Das ABC von Energiewende- und Grünsprech 70: Klimaziel

Ziele sind wichtig. Viel hängt davon ab, ob sie erreichbar und verständlich formuliert sind. Sie sollten nicht von Symbolik und Wunschdenken getragen sein. Hängt man sie als Trauben zu hoch, wird es schnell teuer, blamabel und frustrierend.

Bettina Hagen

Täglich werden wir mit Begriffen konfrontiert, die im Ergebnis einer als alternativlos gepriesenen Energiewende verwendet werden oder durch sie erst entstanden sind. Wir greifen auch Bezeichnungen auf, die in der allgemeinen Vergrünung in den Alltagsgebrauch überzugehen drohen – in nichtalphabetischer Reihenfolge.

K wie

Klimaziel, das

Wenn man davon ausgeht, dass „Klima“ eine Gesamtheit meteorologischer Vorgänge über einen längeren Zeitraum beschreibt, so lässt einen das fusionierte Substantiv „Klimaziel“ einigermaßen ratlos zurück. Der Begriff ist ein Paradebeispiel neudeutscher Sprachpanscherei.

Nehmen wir es wörtlich und stellen uns vor, wie der Beschluss eines Bundeskabinetts zu einem Klimaziel aussehen müsste. Da Deutschland hinreichend groß ist, um differenzierte Klimata aufzuweisen, würden die Ziele in einer Anlage genannt und nach Regionen aufgeschlüsselt, so wie es zum Beispiel die Wärmeversorger und Heizungsprojektanten tun. Diese setzen vier Klimazonen in Deutschland an, die aber für konkrete Klimaziele zu grob gefasst wären. Folgende Formulierung ist denkbar:

„Die Bundesregierung legt die in der Anlage genannten Klimaziele für das Jahr 2030 für die einzelnen Klimazonen fest.“

„Anlage: Zone Breisgau, Bodenseeregion, Schwäbische Alb:
Sommermaximum <= xx Grad
Winterminimum >= – xx Grad
Jahresmittel = xx Grad
Relatives Luftfeuchtemittel = xx %
Niederschlagsmittel = xxxx mm
Durchschnittliche Sonnenscheindauer = xxxx Stunden
Windmittel = x,x m/s
Hauptwindrichtung: XX“

Dies wäre ein beschlossenes Klimaziel, das auf dem langfristigen regionalen Wetter beruht, welches zur Erreichung von Zielen irgendwie beeinflusst werden müsste.

Gemeint ist natürlich anderes. Es ist gängige Praxis, allen Vorgängen, die irgendwie mit Treibhausgasemissionen zu tun haben, den Begriff „Klima“ anzupappen. Eigentlich gehört jeder dieser Begriffe in Anführungszeichen gesetzt, aus Gründen der Lesbarkeit verzichte ich darauf.

Unpräzise Sprache verrät unpräzises Denken und öffnet den Weg zum Klimapopulismus. Komplizierte Sachverhalte zu simplifizieren und einfache Lösungen anzubieten („Abschalten“) sind Kennzeichen des Populismus und helfen in der Realität nicht weiter. Die Basis bildet der durch Computersimulationen gestützte Gedanke, dass höhere Treibhausgasemissionen zwangsläufig zu höheren Temperaturen von Erde, Luft und Wasser führen. Damit ist zu den weiteren Klimaparametern nichts gesagt. Auch die Frage, welche Temperatur maßgebend ist, bleibt offen, denn eine messbare Globaltemperatur gibt es nicht. Nehmen wir an, am Nordpol steigt in wenigen Jahren die Temperatur um drei Grad, in der Wüste Gobi sinkt sie um drei Grad, so wäre die Globaltemperatur zwar konstant, aber regional mit gravierenden Auswirkungen verbunden.

Die schlichte Annahme, nach zu viel „Gas geben“ könne man durch „Gas wegnehmen“ die Geschwindigkeit eines Temperaturanstiegs regeln wie die eines Autos, wird dem komplizierten Gesamtsystem Atmosphäre mit ihren vielen Einflussfaktoren nicht gerecht. Der erbittert geführte und emotionalisierte Streit um das nicht mehr erfüllbare Ziel 2020 lässt sich nur damit erklären, dass dieser simplifizierte Wirkungsmechanismus derart naiv angenommen wird. Nehmen wir aber an, es wäre tatsächlich so einfach und betrachten die deutschen Klimaschutzbemühungen. Nun streiten sich Klimaschutzparteien und andere Beteiligte um eine aus etwa 70 Millionen Tonnen CO2 zu erwartende Differenz. Das sind zirka 0,17 Prozent der globalen jährlichen anthropogenen Emissionsmenge. Dass dieser Anteil eine Atmosphärenreaktion hinsichtlich der Temperatur hervorruft, ist sehr, sehr unwahrscheinlich. Eher erscheint vor dem Bundestag ein pinkfarbenes Einhorn auf einem Fahrrad.

