Spannende Zeiten – die Stromwoche 44

Der Winter steht vor der Tür. Das bringt Besonderheiten mit sich, zum Beispiel weniger Solarstrom. Mehr Licht!, möchte man rufen, aber Energieversorgung ist kein Wunschkonzert. Die vergangene Stromwoche war ein Hinweis auf die Zukunft.

picture alliance / Panama Pictures | Christoph Hardt

Die Stromwoche 44 war herausfordernd und spannend. So sagt man nach heutiger offizieller Sprachregelung, wenn es sich um die Beschreibung zunehmend problematischer Lagen handelt. Sie weicht in ihrer Besonderheit von der Wetterwoche 44 ab. Die war für Ende Oktober/Anfang November stinknormal. Nicht zu kalt, zeitweise neblig, zeitweise windarm. Als meteorologisch zwangsläufig betroffener Bürger konnte man gut mit ihr leben.

Auffällig im Stromnetz war der fast durchgängige Stromimport, er erreichte am 2. November um 18 Uhr mit 13.700 Megawatt (MW) eine beachtliche Größe. Wer beliefert uns? Zum Beispiel am 3. November um 6 Uhr halfen uns unsere Nachbarn mit folgender elektrischer Leistung aus: Schweden 600 MW, Ost-Dänemark 760, West-Dänemark 2.360, Norwegen 1.070, Frankreich 2.730, Schweiz 340, Österreich 420, Tschechien 1.080. Selbst aus Polen zogen wir Strom, was selten ist: 280 MW. In die Niederlande exportierten wir 3.400 MW, davon gingen 1.440 MW weiter nach Belgien und eine geringe Menge nach Großbritannien (Quelle).

Dabei herrschte zu dieser Zeit nicht gänzlich Flaute. 5.600 Megawatt kamen von den Windmühlen an Land und auf See, knapp acht Prozent der installierten Leistung. Die Behauptung, man könne x-tausend Haushalte mit ihnen versorgen, was eine bedarfsgerechte Lieferung voraussetzen würde, ist nach wie vor einer der Standardfakes der Energiewendepolemiker. Die Photovoltaik war um 18 Uhr nicht mehr präsent.

Leider lag für diesen Zeitpunkt die Angabe der spezifischen CO2-Emission der eigenen Stromerzeugung nicht vor. Für den Monat Oktober waren es 363 Gramm pro Kilowattstunde. Kläglich viel für ein Land, das in 20 Jahren sein Stromsystem und den gesamten anderen Energieverbrauch dekarbonisiert haben will.

Die deutschen Braunkohlekraftwerke waren fast alle am Netz, sie regelten die Schwankungen aus, gingen zum Teil auch außer Betrieb in die Reservestellung, nur Jänschwalde Block A und Lippendorf Block S standen durchgehend. Die Behauptung, Braunkohlekraftwerke seien schlecht regelbar ist ein weiterer Standardfake der Energiewender. Sollte Ihnen das jemand erzählen, so fragen Sie einfach nach der Regelgeschwindigkeit, dann gibt es ratlose Gesichter.

Auch die Steinkohlekraftwerke waren gut in Betrieb, nur fünf standen durchgängig die gesamte Woche. Ziemlich viel teures Erdgas wurde verfeuert, vor allem in der Wärme-Kraft-Kopplung, also nach dem Wärmebedarf geregelt.

Von der Ökoenergie zu diesem Zeitpunkt (Wind 5.600 MW plus 6.500 MW Wasserkraft, Biomasse und anteilig Müllverbrennung) sollen beispielhaft bereits im Jahr 2030 satte 10.000 MW abgezweigt werden, um nach der Wasserstoffstrategie Elektrolyseure zu betreiben. Diese Leistung steht dann dem Netz nicht mehr zur Verfügung, wodurch der Import steigen würde. Weiterhin werden bis 2030 nach Gesetz weitere 5.900 MW Leistung aus Braunkohlekraftwerken abgeschaltet. Aber bis dahin wird noch kein einziges Gaskraftwerk, das nach Habecks Kraftwerksstrategie gebaut werden soll, in Betrieb sein.

Was hat die Bundesregierung vor? Die Photovoltaik soll auf 215.000 MWpeak (bei optimalem Sonnenstand) ausgebaut werden, heute speisen 93.000 theoretische Sonnen-Megawatt ein. Ziel sind auch 115.000 MW Windkraft an Land und 30.000 auf See, vorhanden sind bereits 72.000 MW installierte Zufallserzeugung. Bei Windstille oder Schwachwind ist die installierte Leistung allerdings völlig irrelevant.

