Entschädigung für Atomkraftwerke

Machterhalt und instrumentalisierte Atomangst haben ihren Preis. Das Bundeskabinett hat wieder eine Rechnung abgenickt.

© Thomas Lohnes/Getty Images

Je weiter das nationale Projekt der begonnenen Stromwende, die von selbsternannten progressiven Kräften der Gesellschaft heftig als „Energiewende“ gepriesen wird, voranschreitet, desto öfter flattert eine Rechnung ins Bundesfinanzministerium. Nun ist eingetreten, was ich im Beitrag zum Thema Reststrommenge im März dieses Jahres beschrieb. In Umsetzung eines Urteils des Bundesverfassungsgerichts aus dem Dezember 2016 hat nunmehr das Kabinett beschlossen, den Steuersäckel zu öffnen und den ewig gestrigen Atomkonzernen RWE und Vattenfall Geld zu geben. Wir erinnern uns: Der Schröder-Trittin’sche Atomkompromiss von 2002 legte Reststrommengen fest, nach deren Erzeugung die deutschen Kernkraftwerke hätten stillgelegt werden müssen. Mit der schwarz-gelben 11. AtG-Novelle 2009 wurden die Laufzeiten durch erhöhte Reststrommengen verlängert, bevor die Fukushima-Katastrophe zur 13. AtG-Novelle mit der 180-Grad-Kehrtwende in der Atompolitik führte. Zurückgenommen wurden damit die erhöhten Reststrommengen aus der Novelle 2009, nicht jedoch die von 2002. Dafür wurden feste Abschalttermine beschlossen. Diese verhindern, dass die zugestandenen Strommengen noch erzeugt werden können.

Insoweit konnten die Betreiber eine Verletzung des grundgesetzlich garantierten Rechts auf Eigentum geltend machen und Entschädigung beanspruchen. Nach Spruch des Bundesverfassungsgerichts ist die Eigentumsbeeinträchtigung der Betreiber quantitativ erheblich und wiegt wegen des rechtlichen Hintergrundes der 2002 zugesprochenen Reststrommengen schwer. Das Gericht spricht von „Verstrombarkeitsdefiziten“, auch von „frustrierten Investitionen“, ein Begriff, den jetzt auch Dieselfahrer benutzen können, wohl ohne Aussicht auf Entschädigung.

Wie bei der Brennelementesteuer (die komplett und verzinst zurückgezahlt werden musste), treffen wir auch hier auf regierungsamtlichen Pfusch, schlampige Gesetzgebungsarbeit mit teuren Folgen. Ich äußere nochmals meine Verwunderung über in Kompaniestärke in unserem Parlament vertretene Juristen, die solcherart Rechtsfolgen nicht schon bei der Beratung der Gesetze erkennen. Und wozu gibt es gleich nochmal den wissenschaftlichen Dienst des Bundestages?

Um welche Summe es sich nun handeln wird, ist noch nicht klar. Erst 2023, wenn die letzten Regelstäbe in einem deutschen Kernkraftwerk gefallen sein werden, kann kalkuliert werden, was der nicht produzierte Strom für einen Preis gehabt hätte.

Wie beim Phantomstrom, der im Überlastungsfall von Teilen des Netzes und abgeschalteten Windkraftanlagen kraft Gesetz bezahlt werden muss, wird auch hier der Bürger für doppelte Nichtleistung zur Kasse gebeten. Zum einen für nicht produzierten Strom, zum anderen für die politische Fehlleistung unserer Laienspielgruppe in der Regierung. Dabei ist es völlig unerheblich, dass einmal der Stromkunde, im anderen Fall der Steuerzahler herhalten muss. Jeder Steuerzahler ist auch Stromkunde.

RWE und Vattenfall werden die Entscheidung mit Genugtuung zur Kenntnis nehmen, EnBW hatte nicht geklagt. Für sie funktionierte in diesem Fall die Judikative zu ihren Gunsten. Vattenfall hat mit dem Verfahren vor dem internationalen Schiedsgericht der Weltbank (ICSID) noch ein zweites Eisen im Feuer und es ist kaum zu vermuten, dass Deutschland kostenlos aus der enteignungsähnlichen Stilllegungsverfügung der schwedischen Kernkraftwerke Krümmel und Brunsbüttel herauskommt. Dieses Schiedsgericht war geschaffen worden, um ausländische Investitionen in Drittweltländern zu schützen. Deutschland steht jetzt in einer Reihe mit Bananenrepubliken.

Das Bundeskabinett geht beim jüngsten Beschluss von einem „niedrigen einstelligen Milliardenbetrag“ aus. Da sind wir aber froh. Angesichts von Energiewendekosten im Bereich von hunderten Milliarden Euro, bis 2030 vermutlich über einer Billion, fallen diese Peanuts wirklich kaum ins Gewicht.

