Die meisten CDU-Promis haben Angst vor dem Parteivolk und vor sich selbst

Viele Spitzenpolitiker der CDU erinnern fatal an Talleyrand. Von dem stammt der Satz: „Da ist mein Volk. Ich muss ihm nach. Ich bin sein Führer.“ Na, dann lauft mal schön - nach dem 7. Dezember.

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Die geheime Stimmabgabe gehört zur Demokratie wie die Gleichwertigkeit jeder einzelnen Stimme oder das Recht auf Gegenkandidaturen. Diese Prinzipien gelten auch für den innerparteilichen Kampf bei der CDU um die Nachfolge Angela Merkels an der Spitze der Partei und – implizit – um die nächste Kanzlerkandidatur. Niemand kann jemals wissen, wie jeder einzelne der 1001 Delegierten am 7. Dezember abgestimmt hat, wenn hinterher keiner verrät, hinter welchem Namen er sein Kreuz gemacht hat. Soweit das Prinzip – und es ist ein gutes Prinzip.

Das Wahlgeheimnis hat eine Schutzfunktion. Niemand darf wissen, wie der einzelne Bürger abstimmt. Kein Chef, kein Familienoberhaupt, kein Vereinsvorstand und kein Bürgermeister hat zu erfahren, wie die Menschen um ihn herum wählen. Das Wahlgeheimnis ist ein Schutzschild – und zwar ein Schutzschild für die „Kleinen“ und Schwachen, damit sie wirklich frei abstimmen können – ohne Druck von außen und oben. Das gilt für die staatliche Ebene wie für die parteipolitische; niemand soll aufgrund seiner Wahlentscheidungen Repressionen befürchten müssen.

Umgekehrt gilt aber auch: Niemand ist daran gehindert, seine Wahl-Präferenzen öffentlich zu machen. Bei Politikern versteht sich das vor allgemeinen Wahlen von selbst. Wer „wählt mich“ ruft, dem kann getrost unterstellt werden, dass er das auch selbst tut. Auch suchen die Parteien vor Wahlen bekannte Bürger, die sich als ihre Wähler „outen“. Wer die eigene Prominenz in den Dienst einer Partei stellt, verzichtet für sich auf das Wahlgeheimnis. Gleichwohl verstößt er nicht gegen Recht und Gesetz.

Auch beim Dreikampf um die Merkel-Nachfolge zwischen Annegret Kramp-Karrenbauer, Friedrich Merz und Jens Spahn wäre ein offener innerparteilicher Wahlkampf möglich – mit Parteinahme für AKK, Merz oder Spahn. Dabei geht es nicht darum, dass jeder kleine Delegierte sich öffentlich äußert, wer sein Mann, wer seine Frau ist. Auch Parteitagsdelegierte haben Anspruch auf den Schutz des Wahlgeheimnisses. Doch jeder der 1001 kann, wenn er will, öffentlich begründen, warum er wen wählen wird. Freilich fällt auf, dass so gut wie keine prominenten CDU-Politiker zur Zeit Farbe bekennen. Warum also lassen CDU-Hochkaräter allenfalls in Nebensätzen ihre personalpolitische Präferenz erkennen? Warum haben sich noch keine Unterstützergruppen für die einzelnen Kandidaten gebildet, angeführt von Präsidiumsmitgliedern und Ministerpräsidenten? Warum gibt es keine Wahlaufrufe, keine werbenden Appelle, kein offenes Eintreten für den eigenen Favoriten. Warum also gibt es in der CDU keinen „richtigen“ Wahlkampf?

Ganz einfach: Dafür fehlen Kombattanten, also bekannte CDU-Politiker, die offen Position beziehen. Das tut kaum jemand. Eindeutig spricht sich der saarländische Ministerpräsident Hans für Kramp-Karrenbauer aus, verklausuliert tun das Wirtschaftsminister Altmaier (ein Saarländer) und der schleswig-holsteinische Ministerpräsident Günther. Ganz offen Position für Merz bezieht der Mittelstandspolitiker von Stetten. Gesundheitsminister Spahn hat überhaupt keinen halbwegs prominenten Unterstützer aufzubieten. Offener innerparteilicher Wahlkampf sähe anders aus.