Eine ähnliche Wetterwoche 44 im Jahr 2030 würden wir trotz dieses Zubaus nur mit Mangel überstehen, mit einer „intelligenten“ Regelung der Verbraucherseite oder umgangssprachlich einer Rationierung.

Die Gesetzlosen

Weiterhin ignoriert das Habeck-Ministerium sein eigenes Gesetz. Das Monitoring des Kohleausstiegs in Form eines Zwischenberichts, der erstmalig bereits zum 15. August 2022 hätte vorgelegt werden müssen (§54 KVBG – Kohleverstromungsbeendigungsgesetz), erfolgt nicht. Als Ausrede wird auf den Ukraine-Krieg verwiesen. Aber gerade deshalb wäre ein Monitoring umso wichtiger. Den rotgelben Teil der Regierung wie auch die Opposition im Bundestag scheint dies jedoch nicht zu stören, man gewährt dem grünen Ministerium großzügig eine gewisse Narrenfreiheit. Das ist eine Fahrlässigkeit, die folgenreich sein wird.

Die Aussichten sind trüb wie ein Gurken-Smoothie mit Banane und Rucola. Absehbar ist ein rundum subventioniertes Energiesystem, beginnend bei der EEG-Förderung, über gestützte Netzentgelte, einen subventionierten Industriestrompreis und einem staatsfinanzierten Kapazitätsmarkt beim Strom, bis man künftig eventuell auch dem Haushaltsstrompreis aus sozialen Gründen wird beispringen müssen. Die Frage, wo bei sinkender Wertschöpfung im eigenen Land das Geld herkommen soll, wird durch den vom Kanzler versprochenen Aufschwung beantwortet.

Auch die Stromwoche 45 beginnt spannend. Am 4. November um 6 Uhr 30 steigt der Import auf 19.600 MW (Quelle), das entspricht der vollen Leistung von 13 Kernkraftwerken wie Isar 2. Die weiteren Winterwochen werden interessant sein, vor allem teuer. Mehr Importe in dunklen Zeiten und mehr Redispatch, verursacht durch die extremen Schwankungen der Naturenergie zwischen Mangel und dem im Winter eher seltenen Überschuss, kommen auf die Rechnung. Diese Energiepolitik ist durchaus nachhaltig. Nachhaltig schädlich.


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Kommentare ( 36 )

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Eberhard
1 Monat her

Abwarten. Trump wird wegen Subventionen unsere Importe aus den USA durch Zoll verteuern. Dann zahlen wir doppelt. Nämlich die Subvention für die Energiewende und dazu die Einfuhrzölle aus den USA. Nicht zu vergessen, für modernste Technologien sind wir gerade auf Importe aus den USA angewiesen. Keine KI ohne die USA und selbst hier wird großer und sicherer Energiebedarf bei allen Betreibern hier erforderlich. Resultat des ganzen: Wir werden bei wichtigsten Hochtechnologien der Zukunft immer weiter abgehangen. So wie wir aus der Weiterentwicklung der Kernkraft leichtsinnig ausgestiegen, wird es auch durch linksgrüne Ideologie bei anderen Fortschrittstechnologien kommen. Abgehangen und zum Entwicklungsland… Mehr

joly
1 Monat her
Antworten an  Eberhard

Ein Bon Mot dazu:
Wer nichts weiß und auch nichts kann, heuert bei den Grünen an. Und wer nichts kann und auch nichts weiß, der glaubt und wählt den grünen Scheiß.
Die letzten 3 Jahre haben und gezeigt, dass die Farben Rot und Gelb durchaus ergänzt werden können. Bei Schwarz bin ich fast auch dieser Meinung.
Tja – was bleibt dann noch?

Dr.KoVo
1 Monat her

Heute nur 1GW Wind und 6,6 GW Solarleistung. Artikel von Haferburg auf der Achse. Es lebe die „Energiewende „!

