Die unsichtbaren Nanomaschinen – Basteln und Stricken mit DNA

Der Ausflug in die Nano-Welt ist etwas für Zeitgenossen, die Zeit und Geduld mitbringen: der Blick in eine andere Welt in unserem Inneren.

Nanomaschinen bauen

Friedrich Simmel will jetzt in diesen Welten Nanomaschinen bauen: »Für mich als Nanotechnologe ist jetzt natürlich die Aufgabe: Ich will eine künstliche Maschine bauen und nicht eine Maschine nehmen, die in der Natur bereits vorhanden ist.

Motoren eines Automobils beispielsweise sind die Maschinen, die wir seit langem kennen und die Ingenieure bisher mit Bravour bauen. Sie können wir sehen, anfassen und auseinandernehmen und wieder zusammenbauen. Werkzeuge: Schraubenzieher und Schraubenschlüssel.

Die Werkstatt eines Maschinisten der Nanowelt sieht völlig anders aus: Ein normales Chemielabor, Laborbänke, Reagenzgläser, Waagen, Kühlschränke mit unzähligen Materialien, vor allem mit vielen unterschiedlichen Proteinen, den Rohstoffen, aus denen später einmal Nanomaschinen werden sollen. In der Ecke Notduschen wie in jedem Chemielabor.

Die Werkzeuge der Nano-Techniker: eine Pipette und viele Flüssigkeiten, Lösungen und Enzyme.

Die Arbeit der Biochemiker ist vom Prinzip her wenig abwechslungsreich: Ein paar Tropfen in eine andere Flüssigkeit hineingeben, warten, und prüfen, was passiert ist.

Hendrik Dietz: „Was wir zunächst damit versuchen herzustellen, sind kleine Werkzeuge, mit denen ich wiederum mehr über gewisse Eigenschaften von Proteinen lernen kann. Zum Beispiel wollen wir herausfinden, wie stark gewisse Arten von Wechselwirkungen, die wir innerhalb von Proteinstrukturen finden, tatsächlich sind.“

Der Automotor leistet seine Arbeit, indem er Treibstoff wie Benzin oder Diesel verbrennt und dabei Wärme erzeugt. Das verbrannte heiße Gas dehnt sich aus. Der Motor bewegt sich und produziert eine Kraft. Auf diese Weise haben die fauchenden, stampfenden Ungetüme mit ihrer Arbeit die Welt verändert.

Doch die Konstruktionsprinzipien im Nanobereich sind völlig unterschiedlich. Molekulare Maschinen erzeugen auch eine Kraft – nur auf eine völlig andere Art, sagt Matthias Rief.

„Allerdings sind natürlich die Dampfmaschinen von ihrer Physik völlig verschieden von dem, was in einer Nanomaschine geschieht. Was machen Dampfmaschine oder Automotor? Da wird Brennstoff verbrannt, in Wärme umgesetzt und diese Wärme wird dazu benutzt, irgendwelche mechanischen Teile anzutreiben. Das könnten Sie in unserem Körper gar nicht machen. Wir sind konstant bei 37°. Alles andere nennen wir ungut, unterkühlt oder Fieber. Wir wollen eine konstante Temperatur haben und haben somit überhaupt nicht die Möglichkeit, Wärme zu nutzen, um direkt Maschinen anzutreiben.“

In einem Organismus wie zum Beispiel dem menschlichen Körper verbrennt also nichts. Es lodert auch kein Feuer wie in einem Ofen. Schlimm wäre, wenn es so wäre. Denn bei einem Feuer wird es heiß, es muss im Zaum gehalten werden. Das könnte ein lebender Organismus nicht.

Sehr hoch ist der technologische Aufwand beim Automotor, die Energie in Schach zu halten und sie kontrolliert in mechanische Bewegung umzuwandeln. Das gelingt nicht immer perfekt, wie Autos beweisen, die schon mal abbrennen können.

Der Organismus hat dagegen eine effektive Methode entwickelt, die Energie aus der Nahrung in sehr kleinen Einzelschritten abzubauen und sie etwa an den Muskelfasermolekülen abzuliefern.

Enzyme zerkleinern sie chemisch, zerhacken sie gewissermaßen in vielen einzelnen Schritten in immer kleinere Einheiten.

Der laufende Mensch – das Musterbeispiel einer gut funktionierenden Nanomaschine. Muskeln treiben ihn voran. Diese Muskeln wiederum bestehen aus Millionen kleiner Maschinen. Sie wandeln chemische Energie direkt in Bewegung um. Und deswegen sind die Prozesse, die in Nanomaschinen stattfinden, verschieden von sogenannten thermodynamischen Maschinen oder von Dampfmaschinen.

Die Muskelfaser zieht sich zusammen. Muskelarbeit kommt also dadurch zustande, dass die chemische Energie direkt in eine Änderung der Länge des Moleküls umgewandelt wird. Ein Molekül wird gespalten, das sogenannte ATP, ein universelles Instrument in jedem Organismus. Dann klappt ein Teil des Moleküls zurück und zieht einen Teil des Muskels mit. Matthias Rief: „Wenn das viele gleichzeitig machen, dann gibt es die Muskelbewegung.“

Die Muskelbewegung entsteht also, wenn ein winziges Molekül seine Form ändert.

Rief: „Konformationsänderungen, Formänderungen sind der Schlüssel wie Proteine in unserem Körper wirken.“

Verblüffend: Winzige Moleküle verändern ihre Form, und das erzeugt eine Muskelarbeit.