Es gibt nur eine Erklärung: Kaum ein Landesvorsitzender, Ministerpräsident oder Landesminister will sich öffentlich festlegen. Ein paar wenige Ausnahmen bestätigen die Regel. Natürlich wird zur Zeit in der CDU heftig gekämpft, auch mit Haken und Ösen. Das alles passiert aber HINTER den Kulissen. Das entwertet nicht diesen innerparteilichen Wahlkampf. Doch offensichtlich haben viele CDU-Politiker mit bekannten Namen Sorge, sie könnten auf den falschen Aspiranten setzten – und hinterher zu den Verlierern zählen. Man kann diesen fehlenden Mut beklagen; die Bezeichnung „Feigheit vor dem Parteifreund“ passt da besser. Es widerspricht zudem den ständigen Appellen aller Politiker, die Bürger sollten sich engagieren und Position beziehen. Doch in der Politik ist es nicht viel anders als in der Kindererziehung: Das gelebte Vorbild wirkt mehr als 1000 Worte.

Sich im innerparteilichen Kampf nicht festzulegen oder festlegen zu lassen, lässt sich stets edel als „Zurückhaltung“ verkaufen, als den Versuch, keine Scherben zu hinterlassen. In Wirklichkeit haben viele der führenden CDU-Politiker Angst – vor den eigenen Mitgliedern, vor der Öffentlichkeit, vor einander. Nur keine Fehler machen! Ja nicht nicht zu den Verlierern gehören! So erinnern viele Spitzenpolitiker der CDU fatal an Talleyrand. Von dem stammt der Satz: „Da ist mein Volk. Ich muss ihm nach. Ich bin sein Führer.“ Na, dann lauft mal schön – nach dem 7. Dezember.

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Kommentare ( 54 )

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Heimatland
6 Jahre her

Es ist doch egal wer Vorsitzende,r wird, habe mir gerade die Bundestagsdebatte über Migrationspakt angesehen, alle die gleiche Meinung wie Merkel. Es kann doch nicht sein, dass ein Abgeordneter nicht mehr denken kann sobald er im Parlament sitzt, oder benebelt eine gewisse CDU-Luft die Sinne.

karel
6 Jahre her
Antworten an  Heimatland

Wieso „Benebelte einer gewissen CDU-Luft“?????
In der Regierung sitzen auch die Paten des debattierten Migrationspaktes,
nämlich die Parteien, zu denen „Genossen“ wie Maas, Gabriel, Steinmeier, auch Joschka
Fischer, allesamt Chefs eines Ressorts, welches für die Migration nach Deutschland
verantwortlich ist. nämlich dem Außenministerium.

Die „Richtlinienkompetenz“ der Kanzlerin kann man dabei vergessen,
sagte schon in der 1. GroKo ein Müntefering:
„Bei Anwendung der Richtlinienkompetenz ist die Koalition beendet“.
Diese Richtlinienkompetenz ist zwar grundgesetzlich abgesichert….
aber wen interessiert schon das Grundgesetz….. so neu ist das nicht.

Nibelung
6 Jahre her

Was haben Wahlen bislang verändert? Nichts und deswegen dürfen wir auch weiterwählen im Glauben an die Demokratie, die nichts anderes als ein Placebo für die Masse darstellt, denn so war es ja auch nach Ende des 2. Weltkrieges vorgesehen und ins Grundgesetz geschrieben, damit die Parteien jede Entscheidung im Nachhinein durch Absprachen und Verschiebungen den Wählerwillen ignorieren können und solange da nichts geändert wird ist es nahezu aussichtslos sich mit eigener Vorstellung durchzusetzen, das verhindert das Parteienkartell, zuletzt gesehen nach dem Sturz von SPD-Schulz und das widerrum wird permanent von außen überwacht und im Notfall auch korrigiert und deshalb befinden… Mehr

