Die Kohls – eine moderne Tragödie

Beim Europäischen Trauerakt für Helmut Kohl in Straßburg wie beim Requiem im Speyrer Dom wird deutlich, wie tragisch zerstritten die Familie des Altkanzlers ist.

Am Grab stehen weder seine beiden Söhne noch deren Ehefrauen und Kinder. Der Platz zwischen den Staatsoberhäuptern aus aller Welt gehört allein Maike Kohl-Richter, die Zweit-Frau, die sich stets als mehr begriff.

Helmut Kohl hat seine Hannelore 1960 geheiratet; sie bekamen zwei Söhne, Walter und Peter. Der Vater machte Karriere, war kaum zu Hause, die Mutter eine „verheiratete Alleinerziehende“. So besehen lebten die Kohls wie eine ganz normale Familie in den siebziger und achtziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts.

Vier Jahre nach dem Tod der Mutter im Jahr 2001 bekannte sich Helmut Kohl öffentlich zu seiner neuen Partnerin, Maike Richter. Drei Jahre später heirateten sie. Die Söhne standen der neuen Frau an der Seite des Vaters skeptisch bis ablehnend gegenüber. Zur Hochzeit wurden sie nicht eingeladen, wurden vielmehr nach vollzogener Trauung nur per Telegramm informiert. Das Verhältnis der Söhne zum Vater und seiner neuen Frau, die altersmäßig ihre Schwester sein könnte, wurde noch frostiger. Auch das ist in anderen Familien schon vorgekommen.

Eine Familie wie jede andere

Nach dem Tod des Vaters, der eigentlich ein Übervater war, gibt es den bei solchen Konstellationen keineswegs unüblichen Streit. Die zweite Frau will auf keinen Fall, dass der Verstorbene im Familiengrab bei seiner ersten Frau die letzte Ruhe findet; der ältere Sohn will genau das. Es ist ja kein Zufall, dass auf dem Grabstein des Familiengrabs unter dem Namen Hannelore Kohl viel Platz gelassen wurde. Zudem hat Helmut Kohl die angrenzende Grabstätte ebenfalls erworben.

Dennoch sitzt die zweite Frau am längeren Hebel. Sie beruft sich auf den Wunsch des Verstorbenen, nicht im Familiengrab, sondern im Schatten des Speyrer Doms beigesetzt zu werden. Immerhin ist dies eine würdige Grabstätte für den Ehrenbürger Europas.

Das alles ist für Beteiligte wie Betrachter keine erfreuliche Situation. Aber wie gesagt: In gewisser Weise ging und geht es bei den Kohls zu wie in anderen Familien. Nur war Helmut Kohl eben kein Manager, sondern der Bundeskanzler. Bei ihm galt und gilt wie bei anderen Spitzenpolitikern, dass das Private öffentlich wird und meistens auch politisch. Verschärft wird die Lage noch durch die Charaktere der beiden Hauptdarsteller dieses Trauerspiels, der Witwe und des ältesten Sohns.

Mehr als nur die Zweit-Frau

Die promovierte Volkswirtin Maike Kohl-Richter hat nie einen Hehl daraus gemacht, dass sie sich nicht nur als die Frau an der Seite des Altkanzlers fühlt. Nein, sie sah sich schon zu Lebzeiten Kohls als die einzige legitimierte Interpretin seines politischen Lebenswerks und als künftige Verwalterin seines politischen Nachlasses. Sie hält sich zudem für eine große Politikexpertin. Einem langjährigen engen Kohl-Vertrauten aus dem Kanzleramt gab sie mehrmals zu verstehen, wenn sie beim Wahlkampf 1998 schon an Bord gewesen wäre, wären Kohl und die CDU/CSU niemals abgewählt worden. Der Herr verzichtete alsbald auf Besuche in Ludwigshafen, weil er sich nicht ständig diese Vorwürfe anhören wollte.

Diese Frau hat Helmut Kohl, von dem sie gerne als „dem Kanzler“ sprach, wohl nicht nur geliebt, sondern geradezu vergöttert. Seine Feinde waren auch ihre Feinde. Sie dürfte den alten Herrn auch darin bestärkt haben, viele Brücken zu alten Weggefährten abzubrechen, wenn diese den Altkanzler nicht so fehler- und makellos sahen wie sie.

Kohl war seit seinem Sturz im Jahr 2008 ein Pflegefall, lange Zeit noch hellwach, aber kaum noch artikulationsfähig. Seine Frau hat ihn aufopferungsvoll gepflegt. Was aus dem Haus Kohl an politischen Stellungnahmen verlautete, kam im übertragenen Sinn aus ihrem Mund. Wenn Maike Kohl-Richter eine Versöhnung zwischen Vater und Söhnen gewollt hätte, ob da der alte, kranke Mann wirklich störrisch Nein gesagt hätte?

