Pandora Papers: Politischer Druck zugunsten der globalen Mindeststeuer

Die Pandora Papers kommen jenen gerade recht, die wie Olaf Scholz und sein französischer Amtskollege Bruno Le Maire hinter den Plänen für eine globale Mindeststeuer stehen. Für Tschechiens Ministerpräsidenten Babis gilt das Gegenteil. Er steht kurz vor der Wahl mit zwielichtigen Staatsmännern auf der Übeltäterliste.

IMAGO / Pixsell
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Von „Leaks“, also einem „Leck“ ist die Rede, aber das Bild ist mehr als schief. Die „Pandora-Papers“ – 11,9 Millionen Dokumente, die das „International Consortium of Investigative Journalists (ICIJ)“ jetzt bekannt machen, sickerten wohl kaum unabsichtlich einfach so durch, wie Öl durch ein Leck aus einem Tank oder Wasser, dass in ein Schiff eindringt. Die Daten, die heimliche Geschäfte hunderter Politiker, teilweise noch aktiv und regierend, mit Briefkastenfirmen in sogenannten Steueroasen (Offshore) wurden wohl eher mit bestimmten Absichten freigesetzt.

Unter investigativen Journalisten stellt man sich wohl am ehesten solche vor, die aktiv nach Informationen suchen. In diesem Fall (und wahrscheinlich auch bei den meisten anderen journalistischen Aufdeckungen) war das aber offensichtlich umgekehrt: Sie wurden aufgesucht. Die Daten wurden den Journalisten vermutlich von einer Person oder (sehr viel wahrscheinlicher) einer Organisation zugestellt. Sie stammen nicht alle aus einer Quelle, sondern laut ICIJ aus 14 verschiedenen Unternehmen, die Offshore-Konstrukte anbieten. Da ist es naheliegend, keinen einzelnen Whistleblower wie Edward Snowden anzunehmen, sondern eine Organisation, die eine solche gigantische nicht öffentliche, vermutlich sogar besonders gesicherte Datenmenge aus mehreren Unternehmen zusammengetragen hat. Zum Beispiel einen Geheimdienst.

Dass eine solche Organisation, so sie denn die Daten zusammengetragen und an ICIJ gegeben haben sollte, dies womöglich mit eigenen politischen oder wirtschaftlichen Interessen getan haben dürfte, ist ebenfalls naheliegend.

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Die Autoren von ICIJ machen jedenfalls keinen Hehl aus ihrer eigenen Meinung, oder wie man sagen könnte, ihrer Agenda: „The leaked records reveal that many of the power players who could help bring an end to the offshore system instead benefit from it – stashing assets in covert companies and trusts while their governments do little to slow a global stream of illicit money that enriches criminals and impoverishes nations.“ 

Hinter diesem moralischen Urteil verschwimmt damit auch die Unterscheidung von eindeutig illegalen und legalen (aber möglicherweise unmoralischen) Praktiken in den Pandora Papers. In der Süddeutschen, die an ICIJ beteiligt ist, heißt es: „Geschäfte in Steueroasen sind nicht verboten, und sehr vieles, was sich an Deals und Investitionen im Leak findet, scheint absolut legal zu sein. Illegal wird es zum Beispiel, wenn steuerpflichtige Einnahmen, die in Steueroasen verbucht wurden, dem heimischen Finanzamt nicht gemeldet werden. Das wiederum zu überprüfen, ist für Medien kaum möglich.“

