Angeblich gibt es in Deutschland mehr Arme als in Tschechien

Die Armutsgefährdungsquote, als "Armutsquote" politisch missbraucht, liefert denen Material, die aus egoistischen Gründen an möglichst vielen "Armen" interessiert sind: Je mehr "Arme", umso sicherer die Arbeitsplätze in der Armutsindustrie.

© Sean Gallup/Getty Images

Wer sich über „Fake News“ oder „Alternative Fakten“ echauffieren möchte, braucht nicht auf Donald Trump zu zeigen. Bei uns liefert die deutsche Sozialindustrie jedes Jahr angebliche Daten, die mit der Wirklichkeit so gut wie nichts zu tun haben. Allen voran der Paritätische Wohlfahrtsverband mit dem Politiker der Partei Die Linke Ulrich Schneider als „Mastermind“. Jetzt hat er wieder zugeschlagen: Angeblich waren in Deutschland im Jahr 2015 15,7 Prozent der Menschen „arm“, mehr als jemals zuvor.

Ausnahmsweise mal nicht ganz dasselbe
Armutsbericht - The same procedure as last year?
Gut für Schneider und sein Geschäftsmodell: Der linke Flügel der Sozialdemokraten, Teile der Grünen und Schneiders eigene Partei stürzen sich begierig auf die angebliche Hiobsbotschaft. Auch große Teile der Medien jubeln geradezu. Spiegel online meldete: „Neuer Höchststand – Deutschland wird flächendeckend ärmer“. Nun ja: Wer den SPD-Kanzlerkandidaten als „Sankt Martin“ hochjubelt, findet es naturgemäß gut, dass Deutschland auf einen wie Martin Schulz geradezu angewiesen zu sein scheint

Natürlich gibt es in Deutschland Armut. Nur: Was die Armutsforscher messen, zeigt vieles – aber nicht das Ausmaß an Armut. Die Armutsquote ist „Fake News“ par excellence – und zwar aus folgenden Gründen:

1. Die Armutsquote zeigt lediglich die Armutsgefährdung an.

Gemessen wird, wie viele Menschen über weniger als 60 Prozent des mittleren Einkommens verfügen. Dieses Konzept unterstellt, dass Menschen in dieser Einkommenskategorie in Armut geraten könnten. Deshalb sprechen seriöse Wissenschaftler auch von der Armut-Gefährdungs-Quote. Aber Armutsquote klingt halt populistischer – linkspopulistischer.

2. Die Armutsquote misst nicht Armut, sondern Ungleichheit.

Würden hierzulande alle Einkommen verdoppelt – Hartz IV-Sätze wie Arbeitnehmerbezüge und Manager-Gehälter – hätten alle Deutschen doppelt so viel Geld wie heute. Nur: Auch dann würde der Linke-Genosse Schneider über eine „Armutsquote“ von 15,7 Prozent klagen. Ja, ist denn schon wieder Fassenacht? Für manchen offenbar schon.

3. Unsinn mit Methode.

Als arm gilt, wer 2015 als Single im Monat weniger als 917 Euro zur Verfügung hatte; bei einer Familie mit zwei Kindern waren es – je nach Alter der Kinder – zwischen 1.978 und 2.355 Euro netto. Was dabei völlig unter den Tisch fällt: Mit 917 Euro im Monat kommt jemand in München oder Frankfurt nicht über die Runden, auf dem flachen Land aber schon. Noch so eine Ungereimtheit: Von den 2,8 Millionen Studierenden haben die meisten weniger als 917 Euro im Monat. Alles Arme?

4. Die Armutsforscher machen uns bewusst arm.

Wie fragwürdig die Methode zur Messung von „Armut“ ist, zeigt der internationale Vergleich. Demnach gibt es in Tschechien, Slowenien, in der Slowakei oder auf Malta weniger Arme als im wohlhabenden Deutschland. Glauben das die Akteure und Profiteure der Sozialindustrie wirklich? Offenbar sehen die Deutschen, die nicht auf der Sonnenseite stehen, das anders. Jedenfalls gibt es keinerlei Hinweise auf Abwanderung in die erwähnten ehemaligen Ostblockländer. Ja, es gibt auch Arme bei uns. Aber sie sind nicht so dumm, wie die Arbeitsbeschwörer uns weismachen wollen; sie bleiben lieber hier in unserem Sozialstaat.

Fazit: Die Armutsgefährdungsquote, als „Armutsquote“ politisch missbraucht, liefert denen Material, die dieses Land gerne als Jammertal darstellen und aus egoistischen Gründen an möglichst vielen „Armen“ interessiert sind: Je mehr „Arme“, umso sicherer die Arbeitsplätze in der Armutsindustrie. Da fällt einem der Satz des früheren Deutsche-Bank-Vorstands Hermann-Josef Abs über den betrunkenen Seemann und die Straßenlaterne ein: Der brauche diese nicht zur Erleuchtung, sondern zum Festhalten. Für Ulrich Schneider ist die „Armutsquote“ ein fester Halt. Nur den tatsächlich Armen hilft das nicht.

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Kommentare ( 15 )

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Luisa
7 Jahre her

Sie haben auch recht, aber Daniela bringt es auch auf den Punkt. Die bürgerliche Mitte fühlt sich politisch heimatlos. Zu spät begriffen, dass eine doch so in aller Welt beliebte AM so un-christlich handelt. Die Naivität – einem Scheinheiligen zu folgen, ist allerdings ebenfalls unbegreiflich. Dummheit, die Wurzel allen Übels. Alles Gute!