amendewirdallesgut
6 Jahre her
Antworten an  Nibelung

rein oberflächlich betrachtet ist es jedoch die beste Diktatur die wir jemals hatten , na ja rein oberflächlich betrachtet , oder zu mindest bis 2015 , aber vieleicht habe ich davor schon was verpaßt , upps : klingt fast schon wie früher , als die Germanen die Kölner besucht haben

benali
6 Jahre her

Unter dem Regime Merkel haben die Konservativen nicht nur Untertanengeist entwickelt, sie haben ihn regelrecht zu ihrer Handlungsmaxime gemacht. Selbst die größten katastrophalen Fehler Merkels wurden von den Klatschern der Union abgesegnet. Keine Blödheit war groß genug, um Merkel Applaus vorzuenthalten. Niemand kann mir glaubhaft erklären, dass mit der Übernahme des Amtes durch Merkel alle Konservativen gleichzeitig zu weltfremden Idioten mutiert sind. Selbst unter Kohl gab es in der Union mehr Unabhängigkeit. Wenn es einen gerechten Gott gibt, dann wird er die Union auf den Weg der SPD abschieben. Wenn es Hirn regnen sollte, dann werden die Wähler auch ohne… Mehr

Herr Fuchs
6 Jahre her

Warum gibt es die CDU überhaupt noch?

karel
6 Jahre her
Antworten an  Herr Fuchs

Die CDU ist immer noch unentbehrlich, müssen sie stets die desaströsen
Hinterlassenschaften roter und grüner Regierungszeiten sanieren.
Das war mit dem Desaster aus den 70ern so, ebenso auch zur Jahrtausendwende.
Begleitet von Mainstream-Medien, deren Existenz wohl darin besteht,
die „Sanierungsarbeiten“ mit Diffamierungskampagnen gegen handelnde
Politiker der CDU/CSU, aber selten in der Sache, zu begleiten.

Ich selbst bin keiner Partei verbunden, meine Wertschätzung galt und gilt
immer noch dem Wohlstand schaffenden Unternehmertum, deren Unterstützer
nun nicht im links-grünen Spektrum zu Hause sind.

zaungast
6 Jahre her

Gewählt wird eine Absturzbremse. Egal, wer das unliebsame Amt auf sich nimmt, Frau Merkel weiterhin stützen zu müssen: einige Wochen werden die demoskopischen Werte für die CDU nach oben gehen. Spätestens nach dem Desaster bei den Europa-Wahlen im Mai tritt dann der von der SPD bekannte „Schulz-Effekt“ eintreten. Es gibt nicht nur eine „Feigheit vor dem Parteifreund“ – peinlicher ist die organisierte Verlogenheit einer Parteikaste, die es aufgegeben hat überhaupt noch substantielle Fragen formulieren zu können – und da ist die CDU nicht allein. Als Brandbeschleuniger beim Absturz bevorzuge ich AKK.

Thorsten
6 Jahre her
Antworten an  zaungast

Die Absturzbremse hat einen Namen: AKK. Eine konservative Wende mit Merz und Spahn steht für einen ungewissen Neuanfang.

Normalerweise entscheidet sich die Union für den Kompromiss „des kleinsten Übels“.

Delion Delos
6 Jahre her
Antworten an  zaungast

Da ist ‚was dran… Ich habe gestern auf der Facebookseite von Frau AKK auf ihren Twitter-Betrag reagiert- und wurde prompt „unsichtbar“ gemacht. „Unsichtbar“ bedeutet, dass nur der Verfasser selbst (also ich) sowie seine FB-Freunde den Beitrag sehen können, nicht aber alle anderen Leser. In Frau AKKs Twitter-Beitrag ging es darum, dass sie in einer Rede gefordert hatte, dass die ganze Welt unser deutsches/europäisches Wertesystem übernehmen solle, weil es doch so toll sei. Und dass sich Deutschland dafür anstrengen müsse usw. usw. Ich hatte mich da an einen gewissen Herrn aus Österreich erinnert gefühlt und fragte sie, ob sie denn schon… Mehr

derAlte
6 Jahre her

wieder ein Artikel, der diese „Wahl“ aufwertet, dabei ist doch alles klar: Frauen wählen KK, Grüne Merz und Gesunde Spahn. In welchen anderen Punkten untgerscheiden sich die Kandidaten?