Auf der Liste der Übeltäter stehen mehr als 330 Politiker und Amtsträger, teilweise auch unpolitische Sport- und Show-Prominente und „130 Milliardäre aus Russia, den Vereinigten Staaten, der Türkei und anderen Ländern“. Zwischen vielen prominenten Namen taucht auch der mit zahlreichen Morden in Verbindung gebrachte Mafioso Raffaele Amato auf. Unter den bloßgestellten „World Leaders and Billionaires“ sind die Familie des aserbaidschanischen Präsidenten Alijew, der jordanische König Abdullah II., der kenianische Präsident Uhuru Kenyatta und Personen aus dem Umfeld von Russlands Präsident Wladimir Putin und von Pakistans Premierminister Imran Khan. Sehr viel mehr Aufsehen in Europa als diese wenig demokratischen Persönlichkeiten erregte auf dieser Liste der amtierende tschechische Ministerpräsident Andrej Babiš. Er soll demnach lange vor seiner politischen Karriere im Jahr 2009 über ein kompliziertes Firmengeflecht aus mindestens drei Briefkastenfirmen in Washington, Monaco und den Britischen Jungferninseln anonym ein Herrenhaus in Frankreich für mehr als 15 Millionen Euro erstanden haben.

Das ICIJ stellt zwar im Zusammenhang mit den Pandora Papers keine unmittelbaren konkreten Forderungen, aber die offen geführte Klage über die „Power Players“, die das Offshore-System beenden könnten, es aber zum eigenen Nutzen missbrauchen und ihre Länder verarmen lassen, baut einen moralischen Druck auf zugunsten der politischen Pläne für eine globale Mindestbesteuerung, also zur Austrocknung von Steueroasen. Im Juli erst hatten sich die Finanzminister der G20-Staaten darauf geeinigt, dass Unternehmen einen globalen effektiven Steuersatz von mindestens 15 Prozent auf ihre Gewinne zahlen sollen, um „dem schädlichen Steuerwettbewerb um die geringsten Steuern ein Ende“ zu setzen  – „eine echte Revolution der internationalen Besteuerung von Unternehmen, die historisch ihresgleichen sucht“, heißt es dazu beim Bundesfinanzministerium. Die Initiative ging seit 2018 vor allem von den Ministern Deutschlands und Frankreichs, Olaf Scholz und Bruno Le Maire, aus. Die Anprangerung von Offshore-Praktiken bei Politikern und Prominenten könnte nun als Argument dafür dienen, solch eine Regelung schneller und umfassender einzuführen. 

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Im Bundesfinanzministerium war man denn auch heute offensichtlich entspannt: „Erstvermutungen legen nah, dass der Deutschlandbezug jetzt erst mal nicht so groß ist“, sagte eine Sprecherin und wies auf die geplante globale Mindeststeuer für international agierende Konzerne hin. Die sei ein wichtiger Baustein, um Steueroasen auszutrocknenIn einer Liste der betroffenen Nationalitäten auf der Website von ICIJ ist nur eine deutsche Person genannt: das frühere Top-Model Claudia Schiffer, die in London lebt.

Politisch brisant ist vor allem der Fall des tschechischen Ministerpräsidenten. Babiš, der als Chemie-Unternehmer reich wurde, und 2011 die „Bewegung ANO 2011“ gründete, ist schon früher wegen Korruptionsverdacht in Verruf gekommen und auch mit der EU-Kommission in Konflikt geraten, wegen möglichen Interessenkonflikts durch Agrarsubventionen für sein Unternehmen Agrofert. Und vor allem: Babiš gilt als „Populist“ (die Vorsilbe „rechts“ allerdings ist ANO schwerlich anzuhängen, er wird manchmal Unternehmerpopulist genannt und mit Silvio Berlusconi verglichen). Als solcher ist er weder in Brüsseler Fluren, noch in den Redaktionen der meisten westeuropäischen Medien besonders wohlgelitten. 

