SPD und Union streiten um Klimaschutz – Merkel gewinnt

Aus Furcht vor dem Zeigefinger der Grünen haben sich Union und SPD selbst unter Stress gesetzt, den Klimaschutz zu verschärfen. Während die Minister um Subventionsmillionen schachern, kann sich Merkel schon mal drauf freuen, ein "Machtwort" zu sprechen.

IMAGO / Political-Moments

In den kurzen zwei Sitzungswochen des Bundestags vor der Sommerpause und den Bundestagswahlen sollen eigentlich noch einige wichtige Gesetze der Großen Koalition durchgepeitscht werden. Die meiste öffentliche Aufmerksamkeit und politische Energie des Berliner Parteienbetriebs wird wohl der vom Bundeskabinett schon gebilligten Verschärfung des Klimaschutzgesetzes zukommen. Die steht nun zwar für den 10. Juni zur ersten Beratung der Tagesordnung des Bundestages. Aber so schnell und reibungslos, wie die Wahlkämpfer von Union und SPD gehofft hatten, wird es wohl doch nicht gehen. 

Die Eile, in die sich die Koalition unter dem Vorwand des Klima-Urteils des Verfassungsgerichts aus Wahlkampfgründen – um den Grünen keine Angriffsfläche zu bieten gegen Vorwürfe mangelnden Klimaschutz-Eifers – selbst begab, rächt sich nun. Das Verfassungsgericht hat dem Gesetzgeber ausdrücklich bis Ende 2022 Zeit gegeben mit der Verschärfung. Die Bundesregierung hätte die Angelegenheit also nicht mehr anpacken müssen – sie wollte es aber so. Beide einst großen Parteien haben sich aus Furcht vor den Grünen also selbst in einen Panikmodus begeben, um das vermeintlich wichtigste Politikfeld „Klimaschutz“ nun in zwei Sitzungswochen durchs Parlament zu jagen. Ein Thema „abräumen“ nennt man das im Jargon des Politikbetriebes. Es bedeutet eigentlich: Keinen Anlass bieten für Kritik, man habe sich nicht um ein zeitgeistiges Anliegen gekümmert.

Zeit zum Lesen
„Tichys Einblick“ – so kommt das gedruckte Magazin zu Ihnen
Was dabei dann effektiv und langfristig herauskommt, ist für die Abräumer eher zweitrangig. Der medial vermittelte Eindruck des Kümmerns ist entscheidend. Und der wirkt nur bei schneller Entscheidung. Ein Paradebeispiel der Merkel-Ära war der Atom-Ausstieg nach dem Tsunami in Fukushima 2011.

Die Wahrscheinlichkeit, dass solches Abräumen nur mit Blessuren gelingt, ist immer groß. Und so dürfte es auch in diesem Fall sein. Die Frage ist nur, wer die Wunden davonträgt. Nur die regierten Bürger (die sind immer die Gelackmeierten solcher Vorzeige-Politiken) oder auch die beteiligten Regierenden?

Im Falle des Klimaschutzgesetzes ist der schnelle Entschluss Merkels und ihrer Kabinettsmitglieder zum Abräumen durchaus nicht unriskant. Denn, wie angesichts der Umstände kaum anders zu erwarten, in den Details lauert jede Menge Zündstoff für Streit. Wie die Welt ausführlich berichtet, streiten die unionsgeführten Ministerien mit dem sozialdemokratischen Finanzminister und sogenannten Kanzlerkandidaten Olaf Scholz um die Milliarden, mit denen Sofortmaßnahmen zum Erreichen der strikteren CO2-Ziele erreicht werden sollen, und um die genauen Vorgaben bei der Erhöhung der CO2-Preise. Die Ministerien finden, dass acht Milliarden nicht ausreichten, es müssten zehn sein. „Wir werden uns mit acht Milliarden Euro nicht zufriedengeben“, zitiert die Welt aus einem der Unionsministerien. Wenn es darum geht, so etwas zu begründen, herrscht in Berliner und Bonner Ministerialreferaten höchste Betriebsamkeit. Wer stichhaltige Argumente liefert, fürs eigene „Haus“ (so nennen Ministeriale ihr Ministerium) ein paar hundert Millionen mehr herauszuschlagen, kann auf Lob des Ministers und Beförderung hoffen (bevor nach der Bundestagswahl die Führung des Hauses dann womöglich wechselt und ein neuer, jetzt unbekannter Minister einzieht). 

