Keine Panzer für die Ukraine? Die Staatssekretärin, die zu viel sagte

Verteidigungs-Staatssekretärin Siemtje Möller hat ausgeplaudert, was in Deutschland und der Nato unausgesprochen bleiben sollte: Es gibt offenbar de facto doch rote Linien der westlichen Militärhilfe für die Ukraine – zumindest für Deutschland.

IMAGO / Political-Moments
Siemtje Möller. Parlamentarische Staatssekretärin bei der Bundesministerin der Verteidigung

Zu wissen, was man sagen sollte, und vor allem, was man nicht öffentlich sagen sollte, gehört zu den zentralen Qualifikationen des Politikers. Die parlamentarische Staatssekretärin im Bundesverteidigungsministerium Siemtje Möller hat wohl gerade in dieser Hinsicht Lehrgeld gezahlt.

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Sie hatte in der vergangenen Woche in einem Fernsehinterview gesagt, es gebe eine Absprache in der Nato, „dass keine Schützen- oder Kampfpanzer westlichen Modells geliefert werden“, weswegen auch keine deutschen „Marder“ geliefert würden. Nach einem Dementi eines Nato-Sprecher sprach sie von einer „informellen“ Absprache. Und damit machte sie es wohl für sich und die Bundesregierung noch peinlicher. Denn natürlich bohrten Journalisten nach. Und siehe da, es gab keine Bestätigung für die Staatssekretärin. Der litauische Außenminister Garbielius Landsbergis ließ sich von der Bild so zitieren: „Nein, das habe ich nicht gehört. In den Formaten, denen ich beiwohne, wurde so etwas definitiv nie besprochen“. Auch die britische Außenministerin Liz Truss und ihr tschechischer Kollege Jan Lipavsky verneinten am Freitag, dass es innerhalb der Nato Abmachungen gebe, keine schweren Waffen an die Ukraine zu liefern. Wichtig zum Verständnis dieser Affäre ist wohl der Zusatz der beiden Minister: Die militärische Hilfe für die Ukraine gehe von einzelnen Staaten aus und sei kein gemeinsames Programm des westlichen Verteidigungsbündnisses.

Dass die Verteidigungspolitiker der anderen Parteien – ob in den nicht-SPD-Koalitionsparteien FDP und Grüne oder in der CDU macht da keinen Unterschied – nun Empörung simulieren, ist wenig überraschend. Für deutsche Parteipolitiker herrscht ohnehin stets absolute Priorität fürs parteitaktische Hickhack und dazu nimmt man jede Chance wahr. Und die Berliner Journalistenschar spielt das Spiel mit. Das gibt schließlich schöne Stories mit personellem Dramatisierungspotential. Möller jedenfalls, bis zu ihrer Berufung als parlamentarische Staatssekretärin, noch nicht als herausragende Politikerin aufgefallen, steht in höchstem Maße blamiert da.

Hinter diesem deutschen Politikbetriebsnebel werden nun einigermaßen die Konturen dessen klar, was Möller als informelle Absprache und noch später dann als „Beschreibung der aktuellen Praxis in der Allianz“ in die Medienwelt hinausposaunte. Ganz offensichtlich hat Deutschland, beziehungsweise die Bundesregierung, beziehungsweise deren SPD-Teil und vor allem Bundeskanzler Olaf Scholz selbst, kein wirkliches Interesse daran, möglichst viele und möglichst effiziente schwere Waffen an die bedrängte Ukraine zu liefern. Im Gegenteil. Die Furcht vor russischen Reaktionen mag da ebenso ein Motiv sein, wie der Widerwille innerhalb seiner erstens teilweise radikalpazifistischen und zweitens traditionell Kreml-affinen Partei. Allerdings sieht er sich in seiner Ampel-Koalition und der deutschen Öffentlichkeit deswegen schwerer Kritik ausgesetzt – ausgerechnet von den Grünen, deren Parteispitzen noch vor kurzem ein Wort wie „Kampfpanzer“ nur mit Abscheu über die Lippen brachten. Also versucht Scholz zu lavieren. Und offensichtlich steht der Kanzler mit diesem Ansinnen in EU und Nato nicht alleine da.

