Leoparden-Streit: Die CDU bettelt wohl vergeblich um grün-gelbe Überläufer

Der Streit um die Kampfpanzer für die Ukraine gibt der Union Gelegenheit, vom Überlaufen der Grünen (und der FDP) zu reden. Mehr als die konkreten Positionen der CDU dürfte aber deren Chef Friedrich Merz dabei stören – so sehr er sich auch müht. Denn ihn wünschen die Grünen nicht als Kanzler, sondern als Zielscheibe.

IMAGO / Christian Spicker
Britta Haßelmann (Vorsitzende Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen) und Friedrich Merz (Vorsitzender der CDU/CSU-Bundestagsfraktion) im Deutschen Bundestag am 02.12.2022

Der Disput um die Lieferung von Leopard-Kampfpanzern an die Ukraine hat mindestens zwei Ebenen. Einmal die international-sicherheitspolitische: Bundeskanzler Olaf Scholz und sein frisch ernannter Verteidigungsminister Boris Pistorius haben Deutschland mit ihrem anhaltenden Nein gegen Kampfpanzer für die Ukraine schwere Kritik innerhalb des westlichen Bündnisses eingebracht. Der wirkliche Grund für Scholz’ Beharren bleibt dabei weiter unklar. Warum die Kampfpanzer-Sendung so kategorial verschieden von anderer militärischer Unterstützung sein soll, hat Scholz bislang nicht deutlich gemacht. Immer wieder kommt nur das Mantra: Deutschland und die Nato dürfe nicht Kriegspartei werden und man wolle keinen Alleingang. Doch warum Flugabwehrsysteme, Haubitzen, Marder und Gepard dieses Risiko nicht bedeuten, hat Scholz nie überzeugend erklärt. So bleibt der Verdacht, dass irgendetwas anderes dahinter steht, was nicht offen gesagt werden soll. Das Argument des Alleingangs ist ohnehin absurd, da Deutschland sich gerade mit der Verweigerung von seinen Verbündeten entfremdet, wie man nach dem Ramstein-Treffen der Nato-Verteidigungsminister kaum übersehen konnte. 

Für Scholz ist diese Verweigerung der Leopard-Lieferung nach dem CumEx-Warburg-Skandal nun das zweite Feld, bei dem der Kanzler höchstwahrscheinlich die Öffentlichkeit und vielleicht sogar Parteifreunde und Koalitionspartner über sein handlungsleitendes Wissen und seine wirklichen Beweggründe nicht aufklärt. Was weiß der Kanzler? Was fürchtet der Kanzler im Falle der Lieferung von Leopard-Panzern an die ukrainische Armee? Fürchtet er Nachteile, gar Gefahren für Deutschland? Das Gas hat uns Putin schließlich schon abgedreht. Oder nur Risiken für sich selbst? 

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Nun kommt eine innenpolitische Ebene hinzu, die immer brisanter wird und allmählich sogar für Scholz’ Machtposition gefährlich werden könnte: Der koalitionsinterne Streit – Grüne und FDP fordern ebenso wie die oppositionelle Union vehement Kampfpanzerlieferungen an die Ukraine – spitzt sich soweit zu, dass nun mehrere CDU-Politiker der zweiten Reihe ihre Chance wittern. Sie fordern FDP und Grüne offen zum Koalitionsbruch auf. Womöglich hat die Bild-Zeitung den ein oder anderen koordinierend zu solchen Forderungen motiviert, um das Thema aufmerksamkeitsheischend hochzukochen. Dabei kommen dann Sätze wie dieser vom parlamentarischen Geschäftsführer der Unionsfraktion Thorsten Frei heraus: „Die Szenen, die sich gerade in der Ampel-Koalition abspielen, erinnern an ein Scheidungsverfahren. Wenn sich die drei Parteien in so zentralen Fragen nicht einigen können, sollten sie endlich konsequent handeln und einen Neuanfang unter veränderten Vorzeichen suchen. Wir stehen jedenfalls parat, Verantwortung zu übernehmen.“ 

CDU- und Oppositionschef Friedrich Merz lässt sich zu solchen Rufen nicht herab. Als Chef macht man so etwas nicht selbst, sondern lässt machen. Merz ist ohnehin dafür bekannt, dass er sich am liebsten ins Kanzleramt tragen lassen würde. Und das wohl gerne auch mit Hilfe der Grünen, die er in jüngerer Zeit kaum und wenn dann mit seidenen Handschuhen angreift.