In Peter Altmaiers Wirtschaftsministerium will man unter anderem mehr Geld für Förderprogramme für Stahl- und Chemie-Unternehmen zur Reduzierung des CO2-Ausstoßes. Besonders fleißig waren offensichtlich die Referenten in Andreas Scheuers Verkehrsministerium. Verkehrsminister Scheuer konnte dann dem Journalisten der Welt sagen. „Wer Klimaziele erreichen will, muss auch die Werkzeuge dazu haben. Deshalb habe ich zu unseren vielen Maßnahmen, die wir bereits auf den Weg gebracht haben, noch ein paar neue für ein Sofortprogramm vorgeschlagen.“ Mit einem „Klimabonus“ will zum Beispiel der Minister den Bürgern Zuschüsse beim Kauf CO2-sparsamer Geräte und Verkehrsmittel geben und klimaneutrales Reisen belohnen. Kostet rund eine Milliarde Euro. Die Anbieter solcher Geräte und Reisen werden sich über die Subventionen freuen. Ebenso wie Bau-Unternehmen, die Fahrradwege ausbauen. Dafür will Scheuers Ministerium 600 Millionen Euro ausgeben.

Svenja Schulze hat jetzt einen Vorwand für neuen Klimaschutz-Aktionismus
Ein Zeitreisender aus der alten Bundesrepublik würde sich sehr wundern: Minister aus den Parteien Ludwig Erhards und Fritz Schäfers schachern um Steuergeld für mehr staatliche Eingriffe und Subventionen gegen einen SPD-Finanzminister. Dass dieser seinen Kabinettskollegen dass Geld aus grundsätzlichen fiskalischen, ordnungspolitischen oder ökologischen Erwägungen nicht gönnt, dürfte aber eher unwahrscheinlich sein. Irgendwo mag zwar vielleicht für manchen alten Sozialdemokraten sogar noch ein alter Instinkt der Vermeidung von Belastungen für den kleinen Steuerzahler und CO2-Verursacher nachwirken, weshalb man die Anhebung des CO2-Preises zu verhindern trachtet. Aber Scholz‘ und seiner SPD-Genossin und Umweltministerin Svenja Schulzes stärkstes Motiv dürfte eher die Aussicht sein, der Union vor der heißen Phase des Bundestagswahlkampfes nicht allzu viel „Klimaschutz“-Ruhm zu gönnen, der schließlich vor allem Schulze gebühre.  

Am Ende könnte der in der Koalition selbst erzeugte Klimaschutzgesetz-Verschärfungsstress mal wieder fast allen schaden: den meisten Unternehmen (abzüglich der Subventionsempfänger), den steuerzahlenden Bürgern, dem Klimaschutz-Zweck (durch die eilebedingten Effizienzmängel) und am Ende womöglich auch den beteiligten Regierungspolitikern, die für den potentiellen Pfusch werden geradestehen müssen. Eine aber kann zufrieden sein: die Kanzlerin. In ihren letzten Amtsmonaten wird sie noch einmal als längst über ihrer eigenen Partei und allen anderen schwebende Instanz ein „Machtwort“ sprechen. Ihr Bedürfnis, als Klimaschutz-Kanzlerin in die Geschichte einzugehen, dürfte jedenfalls für ausreichend Gewähr sorgen, dass das Gesetz – wie teuer und mangelhaft auch immer – noch vor der Wahl in Kraft tritt. 

Anzeige

Unterstützung
oder

Kommentare ( 92 )

Liebe Leser!