Klimazeichensetzung

In Gesprächen geben unsere Klimabewegten durchaus zu, dass derart geringe Anteile keine Wirkung haben werden. Der wichtigste Antrieb für ihren Kampf besteht darin, „Zeichen setzen“ zu wollen, damit sich Deutschland als internationaler Vorreiter präsentieren kann. Sie geben hinter vorgehaltener Hand zu, dass eine fulminante Wirtschaftskrise die wirksamste Klimaschutzmaßnahme wäre. Dies wirft ein ehrliches Licht auf die vorgebliche Harmonie der vom Klimaschutz okkupierten Ökologie und der Ökonomie.

Die Abkehr von pragmatischer ergebnisorientierter Politik hin zur „Zeichensetzung“ erleben wir auch auf anderen politischen Feldern wie den Auslandseinsätzen der Bundeswehr oder der Entwicklungshilfe. Vernunftgeleitete Politik würde auf realistische Ziele ausgerichtet sein, was auf dem Energiesektor eher schlecht für die Raum greifende semistaatliche Subventionswirtschaft wäre.

In ihrer Zielfestlegung hat sich unsere Regierung grandios verschätzt und schlampig gearbeitet und das wird wie bei der Brennelementesteuer und den Reststrommengen teuer. Das neue Milliardenrisiko besteht nun darin, dass EU-Emissionsvorgaben für Verkehr und Gebäude deutlich verfehlt werden. Berechnungen zeigen, dass selbst bei moderaten Klimaschutzerfolgen bis zu 30 Milliarden Euro an Zahlungen an die EU drohen. Dafür sind Emissionsmengen von anderen Mitgliedsländern zu erwerben. Die Annahmen unserer Regierung zu möglichen Emissionsminderungen in den Bereichen, die nicht dem Emissionshandel unterliegen, waren unrealistisch.
Der einfachere Weg, den Energiesektor weiter par ordre du mufti durch Abschaltungen von Kraftwerken zu Emissionssenkungen zu bewegen (obwohl diese bisher fast ausschließlich aus diesem Sektor kamen) birgt wiederum die Gefahr von Schadenersatz an die Konzerne. Zeichensetzen kann teuer werden.

Auch die Klimaziele des Pariser Vertrags 2015 scheinen schon veraltet. Neue energiehungrige Technologien wie die Kryptowährungen sind nicht berücksichtigt. Der Bitcoin klettert derzeit auf einen Kurs von mehr als 7.500 Dollar, der zu seiner Erstellung nötige Strombedarf ist erheblich und wächst anscheinend ungebremst. Für 2018 schätzt man den Aufwand weltweit auf etwa 140 Terawattstunden, was dem Jahresbedarf Argentiniens entspricht oder 0,6 Prozent des weltweiten Stromverbrauchs. Das klingt zunächst nicht viel, aber der Gradient ist erheblich.
42.000 Kilowattstunden sind gegenwärtig nötig, um einen einzigen Bitcoin zu „schürfen“. Zum Vergleich: Ein Dreipersonenhaushalt braucht etwa 3.500 Kilowattstunden – pro Jahr. Auch die steigende Weltbevölkerung, 11 Milliarden im Jahr 2050, scheint im Pariser Vertrag nicht dezidiert abgebildet. Es handelt sich bei ihm um eine Zusammenstellung von Absichtserklärungen der einzelnen Staaten.

Was Deutschlands nicht erreichte Ziele angeht, ist die beschriebene Emissionslücke nicht einsam. Auch eine Million E-Fahrzeuge werden wir 2020 nicht auf unseren Straßen sehen. Die Senkung der Verkehrsemissionen beträgt ziemlich genau Null, auch hier eine erhebliche Zielabweichung. Das Kanzlerinnenziel von 2011, die EEG-Umlage bei 3,5 Cent pro Kilowattstunde zu halten, wurde ebenso nicht erfüllt.
Erfolgserlebnisse sind organisierbar. Wenn politische Ziele in Serie nicht erreicht werden, könnte man sich mit einem Beschluss zu den Uhrzeiten der Sonnenauf- und -untergänge Mut machen. Er würde vermutlich erfolgreich umgesetzt – wenn man sich an den Kalender hält.


