Der Panda ist gerettet, jedenfalls so gut wie. Ein Lichtblick, zu dem ideologisierte Umweltaktivisten nicht beigetragen haben. Denn Artenschutz dient entweder dem Menschen - oder er ist vergeblich.
Dem Großen Panda geht es besser. Knapp zweitausend Exemplare soll es in freier Wildbahn wieder geben. Folgerichtig wurde sein Erhaltungszustand im Jahr 2016 von „gefährdet“ („endangered“) auf „verletzlich“ („vulnerable“) hochgestuft. Dies ist zweifellos ein Erfolg von Artenschutzbemühungen. Die aber mit dem hierzulande populären Dogma von der „zu bewahrenden Schöpfung“ nichts zu schaffen haben. Tatsächlich entlarvt der Panda jede Vorstellung von der Existenz eines „Schöpfers“, als Aberglauben. Es sei denn, dieser wäre entweder ein Idiot oder ein Witzbold, der uns absichtlich einen fehlkonstruierten Bären aufbindet, um sich über unsere Bemühungen zu amüsieren.
Selbst jedenfalls wirft sich der Panda nicht für seine Rettung ins Zeug. Obwohl ihm als Bär vielversprechende Optionen offen stünden. Aber er nutzt keine davon. Ihn motiviert nur der Bambus. Zu selten verleibt er sich andere Pflanzen oder Kleingetier ein, um wie sein ferner Verwandter, der Braunbär, Lebensräume auf der gesamten eurasischen Landmasse zu besetzen und mit seinen Babys füllen zu können. Nein, der Panda möchte nur dort sein, wo auch der Bambus ist.
Vor wahrscheinlich fünfzehn Millionen Jahren erklommen seine Vorfahren die zentralchinesischen Berghänge und wagten sich bis in Höhen von mehreren tausend Metern vor. Kalt, feucht und dicht bewaldet, so kann man diesen Lebensraum beschreiben, eine im Grunde karge Umgebung, die zwar Ruhe vor Fressfeinden oder Nahrungskonkurrenten bietet, aber eben auch kaum mehr. Vom Bambus einmal abgesehen. Den zu vertilgen den Ahnen der heutigen Pandabären daher einen Fortpflanzungsvorteil gegenüber Artgenossen verschaffte, die dieser neuen Speise mit größerer Zurückhaltung begegneten und mehr Mühen bei der Suche nach Verpflegung auf sich nahmen. Konsequent eliminierte die natürliche Selektion deswegen die Anlagen letzterer aus dem Genpool der Population. Und begünstigte phänotypische Anpassungen, die letztlich in die Bildung einer neuen Art in geographischer Isolation mündeten.
So funktioniert Evolution
So funktioniert Evolution. Sie belohnt Individuen für ein Verhalten, das die Unsterblichkeit der eigenen Keimbahn befördert und bestraft jene, deren Benehmen in dieser Hinsicht weniger effektiv ist. Mutation und Selektion werden nicht gesteuert. Man kann diese Prozesse nicht an- oder abschalten. Sie finden einfach statt und sortieren Gene ganz so, wie die Gravitation Massen anordnet oder der Elektromagnetismus Ladungen. Und so wenig, wie in der Schwerkraft ein Plan verborgen ist, Gesteinsplaneten wie die Erde zu erzeugen und sie mit Sonnenlicht zu versorgen, so wenig arbeitet die Evolution auf ein bestimmtes Ziel hin. Ob Einfachheit oder Komplexität, ob Spezialisierung oder Flexibilität, alle Wege, die der Physiologie oder dem Verhalten innerhalb des durch die jeweilige Umwelt vorgegeben Rahmens offen stehen, können beschritten werden. Ob sie sich langfristig als sinnvoll erweisen, ist dabei unerheblich, es entscheidet allein der unmittelbare, kurzfristige Nutzen hinsichtlich der Erzeugung überlebensfähiger Nachkommen, in ausreichender Zahl. Gier und Opportunismus helfen da sehr, wer sich bescheidet und zurücknimmt, sich einer „nachhaltigen“ Lebensweise verschreibt, der verliert und verschwindet. Die Natur kennt nur Maßlosigkeit und Verschwendung. Das Leben ist eine Entropieschleuder und gestaltet durch seinen Stoffwechsel selbst die Bühne ständig um, auf der es seine Geschichte erlebt. Lithosphäre, Hydrosphäre und Atmosphäre dieses Planeten werden durch die Biosphäre ununterbrochen neu geformt. Das bevorzugt Arten mit großen Anpassungsspielräumen. Den Bambusbären aber hat es in eine Sackgasse verschlagen, aus der es kein Entkommen mehr gibt.