Auffällig ist, dass ausgerechnet jetzt die Pandora-Papers bekannt werden, da in Tschechien in der kommenden Woche das Parlament neu gewählt wird. Die Daten liegen dem ICIJ nach eigenen Angaben schon seit rund zwei Jahren vor und wurden seither von rund 600 Journalisten untersucht. Babiš wies die Anschuldigungen mittlerweile zurück: Er habe weder etwas Ungesetzliches noch etwas Schlechtes getan, sagte Babiš der Nachrichtenagentur CTK laut Medienberichten. Er sprach von einem Versuch, ihn „zu beschmutzen und auf diese Weise die tschechischen Parlamentswahlen zu beeinflussen“. Nach einer neuen Umfrage im Auftrag des Senders CNN Prima News würde ANO mit 27,3 Prozent der Stimmen deutlich stärkste Kraft werden.

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Kommentare ( 18 )

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zweisteinke
3 Jahre her

Und wiederum kommt zur rechten Zeit eine „erschütternde“ Meldung, mit der die „Qualitätsmedien“ nichts anderes bezwecken, als mit diesem aufgebauschten Skandal die deutschen Deppen von dem gerade erlebten Wahl Desaster und der wieder aufgeführten Komödie „Wer mit wem und zum Schluß immer alle gemeinsam“ wegen gegen – RÄÄÄÄchts abzulenken. Da kommen keine Fragen mehr nach dem Wahlbetrug in Berlin, weil die „Richtigen“ gewonnen haben, wetten?

Peter Gramm
3 Jahre her

Ja, solche Zustände müßte man bekämpfen. Mit unserer politischen Garde wird das aber nix.Die haben selber viel „mud“ am Stecken. Plagiateure, Abschreiber, getürkte Lebensläufe, keine beruflichen Expertisen, Cum Cum und Cum Ex, Verwandtenaffäre, Maskendeals und andere Merkwürdigkeiten…..Die nutzen auch jede Gelegenheit um mal schnell an Kohle zu kommen. Das sind alles keine guten Voraussetzungen um diesen Stall auszumisten. Dazu braucht man charakterstarke Typen. An denen fehlt es bislang. Die sind alle aalglatt und windschlüpfrig und von daher manipulierbar. Jede Gelegenheit wird ausgenutzt um schnell mal Kohle zu machen. Da darf man nichts erwarten.

Orlando M.
3 Jahre her

So wichtig ist Tschechien ganz und gar nicht, dass man wegen Babis die Papiere zum jetzigen Zeitpunkt veröffentlicht. Da die Körperschaftssteuer in Deutschland ohnehin schon bei 15% liegt, kann den hiesigen Unternehmen die globale Gewinnsteuer gleichgültig sein, es würde sich nichts ändern, eher noch werden wir konkurrenzfähiger. Falls die Sozialisten diese Pläne allerdings benutzen sollten, die deutsche Unternehmenslandschaft noch weiter auszupressen, dann wird sie recht bald ganz ausgetrocknet sein. Zudem ist davon auszugehen, dass sich der Trend der Auswanderung Hochqualifizierter verstärkt, wenn die Grünen an die Macht kommen und sei es nur als Juniorpartner, die haben aus der für sie… Mehr

bkkopp
3 Jahre her

Wenn die Daten dem ICIJ seit ca. 2 Jahren vorliegen, und seitdem von hunderten Journalisten bearbeitet wurden, dann kann die Jahre zurückliegende Übergabe der Daten an die beteiligten Medien keinen sehr aktuellen Bezug haben. Ob das timing der derzeitigen Veröffentlichung mit Babis/Tschechien wirklich zu tun hat, ist möglich, aber nicht sicher. Auch mit der relativ zeitnahen Debatte/Beschlusslage zur Besteuerung von Unternehmensgewinnen kann eine Aufdeckung von hunderten von Briefkastenfirmen vor 2 Jahren keinen erkennbar, direkten Bezug haben. Dies schließt natürlich nicht aus, dass in den Dokumenten Informationen enthalten sind, die nicht wesentlich private Vermögensanlagen aufdecken, sondern auch Briefkastenfirmen von international tätigen… Mehr