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Merz kapituliert mal wieder, bevor er ernsthaft zu kämpfen begann
Die Ironie der Geschichte ist: Ausgerechnet jener Friedrich Merz, der in den späten Merkel-Jahren der erhoffte Heiland der von Merkels de facto grüner Politik enttäuschten CDU-Basis sein sollte, macht sich nun anheischig, selbst deren Vermächtnis womöglich zu erfüllen: die Koalition mit den Grünen (und einer angehängten FDP). Dass dies ausgerechnet aus Anlass der Forderung der Grünen nach Waffenexporten wahrscheinlicher wird, hätten sich allerdings sicher weder Merkel noch andere die Grünen bewundernde CDU-Politiker seinerzeit vorstellen können. 

Dass die FDP mit überliefe, wenn die Grünen sich dazu entschieden, kann man wohl sicher annehmen. Also geht es nur um die grün-schwarze Frage. Stünde da noch irgendeine politische Position im Wege? Im Großen und Ganzen hat Merkel in ihrer langen Regierungszeit fast alles aus alten CDU-Zeiten aus dem Weg geräumt. Am Ende ihrer Ära wurde die CDU von Männern und Frauen geführt, die die Grünen als eigentliche Agenda-Setter der deutschen Politik akzeptierten und bewunderten. 

Nun ja, vor allem zwei Themen stünden im Zentrum. In der Opposition haben einige Unionspolitiker, auch Merz, zaghaft versucht, in der Energiewirtschafts- und in der Einwanderungspolitik die letzten Reste einstigen Unionsprofils wieder zu schärfen. Da wären die Rufe nach energiewirtschaftlicher (und nicht zuletzt klimapolitischer) Vernunft, also längeren Laufzeiten für Kernkraftwerke, die im Sommer laut erschallten. Doch Merz hat bald darauf auch klargemacht, dass die ökonomische Vernunft, für die seine Partei und nicht zuletzt er selbst einst stand, auf dem Weg ins Kanzleramt nicht allzu sehr stören soll. Im Oktober warnte Merz noch in der Kernkraftfrage vor „ideologischer Geiselhaft“ der Grünen, doch im Dezember ließ er dann wissen, dass er selbst den Weiterbetrieb für unmöglich halte. Und in der „Weimarer Erklärung“ der CDU steht nun: „Wir sprechen uns nicht für den Neubau von Kernkraftwerken aus. Wir befürworten die Forschung und Entwicklung der Kernenergie der nächsten Generation.“ Das klingt nicht gerade nach Kampfgeist für ein Revival der Kernenergie und gegen die „ideologische Geiselhaft“ der Grünen. Bleibt noch die Forderung von Merz und der CDU nach CO2-Kreislaufwirtschaft, also der Ruf nach Technologien, „wie man CO2 speichern oder zurückgewinnen kann und wie man möglicherweise sogar mit CO2 neue Produkte erzeugen kann“.

Auf diesem Feld könnte es der CDU in einer Koalition mit den Grünen womöglich sogar gelingen, letztere zu spalten und dadurch zu dominieren. Zumindest Robert Habeck zeigt sich einigermaßen aufgeschlossen für „Carbon Capture and Storage“. Allerdings hat die CDU die Chance, diese Techniken in Deutschland voranzutreiben, schon vor über einem Jahrzehnt unter der damaligen CDU-Forschungsministerin Annette Schavan selbst versäumt. Man traute sich damals (in einer Koalition mit der FDP!) nicht recht, die Speicherung von CO2 im Boden offensiv in der Öffentlichkeit zu vertreten. 