MarcusPorciusCato
1 Monat her

Diese Analysen werden die Energiewende-Dschihadisten nicht überzeugen! Es ist nämlich auch ohne sie bekannt, dass die Hälfte des Jahres Winter herrscht und die Hälfte jedes Tages Nacht, wobei der Solare Strahlungsfluss über die Tageszeit im Mittel nur die Hälfte der maximalen Leistung beträgt. Und dann gibt es noch schlechtes Wetter. Insgesamt treffen über die 8.760h eines Jahres nur 10% davon auf PV-Module, die maximal 20% in Strom umwandeln können. Aber die Produktion fällt genau nur dann an, wenn der Preis am niedrigsten ist!
Was soll der enorme Aufwand für so wenig Ertrag?

89-erlebt
1 Monat her

Ganz aktuell … Strompreise an der Börse erneuter Höchstpreis der Woche:
525 € / MW. Es steht zu befürchten, dass diese Sprünge nicht mehr ausgepacht werden können. Dann gibt es im günstigen Fall Lastabwürfe, regionale Brown outs oder die 50 Hz werden so stark unterschritten, dass großflächig das Netz kollabiert.
Aber gern nochmal: Moorburg war auch schwarzstartfähig … wurde von schwarzrotgrün zerstört.

Bernd Gottschalk
1 Monat her

…die App “ electricity maps “ ist hierzu recht interessant, auch auf dem PC…

Jerry
1 Monat her
Antworten an  Bernd Gottschalk

Die Liveanzeige der Netzfrequenz ist auch interessant!
https://www.netzfrequenz.info/

hoho
1 Monat her

In „Woher kommt der Strom? 42. Analysewoche 2024“ auf Achse gab es eine Referenz zu dem (hinter der Bezahlschranke versteckten) Artikel in der Welt wo man was echt interessantes über September 2024 lesen konnte:

  1. EEG Subvention: 2.6 Mld€
  2. der damit subventionierte, saubere Strom wurde für 145m€ verkauft

Das ist natürlich jeden Monat anders aber wenn das so geht, dann sind wir verloren – 2.5Mld jeden Monat das sind 30Mld im Jahr. 50Mld für die Neuen, wie viel für die Fahrradwege in Peru und Neonazis in Ukraine – bestimmt nicht weniger als 50Mld.

Andy Malinski
1 Monat her
Antworten an  hoho

Bitte die Abkürzungen „Mio“ und „Mrd“ verwenden, die sind hierzulande geläufiger.

W aus der Diaspora
1 Monat her

Erst einmal Danke für den informativen Artikel.
Wir können abwarten, wann unsere Nachbarn keine Kapazitäten mehr frei haben um uns zu beliefern …
Dann wird und bleibt es ein Weilchen dunkel …

hoho
1 Monat her
Antworten an  W aus der Diaspora

So weit wird es nicht kommen. Die anderen hatten immer Überkapazitäten, so wie man halt solche Netze normalerweise baut, die Deutschen haben jetzt das System aus der Reihe gebracht aber bis jetzt reicht es. Mit jedem neuem Windrand wird es teurer. Die Nachbarn werden vlt neue Kraftwerke bauen, die dann nach D. Strom verkaufen werden, vis die Deutschen kein Geld haben. Das ist aber nicht heute. „Wir“ sind noch reich.

Ombudsmann Wohlgemut
1 Monat her
Antworten an  hoho

Andere Länder bekommen auch immer mehr Engpässe. Bestimmte Knotenpunkte sind komplett ausgelastet.
Es wurde bereits erwähnt, dass im Ernstfall nicht alle versorgt werden können.
Und falls wir nicht über irgendwelche krummen Deals die anderen ausbooten, wird man uns als Hauptschuldigen sicher hinten anstellen.
Auf Kosten anderer diese nicht funktionierende Transformation durchzuführen ist also auch moralisch nicht vertretbar, wird aber schön verheimlicht.

joly
1 Monat her
Antworten an  Ombudsmann Wohlgemut

Liebe Leut erinnert euch bitte an den Katastrophenwinter Ende der 70er Jahre. Damals hatten wir noch alle AKWs auf Volllast und trotzdem erfroren Menschen und Stalltiere. Es reichen einige umgefallene Masten. Und jetzt noch das Gleiche ohne AKWs bei Nebel und Windstille.