Wie der Vater so der Sohn

Walter Kohl, dem Vater in Statur und Naturell sehr ähnlich, kann es in Bezug auf Selbstbewusstsein und Sturheit mit der „Stiefmutter“ durchaus aufnehmen. An dem Bruch mit dem Vater war sicher keine Seite schuldlos. Aber der im bisherigen Berufsleben nicht sonderlich erfolgreiche Sohn begann auf recht geschickte Weise, mit der Vermarktung seines Schicksals oder was er dafür hielt, Geld zu verdienen – per Buch, in Vorträgen und Talkshows. Dass er wegen seines politischen Vaters in der Schule wie in der Bundeswehr gemobbt wurde, schildert er glaubwürdig; auch dass er den Vater vermisst hat und die Familienidylle für Fotografen häufig nur gespielt wurde. Aber er ist sicher nicht das einzige Politikerkind, dem der Beruf und der Ruf des Vaters die Kindheit und Jugend bisweilen vergällt haben.

Irgendwie scheint Walter Kohl – sein Bruder Peter agiert viel zurückhaltender – die schlechten Tugenden seines Vaters geerbt zu haben: nachtragend und rachsüchtig zu sein. Von den guten scheint er weniger mitbekommen zu haben. 2011 veröffentlichte er das Buch „Leben oder gelebt werden“, eine bitterböse Abrechnung mit dem angeblich eiskalten und berechnenden Vater und zugleich eine Liebeserklärung an die Mutter, die diesen Despoten habe erleiden müssen. Danach haben Vater und Sohn nicht mehr miteinander gesprochen. Der Kohl-Sohn hat aus der Abrechnung mit dem Vater ein Geschäft gemacht. Er nennt sich „Begleiter und Coach“ und bietet auf seiner Website an, anderen den Weg „zum inneren Frieden und mehr Lebensfreude“ zu zeigen. Sein Kalkül ist aufgegangen: Menschen zahlen Geld, um mit dem Sohn Kohls einen Blick durchs Schlüsselloch des Oggersheimer Bungalows zu werfen. Auch wenn es grotesk klingt: Kohl jun. behauptet, er habe den Weg zur Versöhnung gefunden – zur Versöhnung mit sich selbst.

Eine moderne Familientragödie

Die Bilder, die die Öffentlichkeit zur Zeit aus Ludwigshafen serviert bekommt, sind Bilder einer Tragödie, in der zwei vor Selbstbewusstsein und Selbstüberschätzung schier berstende Personen auf dem Rücken des Toten eine Privatfehde austragen. Auch wenn Walter Kohl weiß, dass die Witwe seines Vaters die Stärkere in diesem Duell ist, gewinnt er dennoch: Bilder von dem von der eiskalten Witwe vor der Haustür abgewiesenen Sohn sind kostenloses Marketing für den „Begleiter & Coach“, der unter anderem dafür Hilfe anbietet, „wenn ungelöste, schmerzende biographische Erlebnisse wie Scheidung, Konflikte in der Familie oder persönliches Scheitern auf uns lasten“

Wer das Geschehen im Haus Kohl in den letzten zehn, zwölf Jahren verfolgt hat, konnte ahnen, dass es nach dem Tod des Patriarchen nicht zur Versöhnung, ja nicht einmal zu einem beiderseitigen Bemühen um Gesichtswahrung kommen wird. Offenbar scheint keiner der Beteiligten den weisen Satz des früheren Stuttgarter Oberbürgermeisters Manfred Rommel zu beherzigen: „Beim Tod endet jede Feindschaft.“ Hätten Maike Kohl-Richter und Walter Kohl gemeinsam ein unwürdiges Schauspiel inszenieren wollen, um dem Ansehen des Verstorbenen zu schaden – sie hätten sich nicht anders zu verhalten brauchen als in den letzten Tagen.

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Kommentare ( 20 )

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der schöne Karl
7 Jahre her

Kohl war ein limitierter Typ, der durch irgendwie höchste Höhen bestiegen hat. Er hat es sich allerdings auch nicht nehmen lassen, sein Werk und seine Person selbst zu ruinieren und zu diskreditieren.

Medley63
7 Jahre her

Zum Schluss haben ihn alle, alle verlassen. Die undankbaren Deutschen wählten ihn als Kanzler ab. Seine erste Frau entzog sich ihm durch Suizid. Seine Kinder schwärzten ihn als schlechten Vater und Ehemann an. Seine treulose Partei zeigte ihm nach der Spendengeldaffäre die kalte, zynische Schulter. Seine Ziehtocher, die Angela aus der Uckermark, lies bei der Bewerbung ums vakante Amt des CDU-Bundesvorsitzenden kein gutes Haar an ihrem Protege und die veröffentlichte Meinung, die ihn schon immer auf dem Kieker hatte, gab dem Angeschlagenen den letzten Rest. Was bleibt da noch übrig? All seine Arbeit, sein Mühen und sein Werk nach den… Mehr

Veronika Hack
7 Jahre her

Habe auch so eine leidvolle Erfahrung mit solch einer Zweitgattin „Hyäne “ schlimm wie Familien zerstört werden können.

Wir lagen vor Madagaskar
7 Jahre her

Absolut zutreffend! Merkel vor dem Sarg könnte einer Szene aus einem Mafia-Film entnommen sein; einfach nur schräg.