Ähnliches gilt für die Einwanderungspolitik der CDU. Zaghafte Forderungen nach einer restriktiveren Asylpolitik von einigen CDU- und vor allem CSU-Politikern wurden gleich von den unionsinternen Anstandsdamen und -herren konterkariert, die Merkels 2015er-Vermächtnis hüten. Vor allem auf den schleswig-holsteinischen Ministerpräsidenten Daniel Günther können sich die Grünen hier verlassen. Das neue Aufenthaltsrecht der Ampel sei grundsätzlich richtig, verkündete der kürzlich, Deutschland müsse „weltoffen“ sein. Das ist der Sound, den die Grünen mögen. Und klar: Von „kleinen Paschas“, wie Merz, würde Günther nie sprechen. Falls es wirklich in absehbarer Zeit zu einer grün-schwarzen Koalition kommen sollte, werden die Grünen darauf setzen, dass Günther in ihr eine Hauptrolle spielt. 

Das größte Hindernis vor einer grün-gelb-schwarzen Koalition dürften nicht politische Positionen sein, sondern womöglich die Person Friedrich Merz. Der hat zwar die Hoffnungen seiner eigenen Anhänger in der Union auf klare Kante und eine Renaissance der Vor-Merkel-CDU kaum erfüllt. Aber für weite Teile der Grünen und vor allem für ihre radikalisierten Anhänger im politischen Vorfeld der NGOs und Klimaaktivisten ist Merz dennoch zu einer willkommenen Feindfigur gemacht worden. Ausgerechnet diese Person zum Kanzler zu krönen, dürfte viele Grüne mehr Überwindung kosten, als umgekehrt die meisten Christdemokraten die Preisgabe ihrer politischen Positionen. 

Nicht nur, aber auch deswegen werden die meisten Grünen dann eben doch lieber Scholz die Treue halten. 

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Kommentare ( 44 )

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libelle
1 Jahr her

USA widerlegen selbst Bedrohungslüge Die US-Politik was Panzer für Ukraine betrifft, aber nicht nur in diesem Zusammenhang, ist darauf ausgerichtet Konkurrenten auf dem Rüstungs- speziell, dem Panzersektor auszuschalten. Sie wissen dass sie selbst nur einen suboptimalen Panzer herstellen und wollen daher den bedeutendsten Konkurrenten auf dem Weltmarkt der Panzer den deutschen Leopard 2 ausschalten. Das tun sie aktuell, indem sie erstens Lieferungen und Einsätze, deutscher Leopard 2 in die Ukraine in kritischen, wenn nicht für Panzer Einsätze schlecht geeigneten Szenarien herbeiführen wollen, noch dazu mit völlig ungeeignetem und vermutlich nicht in Kürze schulbarem ukrainischen Personal, was wiederum nach sich zöge… Mehr

Siggi
1 Jahr her

Die CDU könnte es so einfach haben und große Zustimmung im Volk erfahren. Leider hat man sich für den Untergang entschieden.

elly
1 Jahr her

Baerbock liefert eine Steilvorlage nach der nächsten und Merz ist nicht willig, unfähig oder auch beides, diese zu nutzen. Jüngste Beispiele Baerbocks: „ im französischen Fernsehsender „LCI“ erklärt. „Aber, wenn wir gefragt würden, stünden wir dem nicht im Wege“, so Baerbock. Es blieb aber zunächst unklar, ob sie dabei eine abgestimmte Position der Bundesregierung vertrat.“ (…) „Denn heute wich sie vor Beginn eines Treffens mit den Außenministerinnen und -ministern der EU der „Leopard“-Frage aus – und ließ auch keine entsprechenden Nachfragen zu. Baerbock wiederholte die gestrigen Äußerungen nicht und betonte stattdessen, die internationale Gemeinschaft müsse alles tun, um der Ukraine bei… Mehr