Delegro
1 Monat her
Antworten an  W aus der Diaspora

Wenn unsere Nachbarn gute Geschäftsleute sind, dann bauen Sie Kernenergie, Kohlekraftwerke und Gaskraftwerke was das Zeug hält. Der Kunde für die Abnahme dieser Energie zu praktisch jedem frei wählbaren Betrag durch den Produzenten ist gesichert. Der Kunde ist Deutschland, der seine Energiewende so was von in den Sand setzte, dass man dafür keine Worte mehr findet. Und vollständig abhängige Kunden waren immer schon die besten Kunden. Je dümmer und selbstzerstörerischer um so besser für die Lieferanten. Und wenn es ganz schief läuft, hat man dort auch noch ein hervorragendes Drohpotenzial in der Hand. Ihr sollten bei dieser EU-Regelung ganz bestimmt… Mehr

Ombudsmann Wohlgemut
1 Monat her
Antworten an  Delegro

In der Theorie ja, aber das geht eben nur so weit es die Knotenpunkte überhaupt verkraften. Die sind aber schon ausgelastet. Somit kann man die Flüsse leider nicht beliebig steuern.

pcn
1 Monat her

Die Ampel hat Deutschland nicht nur energiepolitisch völlig ruiniert. Jedenfalls mit Sicherheit, was die kontinuierliche, wirtschaftlich orientierte Stromversorgung betrifft. Stromrationierung sind für die Ampel notfalls auch eine Option. Diese unverschämte Arroganz von ideologisch irregeleiteten Politikern, die sich nicht an ihren Amtseid halten, stattdessen an sich zu Bütteln von linksgrünen Neomarxisten mit ihren Entscheidungen machen, ist derart widerlich, dass ich dafür nur Worte finden würde, die nicht ganz „stubenrein“ im Sinne strafrechtlicher Relevanz sein würden. Deswegen lasse ich sie einfach weg.

BK
1 Monat her

Wenn wir dann erstmal alle unsere Verbrenner abgegeben und gegen E-Autos getauscht haben, brauchen wir doppelt soviel Strom, was die privaten Haushalte betrifft. Um die Sorgen und Nöte der Bürger besser zu verstehen, will man dann noch irgendwann mit KI anfangen, sodass man noch ein paar größere Rechenzentren braucht, wofür sich Microsoft bereits die Rechte an einem Atomkraftwerk in den USA gesichert hat. Dass man dafür auf deutsches Know-how und ESG-Engineering verzichtet, scheint in unserem Wirtschaftsministerium noch unentdeckt geblieben zu sein. Also wieder ein klarer Fall. Unser Weltklima retten wir auf unsere Art. Egal, was andere davon halten.

_Mario_
1 Monat her
Antworten an  BK

Ich habe erst gestutzt, aber ja, der Verbrauch würde sich verdoppeln. Für meinen 2 Personenhaushalt brauche ich 1.500 kWh (bin sehr sparsam). Für ein E-Auto, das für 100 km 15 kWh braucht, kommen für 15.000 km Jahresfahrleistung nochmal 2.250 kWh hinzu

Last edited 1 Monat her by _Mario_
Jerry
1 Monat her
Antworten an  BK

Bis 2030 soll sich der Strombedarf aufgrund riesiger Rechenzentren für KI verdreifachen. Für ein Land, dass nach eigener Einschätzung Weltmarktführer in Sachen KI werden will (was ohnehin eine Lachnummer ist), sind die Aussichten doch recht trübe. Praktisch genauso trübe wie das Wetter…

Last edited 1 Monat her by Jerry
hoho
1 Monat her
Antworten an  BK

Das ist doch gar nicht der Plan, die Verbrenner auf Elektroautos zu tauschen. Meine Nachbarn gegenüber – haben 2 Elektrofahrzeugen und keine Kinder. Ich habe 3 Kinder und einen alten Verbrenner. Ich gehe schneller zu Fuß als meine Nachbarn. SO weit wird es aber nicht kommen. Wenn meine 17 Jahre Gasheizung kaputt geht und ich gezwungen bin, sie auf eine Wärmepumpe zu tauschen wird es eng und die Bude ist weg.

Mausi
1 Monat her

Und für Sonne muss man wohl zusätzlich danach fragen, wie dieser Strom verbraucht wurde. Was der Staat an EEG Umlage bezahlt hat und wie hoch der Börsenwert des Stroms war. Oder wieviel unverbraucht exportiert wurde und zu welchem Preis.
Ich bin fasziniert von dieser App! Könnten Sie vielleicht die installierte Leistung erklären, wenn man in der Anzeige der Energiequellen auf z. B. Kohle geht?

Last edited 1 Monat her by Mausi