Wir sind dankbar für Ihre Kommentare und schätzen Ihre aktive Beteiligung sehr. Ihre Zuschriften können auch als eigene Beiträge auf der Site erscheinen oder in unserer Monatszeitschrift „Tichys Einblick“.
Bitte entwerten Sie Ihre Argumente nicht durch Unterstellungen, Verunglimpfungen oder inakzeptable Worte und Links. Solche Texte schalten wir nicht frei. Ihre Kommentare werden moderiert, da die juristische Verantwortung bei TE liegt. Bitte verstehen Sie, dass die Moderation zwischen Mitternacht und morgens Pause macht und es, je nach Aufkommen, zu zeitlichen Verzögerungen kommen kann. Vielen Dank für Ihr Verständnis. Hinweis

92 Comments
neuste
älteste beste Bewertung
Inline Feedbacks
Alle Kommentare ansehen
pbmuenchen
3 Jahre her

Die Umstände, die es ermöglichten, diese Dame an die Macht zu bringen und dann16 Jahre lang zu halten, die würde ich gerne genau kennen. Mit Demokratie hat das garantiert nichts zu tun. Wer will denn das tatsächlich haben? Irgend etwas läuft da vollkommen daneben, anders kann es gar nicht sein. Wenn ich ein furchtbares Virus darstellen sollte, dann würde es aussehen wie sie.

Gottfried
3 Jahre her

Wie recht sie haben! Wenn Laschet ein guter Kanzlerkandidat sein will, dürfte er sich solche Unverschämtheiten nicht bieten lassen. Warum traut sich keiner der CDU-Granden, dieser Dame die rote Karte zu zeigen?

R.Baehr
3 Jahre her

Ein Bild sagt mehr als tausend Worte, und wer das Bild der Uckermärkischen da oben sieht, weiss das von diesem Hosenanzug für die Bevölkerung rein gar nichts Gutes mehr herauskommen wird. Eine Erzkommunistin die zuerst das Klima und seit 15 Monaten eine Virusp(l)andemie zum Anlass nimmt, dieses Land in eine Gesinnungsdiktatur zu verwandeln. Gesundheitsschutz, Inzidenzwerte, Co2 Werte alles nur Bausteine um dieses Deutschland endlich so zu zerstören mit dem selben Ehrgeiz, wie sie damals dem Gröhe seine Deutschlandfahne aus der Hand gerissen hat um sie in eine Ecke zu werfen. Fazit kurz und bündig: Merkel gewinnt, Deutschland verliert.

daldner
3 Jahre her

Es war angenehm ruhig um sie… Sie arbeitet wohl schon an der „Karriere danach“ oder sondiert Buchverträge für ihre Biographie… Arbeitstitel: Wie ich Deutschland schaffte.

elly
3 Jahre her
Antworten an  daldner

leider war es eben nicht ruhig um sie. Am G20 Gipfel „Die Kanzlerin sprach sich auch für einen internationalen Pandemievertrag aus, der Länder zu besserer Kooperation bringen soll. Er soll die Staaten dazu verpflichten, sich gegenseitig schneller vor Gesundheitsgefahren zu warnen. Der Vorschlag ist allerdings nicht unumstritten. Manche Regierungen lehnen ihn ab, weil sie einen Verlust ihrer Souveränität fürchten.“
Macron will das auch und forderte “ Er forderte die WHO auf, mit Blick auf eine bessere Vorbereitung auf künftige weltweite Gesundheitskrisen eine zentrale Rolle zu spielen. Dafür müsse die UN-Organisation entsprechend solide finanziert werden.“
Das wird teuer – für Deutschland.

Skeptiker
3 Jahre her
Antworten an  elly

… und das hätte uns gerade noch gefehlt – noch Organisation, die uns Vorschriften macht. Dazu eine, die noch weniger demokratisch legitimiert ist als die EU, und die sogar weitgehend von nicht-demokratischen Staaten beherrscht wird. (Die sich dann erdreisten … Aber darin sind sie wie die Grünen.)

fory63
3 Jahre her
Antworten an  daldner

Die Karriere danach wird bei der UNO stattfinden. Dann wird sie uns in noch größerem Maße omnipresent auf den Zeiger gehen können.