Ohanse
1 Jahr her

Am Beispiel von Daniel Günther kann man sehr schön sehen, welche Eigendynamik sich aus winzigen Fehlern entwickeln kann. Die CDU hatte intern die Landtagswahl 2017 bereits im Vorfeld verloren gegeben. Es gab keinen Kandidaten, der sich als Wahlverlierer verheizen lassen wollte. Als Notnagel entschied man sich für Daniel Günther, der nun am Wahlabend der SPD zum Wahlsieg gratulieren und sich bei den Wahlhelfern aus der Partei bedanken sollte. Völlig unerwartet patzte dann aber sein Konkurrent Thorsten Albig von der SPD, der völlig unnötig über die Yellow-Press anläßlich einer Homestory verkündete, seine Frau könne in der Ehe nicht mehr mit ihm… Mehr

Theophil
1 Jahr her

The Germans to the Front – und der dumme Michel wird über kurz oder lang willig zum dritten Mal ins Verderben laufen. Es sind nur wenige verblieben, die dem Wahnsinn entgegentreten. Eben das Interview mit Sarah Wagenknecht im DLF gehört. Was für eine kluge Frau!

fischer
1 Jahr her

die USA verschenken nix; ihre Waffenlieferungen laufen unter „lend and lease“ (GB hat die Schulden aus WKII noch bis zur Jahrtausendwende zurückgezahlt!).
Wir Deppen verschenken unser Hab und Gut und lassen uns von ukrainischen Politikern dafür auch noch täglich blöd anmachen.
Wokistan halt.

Helmut Kogelberger
1 Jahr her

Wer wissen will, wie sich der (für die Ukraine vorgesehene) Leo 2A4 gegen entschlossene Sandalenkrieger schlägt, sollte nach der „Schlacht um Al Bab“ im Internet suchen.
In einer zugebenermaßen stümperhaft geführten Operation mit mangelhaft ausgebildeten Besatzungen verlor die Türkei in kürzester Zeit 10 Leos.

Leo 2 A4 und Marder sind auf dem ukrainischen Kriegsschauplatz genauso deplaziert, wie es eine Fokker DVII in der Luftschlacht um England gewesen wäre, und das, obwohl sie 20 Jahre zuvor das beste Jagdflugzeug der Welt war.

Andreas Bitz
1 Jahr her

Da Verschwörungstheorien bis zur Realität eine immer kürzere Halbwertszeit haben: hat Putin aus seiner KGB-Zeit ein komprimittierendes Dossier über Scholz bzgl. Wirecard und/oder Scholzens Jusozeit in Moskau? Scholz hat sich brav zurückzuhalten.

Bad Sponzer
1 Jahr her

Es geht nicht um die paar Kampfpanzer. -Es geht darum ein STOP-Signal zu setzen. Die Ukraine ist ein Fass ohne Boden. Was kommt nach den Kampfpanzern? Tornados, Eurofighter, die ganze Bundeswehr? Und die Ukraine wird diesen Krieg trotzdem nicht gewinnen. Das weiß der Scholz. die anderen sind einfach zu dämlich. Es muss ein Ende gemacht werden. Je schneller, desto besser. Die Ukraine ist am verlieren. Man merkt es an dem Geschrei der grünen Kriegshetzer, die das nicht wahrhaben wollen. Und das allerschlimmste, das Ukro-Regime würde soviele Länder wie möglich in diesen Krieg hineinziehen. Die Polen, die Hyäne Europas, träumt schon… Mehr

Astrid
1 Jahr her

Völlig korrekt, es gab zu Beginn des Krieges Demos mit großen Schildern: „Wir brauche kein russisches Gas“! Frau Baerbock hat das immer wieder bestätigt. Seit geraumer Zeit wird so getan, als wenn Russland das Gas nicht liefern wollte und schiebt die Schuld für die Energiekrise Putin zu. Die Wahrheit lautet aber, dass Deutschland und der Rest der EU sich die Suppe selber eingebrockt haben. Ich würde mal sagen, die sog. westliche Welt hat sich verzockt.