Seine körperlichen Adaptionen an die Lieblingsspeise, vor allem im Verdauungstrakt, ändern nämlich am geringen Nährwert des Bambus nichts. Entsprechend groß ist der Tagesbedarf eines ausgewachsenen Exemplars. Dutzende Kilogramm braucht ein Panda, was ihn bis zu sechzehn Stunden beschäftigt. Da bleibt nicht viel Zeit für andere Aktivitäten, für erotische Abenteuer, Expeditionen in neue Gebiete oder das Erproben neuer Nahrungsquellen. Zumal er ausgerechnet die jungen, frischen Sprossen bevorzugt, die ihn langsam aber sicher mit Blausäure vergiften. Entsprechend träge tappt er durch die Bambuswälder, ausgebremst von einer Stoffwechselrate, die weniger als die Hälfte derjenigen anderer Säugetiere vergleichbarer Größe beträgt. Seine Unlust zu allen Anstrengungen, Geschlechtsverkehr inklusive, ist legendärer Anlass zur Verzweiflung für die Mitarbeiter in den diversen Nachzucht- und Auswilderungsprogrammen.
Angesichts all dessen wäre ein baldiges Aussterben des Großen Panda keine Überraschung. Jede Änderung der Umstände, in denen er sich mehr schlecht als recht eingerichtet hat, kann für ihn die Katastrophe bedeuten. Es mag ein Wettbewerber sein, der den Bambus effektiver und effizienter verwertet, es mag eine Pflanze sein, die den Bambus verdrängt, es mag eine Mikrobe sein, die ihn dahinrafft, oder gar ein Räuber, der sein Fleisch als äußerst schmackhaft empfindet. Ob solche oder andere Szenarien eintreten: Unter nahezu allen denkbaren Entwicklungen stünde der Große Panda vor keiner großen Zukunft.
Sein Verschwinden würde auch niemandem auffallen, denn er erfüllt keine Funktion und dient keinem höheren Zweck. Ob es Pandas gibt oder nicht, spielt für den Rest der Welt keine Rolle. Außer vielleicht für den Bambus. Und der wäre eher entzückt denn betrübt, hätte er denn ein zu Emotionen fähiges Zentralnervensystem.
Wer ausstirbt, hinterlässt neue Optionen
Bei näherem Hinsehen gilt das für alle Arten auf diesem Planeten. Wer ausstirbt, kann nicht wichtig sein, sonst wäre es nicht soweit gekommen. Wer ausstirbt, hinterlässt höchstens neue Optionen für andere, aber keine betrauerte Lücke. Wo manche Beobachter Harmonie zu sehen glauben und ein fein aufeinander abgestimmtes System gegenseitiger Bedarfserfüllung, herrschen in Wirklichkeit Krieg und Chaos. Das Leben ist auf Unordnung angewiesen, es ruft sie sogar selbst hervor. Schon sein Ursprung, der langsame aber stetige Übergang von geochemischen zu biochemischen Prozessen, erforderte dauerhafte energetische und stoffliche Gradienten in Umgebungen, in denen sich reaktionsfreudige und katalytische organische Moleküle räumlich konzentrierten und daher immer komplexere Strukturen, durch immer mehr unterschiedliche Reaktionsketten bildeten. Zu leben verlangt, diese Energie- und Stoffströme aus eigener Kraft erzeugen und aufrechterhalten zu können. Sind solche doch zwingend notwendig, um eine molekulare Maschinerie anzutreiben, die sich selbst erhält und vervielfältigt.
Leben ist also Folge und Ursache von Ungleichgewichten, die sich von der Zellatmung ausgehend bis in makroskopische, ja sogar globale Dimensionen erstrecken. Stabile Ökosysteme gibt es nicht. Auf Dauer trifft es zwingend entweder den Panda, oder den Bambus, oder beide. Momentan verfügt der Panda über die schlechteren Karten. Zu ineffektiv nutzt er die Ressourcen seiner Umgebung, um sich halten zu können. Nur eine unwahrscheinliche, aus Sicht des Bambusbären äußerst glückliche Fügung würde ihn retten. Tatsächlich ist genau diese bereits eingetreten, als ausgerechnet der Mensch in seinen Lebensraum vordrang. Denn an diesen ist der Panda, ohne sich je darauf vorbereitet zu haben, ausgesprochen gut angepasst. Die im Grunde einfachen Regeln der Evolution erzeugen automatisch eine Komplexität der Formen und ihrer Beziehungen zueinander, die dem Zufall einen großen Spielraum bietet.