RMPetersen
3 Jahre her

Diese gestohlenen Daten über Leute, die ihr Geld in Gegenden mit niedrigen Steuersätzen transferiert haben, sind sicherlich von großem Unterhaltungswert und Empörungspotential für die Neider (- politisch könnte man dies mit den Sozialisten internationaler wie grüner wie nationaler Färbung gleichsetzen), aber mit den Thema „Mindestsatz von Unternehmenssteuern“ hat das nicht viel zu tun. Man weiss doch, dass Firmen wie Amazon, Google Uber etc bzw ihre Großaktionäre mit firmeninternen Finanztricks ihre Gewinne nicht dort versteuern, woe die Leistungen erbracht und bezahlt wurden. Das Typische Modell von Google und Uber besteht zB darin, dass die in Steueroasen firmieren Firmenteilen die hohen Lizenzgebühren… Mehr

Peter Gramm
3 Jahre her

warum bedient man sich solcher Konstruktionen überhaupt? 1) entweder man will die Herkunft des Geldes verschleiern, oder 2) man will die Erträge des Investments nicht versteuern. Beides keine Kavaliersdelikte. Auch die Frage warum man keine Deutschen unter den Veröffentlichten findet. Vielleicht sind die Eigentümer der Medien für diese Journalisten in Abhängigkeit arbeiten darunter oder in deren Dunstkreis befindliche Mitglieder.Man hat es also in der Hand was veröffentlicht wird oder auch nicht. Allein die unter Ziff. 1 oder 2 genannten Motive zeigen dass es sich bei solchen Menschen um ganz schwache Charaktere handelt.Die immer ganz gerne und gut Geld von denen… Mehr

Last edited 3 Jahre her by Peter Gramm
November Man
3 Jahre her

Auffällig ist, dass wie schon bei den Panama-Papers angeblich wieder kein deutscher Politiker auf der Übeltäterliste steht.
Für sein Schweigen in Sachen Panama-Papers hat schon so mancher investigativer Journalist als Dank einen lukrativen Job beim deutschen Zwangsbezahlfernsehen als Experte erhalten.  

Eberhard
3 Jahre her
Antworten an  November Man

Da scheinen deutsche Politiker zumindest, wenn es um mögliche Einsicht in ihre Einkunft und dazu Steuervermeidung geht, doch nicht so ganz dämlich zu sein. Aber auch da wird deren eigene Solidarität mit denen, die wirklich alles bezahlen müssen, was die Politiker sonst so als angebliche Solidarität in die Gegend streuen, nicht allzu groß sein.

Protestwaehler
3 Jahre her

„Medien“ als Handlanger-Marionetten und Erfüllungsgehilfen von ???
Natürlich alles nur Verschwörungstheorie 😉

Marcel Seiler
3 Jahre her

Kritisch sehe ich es, wenn führenden Politiker und (oft) Diktatoren aus Entwicklungsländern ihr Geld „international“ anlegen. Die afrikanische Politik-Elite (oder „Elite“) soll z.B. mehr Kapital aus Afrika in „den Westen“ exportieren, als „der Westen“ durch Entwicklungshilfe nach Afrika importiert. Dies schädigt die westlichen Bemühungen der Entwicklungshilfe massiv.

Hierüber wird leider zu wenig berichtet. Auch dieser Pandora-Bericht scheint diesen Aspekt nicht oder nur unzureichend zu betonen.

Last edited 3 Jahre her by Marcel Seiler
Albert Pflueger
3 Jahre her

Eigentlich erstaunlich, daß keine Deutschen dabei sind, das könnte daran liegen, daß die Enteignungsgelüste erst in letzter Zeit so richtig an Fahrt gewinnen, der Bedarf an sicheren Häfen nimmt bestimmt weiter zu.

Protestwaehler
3 Jahre her
Antworten an  Albert Pflueger

Naja, Scholz hat doch gerade erst alles Peinliche unter Verschluss stellen und schwärzen lassen hahaha… an solche Vorgaben halten sich rote Medien natürlich.