Frank Hennig ist Diplomingenieur für Kraftwerksanlagen und Energieumwandlung mit langjähriger praktischer Erfahrung. Wie die Energiewende unser Land zu ruinieren droht, erfährt man in seinem Buch Dunkelflaute oder Warum Energie sich nicht wenden lässt. Erhältlich in unserem Shop: www.tichyseinblick.shop

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Kommentare ( 15 )

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notname
6 Jahre her

Was wollen Sie eigentlich? Der Energiesektor war unter den großen vier EVUS stets sozialistisch betrieben.

Jetzt ist er es nicht mehr und schon verlieren alle EVUs jede Menge Geld.

So war es ja auch, als die Mauer viel. Ein Sozialist nach dem anderen ging pleite.

benali
6 Jahre her

Herr Henning, wer Sie nicht auf seiner Seite hat, der hat auch nichts zu lachen. Ich habe mich köstlich amüsiert. Beim Pariser Klima-Gipfel sind Gottheiten gleich die Klimafanatiker in den Mittelpunkt des Weltgeschehens getreten. Sie haben sich mit den Spitzen der Weltpolitik umgeben und in ihren Echokammern ihre eigene Größe bewundert. Heute sieht und hört man von ihnen nichts mehr. Was war geschehen? China wurde erlaubt – im Rahmen des weltbewegenden Abkommens – Kohle zu verfeuern, um die Weltmärkte mit Stahl und Aluminium in einem Ausmaß zu fluten, wie es die Welt nicht braucht. Dann konnte die Wahrheit nicht länger… Mehr

Herbert Wolkenspalter
6 Jahre her

„Unpräzise Sprache verrät unpräzises Denken.“ FALSCH. Das glaubt nur, wer zu wenig gedacht hat. „Klimaziele“ ist ein gängiger Begriff. Man weiß, was es heißen soll. Es vermeidet lange Wort-Bandwürmer oder sogar Halbsätze, die nicht nur ein Begriff sondern gleich eine ganze Erklärung sein wollen – als ob jedes Mal alles erklärt werden müsste, was schon bekannt ist. Man sieht am Artikel, wie viele Worte man zur präzisen Erklärung braucht – und dabei doch so überflüssig, weil eben bekannt. Worte wie „Handy“, die jeder versteht, hätten sich nicht etablieren dürfen, wenn es nach den Paradigmen des Autors gegangen wäre. Wie umständlich wäre… Mehr

Herbert Wolkenspalter
6 Jahre her

Das Wort „Klimaleugner“ stammt übrigens von mir. Habe es vor Jahren in ein Forum der Grünen geschrieben, ohne es vorher schon mal gehört zu haben. Danach hat es sich erstaunlich schnell verbreitet.

HH 1966
6 Jahre her

Ja, wer hats erfunden?
Der „Wolkenspalter“….
Nur leider ist dieses Wort auch nur wieder eines der Wörter,
die eben unpraezise und darum „nichtssagend“ sind, wenn
man sie in den Sinne gebraucht, wie es ihre grünen Freunde
andauernd tun.
So ein „ausgedachter“ Begriff, will eigentlich nur eines in Grunde
erreichen, naemlich eine sinnvolle Diskussion um das Thema
schon in Entstehen zu „ersticken“ und etwaige Gegenpositionen
und deren Vorbringer in eine bestimmte Ecke zu draengen.
Nicht mehr, aber auch nicht weniger….

Herbert Wolkenspalter
6 Jahre her
Antworten an  HH 1966

Selten so einen kruden Blödsinn gehört – einschließlich „grüner Freunde“.

Frank Hennig
6 Jahre her

Nein. „Klimaziel“ wäre mit „Emissionsziel“ eindeutig und kurz beschrieben.

Herbert Wolkenspalter
6 Jahre her

Nö, das ist Effizienz.