Eine Übersicht über die Energiewendekosten gibt es ohnehin nicht, wie die Regierung zugab und was der Bundesrechnungshof bemängelte. Dies ist aber nachvollziehbar, denn neben den direkt zuordenbaren Positionen wie der Höhe der EEG-Umlage und direkter Subventionen in bestimmte Vorhaben, Redispatch und Phantomstrom gibt es keine belastbare Übersicht über die indirekten Kosten wie den Netzausbau (was hätte auch ohne Wende getan werden müssen?) und die Verluste zum Beispiel der Kommunen, die sie durch den verfallenen Großhandelsstrompreis mit ihren Stadtwerken einfahren. Indirekte Auswirkungen durch ausgebliebene Investitionsentscheidungen auf Grund hoher Strompreise lassen sich nicht beziffern, sind aber unzweifelhaft vorhanden.

So ist die Lage bei einem weltweit einzigartigen „Experiment“ (Prof. Fratzscher, DIW), in einem „Freiluftlaboratorium auf dem Energiesektor“ (Christoph Frei, Generalsekretär des Weltenergierates).

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Kommentare ( 15 )

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Archophob
6 Jahre her

In der römischen Republik gab es klare Regeln:
1. während seiner Amtszeit genießt ein Consul Immunität, damit er nicht durch ständige Prozesse an der Arbeit gehindert wird.
2. nach Ende der Amtszeit kann er für jeden Gesetzesverstoß angeklagt und mit seinem Privatvermögen haftbar gemacht werden.
3. Es gibt nur eine Amtszeit, keine 2., 3. oder 4. Wiederwahl.

Julius Caesar hat gegen Ende seines Jahres als Consul schleunigst zugesehen, daß er in der gallischen Provinz ein Amt übernimmt, das ebenfalls mit Immunität verbunden war. As er später von dort aus nach Rom zurückkehrte, war das das Ende der Republik.

Udo Kemmerling
6 Jahre her

Wenn ich das Wort „Weltenergierat“ schon lese wird mir übel. Rat, das heißt im Russischen Sowjet, und genauso stelle ich mir die demokratische Legitimation einer solchen Einrichtung vor. Haben die ihr Büro neben dem Weltumsiedlungsrat? Kranke Ideologie mit dem unbedingten Willen Experimente mit Völkern und Volkswirtschaften zu veranstalten. Das machte der real existierende Sozialismus auch, und hinterher waren zahllose Länder und Völker vollständig heruntergewirtschaftet, nicht zu vergessenen die 100.000.000 Toten dieser „Experimente“. Der Wahnsinn muß gestoppt werden. Ich möchte meinen Lebensabend nicht in der Deutschen Demokratischen Atomkraft-, Industrie- und Autofreien Republik verbringen. Den Gender-, Islam und Jederdarfhierhin-Teil derselben sozialistischen Weltzerstörungsnummer… Mehr

Old-Man
6 Jahre her

Bei diesen Dilletanten am Werk braucht den Bürger nichts mehr verwundern,außer der Frage : um wieviel wird der Strompreis steigen? Ist die Versorgung gesichert,oder werden hier Probleme auftreten,wenn das letzte AKW vom Netz geht?
Ansonsten gilt:ihr werdet von denen verarscht und abgezockt,die ihr seit Jahren immer wieder in unschöner Regelmäßigkeit wählt,nun seit tapfer und ertragt die Tortur des Wahnsinns!

benali
6 Jahre her

Herr Henning, Sie schreiben „Ich äußere nochmals meine Verwunderung über in Kompaniestärke in unserem Parlament vertretene Juristen, die solcherart Rechtsfolgen nicht schon bei der Beratung der Gesetze erkennen“.

Die Autoren dieser Gesetze sind möglicherweise ganz ausgezeichnete Juristen und gleichzeitig als Lobbyisten in eigener Sache tätig. Wenn der Schadenersatz quasi unausweichlich ins Gesetz geschrieben worden ist, dann wird der „Lobbyist in eigener Sache“ sicherlich auch für einen entsprechenden kick-back gesorgt haben.

In einem Staat, in dem das Recht systematisch ausgehöhlt wird, muss der Lobbyist noch nicht einmal mit Strafverfolgung rechnen…

Thorsten
6 Jahre her

Der vermurkste Atomausstieg ist offensichtlich auf Merkels Mist gewachsen. Die Handschrift ihrer Politik: „die Kosten und Lasten trägt der Steuerzahler“ ist klar erkennbar. War da nicht mal was mit Amtseid…

Bubi111
6 Jahre her
Antworten an  Thorsten

Der Atomausstieg war nicht und ist nicht vermurkst: Fukushima war der willkommene Anlass! Er diente dem Machterhalt der CDU! Sie ist noch immer an der Regierung! Es geht nicht um eine Verantwortung zum Wohl der Bürger und des Staates! Man lese die Auslassungen von Röttgen und sehe sich auf youtube den Vortrag von Vera Lensfeld vor der Hayek Stiftung an!