Drei Talente machen den Panda für uns, und nur für uns, nur für ausgerechnet die einzige Art auf diesem Planeten, die ihm wirklich aus der Patsche helfen kann, überaus kostbar. Er schaut aus seinen schwarzumrandeten Augen müde in die Welt, kugelt sich gelangweilt über den Boden und knabbert am Bambus mühevoll in sitzender Haltung, die vorderen Gliedmaßen wie Hände benutzend. Dem können wir nicht widerstehen. Was die chinesische Regierung dazu bewegt, in diesem Zusammenhang wie ein gewinnorientiertes Privatunternehmen zu handeln und ihn mit großem Aufwand zu pflegen und zu hegen. Der Panda ist diplomatisches Kapital und wertvolle ökonomische Anlage zugleich. Deswegen wird er nicht aussterben können, nicht aussterben dürfen, solange es Menschen gibt.
Sterben die Menschen, sterben die Pandas. Nicht andersherum.
Es war also ein Irrtum, den Panda überhaupt auf die „rote Liste“ zu setzen. Stattdessen hätte er schon immer auf eine „grüne Liste“ gehört, die die Arten umfasst, dies es nur noch oder überhaupt nur deswegen gibt, weil der Mensch durch die direkten und indirekten Auswirkungen der von ihm geschaffenen Technosphäre zu einem bedeutenden Faktor der natürlichen Selektion aufgestiegen ist.
Vor allem umweltbewegte Wohlstandsbürger westlicher Prägung, durch einen Schutzschild artifizieller Kulturlandschaften der Wildnis entzogen, mögen diese Perspektive nicht. Viele Zeitgenossen sehen im Menschen einen Zerstörer, wo er doch in Wahrheit nur Lebensräume verändert und neue erschafft. Sie meinen, der Mensch gefährde seine natürlichen Lebensgrundlagen, obwohl es solche doch gar nicht gibt. In Wahrheit behauptet sich Homo Sapiens seit mindestens 200.000 Jahren in einer ihm feindlich gesonnenen Umwelt, in der nichts auch nur das geringste Interesse daran hat, von ihm gegessen oder auf sonst eine Art genutzt zu werden. In der die Evolution ihm deswegen keine andere Chance bot, als eben den Weg zu beschreiten, auf dem er sich bis heute halten konnte. Den Weg, der ihn erst dazu in die Lage versetzte, den Panda zu bewahren. Eine grundsätzlich andere Richtung einzuschlagen, wäre also nicht nur für die Menschheit verheerend. Sterben die Menschen, sterben auch die Pandas. Nicht andersherum.
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„Tatsächlich entlarvt der Panda jede Vorstellung von der Existenz eines „Schöpfers“, als Aberglauben. Es sei denn, dieser wäre entweder ein Idiot oder ein Witzbold, der uns absichtlich einen fehlkonstruierten Bären aufbindet, um sich über unsere Bemühungen zu amüsieren.“ 1. Komma vor „als“ ist auch dann falsch, wenn inzwischen alle diesen Fehler machen. 2. Dass der Pandabär eine Fehlkonstruktion sei, ist kein Argument gegen den Schöpfungsglauben, weil die Welt nach christlicher Vorstellung durch den Sündenfall eine gefallene und unvollkommene ist. Der Autor braucht ja nicht religiös zu sein. Es steht ihm frei, seine Ahnungslosigkeit über grundlegende Aussagen der Theologie auf dem… Mehr
Der Artikel ist ja nicht böse geschrieben, also will ich mal nicht erschrecken. Er ist aber m.E. voller Fehler. Der Panda symbolisiert Eigenschaften, die evtl. den Chinesen heilig sind. Die Überlebensrate wäre höher, gäbe es noch ausreichend Exemplare, will sagen, dass Pandas sich nicht haben an die Umweltveränderungen, hervorgerufen vor allem durch den Menschen, deren Geschwindigkeit anpassen können. Sie schwinden also, weil sie mit Wenigem auskamen und nicht zu Vielfrassen werden, um überleben zu können. 38% der Stoffwechselgeschwindigkeit anderer Bären? Leben sie länger als andere Bärenarten? Gibt es Krankheiten, die die Pandas nicht befallen, weil ihr Blausäureanteil im Blut hoch… Mehr
Etwas „off-topic“, aber an das Thema angelehnt: Wie verhält es sich eigentlich bei freien und kritischen Medien? Sterben erst die Blogs und Alternativ-Medien und dann der freie Mensch, oder erst der freie Mensch und dann die freien Medien? Das frage ich deshalb mal in die Runde auch an die Journalisten von TE, weil ich bei der WELT (obwohl als „regelmäßiger“ Tagespasskunde) gesperrt wurde, aber registriere, dass dort vermehrt reichlich lesenswerte Autoren und Journalisten mMn eingeschränkt tätig sind. Beispiel Don Alphonso: So ziemlich auf Nische und Fahrrad reduziert. Nichts mehr mit Netz-Rebell. Broder wäre ohne die Achse kaum wahrnehmbar, ohnehin fast… Mehr
Danke für den interessanten Einblick! Die Chinesen habe ja erst letztes Jahr Pandas an den Berliner Zoo für eine Millionen-Summe auf 15 Jahre verliehen. China macht mit den Bären Cash und Politik.