Doch diese Strukturen im Kleinsten sieht man nicht. Sie schwimmen in wässrigen Lösungen. Und nur mit Hilfe von raffinierten Tricks gelingt es Wissenschaftlern, zu überprüfen, daß die Maschinen im Kleinsten auch das gemacht haben, was sie sollen. Gar nicht so einfach.

Rief: „Ein ganz wichtiger Hinweis darauf ist der, dass wir genau wissen, wie lang dieses Protein sein soll. Wenn wir dran ziehen und es entfalten, dann wird es auch ausgestreckt sein. Aber es ist ganz genau definiert, wie viele Aminosäuren da drin sind. Sie können auf den Nanometer genau ausrechnen, wie lang die Kette ist.“

Schraubenzieher und Schraubenschlüssel – das sind die Werkzeuge des Maschinenbauers. Auch die Erbauer von kleinsten Maschinen benötigen Werkzeuge. Sie wollen ihre Stoffe ebenfalls greifen, festhalten und sie neu zusammenbauen.

„Wir brauchen Hände und müssen dieses Protein genau an einer definierten Stelle anzugreifen. Und wie schaffen wir das? Wir können chemische Gruppen an die Enden des Proteins einfügen. Das machen die Bakterien für uns. Und daran fügen wir mit einer synthetisch erzeugten DNA-Molekülen Handgriffe, die dann an Antikörpern, die auf unserem Molekül sitzen, angebunden werden, und so bekommen wir eine ganz genau designte Verbindungskette, nämlich eine mechanische, an der das Einzelprotein steckt, das dann genau untersucht werden kann.“

„Was wir machen, ist jetzt, diese Sequenzen geschickt genug zu wählen, damit die Struktur gebildet wird, die wir uns wünschen. Und nachdem sehr viel über diese Bindung bekannt ist, die Energie, die in den Bindungen drin steckt, kann sehr sehr gut vorher berechnet werden, können wir also die meisten Eigenschaften vorher berechnen. Von daher können wir bestimmen, wie sich nachher die DNA-Stränge in der Lösung zusammenfinden. Und mit einer sehr hohen Sicherheit machen die dann auch das, was wir uns wünschen.“

Protein-Molekuel

 

Protein-Molekül

Matthias Rief zeigt in seinem Labor im Kellergeschoß der Technischen Universität München die Apparatur, mit der er nachweist, dass Proteine tatsächlich das machen, was die Wissenschaftler wollen. Ein Versuchsaufbau aus der Optik. Grundlage ist eine sehr massive und schwere Platte, die schwingend aufgehängt ist. Keine Erschütterungen von vorbeifahrenden Lastwagen oder U-Bahnen sollen die Versuche stören. Schwarz ausgeschlagen und mit schwarzen Platten abgedeckt sind die Strahlengänge, Spiegel lenken Laserlicht. Dünne grüne und rote Punkte flimmern. Eine optische Falle, erklärt Matthias Rief.

„Wir sind Fallensteller, wenn Sie so wollen. Es ist eine Falle in dem Sinn, dass sie Kugeln einfängt. Also wir müssen unsere Proteine an irgendetwas dran binden. Das funktioniert über eine DNA, die am Ende über Glaskugel angebunden ist. Glaskugeln sind so Objekte, die man auch noch sehen kann in einem Mikroskop, und die müssen irgendwie manipuliert werden. Dazu nehmen wir Laserstrahlen.“

Mit dieser komplizierten Apparatur können die Wissenschaftler nachweisen, dass ein Molekül auch wirklich vorhanden ist. Denn sehen können sie nichts.

Jedes unterschiedliche Molekül hat eine bestimmte Länge. Wie mit einem Zollstock die Länge von Bausteinen bestimmt werden kann, so messen die Wissenschaftler die Länge der Moleküle und können so darauf schließen, um welche Moleküle es sich handelt.

„Ein Hinweis darauf, dass das, was wir angegriffen haben, auch wirklich in der optischen Falle sitzt, ist, dass diese Längenänderungen auf den Nanometer ganz präzise gleich sein müssen. Sie sehen also Entfaltungsübergänge, und irgendwann ist es ausgestreckt, dann können Sie abzählen, wie viel Aminosäure sie angegriffen haben. Sie können genau sagen, das kann nur dieses Protein sein, weil ein anderes Protein hätte dann wieder eine andere Länge.“

Die Wissenschaftler haben verschiedene Techniken entwickelt, die es erlauben, in den Nanowelten sogar Bewegungen der einzelnen Teilchen zu verfolgen. Sie benutzen dabei auch einen raffinierten Trick mit Hilfe von Farbstoffen.

„Das ist der Effekt, dass zwei Farbstoffe sich gegenseitig beeinflussen, wenn sie nahe zusammengebracht werden. Die Fluoreszenz eines Farbstoffes kann durch die Fluoreszenz eines anderen Farbstoffes reduziert werden, wenn die beiden sich sehr, sehr nahe kommen. Weil man die Abstandsabhängigkeit dieser Wechselwirkung kennt, kann man aus dem Fluoreszenz-Signal rückschließen, welche Abstände zwischen zwei Punkten auf so einer Nanomaschine existieren. Und damit auch die Bewegungen einer solchen Maschine verfolgen.“

Ein paar grüne, rote oder blaue Leuchtpunkte, die sich einen Hauch weit bewegen. Mehr ist es nicht, was die Wissenschaftler von ihren Forschungsobjekten sehen können. Nur mit solchen indirekten Methoden können sie verfolgen, was ihre Nanomaschinen machen. Wenn die näher zusammenkommen, leuchten die mehr rot, ansonsten gelb.

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