Augustiner Edelstoff
6 Jahre her

Teeren & Federn und dann Spiessrutenlaufen, so wurde das damals geregelt. Heute???

mlw_reloaded
6 Jahre her
Antworten an  Augustiner Edelstoff

Habe mir das kurz exemplarisch bei einigen Spitzenpolitikern vorgestellt und frage mich nun, warum die Methode je abgeschafft wurde? Ein tolles Spiegel/Time Cover würde es wahrlich abgeben.

Augustiner Edelstoff
6 Jahre her

Wir leben doch seit 13 Jahren in einen rechtsfreien Raum, in dem Gesetze keine Bedeutung mehr haben.
Warum sollte die Bundesregierung sich ausgerechnet in diesem Fall an Verträge halten?
Und wie sieht es eigentlich mit den gesetzlichen Rücklagen der Betreiber für den Abbau der Anlagen aus? Hat da unser bester Wirtschaftsminister aller Zeiten Gabriel auch etwas im Hinterzimmer vereinbart und welche Summen kommen da noch auf die Bürger zu?

Marcel Seiler
6 Jahre her

Auch ich zahle mit, und das tut mir leid. Froh aber bin ich über die vielen, vielen gut verdienenden CDU-Wähler, die seit Jahren diesen Schwachsinn durch Wahl abnicken, und die jetzt zur Kasse gebeten werden. Auch die gut verdienenden Grünen-Wähler in Werbung und Medien müssen ihr Portemonnaie öffnen. Wenn jetzt Italien fällt – vielleicht fällt denen dann etwas auf. Vielleicht aber auch nicht! Dann wird der Raubbau eben noch länger dauern.

Michael Theren
6 Jahre her

da Mensch so dumm eigentlich nicht sein kann, bleibt darauf zu warten, daß die Berufskriminellen in der Bundesregierung dann in einigen Jahren mit der „genialen“ Erkenntnis auflaufen werden, daß die alternativen Energien + Gas irgendwie doch schlecht sind und chinesische Hightech-Firmen dann bei uns absolut sichere Thoriumreaktoren+Abreicherungstechnologien zur Müllentsorgung anbieten werden (alles in Deutschland erfunden, aber hier dann „Verboten“).
Energie gibt es im Überfluss auf dem Planeten – die Kunst besteht allein in der Verknappung

Werner Geiselhart
6 Jahre her

Definition von Untreue als Straftatbestand:
„(1) Wer die ihm durch Gesetz, behördlichen Auftrag oder Rechtsgeschäft eingeräumte Befugnis, über fremdes Vermögen zu verfügen oder einen anderen zu verpflichten, mißbraucht oder die ihm kraft Gesetzes, behördlichen Auftrags, Rechtsgeschäfts oder eines Treueverhältnisses obliegende Pflicht, fremde Vermögensinteressen wahrzunehmen, verletzt und dadurch dem, dessen Vermögensinteressen er zu betreuen hat, Nachteil zufügt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.“
Wo bleiben die Staatsanwälte, die ansonsten GEZ-Verweigerer ins Gefängnis stecken lassen?

bkkopp
6 Jahre her
Antworten an  Werner Geiselhart

Ich teile Ihre Empörung. Sie wissen auch, dass derartige politische Entscheidungen, die dann ‚brav‘ vom Gesetzgeber abgesegnet werden, nicht strafrechtlich greifbar sind und sein können. In 2013 und in 2017 gab es dann Wahlen, und nichts ist passiert. Das macht die Sache noch verworrener. Aber, die Parteien sind auch wie sie sind, weil wir zugelassen haben, dass sie sich so entwickeln. Wie auch bei Kirchen oder Gewerkschaften. Demokratie gibt es nur mit sehr aktiver Beteiligung des ‚demos‘ in den konstitutionellen Strukturen und Prozessen. Dabei hapert es seit vielen Jahren gewaltig.

karel
6 Jahre her
Antworten an  Werner Geiselhart

Wie ist eigentlich mit Politikern zu verfahren, die eher
aus wahltaktischen Gründen die Energieversorgung
eines Industrielandes wie Deutschland zu einem Lotteriespiel
degradierten? Oder liegt hier gar die Ausführung einer Order vor
mit dem Ziel, dem vielfachen Exportweltmeister nachhaltig zu
schaden, gar die produktive Basis zu lähmen?

Erst mit dem Atomausstiegsgesetz in 2002 wurden nur in
Deutschland Entwicklungen freigesetzt, von denen andere
Industrienationen bisher klar verschont blieben……

Knapp formuliert….
Hier werden „Brandstifter“ freigesprochen,
die mit Fehlern behafteten „Löscharbeiten“ dagegen beklagt.

Paßt irgendwie zu dem heute so diffus wirkenden Deutschland.