UNSERE „GRÜNEN“ SIND URBAN GEPRÄGTE, OPPORTUINISTISCHE KARRIEREYUPPIES, denen es um alles Mögliche gehen mag, nicht aber um die Natur. Auch der Feminismus ist das Widernatürlichste, das es gibt. Ich habe noch nie einen größeren Unsinn gehört als den berüchtigten de Beauvoir-Spruch „on n’est pas née femme, on le devient“. Geradezu gotteslästerlich, denn natürlich wird eine Frau als solche geboren, ist von der Natur als solche gedacht, und zwar im Unterschied zum Mann. Eine Feministin ist für mich keine Frau und ein Grüner hat nichts mit Natur zu tun. Nicht das Geringste. Im Gegenteil: den meisten davon geht es nur entweder… Mehr
Ups- irgend eine versehentliche Tastenkombination schickte den Kommentar ab, obwohl ich noch gar nicht fertig war … was vermisse ich doch die Editierfunktion! Liebes TE-Team, wenn wir alle ganz doll betteln, könntet ihr dann nicht vielleicht doch …? Das wollte ich noch sagen: Vielleicht – ganz vielleicht – kann so manchem gutmenschenverdehtem Schüler doch ein Stirnrunzeln entlockt werden ob dieses Umstandes: 98% aller Arten, die je auf diesem Planeten gelebt haben, sind ausgestorben! Dann kann zumindest die Natur selbst nicht allzu viel gegen das Aussterben haben, oder? Und manchem dämmert vielleicht: Aussterben ist so sehr zweite Seiter der Medaille „Entwicklung“,… Mehr
All dies kann ein Schüler nachvollziehen, der durch eine Schule gegangen ist, die beispielsweise auch die meisten zeitgenössischen Nobelpreisträger hervorbrachte, also eine Schule der Art, wie sie in der „Feuerzangenbowle“ zu sehen ist (dort allerdings nicht sehr positiv …).
Schüler einer Schule, in der „Namen tanzen“, „Afrika retten“ oder „gegen rechts kämpfen“ auf dem Lehrplan steht – genauer: den gesamten Lehrplan ausmacht- , fehlt JEDE Voraussetzung, um dergleichen Texte auch nur im Ansatz kapieren zu können.
Irgendwo muss doch die Art von Menschen mit religösem („spirituellem“) Grundcharakter eine Triebabfuhr haben. Die Kirche hat man ihnen in der Aufklärung madig gemacht. Jetzt stürzen sie sich eben auf alles, was so daher kommt: Mutter Natur, Eastern Spirituality, One-World-Liebe , .. Nicht missverstehen: Ich bin dem gar nicht feindlich gesonnen, jeder muss seine „Triebabfuhr“ haben. Ich sage vielmehr, dass die Ideologie einer säkularen, nur-rationalen Gesellschaft ein Fehler war. Victor Orban hat das letztens auch so verkündet.
Nette Beschreibung!
Ich mache mir trotzdem Sorgen darum, ob der Mensch diese Erde als ein Biotop bewahren kann, in dem er, also der Mensch, sich selbst wohl fühlt. Insbesondere die menschliche Überbevölkerung könnte einem für den Menschen lebenswerten Biotop den Garaus machen. Ich halte es für berechtigt, dass die Ökologen darauf gelegentlich hinweisen.
Würde Wildpanda delikat schmecken, hätte man die Probleme seiner Art längst gelöst.