Aber natürlich will keine westliche Regierung als unsolidarisch und feige dastehen. Und die Nato als ganze soll natürlich auch nicht so erscheinen. Also legt man eben gerade keine gemeinsame Linie fest, sondern überlässt die Verantwortung für das Maß der Waffenlieferung den Nationalstaaten.

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Wie sich jeder vorstellen kann, der schon mal „Stille Post“ gespielt hat, gehört es zu nicht schriftlich festgehaltenen Einverständnissen, dass sie jeder ein wenig anders interpretiert. Warum ausgerechnet das Liefern oder Nichtliefern von Kampf- und Schützenpanzern westlicher Bauart (im Gegensatz zu Haubitzen) eine derart zentrale Bedeutung zumindest für die Bundesregierung als rote Linie hat, konnte bislang niemand wirklich schlüssig erklären. Womöglich hat es damit zu tun, dass ohne jene beiden Waffensysteme heutzutage kein größerer (Rück-)Eroberungsfeldzug zu führen ist. Bislang ist jedenfalls noch kein westlicher Kampfpanzer an der ukrainischen Front aufgetaucht. Auch kein britischer oder amerikanischer.

Zu denjenigen, die Näheres wissen, gehören vermutlich Olaf Scholz und Emmanuel Macron. Aber was die beiden in ihren Telefonaten von Wladimir Putin zu hören bekamen, wird vermutlich nicht so bald an die Öffentlichkeit kommen. Vielleicht auch nie.

Und diejenigen, die es wissen, wissen wohl auch, warum nicht alles, worauf man sich im Kreis der Nato verständigt hat, auch schriftlich fixiert wurde. Scholz zeichnet sich, wie man aus der Affäre um den Steuererlass für die Bank Warburg weiß, vor allem durch seine Fähigkeit zum Verschweigen aus, wenn die Wahrheit für ihn unangenehm wäre. Das unterschiedet ihn von seiner unvorsichtigen Parteifreundin Möller.

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Kommentare ( 48 )

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pcn
2 Jahre her

Russland droht Amerika, hier sich nicht mit solchen Waffen als Kriegspartei einmischen zu wollen. Für wie blöde hält dieser senile Biden eigentlich Russland?

Mikmi
2 Jahre her

War es nicht Herr Scholz, der sagte, er ist nicht dafür, das die Ukraine in die EU aufgenommen wird, Herr Selenskyj war der Meinung, wir werden sein Land wieder aufbauen und das ist die verkehrte Motivation für Friedensverhandlungen.

Riffelblech
2 Jahre her

Putins angeblicher Überfall hat halt seine ukrainisch— russische Vorgeschichte . Und dabei kommt nun mal die Ukraine nicht besonders gut weg.
Um es einmal festzuhalten,dieser ,wie jeder Krieg ist furchtbar . Er muss sofort und schnellstens beendet werden . Und das geht nun mal nur über Verhandlungen und nicht mit immer lauteren Rufen nach schweren Waffen.
So wie es derzeit läuft richtet dieser unsinnige Krieg die Ukraine auf Jahre zugrunde. Fällt den Protagonisten eines immer weiter verschärfenden Kriegsverlaufes durch Sendung von noch mehr Waffen nicht auf das sie die ukrainische Zivilbevölkerung zum Abschuss freigeben ?