Theo van Gogh
6 Jahre her

Schon mal daran gedacht, dass wenn sich Granden der CDU eindeutig für einen Kandidaten aussprechen würden, sie den Druck, sich für den präferierten Kandidaten zu entscheiden, nach unten an die Delegierten weitergeben würden? Denn auch die möchten gerne an die Futtertröge. Genau das war ja das „Erfolgsrezept“ von Merkel als Parteivorsitzende, alles was widerspricht und von einiger Bedeutung ist, wegzubeißen.

insofern ist es für die Freiheit in der Entscheidung sehr zu begrüßen, dass sich die Parteigrößen in dieser Frage zurückhalten.

amendewirdallesgut
6 Jahre her
Antworten an  Theo van Gogh

Also ich würde mich nicht gerne in charakterlose opportunistische Gesellschaft begeben , man weiß dann nie so recht ob man nicht doch das nächste Opfer wird , und wählen kann man sowas schon gar nicht , paßt irgendwie nicht mit meinem Demokratieverständnis zusammen

Thorsten
6 Jahre her
Antworten an  amendewirdallesgut

Es bliebe die Hoffnung, dass erst andere für ihre Illoyalität abgewatscht werden.

Thorsten
6 Jahre her
Antworten an  Theo van Gogh

Es ist eher so, dass sich keiner positionieren will, um nach der Wahl aufs falsche Pferd gesetzt zu haben und bei der Postenvergabe leer auszugehen.

Dies ist ein Vorteil von AKK, der ihr die Loyalität der Parteiapparatschiks sichert. Daher auch die Kluft zum „Fußvolk“aka „Stimmvieh“ ….

Karl Heinz Muttersohn
6 Jahre her

Wieviel Artikel müssen wir noch zu diesem Thema lesen, bis Muttis Mädchen im Amt ist?

seoul
6 Jahre her

Es ist doch völlig klar, dass die Claqueure, die zu Merkels Küchenkabinett gehören, wie Altmeier und Gröhe z.B. oder Laschet – sie haben damals gegen Merz opponiert – für AKK sein werden, denn unter Merz hätten diese Knallchargen sicher keine chance, sollte er jemals Kanzler werden. Ob es ihm gelänge, dieses weichgespülten grünen Teil der Merkelianer zu überzeugen, ist eine andere Frage. Es gibt zu viele, die eben keinerlei Chancen haben, ohne Job in der Politik einigermaßen situiert tätig zu werden. Dier Unterbringung in Verbänden wird bei fehlender Stimmenzahl immer schwieriger.

Jo_01
6 Jahre her

Herr Müller-Vogg hat hier einen bisher wenig bis gar nicht Aspekt dieses Wahlkampfes herausgestellt und dafür gebührt ihm Anerkennung. Was er allerdings nicht schreibt, ist die Tragödie hinter diesem Nicht-Wahlkampf in der CDU: was sagt das aus über unsere sog. „Spitzenpolitiker“ ? Für mich ist es nur ein weiteres Mosaiksteinchen im Gesamtbild. So wie hier agiert wird, so wird auch unser Land regiert – feige, planlos und völlig faktenbefreit- lediglich einer angeblich höheren Moral gehorchend. Und damit gehen zielgerichtet und zügig auf den Abgrund zu… Egal wer das „Rennen“ um die Nachfolge der Raute des Grauens am Ende machen wird… Mehr