Tichys Einblick
Nichts ist schöner als klagen:

Der „Equal Pay Day“ lebt von „Fake News“

Die Equal Pay Day-Zelebranten kritisieren eine Lohnlücke von skandalösen 21 Prozent. Die „bereinigte Lohnlücke“ beträgt dagegen sechs Prozent. Aber 6 ist nicht so sexy wie 21.

© Tobias Schwarz/AFP/Getty Images

Heute ist „Equal Pay Day“, der Tag, an dem an „geschlechtsspezifische Entgeltunterschiede“ zuungunsten der Frauen erinnert wird. Vor allem Frauenorganisationen, Gewerkschaften und Parteien aus dem rot-grünen Spektrum beklagen die „Lohnlücke der Frauen“ in Höhe von 21(!) Prozent.

Weil er medial immer gut ankommt, ist der „Equal Pay Day“ für diesen Teil der Opferindustrie ein Feiertag. Was gibt es Schöneres im Leben, als tatsächliche oder vermeintliche Ungerechtigkeit anzuprangern? Nichts ist eben für das eigene Wohlbefinden förderlicher, als zu klagen und nach Gerechtigkeit zu rufen. Nur ist die Lautstärke der Klageweiber und Klagemänner um ein Vielfaches größer als der Anlass der Klagerei. Dazu ein paar Anmerkungen.

  1. Die Equal Pay Day-Zelebranten kritisieren unter Berufung auf das Statistische Bundesamt eine Lohnlücke von skandalösen 21 Prozent. Sie verschweigen aber, dass es sich um die „unbereinigte Lohnlücke“ handelt. Die viel aussagekräftigere „bereinigte Lohnlücke“ beträgt dagegen nur sechs Prozent.
  2. Fast alle Medien übernehmen begeistert die Horrorzahl von 21 Prozent. Mit einem Minus von „nur“ sechs Prozent ließe sich nämlich kein kollektiver Schrei nach Gerechtigkeit organisieren. Die Diskussion wird halt nach den Regeln der „Mediokratie“ geführt, nicht nach denen einer sachlichen Diskussion.
  3. Die 21 Prozent sind mathematisch richtig, geben aber nicht den geringsten Hinweis auf eine gezielte Benachteiligung von Frauen. Der Unterschied ergibt sich aus ganz unterschiedlichen Faktoren: Es gibt (noch) mehr Männer mit akademischer Ausbildung als Frauen; mehr Männer arbeiten Vollzeit als Frauen, mehr in der produzierenden Industrie als in den schlechter zahlenden Dienstleistungsbranchen; mehr Frauen üben eine geringfügige Tätigkeit aus als Männer; mehr Männer machen dank ihrer längeren Lebensarbeitzeit Karriere.
  4. Bei den jüngeren Jahrgängen hat sich inzwischen die Zahl der männlichen und weiblichen Hochschulabsolventen angeglichen. Doch unverändert stehen bei Frauen Fächer wie Pädagogik, Anglistik oder Germanistik höher im Kurs als Informatik, Maschinenbau oder Elektrotechnik. Da letztere Berufe besser vergütet werden als erstere, wird es auch hier bei einer Lohnlücke bleiben.
  5. Berücksichtigt man all diese strukturellen, arbeitsmarktrelevanten Faktoren, dann schrumpft der „geschlechtspezifische Entgeltunterschied von skandalösen 21 Prozent auf magere 6 Prozent. Sechs Prozent sind auch sechs Prozent zu wenig – aber sechs Prozent sind halt nicht sexy. Über eine Differenz von sechs Prozent kann und muss man reden, aber für eine Skandalisierungskampagne ist sie zu klein.
  6. Ein Teil der Entgeltunterschiede hat ganz simple Gründe: Mehr Frauen als Männer leisten unbezahlte Erziehungsarbeit; mehr Frauen als Männer reduzieren aus familiären Gründen ihre Berufstätigkeit oder geben sie ganz auf; mehr Frauen verzichten der Familie zuliebe auf eine berufliche Karriere und damit auf mehr Geld.
  7. Nun sind alle Erhebungen dieser Art mit einem hohen Maß an statistischer Ungenauigkeit behaftet. Wer also frauenfeindliche Entgeltunterschiede dokumentieren will, täte gut daran, diese an Hand von konkreten Fällen zu belegen. Es muss sie doch geben, die Supermarktkassiererin, die am Ende des Monats 21 Prozent weniger bekommt als der Kollege an der Nachbarkasse, oder die Krankenschwester, die gegenüber dem männlichen Kollegen so eklatant benachteiligt wird, oder die auf diese Weise diskriminierte weibliche Reinigungskraft, oder die so krass benachteilige Buchhalterin, Verkäuferin, technische Zeichnerin, oder, oder, oder …
  8. Der diesjährige Equal Pay Day dauert 24 Stunden. Ob irgendeine Bannerträgerin der Emanzipation, ob irgendein Gewerkschaftsfunktionär oder eine linksgrüne Politikerin es heute schaffen, eine – wenigstens eine – beim Gehalt um 21 Prozent benachteiligte, ja betrogene Frau der Öffentlichkeit zu präsentieren?
  9. Die „21 Prozent“-Kampagne ist zweifellos irreführend. Die SPD hat diese ominöse Zahl aber schon im Wahlkampf auf Plakate gedruckt. Das legt den Schluss nahe: Hier werden bewusst „Fake News“ verbreitet. Man kann es auch so formulieren: gezielte Desinformation.
  10. Bei aller Kritik an dieser unseriösen Kampagne muss aber eines klar sein: Wo immer eine Frau allein auf Grund des Geschlechts für dieselbe Arbeit weniger bekommt als ein Mann, ist das ein Fall für die Gerichte. Auch schärfere Gesetze könnten für Abschreckung und Abhilfe sorgen.

Zu guter Letzt. Die Propagierung der 21 Prozent-Lücke wider besseres Wissen und der Erfolg dieser Methode dürfte in der politischen Kommunikation stilbildend wirken. Mein Vorschlag für erfolgreiche „Agitprop“-Kampagnen: Benutze nur Statistiken, die sich miß-interpretieren lassen.

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