Th. Radl
6 Jahre her

„Der einfachere Weg, den Energiesektor weiter par ordre du mufti durch Abschaltungen von Kraftwerken zu Emissionssenkungen zu bewegen … birgt wiederum die Gefahr von Schadenersatz an die Konzerne. Zeichensetzen kann teuer werden.“ Und wenn schon! Die Richtig-Gesinnungs-Einfachdenker (mitunter trotz Doktortitel, was einen mitunter fassungslos machen kann, wenn auch noch in naturwissenschaftlichen Fächern) gehen davon aus, dass wir es doch haben! Und es wird ja auch „niemandem weggenommen“, wie der Oberschlichtdenker gesagt hat (Ich darf nicht daran denken, dass er ein Ministergehalt bezieht)! Insbesondere, da der „Steuerzahlergedenktag“ gerade vorbei ist! Simpler geht nimmer! Da will man sagen: „Eher erscheint vor dem… Mehr

Felix-Schmidt
6 Jahre her

Wir schalten einfach alles ab und „wärmen uns im warmen Licht der Abendsonne“, wie Herr Tichy gestern so passend formulierte. So retten wir das „Klima“.
Gute Nacht, Deutschland.

BK
6 Jahre her

Unberücksichtigt ist weiterhin, dass jeden Tag 100 Millionen Barrel Erdöl gefördert, und verarbeitet werden. Ob nun als Benzin oder Diesel, in modernen Motoren verbrannt, als Schweröl in einem Containerschiff verfeuert, oder zu anderen Produkten umgewandelt wird, und vielleicht als PET-Flasche im Meer landet, ist hier in Deutschland nicht zu verhindern. Hinzu kommen noch ein paar Milliarden Kubikmeter „klimaneutralen“ Erdgases, bei deren Verbrennung offenbar mehr Sauerstoff als Treibhausgase entstehen. Mit steigender Weltbevölkerung, steigt natürlich auch die Zahl der Nutztiere. Es braucht mehr Weide- und Ackerland, welches durch Brandrodung gewonnen wird, und schließlich verödet. Natürlich ist das dann auch noch unsere Schuld,… Mehr

Maskenball
6 Jahre her

Irgendwo muss das Geld ja herkommen um den EU Moloch zu finanzieren und da ist doch nichts einfacher als Geld durch sog. Strafzahlungen zu organisieren, welches dann vom Bürger nicht so sehr als direkter Diebstahl (Steuer) aus seiner Tasche wahrgenommen wird. Diese sog. Ziele in der EU werden dann so geschickt gesetzt, dass Sie unerfüllbar sind und Strafzahlungen quasi unumgänglich sind. Die geschieht auf X Gebieten und die Mehrheit der Lemminge findet das ok und springt und springt und springt. Oh heilige Einfalt steh mir bei.

notname
6 Jahre her

……….. Das „Klimaziel“ war mal die Begründung für die hohe Förderung des EEG. Das hat sich Gott sei Dank erübrigt, weil heute nur noch der wirtschaftliche Vorteil der Erneuerbaren Energien, insbesondere von Sonne & Wind ausschlaggebend für das weltweite Wachstum ist. Schauen wir uns doch mal die Sachlage an: Die Solarenergie hat noch in 2009 mit 46 ct/kWh gefördert werden müssen, im Übrigen einer der Gründe, warum die EEG-Umlage zwischen 2009 und 2013 so stark angestiegen ist. Heute kostet eine kWh aus einer großen PV-Anlage nur noch 1/10, also 4,6 ct/kWh. Wie sieht es bei der Windenergie aus? Bei der… Mehr

Berthold Bohner
6 Jahre her
Antworten an  notname

Leider vergessen Sie , dass die regenerativen Energie sehr unstet zur Verfügung steht , und aus diesem Grund immer noch Backups als konvenionelle Kraftwerke zur Verfügung stehen müssen. Wenn diese konventionellen Kraftwerke ihre Investitionskosten in kurzen Betriebszeiten verdienen müssen , werden die Fixkosten halt auf den wenigen erzeugten Strom umgelegt , oder wenn das nicht geht , einfach nicht gebaut oder ersetzt.
Die Versorgungsicherheit nimmt ab , und die Kosten steigen.

notname
6 Jahre her
Antworten an  Berthold Bohner

Bitte lesen Sie meinen Kommentar oben zu Ende. Ich habe das Backup beschrieben. Es besteht aus: 7,8 GW Wasserkraft 14 GW Biomasse und 38,2 GW Erdgas, wovon 29 GW bereits existieren. In den Monaten November – Februar kommt noch eine Kaltreserve von 15 GW für die sog. „Dunkelflaute“ hinzu, die durchschnittlich nur an 10 Tagen während dieser 4 Monate ganz oder teilweise zum Einsatz kommt. Zusätzlich hierzu werden noch Speicher von 160 GWh mit 35 GW Leistung für den Tagesgang benötigt (ca. 50 GWh an Speichern mit ca. 9 GW Leistung existieren bereits), mit denen die täglichen Bedarfsspitzen abgefahren werden… Mehr