Luisa
7 Jahre her

Birte, ich beglückwünsche Sie, dass Sie sich so für ältere Mitmenschen engagieren. Das ist der größte Vorwurf, den ich unserem Polit-Personal mache. Dass seit gefühlten 20 Jahren sie uns nicht nur schleichend enteingnen, sondern mit unserem mühsam Erarbeiteten andere Völker unterstützen und wir zunehmend in Altersarmut dahinvegetieren müssen. Es gibt kaum noch ein Ort, wo keine Tafel etabliert ist. Diese Kanzlerin ist zynisch, handelt verwerflich und nimmt uns auch noch die Würde. Und so etwas hat auf die Bibel geschworen, dem Volk zu dienen.
Weiterhin viel Kraft und Durchhaltevermögen!

Cooper8
7 Jahre her

Der Kern der sozialen Marktwirtschaft waren einmal regelmäßige reale Lohnsteigerungen!
Das Lohndumping der Agenda 2010 Politik zerstört die Eurozone.
Somit muss Deutschland zu seiner sozialen Marktwirtschaft wieder zurück finden, damit die EU/Eurozone eine Zukunft haben können.

Luisa
7 Jahre her

Lieber Herr Müller-Vogg. Danke für Ihren Bericht, der leider zutrifft. Das Zitat von Josef Abs ist leider auch zutreffend. Zutreffend ist aber auch, dass während der vergangenen 20 Jahre die Leistungsanforderungen an die Bevölkerung stetig zu- und gleichzeitig eine zunehmende, schleichende Enteignung stattgefunden hat. Diese empfundene Ungerechtigkeit sitzt tief und wird nicht verbessert durch wachsende Armut mit zunehmendem Alter. Allerdings, um dies zu erkennen, brauchen wir weder Statistiken noch gar eine Armutsindustrie. Der Forist „hasenfurz“ hat u. a. auf Joschka Fischer hingewiesen, der seinerzeit gesagt habe „Hauptsache die Deutschen haben das Geld nicht, dann ist die Welt gerettet“. Sie, Herr… Mehr

Hartwig Löffler
7 Jahre her

Herr Müller-Vogg im Absatz 3 schreiben Sie : Von den 2,8 Millionen Studierenden haben die meisten weniger als 917 Euro im Monat.
Sie schreiben von Studierenden, früher hiess es Studenten, später Studentinnen und Studenten, bei den Grünen dann StudentInnen. Politisch korrekt lautet die neueste Form Studierende (analog: es heisst nicht mehr Flüchtlinge sondern Flüchtende). Meine Frage, haben Sie das unbewusst übernommen oder ist das nur als Ironie oder Sarkasmus zu sehen?

Daniela Gmeiner
7 Jahre her

Lieber Herr Müller-Vogg, die reale Armut in Deutschland ist m.E. sogar höher, wird aber nicht wahrgenommen, weil es den unteren Mittelstand betrifft. Die Sozialindustrie kümmert sich bevorzugt um Hartz 4-Empfänger und Migranten. Entscheidend ist doch das Verhältnis zwischen Einkommen und den Lebenshaltungskosten (ohne Luxus) und einer dem Einkommen angemessener Anzahl von Kindern und Ehefrauen. Bürger des unteren Mittelstandes bekommen keine Zuwendungen, wie Wohngeld oder GEZ-Befreiung. Auch bei der GKV, die auch noch immer mit Bruttoeinkommen rechnet, zahlen diese Bürger Zusatzbeiträge, Zuzahlungen und bekommen weniger Leistungen, als ein Hartz4 Empfänger oder anerkannte Flüchtlinge. Die u n s i c h t… Mehr

jackhot
7 Jahre her

der Armutsbericht kommt immer Irgendwem „ungelegen“; am meisten CDUSPDFDPGRÜNE, einigen Wirtschaftslobbyisten und natürlich auch der
Meinungsfreiheit…

sidious_
7 Jahre her

das sind eben nebenwirkungen von immer mehr NGO’s, hilfs/umwelt/flüchtlings/menschenrechts/tierrechts …. – organisationen. die gieren alle nach aufmerksamkeit. aufmerksamkeit ist in diesem geschäft bare münze – auch wenn dafür immer mehr gelogen werden muss. kaum ein tag, indem nicht amnesty irgendwas zu meckern hat – nur um in den medien präsent zu sein. das steigert wiederum die spendeneinnahmen. meckern ja – lösungen nein. in vielen solcher organisationen oder besser gesagt „firmen“ wird übrigens im managment sehr üppig verdient….

ZurückzurVernunft
7 Jahre her

Mein Vorschlag:

Der deutsche Armutsbericht sollte in Afghanistan, Irak, Somalia, Eritrea, Malawi, Mali, Gambia, Guinea, Sudan, Zentralafrika, Nigeria, Niger, Elfenbeinküste, Angola, Burundi, Ruanda,Tansania, Zimbabwe, Äthiopien, Angola, Mosambik, Ägypten, Tunesien, Algerien, Marokko, ……. veröffentlicht werden.

Ich bin mir sicher, dass die verheerenden Zustände in Deutschland und unser grauenhaftes Sozialsystem abschreckend genug wäre die dortigen Fluchtursachen zu beseitigen.

Zipfelklatscher
7 Jahre her

Herr Müller-Vogg, mich würde mal interessieren, was Sie schreiben würden, wenn sie mit 917 Euro im Monat auskommen müssten.
Ihre „Landromantik“ ist doch etwas realitätsfern.

Übrigens, auf meiner Uni waren seinerzeit fast alle Studenten, finanziell gesehen, „arm“.