Wolleus
7 Jahre her

Richtig und das wollten die Söhne Kohls eben nicht. Sie wollten ein Begräbnis für den deutschen Altbundeskanzler Kohl mit deutscher Nationalfahne. Doch man mag es drehen und wenden wie man will. Nur die Söhne sind die legitimen und moralischen Sachwalter eines Erbes von Altbundeskanzler Kohl. Wie arrogant übergeschnappt seine 2. Frau (den Namen mag ich gar nicht erwähnen) war und ist, zeigt die bisher von der Presse verschwiegene Aussage: „Einem langjährigen engen Kohl-Vertrauten aus dem Kanzleramt gab sie mehrmals zu verstehen, wenn sie beim Wahlkampf 1998 schon an Bord gewesen wäre, wären Kohl und die CDU/CSU niemals abgewählt worden.“ Diese… Mehr

Randall Flagg
7 Jahre her

Meine Güte, mir geht dieses Theater so auf die Nerven. Vor allem die Söhne, die sich ständig im TV als Opfer gerieren. Ich selbst bin quasi auch ohne Vater groß geworden, weil der beruflich viel unterwegs gewesen ist. Manchmal ein ganzes Jahr lang. Nur interessiert es halt bei mir niemanden. Trotzdem habe ich sowohl überlebt, als auch etwas aus mir gemacht. Ich kann zwar diese Gefühlswelt nachvollziehen und weiß das man das Gefühl hat, man habe etwas verpasst, was andere erleben durften. Andererseits habe ich den Kopf nicht hängen lassen und mir immer vorgenommen, es einmal ganz anders zu machen.… Mehr

Peter Wanzenboeck
7 Jahre her

Orban war anwesend .MfG Carl aus Wien

Nonsens
7 Jahre her

Traurig diese Familien, die ihre Problem in die Öffentlichkeit tragen. Die Masse kann niemals Lösungen finden, sie ist nur zum Verurteilen fähig. Wer ist der „Gute“? In der Augen der Öffentlichkeit, der am schönsten emotionalisiert. Aber in Wirklichkeit keiner. Perlen vor die Säue. Heute im EU Parlament lag eine EU-Fahne über dem Grab, der eigentlich eine DE-Fahne verdient hätte, denn er hat das Land wiedervereint. Die EU war nur ein nebensächliches Projekt. Es fehlte auch Orban, der wohl der letzte Freund Kohls war. Was machte der senil wirkende Clinton da? „Drop Down This Wall“ Vertreter wäre passender. Die wohl inkompetente… Mehr

Poco100
7 Jahre her
Antworten an  Nonsens

Diese Geschichte hat aber auch ein Vorspiel, die Zeit einer sehr kranken und scheinbar auch einsamen Frau Hannelore Kohl. Dies scheint auch ein Grund zu sein für das schlechte Verhältnis, daß die Söhne Kohls zu ihm selbst u. dann zur 2. Frau hatten.
Kohl selbst war wie Merkel ein Machtmensch. Die 2. Frau, was soll man da sagen, ihr Handeln erklärt alles……..
Und Merkel, ohne jegliche Moral, nutzt eh jede Gelegenheit d. Selbstinszenierung…..aus…schlimmer geht es scheinbar nimmer…oder doch…?

Erwin2016
7 Jahre her

ich weiss nicht, warum man so in dem Familienleben herumkramt. erstmal besser machen! und das können nur die beurteilen, die beteiligt waren.

Randall Flagg
7 Jahre her
Antworten an  Erwin2016

„Erstmal besser machen“,,, Diese Argumentation ist beliebt, aber leider völliger nonsens.
Man kann etwas kritisieren, was man selbst nicht tut. Schauen Sie doch mal bei sich selbst.
Wie oft haben sie Kritik an Filmen, Büchern, Musik, Kunst, oder Theater geübt?
Und nun überlegen Sie mal, wie viele Werke Sie selbst erschaffen haben.

Erwin2016
7 Jahre her
Antworten an  Randall Flagg

ich schreibe selbst Fachartikel.

Randall Flagg
7 Jahre her
Antworten an  Erwin2016

Und deshalb sind sind Sie Experte für Familienangelegenheiten?
Zumal das meine Worte keineswegs entkräftet.

Erwin2016
7 Jahre her
Antworten an  Randall Flagg

ich habe das schon erklärt, ist noch nicht freigeben. kommt sicher gleich.

Erwin2016
7 Jahre her
Antworten an  Randall Flagg

ja die Argumentation ist nicht gut ! Ich hatte im Hinterkopf die Lebenssituation einer führungspersönlichkeit.

Carl Loewe
7 Jahre her

Ich hoffe,Helmut Kohl sitzt jetzt auf Wolke 7 und lacht fröhlich über dieses Kleinkindergestreite seiner zweiten Frau und seines Sohnes.Der Mensch ist schon ein seltsames Wesen.

Wolleus
7 Jahre her
Antworten an  Carl Loewe

Denke ich nicht, sonst hätte er präzise testamentarische Anweisung hinterlassen wie zu verfahren sei. Denn wie steht im Artikel: „Kohl war seit seinem Sturz im Jahr 2008 ein Pflegefall, lange Zeit noch hellwach …“