Julischka
3 Jahre her

Wie haben das eigentlich die Dinosaurier damals mit dem „Klimaschutz“ gemacht, denn der „menschengemachte“ Klimawandel muß ja damals vielviel schlimmer gewesen sein als heute, da der böse CO2 Gehalt in der Atmosphäre um ein vielvielfaches höher war als heute (brauchten sie ja auch, weil sie gigantische Pflanzenfresser waren)???

Casta Diva
3 Jahre her

Aber, aber, geschätzter Herr Goergen: „Eine aber kann zufrieden sein: die Kanzlerin. In ihren letzten Amtsmonaten wird sie noch einmal als längst über ihrer eigenen Partei und allen anderen schwebende Instanz ein „Machtwort“ sprechen.“ Bereits unmittelbar nach der von mir mit Freude vernommenen Ankündigung, unsere Klima- und Seuchen-Heilige würde nicht mehr antreten, positionierte ich mich als Verschwörungstheoretikerin, nein, -praktikerin. In kleinem Kreis Konservativer sagte ich tatsächlich: „Ich glaube das, und ihr sowieso nicht. Wenn es z.B. Notstandgesetze gäbe, könnte-dürfte-müsste sie weitermachen.“ Was wurde ich damals belächselt, nicht Ernst genommen. Heute lacht keiner mehr. Keiner! Ihre letzten Amtsmonate also? Ernsthaft? Wir… Mehr

willy
3 Jahre her

Bis die Politiker gemerkt haben, dass diejenigen, die das Weltklima retten wollen, sowieso die Grünen wählen u. nicht CDUSPD, ist es nach der Wahl u. zu spät. Um diesem ganzen Gender-Klima- BLM-Islam Zirkus zu entgehen, bleibt nur eine Alternative!

Enrico
3 Jahre her

„…in die Geschichte einzugehen…“
Aba sischa datt. Als ‚GrAbriBiZ‘ (Grösste Abrißbirne aller Zeiten).
Und wissen Sie was wirklich das Schlimmste daran ist? Das alles wird mit soviel Zeitverzögerung vonstatten gehen, daß nicht Wenige dann sagen werden (v.a. aus ihrer berühmt-berüchtigten Alterskohortenfanfraktion, falls noch vital):
„Ach, was hatten wir es unter der Merkel gut!“.
Sie glauben mir nicht? Abwarten… und Selters trinken (bald).

elly
3 Jahre her

bei der Finanzkrise, EURO Krise wollte Merkel als die Retterin in der Welt dastehen. Ergebnis: von den irischen Bankern ist bekannt geworden, dass die sich vor Lachen über Merkel und die dummen Deutschen auf die Schenkel klopften. Beim Migrationsdesaster, immer als Flüchtlingskrise betitelt, will sie „Vorbild“ für die EU sein. Noch nicht einmal das reiche Luxemburg folgt ihr, von den anderen EU Ländern ganz zu schweigen. Deutschland finanziert den höchsten Anteil am EU – Türkei Abkommen. Für den 750 Milliarden € schweren „Wiederaufbaufonds“ der EU hat Merkel zugesichert, Deutschland bürgt zunächst im Wege von Garantien für 135 Milliarden €, das… Mehr

Last edited 3 Jahre her by elly
Gottfried
3 Jahre her

Sie möchte als Klimaschutzkanzlerin in die Geschichte eingehen, wird sie aber nicht. Merkel wird als die Politikerin in die Geschichte eingehen, die Deutschland mehr Schaden zugefügt hat als jeder andere Politiker vor ihr. Die Zerstörungen und Verwüstungen, die die Nazis angerichtet haben, konnten dank kluger Politiker wie Ludwig Erhard wieder geheilt werden. Das was Merkel verusacht hat, wird nicht mehr rückgängig zu machen sein.

Skeptiker
3 Jahre her
Antworten an  Gottfried

30 Jahre nach Hitler ging es Deutschland wieder gut. 30 (oder vielleicht 50) Jahre nach Merkel wird es kein Deutschland mehr geben!

Gottfried
3 Jahre her
Antworten an  Skeptiker

Deutschland vielleicht schon, aber keines in dem man gut leben kann.