Franz O
2 Jahre her
Antworten an  Riffelblech

Ich glaube nicht, dass es Jahre dauern wird. Es deutet sich jetzt langsam an, dass die Strategie des Abnutzungskrieges welche Russland seit zwei Monaten verfolgt anfängt Früchte zu tragen. Solange Russland nicht die Waffen ausgehen, was angesichts der weitestgehenden Autarkie bei gleichzeitiger stiller Unterstützung durch China und Indien meiner Meinung nach nicht absehbar passieren wird, werden die Russen die wenigen ukrainischen Männer im Stellungskrieg mit ihrer vielfach überlegenen Artillerie begraben. Es bleibt abzuwarten, ob die Russen irgendwann noch einmal erwägen den Bewegungskrieg zu versuchen, sobald die ukrainische Armee ausreichend pulverisiert wurde. Dass das teuer ist im Zeitalter der totalen Überwachung… Mehr

Max Hermann
2 Jahre her

… wenn die Flut zurückgeht, sieht man, wer keine Badehose anhat, sagt eine amerikanische Redensart. Was die Territorialverteidigung betrifft, steht Deutschland „blank“ *da, wie kürzlich der kommandierende General sagte (und kein Ruheständler). Wer nichts hat, kann auch nichts liefern. Die Zögerlichkeit von Kanzler und BW-Oma, militärisches Gerät zu liefern, ist nichts anderes als das Eingeständnis, nichts zu haben. Die afghanischen Taliban könnten für ein paar Milliarden das ganze Zeugs liefern, das der Westen beim überstürzten Abzug dort gelassen hat. 😉   * Bei den ganzen poly-, multi-, trans- und divers-sexuellen Entitiäten in der BW ist „blank“ natürlich ein völlig gender-unsensibler… Mehr

Innere Unruhe
2 Jahre her

Ich würde es auch bedenklich finden, Millionen von Migranten, verteidigen zu müssen.
Wenn Heimat und deutsche Kultur so rechts sind, sind sie es wert, verteidigt zu werden?
Ja, eine starke Armee braucht moralische Unterstützung und Wertschätzung der Bevölkerung.

Innere Unruhe
2 Jahre her

Was unterscheidet den Konflikt zwischen Russland und Ukraine von dem zwischen Armenien und Azerbajdzhan?
Beides sind bewaffnete Konflikte. Warum hat sich DE in Berg-Karabach zurückgehalten, eine Position einzunehmen?
Unsere Politik hat so an Glaubwürdigkeit verloren – nach Innen machen sie keinen Unterschied zwischen den Ländern und Menschen. Nach außen tun sie das sehr wohl.
Es würde mich sehr freuen, wenn DE endlich deutsche Interessen formulieren und Vertreten würde. Interessen anderer Bürger haben deren Regierungen zu vertreten.
Vielen Dank für diesen Artikel. Er überzeugt mich in meiner Einstellung, Opposition zu wählen.

Ohanse
2 Jahre her

So, wie Scholz in verschiedenen anderen Angelegenheiten bereits gelogen hat: Wieso sollte plötzlich das, was er nun sagt, die Wahrheit sein? Einige Kommentatoren hier haben ein ausgeprägt selektives Wahrnehmungsvermögen. Wahr ist, was ihnen in den Kram passt. Egal, was Scholz gerade schwätzt: Der fällt um, sobald mal ein richtiger Wind weht und nicht so ein laues Propagandalüftchen wie jetzt gerade.

GefanzerterAloholiker
2 Jahre her

Mit der russischen Föderation haben wir nur einen Waffenstillstand. Mehr nicht. Das ist das Ergebnis von Jahrzehnten Parteienstaat: kein Friedenvertrag.
Bemerkenswert, nicht wahr?

Lina
2 Jahre her

Von der Staatssekretärin wurde in diesem Interview mehrfach und offensichtlich mit Absicht diese vermeintliche Abmachung platziert. Das wording ist überdeutlich rüberkommen, persönlich fand ich diese Aussage im Fernsehen beim ersten beiläufigen Zuschauen schon unangenehm überbetont. War das jetzt Absicht oder eine weitere tölpelhafter Auftritt aus den Reihen des Verteidigungsministeriums?

TinaTobel
2 Jahre her

Stichwort „Furcht vor russischen Reaktionen“:
Mit Blick auf die Geschichte halte ich es für denkbar, dass Russland an Deutschland andere Maßstäbe anlegt als an andere westliche Länder.