspartei.PDS ihren heutigen Namen: „Die Linke“.
Auch wenn Die Linke sich gerne als „neue“ politische Kraft darstellt, weiß sie selbst, dass dem so nicht ist. In einem Prozess, in dem es 2009 um verschwundenes SED-Vermögen ging, erklärte der damalige Bundesschatzmeister der Partei, Karl Holluba, an Eides Statt: „Die Linke ist rechtsidentisch mit der Linkspartei.PDS, die es seit 2005 gab, und der PDS, die es vorher gab, und der SED, die es vorher gab.“ Diese Aussage ist in ihrer Eindeutigkeit nicht zu überbieten. Der Anlass für diese Klarstellung: Die Linke erstritt sich das Recht, beim Thema „verschwundenes SED-Vermögen“ zur Stellungnahme berechtigt zu sein. Von wegen „Nachfolgepartei“.
Man muss der umbenannten SED in einem Punkt Respekt zollen: Ihre Funktionäre, von denen nicht wenige nie die Partei wechseln mussten, wissen, dass Politik auch mit Worten gemacht wird, dass schon halb gewonnen hat, wer die richtigen Begriffe besetzt. Beim Thema „Nachfolgepartei“ haben die Genossen auf den richtigen Begriff gesetzt. Doch es geht den politischen Semantikern nicht nur um die Lufthoheit in den Feuilletons; es geht ihnen um die Herrschaft in den Köpfen. Und das ist die Nicht-Nachfolgepartei schon weit gekommen. Denn das Besetzen von Begriffen dient letztlich einem Ziel: der Umdeutung von Fakten und der Verschleierung der Wirklichkeit. Und das scheint gelungen zu sein – mit Hilfe der „kapitalistischen“ Medien.
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Ich habe kein einziges Argument gelesen, was dafür spricht, dass die Linke genauso wie die damalige SED ist, außer dass sie rechtlich gesehen der Nachfolger der SED sind. Man kann der Linken nicht vorwerfen, sie sei undemokratisch, sie hat sich seit ihrer Gründung immer demokratisch verhalten. Die Verbindung nach Moskau sind auch gekappt. Die Linke wird nicht von Putin gelenkt – im Gegenteil – die Linke kritisiert Putin. Die Linke macht alles, um sich von der SED zu distanzieren. Sollen jetzt alle Mitglieder der Linken eine neue Partei gründen, um das gleiche zu fordern, aber nicht der rechtliche Nachfolger der… Mehr